Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 175: Sterben und Selbstbestimmung

Die Gebüh­ren­ge­sell­schaft

Die Steuerpolitik kehrt zu ihren Anfängen zurück.

Aus: vorgänge Nr. 175, (Heft 2/2006), S. 148-158

Mehrwertsteuer rauf, Reichensteuer einführen – auch wenn die Maßnahmen dem ersten Anschein nach dem neuen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck recht geben in seiner Forderung, der Staat bräuchte mehr Geld um seine Aufgaben zu erfüllen, sprich: die Staatsquote könnte doch auch etwas höher ausfallen ist die damit verbundene Erwartung, der umverteilende Steuerstaat des 20. Jahrhunderts sei noch nicht aus allen Köpfen verschwunden, trügerisch. Denn einmal abgesehen von der Tatsache, dass die zu erwartenden Erträge der Reichensteuer kaum der Rede wert sein werden, bestätigt sich mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Steuerpolitik ein struktureller Wandel, der  im gesellschaftspolitischen Raum schon seit längerem thematisiert wird.  
Der Ruf nach dem Gebührenstaat oder gar der Gebührengesellschaft wird lauter. Nur noch das bezahlen, was man als Bürger auch tatsächlich in Anspruch nimmt, was als Preis der öffentlichen Leistung direkt zugeordnet werden kann. Auch Abgaben auf Waren – also sogenannte indirekte Steuern (Mehrwertsteuer, spezielle Verbrauchsteuern) – passen in dieses Bild. Sie werden je nach Verbrauch fällig. Direkte Steuern (auf Einkommen, Erträge, Vermögen) im Allgemeinen und sie zu bezahlen im Besonderen gilt dagegen als nicht sehr zeitgemäß. Dabei gerät aus dem Blick, dass eine Abkehr vom Steuerstaat auch das Gesicht des demokratischen Sozialstaats deutlich verändern würde. Welche historischen Anklänge diese Veränderungen haben, davon soll dieser Beitrag handeln. In einem schlaglichtartigen Parforce-Ritt durch die neuzeitliche Steuergeschichte möchte ich deutlich werden lassen, in welcher ideengeschichtlichen Tradition sich heutige steuerpolitische Vorschläge bewegen. Und welche Vorstellungen von Gerechtigkeit und Staat damit aufleben. So werden Steuermodelle gepriesen, die ihre historischen Wurzeln in Zeiten von Absolutismus und Ständegesellschaft haben, wahlweise liberal oder naturrechtlich gerahmt.
Im historischen Rückblick war der Weg, den die steuerpolitischen Ideen seit dem Mittelalter zurückgelegt haben, durchaus fortschrittlich: weg von den Kontributionen und Schätzungen (einmalige, direkte Abgaben) und dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung im Feudalismus hin zur teilweisen Verallgemeinerung der Besteuerung durch die Akzisen (was in etwa den Verbrauchsteuern entspricht) des späten Absolutismus und schließlich – über die proportionale – hin zur progressiven Besteuerung von Einkommen, Erträgen, Vermögen im modernen demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Dabei wandelten sich auch die Zielsetzungen, die mit der Besteuerung verbunden wurden: Neben dem fiskalischen Ziel der mehr oder weniger gerecht gestalteten Mittelbeschaffung zur Budgetdeckung gewannen zunehmend sozial- und wirtschaftspolitische Vorstellungen Einfluss auf die Steuergestaltung. Der mit diesen Vorstellungen verknüpfte Gedanke der Einkommensumverteilung über die Besteuerung ist dabei auf das Engste verknüpft mit dem demokratischen Sozialstaat des 20. Jahrhunderts.

