Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 185: Die verdrängte Revolution

Vom Homo oeconomicus zum Homo coope­ra­tivus

Zur Notwendigkeit einer Transformation der traditionellen Ökonomie

aus: vorgänge Nr. 185, Heft 1/2009, S. 93-105

I. Positionen zur Nachhal­tig­keit

Starke statt schwache Nachhaltigkeit: Die nachhaltige/ökologische Ökonomie bekennt sich zu einer Position der starken Nachhaltigkeit. (Kopfmüller 2003: 22, Bartmann 2001: 62). Hierfür schlagen wir folgende Definition vor: „Eine nachhaltige Entwicklung strebt für alle heute lebenden Menschen und künftigen Generationen ausreichend hohe ökologische, ökonomische und sozial-kulturelle Standards in den Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit an. Sie will somit das intra- und intergenerative Gerechtigkeitsprinzip durchsetzen“ (Rogall 2000: 100; vgl. a. Abgeordnetenhaus von Berlin 2006/06: 12).

II. Position zur Nachhal­tig­keit und zur tradi­ti­o­nellen Ökonomie

Abgrenzung von der traditionellen Ökonomie bei Aufnahme einzelner Aspekte: Die nachhaltige/ökologische Ökonomie erkennt bestimmte Erkenntnisse der traditionellen Umweltökonomie an, z.B. die sozial-ökonomischen Faktoren der Übernutzung der natürlichen Ressourcen und die daraus abgeleitete Diskussion um die Notwendigkeit politisch-rechtlicher Instrumente. Da die Umweltökonomen aber den Markt als alleiniges Verteilungsinstrument erhalten wollen und auch nicht bereit sind auf andere Dogmen zu verzichten (Diskontierung, Monetarisierung der Umweltkosten, Konsumentensouveränität), bleibt ihr Beitrag für eine nachhaltige Ökonomie insgesamt bescheiden.

III. Reform der tradi­ti­o­nelle Ökonomie

Eine Weiterentwicklung der traditionellen Ökonomie und ökologischen Ökonomie zur nachhaltigen Ökonomie ist notwendig: Die nachhaltige/ökologische Ökonomie grenzt sich von einer Reihe Aussagen der traditionellen Ökonomie ab und sieht die Zeit gekommen, dass Lehrgebäude unter Heranziehung der Erkenntnisse anderer Disziplinen (z. B. der Gehirn-, Verhaltens-, Klimaforschung) neu zu errichten bzw. grundlegend zu reformieren (hier aus Platzgründen nur als Übersicht).

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IV. Bausteine einer nachhal­tigen Ökonomie und Kontro­versen

Zehn Kernaussagen einer nachhaltigen/ökologischen Ökonomie: Seit den 1970er Jahren sind zahlreiche Schulen und Forschungsansätze entstanden, die sich mit den Bedingungen einer nachhaltigen Entwicklung beschäftigen (sustainable science). Besonders wichtig sind: (1) Die neoklassische Umweltökonomie, (2) die ökologische Ökonomie, (3) die neue Umweltökonomie als Unterschule der ökologischen Ökonomie (1990er Jahre, heute mit der Formulierung von Vorschlägen für eine nachhaltige Ökonomie beschäftigt), (4) der Greifswalder Ansatz (Ott; Döring 2004), (5) das integrierte Nachhaltigkeitskonzept der Helmholtz-Gesellschaft (Kopfmüller u. a. 2001, Kopfmüller 2006), (6) die industrial ecology (1990er Jahre, Isenmann; Hauff 2007). Diese Schulen haben wichtige Beiträge für die sustainable science geliefert, die von der nachhaltigen Ökonomie aufgenommen werden.

Wie in anderen Wirtschaftsschulen existieren auch zwischen den Ökonomen der nachhaltigen/ökologischen Ökonomie Kontroversen über verschiedene Fragestellungen, z. B. wie ein Nachhaltigkeitsparadigma aussehen müsste, dass das heutige Wachstumsparadigma ersetzen kann. Vertreter der traditionellen Ökonomie sehen ein stetiges wirtschaftliches Wachstum als das wichtigste wirtschaftspolitische Ziel an. Dass eine dauerhafte exponentielle Steigerung des BIP (z. B. über 1.000 Jahre) nicht möglich ist, wird verdrängt, die Folgen für die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlagen werden verharmlost. Vertreter der nachhaltigen/ökologische Ökonomie sehen dieses Wachstumsparadigma als nicht zukunftsfähig an (BUND u.a. 2008)). Aus ihrer Sicht muss es durch ein Nachhaltigkeitsparadigma ersetzt werden, das den scale, die absolute Nutzung der natürlichen Ressourcen (den Stoffdurchsatz) kontinuierlich senkt (Hinterberger 1996: 40).

