Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 185: Die verdrängte Revolution

Fehlan­zeige?

Jugendliche und ihr Bild von der DDR,

aus: vorgänge Nr. 185, Heft !/2009, S. 87-92

„Fehlanzeige“: Mit unschöner Regelmäßigkeit wird die Sorge laut, das Wissen nachwachsender Generationen über die DDR und das SED-Regime zeige fundamentale Defizite. Ideologie, Herrschaftsstruktur und politische Praxis des SED-Staates seien nur unzureichend bekannt, ja, Verklärung und Beschönigungen prägten die landläufigen Vorstellungen jüngerer Menschen. Daran wird gleichsam zwangsläufig die Frage angeknüpft, wer die Verantwortung für diese Bildungsmisere trage. Die Schule? Die Familie? Die Gesellschaft? Die Politik? Die Medien?

Im Fokus dieser Debatten steht zumeist der schulische Unterricht. Neben mehreren Werkstattberichten, die in den neunziger Jahren unter der Leitung von Bodo von Borries erarbeitet worden sind, und verschiedenen Ausschnitts-Analysen wie dem jüngst in Geschichte in Wissenschaft und Unterricht publizierten Beitrag von Heike Mätzing „Die Stasi in aktuellen Geschichtsschulbüchern“[1], sind es vor allem zwei Studien, die in die aktuelle Diskussion eingeflossen sind: die 2006 erschienene Analyse „DDR-Geschichte im Unterricht“ von Ulrich Arnswald und insbesondere die so genannte Schroeder-Studie von 2008, die sich unter dem Titel „Soziales Paradies oder Stasi-Staat?“ mit dem DDR-Bild heutiger Schüler befasst.[2] Sowohl die Untersuchungen selbst als auch die Auseinandersetzungen um ihre Ergebnisse machten und machen deutlich, in welch erhitztem Stadium der Betrachtung und Deutung wir uns noch befinden und wie wirkungsmächtig die Neigung zu kurzsichtigem Schlagabtausch, vielleicht auch zum Anspruch auf Meinungshoheit ist. Man möchte fast meinen, so fern die DDR vielen jungen Menschen ist, so distanzschwach ist das Thema manchmal für uns Ältere.

Doch lösen wir uns von dieser Arena und umreißen das unstrittige Grundszenario. In der Tat gibt es Wissensdefizite bei Schülern, es gibt Lücken in der Lehrerausbildung, unzureichende Schulbücher und verbesserungsbedürftige Curricula. Immerhin: Die Initiativen, diese Mängel zu beseitigen, mehren sich. Die Lehrpläne in den verschiedenen Bundesländern werden allmählich angepasst, Veranstaltungen wie die bundesweite Bildungskonferenz „Meine, Deine, Unsere Geschichte? Friedliche Revolution und Deutsche Einheit in der schulischen und außerschulischen Bildung“, die im Herbst 2008 von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) realisiert wurde, haben wichtige inhaltliche und politische Impulse gesetzt. Auch Beratungsangebote für Schulbuchanbieter – so beispielsweise ein Fachworkshop des Brandenburgischen Bildungsministeriums, der BStU und namhafter Schulbuchverlage im November 2007 – zeitigen erste Erfolge. Einschlägige Fortbildungsangebote für Lehrer vermitteln kompaktes Wissen und methodisch-didaktische Hinweise, Handreichungen wie „Feindliche Jugend? Verfolgung und Disziplinierung Jugendlicher durch das Ministerium für Staatssicherheit“, 2006 von Christoph Hamann und Axel Janowitz herausgegeben, oder das in diesem Jahr erscheinende Handbuch „Lernfeld DDR-Geschichte“ von Heidi Behrens, Paul Ciupke und Norbert Reichling geben fundierte Orientierung und Arbeitshilfen.