Das Prinzip Leistung und Gegen­leis­tung


„In der Geburtsstunde der neuzeitlichen Besteuerung fehlte“ – worauf Fritz Karl Mann (1937:45) hinweist – „eine in unserem Sinne öffentlich-rechtliche Sphäre“ noch völlig. Die Steuer war als eine unverdächtige Form lehnsrechtlicher Verpflichtungen entwickelt worden und hatte erst allmählich deren Eigentümlichkeiten abgestreift und „den ursprünglichen Charakter der Freiwilligkeit durch den Zwangscharakter ersetzt“. Dabei war auch der „Durchbruch des Gedankens der Steuerpflicht (…) ein ungeheurer, sittlicher und geistiger Fortschritt“ wie Gustav Schmoller (1877:112) schwärmte.
Aus der Auffassung der Staatswirtschaft als einer „Privatwirtschaft im Großen“ folgte die Rechtfertigung der Steuererhebung: Schon im Ständestaat des Feudalismus war die Steuer eine Leistung der Stände, die mit der Gegenleistung des Fürsten aufgewogen werden musste. Leistung und Gegenleistung mussten einander entsprechen – eine Beziehung, die später und modifiziert bis heute unter dem Begriff des „Äquivalenzprinzip“ seine Entsprechung findet.
Ein Prinzip, das auch die aktuelle Steuerpolitik prägt. Wenn – zuletzt unter der rot-grünen Bundesregierung – neue oder neu gestaltete Steuern oder Abgaben eingeführt werden sollten, wurden diese grundsätzlich zweckgebunden begründet. So sollte die sogenannte Ökosteuer (die vorwiegend auf einer Umstrukturierung der Mineralölsteuer und einer neu eingeführten Stromsteuer basiert) die vermeintlich notwendige Reduzierung der Lohnnebenkosten finanzieren und tut dies seither durch eine Reduzierung der Rentenbeiträge. Auf diese Weise bekommt eine Steuer, deren Charakteristikum es gerade ist, dass sie nicht zweckgebunden erhoben wird, eine klare Zweckbindung. Andere Neueinführungen der letzten Jahre heben den Gebührencharakter gleich deutlich hervor: So wurde die neue LKW-Maut hauptsächlich als „Finanzierungsbeitrag Straße“ eingeführt. Studiengebühren sollen die Hochschulen mitfinanzieren.
Der dahinter stehende Gedanke nach Leistung und Gegenleistung findet sich nicht nur in der Praxis, sondern auch in einer theoretischeren Betrachtung von Gerechtigkeit und Staat. So fand beispielsweise ein Artikel des Historikers Paul Nolte öffentliches Interesse, in dem dieser die Abkehr vom Steuerstaat des 20. Jahrhunderts fordert: „Wir brauchen einen Kurswechsel vom Steuerstaat zur Gebührengesellschaft. Die Maut, die Straßenbenutzungsgebühr, ist dafür ein Beispiel: Wer eine Leistung in Anspruch nimmt – hier: die Bereitstellung eines Verkehrsweges -, zahlt unmittelbar dafür und wird es gerne tun, weil er weiß, was er dafür erhält.“ (Nolte 2004:128)  Im Rückblick auf das feudale Steuersystem bringt einer der bedeutendsten Finanzwissenschaftler der 1930er Jahre, Fritz Karl Mann (1937:47), solche steuerpolitischen Verhältnisse auf den Punkt, wenn er recht ungerührt feststellt, dass diese privatwirtschaftliche Deutung des Steuerproblems auch den dürftigen Stand politischen Gemeinschaftsdenkens erkennen lässt. 

Das Prinzip der Allge­mein­heit

Insofern war es für die damalige Zeit schon ein Fortschritt, als sich das Akzisenideal des Absolutismus wie eine Modewelle über die europäische Staatenwelt des 17.Jahrhunderts ausbreitete, wie Gustav Schmoller beschreibt:  „Man schwärmte für sie“ (1877:61) – auch weil das Bauern- und Bürgertum erkannte, dass seine bis dahin vergeblichen Forderung nach einer sozialen Steuerreform, die für alle gilt, auf keinem schnelleren Wege als über die Akzisen (ein Begriff der in etwa die Verbrauchsteuern – also indirekte Steuern – umfasst) verwirklicht werden konnte.
Rechtfertigte das Äquivalenzdenken im Feudalstaat noch die ständischen Steuerprivilegien: „Der Geistliche dient mit seinem Gebet, der Adlige mit dem Schwert und nur der Bürger mit Hab und Gut“ (Schmölders 1968:125), so wurde die Steuerpflicht nun teilweise verallgemeinert. Zwar verteidigten Adel und Geistlichkeit nach wie vor zäh ihre Steuerprivilegien und ihre ständischen Sonderrechte. Ihre  Befreiung von direkten Zwangsabgaben blieb denn auch unangetastet. Allerdings wurde mit den Akzisen jeder der verzehrte und verbrauchte steuerpflichtig – ungeachtet des jeweiligen Standes. So können die Akzisen des späten Absolutismus als ein erster Schritt hin zur teilweisen Verallgemeinerung der Steuerpflicht gelten. Gerühmt wurden die Akzisen damals auch für ihre Freiwilligkeit (wer wolle, könne sich dieser Last entziehen, indem beispielsweise auf den Kauf von Mehl verzichtet würde), ihre Unmerklichkeit (da auf Waren erhoben, sei sie quasi „unsichtbar“), ihre Erziehungsfunktion (Anregung zur Sparsamkeit und daraus folgend die Reichtums Vermehrung) sowie ihre fiskalische Ergiebigkeit.
So liest sich vieles aus dem „Akzisestreit im Zeitalter des Absolutismus“ einigermaßen bekannt aus zeitgenössischen Diskussionen um die vermeintlichen Vorzüge der indirekten vor der direkten Besteuerung. Der Trend zu einem neuen Steuermix –  also immer mehr Staatseinnahmen aus indirekten denn aus direkten Steuern – zeichnet schon seit einigen Jahren ab und wird perspektivisch fortgesetzt werden, wenn beispielsweise Unternehmenssteuersenkungen von einer 3%igen Erhöhung der Mehrwertsteuer sekundiert werden, wie von der großen Koalition für 2007 geplant. Dabei weist nicht nur der erste Blick auf diese Entwicklung bereits auf deren zentrales Gerechtigkeitsproblem hin: die Verbrauchsteuern sind von allen Menschen in gleicher Höhe und unabhängig von der Höhe der individuellen Einkommen zu bezahlen. Arme zahlen so viel wie Reiche. Und mit jeder Erhöhung der Steuersätze steigt auch die Belastung der Armen gegenüber den Reichen überproportional an.
Interessant ist auch, wie damals wie heute Zweifel an der Frage nach der Gerechtigkeit zurückgewiesen wurden: Wie in den Debatten um die bereits verschiedentlich erhöhte Tabaksteuer wurden diese Zweifel mit dem Argument der Freiwilligkeit beschwichtigt – wer wolle könne sich den Kosten ja entziehen – durch Verzicht. Was Vielen im Zusammenhang mit dem mittlerweile weithin verpönten Rauchen noch einsichtig erscheinen mag, wird im Zusammenhang mit lebensnotwendigen Produkten fragwürdig oder wie Fritz Karl Mann (1937:124) im Hinblick auf die Freiwilligkeit der absolutistischen Akzisen pointiert: „die These von der freiwilligen Fleisch- und Mehlakzise (könnte) beinahe in dieselbe Rubrik wie das Trostwort vom „freiwilligen Tod“ verwiesen werden“.
Die Wahrnehmung dieser Ungerechtigkeiten, die Nöte des kleinen Bauern- und Bürgerstandes, seine Schutzlosigkeit gegenüber den Fürsten und den Willkürakten des absolutistischen Polizeistaates bildeten in vielen Ländern auch den Hintergrund für die Entwicklung und Werbekraft naturrechtlicher Ideen und Forderungen1 nach Allgemeinheit, Gleichheit.
 