Das soll durch die drei Strategiepfade der nachhaltigen Ökonomie (Effizienz, Konsistenz, Suffizienz) erreicht werden. Hierbei herrscht Einigkeit darüber, dass die Realisierung einzelner Effizienzmaßnahmen nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung führen kann, es vielmehr um eine 3. Industrielle Revolution geht, die den Verbrauch der natürlichen Ressourcen in den Industriestaaten innerhalb der nächsten 40 Jahre um 80 bis 90 Prozent vermindert. Das bedeutet aber nicht weniger als die Neuerfindung (fast) aller Produkte und Anlagen nach den Kriterien und Managementregeln der Nachhaltigkeit.

Umstritten ist die Hierarchie dieser Pfade: Während ein Teil sich für eine Steadystate Ökonomie (mit eingefrorenem BIP) ausspricht und die Suffizienz in den Mittelpunkt stellt, hält die zweite Gruppe eine technisch orientierte Strategie (Effizienz und Konsistenz) für ausreichend. Die dritte Gruppe strebt ein selektives Wachstum (mit Schrumpfungsprozessen in ausgewählten Sektoren) an. Hierbei soll durch die konsequente Umsetzung der Strategiepfade eine absolute Abkoppelung, d.h. eine stetige absolute Minderung des Ressourcenverbrauchs erreicht werden (im Unterschied zum relativen Verbrauch, der den Verbrauch pro BIP misst). Dieser Strategieansatz wird durch die Nachhaltigkeitsformel verdeutlicht (.Ressourcenproduktivität > . BIP, d.h. die Steigerung der Ressourcenproduktivität muss immer – Jahr für Jahr – größer als die Steigerung des BIP sein).

V. Die persönliche Ebene – ethische Grundlagen

Eine nachhaltige/ökologische Ökonomie beruht auf ethischen Prinzipien und damit auf der Forderung nach persönlicher Verantwortung und Handlung: Als zentrale Prinzipien werden anerkannt: intra- und intergenerative Gerechtigkeit (Bartmann 1996: 210; Hampicke 1999: 167) sowie Verantwortung (Kopfmüller 2003: 22). Damit geht es dieser Schule nicht alleine um Optimierungs- und Effizienzziele (wie der neoklassischen Umweltökonomie), sondern auch um Gerechtigkeit (Verteilungsfragen) und Erhaltung. Für alle heute und künftig lebenden Menschen soll das Recht auf Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse und fairen Zugang zu den natürlichen Ressourcen sowie den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen durchgesetzt werden (Kopfmüller 2003: 25). In der Konsequenz bedeutet die Anerkennung dieser Grundwerte aber auch, dass nur die Produkte und Konsumstile als nachhaltig bezeichnet werden können, die auf alle Menschen übertragen nicht zur Überschreitung der Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit führen (zur Diskussion moderater Öko- bzw. Biozentrismus versus aufgeklärter Anthropozentrismus, vgl. Lerch 2001: 100; WBGU 1999: 31; Rogall 2008: 154). Als ebenfalls wichtig wird das Prinzip der partizipativen Demokratie angesehen, aus dem sich die Notwendigkeit eines stetigen gesellschaftlichen Diskurs- und Partizipationsprozess in allen Bereichen ergibt, und somit die Menschen auf die dramatischen Änderungen in diesem Jahrhundert vorbereitet. Hierdurch tritt zu der zentralen Rolle der Politik, als unverzichtbare rahmensetzende Instanz die persönliche Verantwortung jedes Einzelnen.

Die enormen Umweltbelastungen „normaler“ Konsumgüter zeigen die Unverzichtbarkeit langfristiger Suffizienzstrategien. Daher möchten schon heute viele Menschen (nicht die Mehrheit) ethisch verantwortbar leben, einen eigenständigen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung leisten. Das kann ein erfolgreicher Ansatz werden, wenn ein Imagewechsel der Produkte gelingt, ein energieeffizientes kleines Fahrzeug „hipp“ wird, weil der Fahrer es offensichtlich nicht nötig hat, seinen beruflichen Erfolg zur Schau zu stellen und weil er moderne Technik statt „Dinosauriertechnik“ einsetzen will. Die Frage „rechnet sich das?“ müsste für andere Produkte gestellt werden als heute: Bekanntlich „rechnet“ sich eine „Luxus-Limousine“ oder ein Sportwagen nie, während eine Solaranlage eine „Emotionalrendite“ verschafft. Auf einen derartigen Imagewechsel darf man sich aber nicht verlassen, deshalb fordert die nachhaltige Ökonomie auch ökologische Leitplanen (vgl. VII.).