Nicht zu unterschätzen ist auch das öffentliche Signal, das von den gemeinsamen Erklärungen der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und ostdeutscher Kultusminister zur Förderung der Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte ausgeht (die erste Erklärung wurde 2002 mit Brandenburg unterzeichnet, es folgten Sachsen-Anhalt 2003 und Sachsen 2006, weitere sind in Vorbereitung bzw. kurz vor dem Abschluss). Hervorzuheben „sind“ auch der Appell der Kultusministerkonferenz 2008, die Behandlung der DDR-Geschichte im schulischen Unterricht zu intensivieren und die Lehrpläne wie auch Unterrichtsmaterialien dem aktuellen Kenntnisstand anzupassen, sowie ihr Aufruf, in den Schulen Projektwochen zur Thematik „DDR und SED-Diktatur“ durchzuführen, und das begleitende Online-Angebot der Bundesstiftung Aufarbeitung und der Robert-Bosch-Stiftung www.DeineGeschichte.de, ein interaktives Bildungsportal zur deutsch-deutschen Geschichte für Schüler[3] und Lehrkräfte.

All dies bedeutet natürlich nicht, dass im schulischen Umfeld weder Anlass zur Sorge noch Handlungsbedarf existiere. Doch sollten wir eine Dramatisierung vermeiden, die nur zu leicht in die Sackgasse kurzatmiger Dispute führt. Viel ergiebiger und interessanter ist hingegen die Frage: Wie können wir -über die skizzierte Verbesserung des schulischen Umfelds hinaus -jungen Menschen die Geschichte der DDR nahe bringen, wie können wir junge Menschen zu einer eigenständigen kritischen Auseinandersetzung mit Fragen von Diktatur, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie anregen? Welche Initiativen sind von uns gefordert? Denn bei aller Schieflage im Bildungsalltag: Wir treffen bei jungen Menschen nicht nur auf Wissenslücken, sondern auch auf reges Interesse, auf Wissensneugier und Offenheit. Diese gilt es anzusprechen und adäquat zu beantworten.

Die Annäherung an Geschichte benötigt eine Brücke, die die Distanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart überwinden hilft, einen Anknüpfungspunkt, über den sich das Fremde erschließen lässt. Es ist das Einzelschicksal, die konkrete individuelle und doch auch exemplarische Biografie, die diesen Zugang ermöglicht. Jugendliche, die selbst keine persönlichen DDR-Erfahrungen haben, deren Bild sich aus spezifischen familiären Erinnerungen oder aus medial vermittelten Darstellungen zusammensetzt, können über die Beschäftigung mit Jugendbiografien aus der DDR-Zeit den Blick für die Herrschaftsmechanismen der Diktatur schärfen lernen, ein reflektiertes Verständnis für die Zwänge und Verführungen der Diktatur entwickeln, aber auch für Handlungsspielräume und Entscheidungsoptionen sensibilisiert werden.

Ein Mensch, der vor über 40 Jahren versuchte, aus der DDR zu fliehen, und an der Berliner Mauer erschossen wurde: Sein Alter von 18 Jahren holt das vermeintlich weit zurückliegende Geschehen nah in die Gegenwart des jungen Betrachters, und über die Erörterung der Fluchtmotive gelangen wir rasch in die Analyse des politischen Systems der DDR, lernen wir die unterschiedlichen Lebensräume und Lebensoptionen in Diktatur und Demokratie kennen.

Oder nehmen wir ein anderes, jüngeres Beispiel: die Relegation von Schülern der Ostberliner Carl-von-Ossietzky-Schule im Frühherbst 1988.[4] Diese Schüler hatten sich auf Postern und Transparenten offen gegen Militärparaden in der DDR ausgesprochen und vor nationalistischen und rechtsextremistischen Tendenzen gewarnt. In einem systematischen Zusammenspiel von Schule, FDJ, Elternrat, Partei und Staatssicherheitsdienst wurden die Schüler daraufhin unter Druck gesetzt, genötigt, als „Rädelsführer“ kriminalisiert. Am 30. September 1988 schließlich verkündete die Schulleitung die Relegierung der Schüler. Doch die massive Einschüchterungspolitik blieb nicht folgenlos, sie rief trotz Gegenlenken des Staates unerwartet zahlreiche Solidaritätsbekundungen mit den betroffenen Schülern hervor. Es sind diese Zeichen von Zivilcourage, Freiheitsbewusstsein und Identitätsbildung, die diesen Schüler-Fall auch heute noch so aktuell und aufschlussreich machen, und es ist zugleich die Kontrolle, die Disziplinierung und Verfolgung von Jugendlichen im SED-Staat, über die wir vieles erfahren. Und über die Verzahnung der verschiedenen Organisationen und Institutionen im Herrschaftsapparat der SED, die eine größtmögliche Überwachung und Steuerung des Lebensalltags in der DDR gewährleisten sollte.