Die Prinzipien von Gleichheit und Fähigkeit

So drangen Schritt um Schritt infolge des Absolutismus die naturrechtlichen Ansätze ins allgemeine Bewusstsein vor: „Sie werden zum wissenschaftlichen und politischen Rüstzeug der neuen Elite, die schließlich in organischer Entwicklung wie in England oder mit revolutionärer Gewalt wie in Frankreich die politische Herrschaft übernimmt“ (Mann 1937:87).
Mit dem Naturrecht bekam nicht nur das Prinzip der Allgemeinheit (s.o.) der Steuerpflicht Auftrieb, sondern wurde um ein wesentliches ergänzt: die Idee der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (dem Gleichheitspostulat) und der Ansicht, dass diese nur durch die – proportionale – Anpassung an die Leistungsfähigkeit (dem Fähigkeitspostulat) erreicht werden könne. In beiden Forderungen schienen sich die unveräußerlichen Individualrechte zu verkörpern.
Und das Naturrecht hatte ein neues Ziel gesetzt: Eine Haupterfordernis der Besteuerung wäre die Gerechtigkeit. Und gerecht sei – so zumindest die Mehrheitsmeinung – die geschichtlich gegebene Wohlstandsverteilung. Keinesfalls sollte die Steuerpolitik das überkommene Gefüge der Besitzverhältnisse erschüttern – angestrebt wurden lediglich Belastungskorrekturen im Wege einer Steuerreform. Als missbräuchlich wurden entsprechend diejenigen steuerlichen Belastungen betrachtet, die nicht nach Fähigkeiten abgestuft wurden und daher den einen auf Kosten des anderen Standes bereicherten. Im Umkehrschluss galt als der sicherste Maßstab für die Steuerhöhe das Vermögen, der Ertrag und das Einkommen – worauf Steuern – entsprechend des Ziels der „Unversehrtheit der relativen Wohlstandverteilung“ (W. Petty) proportional – also nicht progressiv – erhoben werden sollten.
Auch die naturrechtliche Forderung nach Proportionalität in der Einkommensbesteuerung – also aus heutiger Sicht die Ablehnung eines umverteilenden progressiven Steuersatzes – verfügt über ein aktuelles Pendant. Der Steuerrechtler und ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhoff ist wohl der prominenteste Vertreter, wenn er fordert, alle Einkommen mit einem einheitlichen Grenzsteuersatz von 25% zu belasten bzw. zu entlasten. Und auch hier wieder: Was aus Sicht absolutistischer Zeiten ein deutlicher steuerpolitischer Fortschritt war – alle Individuen gleichermaßen sollten proportional zur Höhe ihrer Einkommen Steuern bezahlen – kann uns aus heutiger Sicht nicht froh stimmen. Die ausschließliche    Orientierung am Prinzip der Leistungsfähigkeit – alle zahlen 25%, was natürlich im Falle eines höheren Einkommens absolut eine höhere Summe ist als bezogen auf niedrigere Einkommen – zementiert dennoch die vorgefundene Wohlstandsverteilung. Von einer umverteilenden Wirkung mit dem Ziel des Ausgleichs sozialer Gegensätze – für viele Steuerrechtler bis heute einer der Kerne des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes – sind diese Vorschläge weit entfernt.
Doch zurück ins 18. Jahrhundert: Gipfelte das steuerpolitische Ideal des Naturrechts in einer Art Interessenabwägung zwischen Individuum und Staat, so schlägt das Pendel mit dem Menschenbild der Klassik nach einer anderen Richtung aus.
Die Forderung nach der Minimierung der Besteuerung
Die klassischen Maximen der Besteuerung im Liberalismus sind durchweg individualistisch orientiert. Und so sollte die Besteuerung keinesfalls höher sein, als das zum Fortbestand des Staates absolut notwendige Minimum. „Besteuerung in jeder Form“ so David Ricardo (1921:163) „ist nichts weiter als eine Wahl von Übeln“. Gleiches gilt für den „Staatsaufwand“: die Beschränkung der Staatsausgaben, der Verzicht auf Staatsbesitz und Staatsbetriebe gehören – wie die Minimierung der Steuern – auch heute noch zum bekannten, mehrheitlichen Grundkanon des Finanzliberalismus.
Dabei waren sich die Klassiker keineswegs einig, welchen der Steuern sie zur Finanzierung des „Minimums“ Vorrang einräumen sollten. Während im Interesse der Verkehrsfreiheit die einen die Binnenzölle und die Verkehrssteuern – also die indirekten Steuern – zurückdrängen wollten, so insbesondere Adam Smith und David Ricardo, pries Jeremias Bentham, ein weiterer Vertreter der klassischen Schule, die Überlegenheit indirekter Abgaben insbesondere mit den Argumenten der Freiwilligkeit (s.o.) und der Beschränkung des Kreises der Steuerbetroffenen. Einig waren sich die genannten drei allerdings bei der grundsätzlichen – aber im Falle Ricardos nicht ausnahmslosen – Ablehnung der direkten Besteuerung.
Smith wollte sowohl den Profit (Unternehmensgewinn; Kapitalzins) als auch den Arbeitslohn steuerfrei belassen. Seine erste Maxime der Besteuerung nach Fähigkeiten sollte sich auf eine Grundrentensteuer (Grundsteuer/Landertragsteuer) beziehen: „Der jährliche Ertrag von Boden und Arbeit der Gesellschaft, das wirkliche Vermögen und Einkommen der großen Volksmasse kann nach Einführung einer solchen Steuer dasselbe bleiben wie zuvor. Grundrenten und die gewöhnliche Bodenrente sind deshalb vielleicht diejenigen Einkünfte, die eine ihnen besonders auferlegte Steuer am besten ertragen können“ (Smith 2004:868). David Ricardo (1921:154f.) lehnte eine allgemeine Einkommensteuer ebenfalls ab – als „eine verhasste Maßnahme“, die den Gefühlen und Gewohnheiten eines freien Landes widerspräche. Er stellte eine Getreidesteuer an die Spitze seiner Besteuerungspläne.
Dass sich die klassischen Vorschläge in der Praxis so nicht wieder fanden, erklärt Mann (1937:229f.) mit den Widersprüchlichkeiten denen die „liberalen Staatsmänner“ ausgesetzt waren: „Der geistige Zwang, unter dem die liberalen Staatsmänner standen, machte sie zu geborenen Gegnern der allgemeinen Einkommensteuer. Aber die Gewalt der finanzpolitischen Lage hat sie allmählich mit der theoretischen Unfolgerichtigkeit ausgesöhnt. Dem Staatsinteresse opferten sie ihre „Doktrin“. Noch mehr: die späteren liberalen Finanzpolitiker hielten es für ihre Pflicht, das Programm der allgemeinen Einkommensteuer auch wissenschaftlich zu unterbauen und griffen hierbei wiederum auf das überlieferte individualistische Gedankenrüstzeug zurück.“ So wurde – wie Mann an anderer Stelle beschreibt (1937: 248) – die naturrechtliche Überlieferung vom Vorrang der direkten Steuern wieder aufgenommen und mit politischen Motivationen gestützt (Rücksicht auf Demokratie und Parlamentarismus durch die Offenkundigkeit der Steuer – zu verstehen gegenüber der „Unsichtbarkeit“ indirekter Besteuerung; Rücksicht auf die politische Freiheit „Die direkte Steuer ist die Steuer des freien Mannes“). Auch nach Josef Schumpeter (1929:382) ist die Einkommensteuer „die reinste – und technisch und juristisch schönste – Gestalt des  Steuergedankens überhaupt“, „die beste Leistung und der Höhepunkt der Steuerkunst des liberalen Bürgertums“.
So waren also – jenseits der Doktrin der freien Tauschgesellschaft und von Forderungen wonach fiskalische Eingriffe weder den Wettbewerb und Güterumsatz hemmen noch die Kapitalbildung vermindern dürfen – mit dem Finanzliberalismus verschiedene steuerpolitische Programme verträglich. Eine solche Flexibilität bzw. pragmatische Vielfältigkeit gehört im Zusammenhang mit den steuerpolitischen Vorstellungen zeitgenössischer liberaler Parteien leider in den Bereich der Phantasie.
Allerdings: Auch die  späten Vertreter des Finanzliberalismus des späten 18. und beginnenden 19.Jahrhunderts blieben mehrheitlich bei der Vorstellung der Proportionalität der Einkommensbesteuerung und wiesen Forderungen nach Progression auch aus den eigenen Reihen zurück.