Eindrucksvolle Einblicke eröffnet in diesem Kontext auch die Website www.jugendopposition.de: ein Online-Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung und der Robert-Havemann-Gesellschaft, das detaillierte Informationen und eine reichhaltige Materialauswahl zu Personen und Ereignissen aus dem Kontext Jugendopposition in der DDR bereitstellt, teils ergänzt durch Interviews mit Zeitzeugen. Auch diese Plattform hebt die vermeintliche Ungreifbarkeit der Vergangenheit auf, indem sie thematische Brücken baut, Geschichte nah heranholt und zur selbständigen, selbstreflexiven Betrachtung auffordert.

Diese wenigen Beispiele lassen bereits erkennen, dass es hoffnungsvolle, ausbaufähige thematische und methodische Ansätze für eine produktive und erfolgreiche Vermittlung der DDR-Geschichte im schulischen bzw. unterrichtsbegleitenden Bereich gibt. Doch so wichtig die Befähigung durch guten Schulunterricht ist: Eine ausschließliche Konzentration auf die Schule verkennt, dass wir vor einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung stehen. Denn das familiäre Umfeld, der private Raum, die Medien, gesellschaftliche Diskussionen oder Äußerungen von Politikern beeinflussen die Sozialisation in entscheidendem Maße.

Und hier lassen sich außerordentlich irritierende Beobachtungen machen. Mit erstaunlicher Bedenkenlosigkeit werden die Bemühungen um eine kritische Sicht auf die DDR allzu oft konterkariert durch verklärende oder segmentierende Familienerinnerungen, durch vermeintlich kurzweilige Shows zur DDR-Zeit (deren Hoch-Zeiten wir glücklicherweise überstanden zu haben scheinen), in denen die FDJ-Uniform zur unpolitischen Skurrilität verblasst, durch das Verbreiten von „Souvenirs“ wie Grenzer Uniformen oder Teebecher mit dem Staatsemblem der DDR, neuestens auch durch „Gedenkmünzen zum 60. Geburtstag der DDR“. Besonders schwerwiegend aber scheinen Äußerungen im politischen Raum, die im Kampf um Wählerstimmen eine frappierende Nachsichtigkeit gegenüber der DDR und dem SED-Regime offenbaren. Ist der Unrechtscharakter dieses Staates tatsächlich so wenig evident, dass er anstandslos marginalisiert werden kann? Dass der weiche Blick auf die DDR als Wahlkampfinstrument politisch salonfähig ist? Oder ist der Abstand zum historischen Geschehen noch zu gering, sind sich Geschichte und Gegenwartspolitik noch zu nah?

Woran es letztlich auch liegen mag, zu konstatieren bleibt: Mögen wir in der Beurteilung der NS-Herrschaft inzwischen zu einem gesellschaftlichen common sense gelangt sein, so zeigt die Diskussion um die DDR-Geschichte – deren Vergleichbarkeit bzw. Unvergleichbarkeit mit der NS-Zeit hier gar nicht thematisiert werden soll – deutliche Wertungsschwankungen. Dass das nationalsozialistische Deutschland eine verbrecherische Diktatur war, wird (zumindest öffentlich) kein Politiker ernsthaft zu leugnen und auch nicht durch den Hinweis auf Autobahnbau oder Vollbeschäftigung zu entkräften versuchen. Im Falle der DDR hingegen wird unter Verweis darauf, es gebe nicht die DDR, sondern eine Vielzahl an überlieferten Narrativen oder „empirischen Realitäten“, eine übergreifende historisch-politische Einordnung verweigert. Und es wird – und dies keineswegs von Außenseitern oder den üblichen Ewiggestrigen – darüber debattiert, ob die DDR denn als Unrechtsstaat bezeichnet werden dürfe und ob wir nicht vielmehr auch die „guten Seiten“ der DDR sehen müssten, als da wären: die Gleichberechtigung der Frau, die Kinderkrippen, die Arbeitsplatzsicherheit usw. Wie ausgeblendet wirken da die politische Verfolgung, die Ausgrenzung und Unterdrückung Andersdenkender, die systematische Kriminalisierung Oppositioneller, der alltägliche Verstoß gegen die Menschenrechte durch Sicherheitsorgane und Justiz, die Todesopfer an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze, die Zerstörung der Umwelt. Wie weit erstreckt sich da der Abstand zur kritischen Beurteilung anderer Diktatursysteme.