Das Prinzip der Progression

Aus den eigenen Reihen formulierte Jean Baptiste Say (1844:495ff.), dass er noch einen Schritt weiter gehe als Adam Smith und sich nicht schäme auszusprechen, dass die progressive Besteuerung die allein gerechte sei. So müsse die Steuer vor allem auf Überfluss gelegt werden, denn der Verzicht auf einen Genuss wäre besser als die Beschränkung des notwendigen Lebensbedarfs. Vom wirtschaftlichen Standpunkt her müssten die Steuern so beschaffen sein, dass sie der Reproduktion möglichst wenig schaden. Diese fände sich aber niemals bei den überflüssigen, immer nur bei den notwendigen Ausgaben. Über diese Formulierung der Besteuerung nach den Bedürfnissen des einzelnen Menschen gelangte Say schließlich zur Steuerprogression.
Der Ansatzpunkt `Bedürfnisse´ zur Begründung der Progression der Besteuerung spielte bereits bei Montesquieu (Esprit des Lois, Buch XIII, Kap. VII) eine Rolle, wenn er schreibt, dass die Personalsteuern, um gerecht zu sein, nicht der Proportion der Güter, sondern der Proportion der Bedürfnisse folgen müsse.
„Das Bekenntnis zum Progressionsprinzip“ so Mann (1937:264) „wurde denjenigen erleichtert, die den Harmoniegedanken der Aufklärung über Bord warfen; denn eine disharmonische Güterverteilung rief nach einer Korrektur, und als deren Werkzeug konnte eine progressive Steuer dienen. Noch näher lag das Progressionsprinzip den radikalen Denkern, die im Staate nicht einen natürlichen Organismus oder eine Form der Volksgemeinschaft erblickten“, sondern einer Organisation basierend auf Kategorien von Macht und Herrschaft. 
So lieferte das 19.Jahrhundert auch reichliches Anschauungsmaterial. Die fortschreitende Industrialisierung und die damit einhergehende Verarmung und Verelendung immer weiterer Kreise der Bevölkerung hemmten auch die freihändlerische Begeisterung für die ungehemmte Entfaltung der Wirtschaftsenergien.
Aus den politischen Kämpfen, an denen seit Mitte des 19.Jahrhunderts Arbeiterparteien beteiligt waren, formulierte Ferdinand Lassalle im Anschluss an Say, dem „Chef der französischen Bourgois-Oekonomie“ (Lassalle 1893, S. 21), dass jede Steuer ungerecht sei, die den Einzelnen nicht im Verhältnis zu seinen Einkünften träfe. Und gerade die indirekten Steuern träfen jeden umso stärker, je ärmer er sei. Durch die indirekte Steuer sichere sich das Kapital so gut es eben gehe die Steuerfreiheit, die früher in der Adelszeit beim adligen Grundbesitz anzutreffen gewesen sei. So forderten Lassalle und die deutsche Sozialdemokratie zentral die Progression der Einkommensbesteuerung.
Während sich die SPD im Gothaer Programm von 1875 auf eine einzige progressive Einkommensteuer in Staat und Gemeinde bezog, bekannte sich die Partei im späteren Erfurter Programm zu einem steuerlichen Dreigestirn aus Einkommensteuer, Vermögen- und Erbschaftssteuer. Dafür sollten alle übrigen Zwangsabgaben fortfallen: Abschaffung aller indirekten Steuern, Zölle und sonstigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, welche die Interessen der Allgemeinheit den Interessen einer bevorzugten Minderheit opferten. 
Heute ungewohnte Worte aus sozialdemokratischer Feder. Wenn die SPD dieser Tage eine Gerechtigkeitslücke in den eigenen Einkommensteuerreformen der letzten Regierungsjahre entdeckt hat und die sogenannte Reichensteuer (einen 3%igen Einkommensteuertarif-Zuschlag auf individuelle Einkommen ab 250.000 Euro) einfordert, dann hat dies wenig zu tun mit einem erneuerten Bekenntnis zur Steuerprogression. Diese kappte die rot-grüne Bundesregierung durch ihre Senkungen der Einkommensteuersätze der vergangenen Jahre erheblich. So liegt der Spitzensteuersatz derzeit bei 42% für individuelle Jahreseinkommen ab 50.000 Euro. Die nun von der großen Regierungskoalition für 2007 angekündigte Reichensteuer bedeutet also lediglich, dass auf wirklich reichliche Einkommen ein Spitzensteuersatz zu bezahlen wäre, wie er auch 2004 Jahr zu bezahlen war – immer noch weit weniger als in den Jahren zuvor. Jahreseinkommen zwischen 50.000 und 250.000 Euro  – ebenfalls keine geringfügigen Einkommen – würden dem Vorschlag zufolge entsprechend ebenfalls lediglich proportional besteuert.
In eine völlig andere Richtung gingen  die Vorschläge der bürgerlichen Sozialreformer, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts und im Windschatten einer erstarkenden Arbeiterbewegung eine „sozialpolitische Besinnung“ forderten.

Die soziale Funktion der Besteuerung

Die Regierung sollte nicht nur die durch die kapitalistische Wirtschaft Entwurzelten und Verarmten unterstützen, sondern auch die den ärmeren Schichten abgeforderten fiskalischen Lasten vermindern. Zentral war eine Forderung, die einen offenen Bruch mit den bisherigen naturrechtlich-liberalen Vorstellungen bedeutete. Die Steuer erhielt eine neue umfassende Aufgabe: sie sollte als Regulator der Wohlstandsverhältnisse dienen und so als Hebel der Gesellschaftsreform wirken. Eine soziale Steuerpolitik sollte für einen gerechten Ausgleich der bis dahin als gegeben unterstellten Einkommens- und Vermögensverteilung  sorgen.
Obwohl bereits zeitlich früher Forderungen nach steuerlicher Abschwächung der Ungleichheit der Besitzverteilung vernehmbar waren, waren es die Sozialreformer, die dem Staat als der „Personifikation der ganzen sittlichen Gemeinschaft“ (Schäffle 1873:32) eine umfassende sozialethische Funktion zuwiesen und damit einhergehend auch die Aufgabe, auf eine richtige Verteilung des Volkseinkommens hinzuwirken. So sollten Sozialpolitik und Steuerreform unzertrennlich sein. Die Zeit sollte vorüber sein, so Constantin Frantz (1881:49f.), in der das Steuerwesen „nur unter dem fiskalischen Gesichtspunkt gehandhabt“ wurde, in der die Finanz zufrieden war, wenn die erforderlichen Steuern eingingen und nicht weiter fragte, „ob die Gesellschaft in Millionäre und Proletarier zerfällt“.
Für die praktische Steuerpolitik bedeutete dies neben den bereits bekannten Forderungen (z.B. Ersatz des proportionalen durch den progressiven Tarif; Ergänzung der Einkommensteuer durch Erbschafts-, Luxus- und Vermögenssteuern) auch erheblich weiter reichende Folgerungen: Eigentliche (reelle) Vermögens- und Kapitalsteuern, die nicht aus dem Einkommen geleistet werden sollten, sollten eine Abflachung der Wohlstandspyramide bewirken (Wagner 1890:385). Neben die Bevorzugung der direkten Steuern trat die Forderung nach Vergünstigung für die Armen und „minderbemittelten“ Schichten. Nur in dem Fall, dass gleiches Einkommen auch gleiche Steuerfähigkeit verbürgte, dürfte der Lastenanteil nach der Einkommenshöhe bemessen werden. Dieser Tatbestand wäre aber nicht die Regel: So könnten zwei Männer mit gleichem Einkommen ungleich steuerfähig sein, z.B. dann, wenn das Einkommen des Ersten aus Zinsen und Dividenden, das Einkommen des Zweiten dagegen aus Gehalt oder Arbeitslohn entspringe. Das erste Einkommen ist zeitlich unbegrenzt, das zweite Einkommen zeitlich – nämlich auf Dauer seiner Berufstätigkeit oder Erwerbsfähigkeit begrenzt. Daraus aber folge eine Verschiedenheit der Bedürfnisse. Wer ein zeitlich befristetes Einkommen beziehe, müsse für sein Alter oder seine Kinder etwas zurücklegen, während der andere, dessen Einkommen aus vererblichem Vermögen stammt, sein gesamtes Einkommen verbrauchen könne ohne seine oder die Zukunft seiner Kinder zu gefährden. Folglich müsse aus dem steuerpflichtigen Einkommen diejenigen Teile ausgesondert werden, die dem Sparen dienen. Aus ähnlichen Überlegungen resultierten weitere Unterscheidungen (zwischen regelmäßigem und einmaligem, freiem und gebundenem, fundiertem und unfundiertem Einkommen), ein System von Abzügen und eine Verbreiterung der Steuerbefreiung eines Existenzminimums.
Wenn die Sozialreformer wie oben beschrieben bestechend plausibel begründen, dass Einkommen aus Vermögen und Erträgen im Ergebnis höher besteuert werden müssten als Arbeitseinkommen, so klingt dies aus heutiger Sicht geradezu unglaublich. Denn der Trend geht in die genau entgegen gesetzte Richtung, wie auch die Diskussionen um die „Reichensteuer“ zeigen: Nur hohe Erwerbseinkommen sollen mit dem Aufschlag belegt werden, nicht aber Einkommen aus Unternehmenstätigkeit, die nach bundesdeutschem Recht aber gleich zu behandeln wären. So setzt sich die große Koalition lieber einer potentiellen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht aus, als weiter alle Einkommen zumindest gleich zu behandeln – ganz zu schweigen von der Umsetzung der Idee der Sozialreformer Erwerbseinkommen zu bevorzugen.
Wenn die große Koalition im Zusammenhang mit der „Reichensteuer“ überdies darauf hinweist, dass die rechtliche Fragwürdigkeit der Ungleichbehandlung von Einkommen im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform im kommenden Jahr „legalisiert“ würde, weist dies auch darauf hin, wie weit reichend der systematische Eingriff dieser Reform sein wird. So argumentieren CDU und SPD (unterstützt von grünen und liberalen Steuerexperten) in Richtung einer so genannten dualen Einkommensbesteuerung. Das Modell bedeutet, dass Einkommen aus Kapitalerträgen sowie von Unternehmen künftig mit einem erheblich niedrigeren – proportionalen – Steuersatz belegt werden sollen, als – die weiter progressiv zu besteuernden – Arbeitseinkommen. Menschen mit hohen Kapitaleinkommen sollen auf ihre Kapitalerträge also künftig weniger Steuern zahlen, als Menschen, die ihre Einkünfte aus Arbeitseinkommen beziehen. Die Protagonisten einer solchen Reform werden dabei nicht müde zu betonen, dass dies alles notwendige Reaktionen auf die gewachsene und grenzenlose Mobilität des Kapitals und den daraus resultierenden Steuerwettbewerb seien. Heimische Unternehmen müssten (wieder) wettbewerbsfähig werden, ausländische Investitionen gewonnen werden. Dass der Steuerwettbewerb vorwiegend unter den Mitgliedern der Europäischen Union selbst ausgetragen wird und es nahe liegende Alternativen dazu gäbe (Stichwort Harmonisierung und Mindestbesteuerung) wird zur Fußnote. Mit der bevorstehenden Einführung der duale Einkommensbesteuerung wird aber das grundlegende Prinzip mindestens der Gleichbehandlung der verschiedenen Einkommensarten über Bord geworfen und damit auch ein grundlegendes Gerechtigkeitsprinzip in der Besteuerung. Doch zurück ins 20. Jahrhundert.