Hochkonjunktur hat dabei im laufenden Wahljahr, in dem sich zugleich die Friedliche Revolution und der Mauerfall zum zwanzigsten Male jähren, die unmittelbare Bindung der DDR-Geschichte an den Wert der Biografien ihrer ehemaligen Bürger. Die historisch zutreffende Beurteilung der DDR als Diktatur wird in diesem Argumentationsmuster mit einer Deklassierung ihrer Bevölkerung und einer Negierung ihrer persönlichen Erlebnisse und Erinnerungen gleichgesetzt: eine Zwangssymbiose von Regime und Volk im Nachhinein.

Fraglos deckt sich die individuelle Rückschau oftmals nicht mit dem übergreifenden Wertungsblick und setzt sich aus Momenten zusammen, die das umgebende politische System ausklammern. Das häusliche Glück, das Zusammengehörigkeitsgefühl im privaten Umkreis, die Suche nach der ideologiefreien Nische in der Freizeit, vielleicht auch das Überlisten der Diktatur und ihrer Zumutungen im Alltag – daraus speist sich das Bild vieler Menschen, die selbst in der DDR gelebt haben oder die über Angehörige Erlebnisse und Einstellungen tradiert bekommen. Dieses eigene bzw. überlieferte Geschichtsgefühl entwickelt – nicht zuletzt in wirtschaftlich und sozial unsicheren Zeiten – eine hohe Beharrlichkeit, ja wird zur Richtschnur, die vor den Schwierigkeiten der Gegenwart Schutz bieten soll. Vor diesem Hintergrund wird der Hinweis auf die stete Präsenz von SED und Staatssicherheitsdienst und auf die systematischen Rechtsverletzungen im Alltag der DDR rasch als Angriff auf die eigene Biografie und die eigene Glaubwürdigkeit wahrgenommen und beiseite geschoben.

So verständlich solch ein Schutzmechanismus sein mag, so fatal wirken sich solche Verflechtungen auf die Meinungsbildung und Urteilskraft gerade auch junger Menschen aus, da ihnen die unerlässliche Fähigkeit zu Differenzierung und Abstraktion nicht vermittelt wird. Wird diese Tendenz durch einschlägige Politiker-Losungen noch untermauert, dann wird das Selbstverständliche gleichsam offiziell negiert: dass Menschen auch in einer Diktatur Glück und Zufriedenheit erleben können, dass die Diktatur damit aber kein bisschen weniger Diktatur ist.

Gerade hier tritt eine schmerzliche Lücke in unserer Forschungs- und Vermittlungsarbeit zu Tage: die sachliche Analyse und Rezeption der Alltagsgeschichte der DDR. Das Thema Alltagsleben in der DDR hat in den letzten Jahren immer wieder zu teils heftigen Kontroversen geführt. Alltagsgeschichte drohte zu einem politischen Kampfterminus verbogen zu werden. Für die einen illustrierte sie die Tendenz zur Weichzeichnung der Diktatur, und für andere spiegelte sie in der Tat die Option, DDR als ein Album glücklicher Erinnerungsbilder zu präsentieren. Dabei: Wo lassen sich der Zugriff und die Perfidie einer Diktatur deutlicher konturieren als in der konkreten alltäglichen Lebens- und Erfahrungswelt der betroffenen Menschen? SED-Herrschaft spielte sich nicht im alltagsfernen Raum ab – genau dort, im Alltag, trachteten die Partei und ihr Staatssicherheitsdienst ihren Anspruch durchzusetzen. Sie prägten, beschränkten und beeinflussten den Alltag von Staat und Bevölkerung, mag auch ihr Einwirken nicht immer direkt sichtbar oder spürbar gewesen sein. Dieses Spannungsfeld aus privatem Alltagserleben und politischem Zugriff auf die Alltagswirklichkeit bedarf dringend intensiver kritischer Beachtung – in der Forschung, in der Bildung, in Politik und Gesellschaft -, um Verzerrungen und Mythen, falscher Sanftheit und leichtfertigen Beschönigungen entgegenzuwirken.