Die wirtschafts­po­li­ti­sche Funktion der Besteuerung

Neben den sozialpolitischen Vorstellungen, die sich im Zuge der Sozialreformen auch auf die Ausgestaltung der Steuersysteme bezogen, gewannen in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts auch zunehmend wirtschaftpolitische Ziele Raum in den finanzwissenschaftlichen Debatten und schließlich auch in den konkreten Steuergesetzen. Mit der von John Maynard Keynes in seiner „General Theory“ vorgeschlagenen redistributiven Besteuerung wurde das bis dahin vorwiegend sozial-ethisch motivierte Programm der Einkommensumverteilung mit einer sozial-ökonomischen Begründung ausgestattet: die „Neigung zum Verbrauch“ und damit die effektive Nachfrage sollte durch Einkommensnivellierung verstärkt werden, um zur Vermehrung der Beschäftigung – dem zentralen Ziel der Fiscal Policy – beizutragen.2 Mit einer solchen Betrachtungsweise änderte sich aber auch die Bedeutung des Budgetgleichgewichts im Sinne des jährlichen (materiellen) Haushaltsausgleichs, „wird doch die Realisierung dieses Gleichgewichts nunmehr aus einem Dogma zu einer Zweckmäßigkeitsfrage“ (Schmölders 1970:466).3
Die aus heutigen politischen Diskussionen bekannte und recht eingängige Formel, wonach die jeweils aktuelle Haushaltspolitik künftige Generationen nicht belasten dürfe, holt somit den dogmatischen Gedanken des jährlichen Haushaltsausgleichs zurück in die politische Arena. Der Frage, ob eine solche dogmatische Betrachtung auch zu den gesellschaftlichen Herausforderungen der    Zeit passt, bleibt wenig Raum überhaupt noch gestellt zu werden. Aber – wie gezeigt wurde – auch weitere steuerpolitische Gedanken, die das 20. Jahrhundert prägten, haben ihre Kraft in den letzten Jahren verloren: dazu gehört die Gleichbehandlung aller Einkommen und die Einkommensumverteilung über die progressive Besteuerung aller Einkommen.

Zurück in die Zukunft!

Diese Umverteilungswirkung der Steuerpolitik ist für viele Steuerrechtler aber bis heute einer der Kerne des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes. Das Sozialstaatsprinzip verpflichte den Staat für einen Ausgleich sozialer Gegensätze zu sorgen. Diesem Ziel diene die steuerliche Umverteilung: durch einen progressiven Einkommensteuertarif sowie durch Vermögensteuer und Erbschaftsteuer. So müsse – gemäß dem Sozialstaatsprinzip – die ursprüngliche Wohlstandsverteilung korrigiert werden. (Tipke/Lang 1989:49f.) Maßstäbe, die in den Verfassungskommentaren unter Steuerrechtlern anscheinend noch weithin geteilt werden, klingen heute politisch dennoch wie aus einer anderen Welt.
Die heutige steuerpolitische Welt lebt, wie ich zu zeigen versuchte, in Rekursen  auf die Vergangenheit. Die Hauptorientierung der aktuellen Steuervorschläge an feudalistischen und absolutistischen Steueridealen, wahlweise naturrechtlich oder liberal gerahmt, lässt ebendiese aus heutiger Sicht sehr reduzierten Vorstellungen von Gerechtigkeit und Staatlichkeit wieder aufleben. Dass jeder politischen Verfassung eine Steuer entspräche – und umgekehrt – formulierte schon Montesquieu. Und so wünscht man sich aus der jüngeren Geschichte steuerpolitischer Ideale einige zurück in die aktuellen Debatten.
Was aber bedeuten die aktuellen Steuervorschläge für die Verfassung des Steuerstaates der Gegenwart? Sie bedeuten zumindest, dass er in keiner guten ist. Und mit ihm leidet der Sozialstaat, dessen Qualität unmittelbar mit der Qualität des Ersteren verknüpft ist. Eine „Zurück-Modifizierung“ des umverteilenden Steuerstaates oder gar seine Abschaffung zugunsten der Nolte´schen Gebührengesellschaft würde auch das Wesen des modernen Staates verändern und verändert dies bereits. Insofern ist die Entpolitisierung, die die Steuerpolitik in den letzten Jahren durch ihre vermeintliche Alternativlosigkeit erfahren hat, ein hochpolitischer Vorgang: Die Betrachtung der Steuerpolitik lediglich als ein Politikfeld unter anderen, das man jetzt eben „effizient“ organisieren müsse, verkennt die Rückwirkungen auf das was Vielen als sozialer und demokratischer Rechtsstaat viel Wert geworden ist. Steuerpolitik ist eben kein isoliert zu betrachtendes Feld, kein Selbstzweck. Mit dem Steuerstaat des 20.Jahrhunderts steht und fällt der demokratische Sozialstaat. Und umgekehrt: Jede wünschbare Erneuerung eines demokratischen, sozialstaatlichen Kompromisses hängt eng zusammen mit einer fortschrittlichen Weiterentwicklung steuerpolitischer Vorstellungen und nicht mit einer regressiven. Insofern gilt – quasi als Ausgangspunkt für alles immer nötige neue Nachdenken  – zunächst:  Zurück ins 20. Jahrhundert.