Wege aus dem Dilemma zwischen Geschichtsgefühl/gefühlter Erinnerung und Geschichtsanalyse gibt es. Die genannten jugendadäquaten Themen und Arbeitsbeispiele schaffen hervorragende Zugänge, die sich durch Begegnungen mit Zeitzeugen und die Erkundung historischer Orte und Gedenkstätten ausgezeichnet vertiefen lassen. Diese Arbeit reduziert sich keineswegs auf die Behandlung von Diktatur als Machtapparat, sie schließt vielmehr die Empathie mit den Regime-Betroffenen ein, verdeutlicht Handlungsoptionen und lässt erkennen, wie wichtig die Teilhabe des Einzelnen, wie unerlässlich Zivilcourage und bürgerschaftliche Initiative für die Wahrung unserer Grundrechte sind. Auch weitet sich der Blick auf die Geschichte wie von selbst, wenn wir die DDR nicht als klinisch abgetrennten Ausschnitt behandeln und systemimmanent beurteilen, sondern als Teil der deutsch-deutschen Entwicklung vermitteln und die SED-Diktatur in den differenzierten Vergleich zu anderen Diktatursystemen setzen. Ebenso werden über die Sensibilisierung für das hohe Gut von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit die Fähigkeit zur (selbst)reflexiven Auseinandersetzung mit Diktaturgeschichte nachhaltig gefördert und die Trennlinien zwischen Diktatur und Demokratie erkennbar gemacht.

Dabei müssen wir uns – dem inneren moralischen Impetus zum Trotz – vor Augen halten, dass wir nicht das Recht haben, junge Menschen mit unseren Wertungen zu überwältigen und ihre Bilder gewaltsam zu zerstören. Eine erfolgreiche Delegitimierung von Diktatur und eine nachhaltige Implementierung von demokratischem Denken lassen sich nicht oktroyieren. Wir müssen es aushalten, wenn Jugendliche sich dem Gespräch verweigern, wenn sie auf ihren Meinungen beharren oder Widerspruch anmelden. Eine demokratische Diskussionskultur kann Ergebnisse nicht vorab festschreiben, sie ist per se zur Offenheit verpflichtet. Dezidiert und präzise definiert sein aber muss unsere Ausgangsposition als Vermittler, unser eigener Wertekanon, der unseren Analysen und Schilderungen zugrunde liegt und der in seiner Bindung an die Menschenrechte nicht verhandelbar ist.

Wir können nur auf das inhaltliche Gewicht und die Langlebigkeit unserer Argumente, auf die Überzeugungskraft der freiheitlichen Idee und den Erfolg demokratischer Urteilsbildung setzen – und das ist nicht wenig. Wenn diese Bemühungen und Wertestandards dann noch von Politik, Gesellschaft und Medien positiv und integer begleitet werden, dürften wir künftig etwas weniger Sorgen um das kritische Geschichtsverständnis unserer Nachfahren haben.

[1] Beispiel: GWU 1/2009, S. 4-17.

[2] Ulrich Arnswald, Ulrich Bongertmann, Ulrich Mählert (Hrsg.), DDR-Geschichte im Unterricht. Schulbuchanalyse – Schülerbefragung – Modellcurriculum, Berlin 2006. Monika Deutz-Schroeder, Klaus Schroeder, Soziales Paradies oder Stasi-Staat? Das DDR-Bild von Schülern – ein Ost-West-Vergleich, Berlin-München 2008.

[3] Der Lesbarkeit halber wird auf die geschlechtsspezifische Nennform verzichtet.

[4] Siehe das Internetprojekt der BStU „Rausgeschmissen“ mit inhaltlichen Erläuterungen und ausgewählten Falldokumenten auf www.bstu.bund.de. Dort auch zu weiteren jugendthematischen Angeboten.

nach oben