1 Tatsächlich laufen die Ansichten des Absolutismus und des Naturrechts im 17. Jahrhundert zeitlich nebeneinander her. Allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Vorstellungen des Absolutismus der herrschenden Schicht zugehören, während die naturrechtlichen Gedanken zunächst meist nur von den Regierten, vielfach auch der politischen Opposition aufgenommen wurden.
2 Anzumerken ist, dass im Rahmen der Beschäftigungsorientierung der Fiscal Policy der Hauptaugenmerk auf der Politik der öffentlichen Ausgaben und der öffentlichen Verschuldung liegt, die Steuerpolitik so zwar einbezogen ist, ihr allerdings nicht die zentrale Perspektive gilt.
3 Es soll allerdings darauf hingewiesen werden, dass auch schon die aus einer sozialreformerischen Perspektive argumentierenden Finanzwissenschaftler des 19. Jahrhunderts mit dem „Dogma des Haushaltsausgleichs“ brachen: So bejahte bspw. Schäffle ein Abgehen vom Haushaltsgleichgewicht sowohl in Notzeiten wie in besonders guten Jahren und nahm so die Lehre vom antizyklischen Haushaltsausgleich vorweg. Gleiches gilt für die Aufnahme von Staatsschulden.

Literatur
Calmann, Hanns Maximilian 1922: Die Finanzpolitik der deutschen Sozialdemokratie, 1867 – 1914, München.
Forsthoff, Ernst 1954: Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: VVDStRL 12(1954)8, 30-38.
Frantz, Constantin 1881: Die soziale Steuerreform als die conditio sine qua non, wenn der sozialen Revolution vorgebeugt werden soll, Mainz.
Goldscheid, Rudolf 1976 (1917): Staatssozialismus oder Staatskapitalismus, in: Hickel, Rudolf (Hg.): Rudolf Goldscheid, Joseph Schumpeter – Die Finanzkrise des Steuerstaates, Beiträge zur politischen Ökonomie der Staatsfinanzen, Frankfurt am Main, S. 40 – 252.
Lassalle, Ferdinand 1893: Die indirekten Steuern und die Lage der arbeitenden Klasse, Eine Verteidigung-Rede vor dem Königl. Kammergericht zu Berlin gegen die Anklage, die besitzlosen Klassen zum Haß und zur Verachtung gegen die Besitzenden öffentlich angereizt zu haben (1963), Berlin.
Mann, Fritz Karl 1937: Steuerpolitische Ideale. Vergleichende Studien zur Geschichte der ökonomischen und politischen Ideen und ihres Wirkens in der öffentlichen Meinung 1600 – 1935, Jena.
Nolte, Paul 2004: Generation Reform: jenseits der blockierten Republik. München.
Ricardo, David 1921: Grundsätze der Volkswirtschaft und Besteuerung, Jena.
Say, Jean Baptiste 1844: Cours complet d´économie politique, Brüssel.
Schäffle, Albert 1873: Das gesellschaftliche System der menschlichen Wirtschaft, Tübingen.
Schmölders, Günter 1968/1969: Der Staatsbürger als Steuerzahler – Wandlungen des Menschenbildes in Finanzwissenschaft und Steuerpraxis, in: Finanzarchiv N.F. 27(1968/1969)1-2,  S. 121 – 138.

Schmoller, Gustav 1877: Die Epochen der preußischen Finanzpolitik, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft, 1(1877)1.
Schumpeter, Joseph 1929: Ökonomie und Soziologie der Einkommensteuer, in: Der deutsche Volkswirt, IV, S. 380-385.
Smith, Adam 2004: Reichtum der Nationen. Paderborn.
Tipke, Klaus/Lang, Joachim 1989: Steuerrecht – Ein systematischer Grundriß, Köln.
Wagner, Adolph 1889: Finanzwissenschaft. Dritter Theil, Specielle Steuerlehre. Leipzig.

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