VI. Trans­dis­zi­pli­närer Ansatz

Transdisziplinärer Ansatz statt Primat der Ökonomie: Die nachhaltige Ökonomie will die rein ökonomische Betrachtungsweise durch einen transdisziplinären Ansatz ersetzen. Hierzu ist eine enge Kooperation mit den Politik- und Rechtswissenschaften (Instrumentendiskussion) sowie mit den Natur- und Ingenieurwissenschaften (nachhaltige Produkt- und Anlagengestaltung) unerlässlich (vgl. 8.). Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Akteursanalyse dar, die zu dem Ergebnis kommt, dass viele Branchen nach wie vor einer Kurzfristorientierung unterliegen und sie daher eine nachhaltige Umgestaltung der Industriegesellschaft verhindern wollen. Im Zuge der weiteren Verschärfung der Ressourcen- und Klimakrise bestehen aber erhebliche Potentiale für erfolgreiche Bündnisse zwischen den nachhaltigkeitsorientierten Teilen der Wirtschaft, der Politik und der Bürgergesellschaft.

VII. Politisch-recht­liche Instrumente

Notwendigkeit der Änderung der Rahmenbedingungen mittels politisch-rechtlicher Instrumente: Die meisten Vertreter der nachhaltigen Ökonomie akzeptieren, dass die sozial-ökonomischen Faktoren quasi zwangsläufig zu einer Übernutzung der natürlichen Ressourcen führen. So ist die Ökobilanz (der Ressourcenverbrauch) von Bürgern mit einem höheren Einkommen, die sich für umweltbewusst halten, aufgrund ihrer Flugreisen, größeren Wohnungen und Autos erheblich schlechter als die von Bürgern mit niedrigem Einkommen, denen die Umwelt nach eigenen Angaben unwichtig ist (Kulke1993, Bodenstein u.a. 1998). Nachhaltige Ökonomen schlussfolgern daraus, dass die Höhe des Einkommens für den Umweltverbrauch der Mehrheit eine wichtigere Rolle spielt als der Bewusstseinsstand und der Staat daher mit Hilfe von politisch-rechtlichen Instrumenten eingreifen muss, um das Marktversagen auszugleichen (Holstein 2003: 107). Derartige ökologische Leitplanken werden somit als eine Art notwendige Bedingung angesehen, ohne die es keine nachhaltige Entwicklung geben kann.

Im Mittelpunkt steht hierbei ein Instrumentenmix, insbes. mit umweltökonomischen (Ökologisierung des Finanzsystems, Bonus-Malus-Regelungen und Naturnutzungsrechten) und ordnungsrechtlichen Instrumenten mit Stufenplänen (Nutzungspflichten, Standards und Grenzwerte). Die neoklassische Forderung nach einer Errechnung eines (ökonomisch) optimalen Naturnutzungspunktes wird aber aus ethischen Gründen und wegen der Monetarisierungsprobleme abgelehnt (Rogall 2008: 76). Allerdings verwenden Vertreter der nachhaltigen/ökologischen Ökonomie die Methode der Monetarisierung aus taktischen Gründen, um in der öffentlichen Diskussion die Größenordnung der Umweltkosten (z. B. einer unzureichenden Klimaschutzpolitik) zu verdeutlichen. Es darf aber darüber nicht vergessen werden, dass es eigentlich darum geht, die Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit zu ermitteln und sie einzuhalten, d.h. den Verbrauch der natürlichen Ressourcen (den scale) auf ein dauerhaft aufrechterhaltbares Maß zu senken.

Vertreter der nachhaltigen/ökologischen Ökonomie empfehlen daher die folgenden Ansätze: (1) den Standard-Preis-Ansatz bei dem Standards festgelegt und mit politisch-rechtlichen Instrumenten durchgesetzt werden (Baumol; Oates 1971: 42, im Deutschen vgl. Bartmann 1996: 141). (2) die Theorie der meritorischen Güter, bei der Staat ebenfalls Standards politisch festlegt und durchsetzt (Musgrave 1975: 76; im Deutschen Bartmann 1996: 47 und 66, http://www.holger-rogall.de/glossar.htm).

VIII. Opera­ti­o­na­li­sie­rung des Nachhal­tig­keits­be­griffs

Notwendigkeit der Operationalisierung des Nachhaltigkeitsbegriffs und neuer Messsysteme: Durch die Vielzahl an Interpretationen besteht die Gefahr, dass der Nachhaltigkeitsbegriff zum inhaltsleeren Allerweltsbegriff wird. Dese Entwicklung muss durch die Formulierung von Prinzipien, Managementregeln und neuen Messsystemen verhindert werden. Der Nachhaltigkeitsbegriff soll so wie der Begriff Demokratie zwar unterschiedliche Ausprägungen im Detail zulassen (z. B. in Großbritannien und Deutschland), in der Substanz aber eindeutig bleiben. Hierzu werden neue Messsysteme in Form von Ziel- und Indikatorensystemen entwickelt und der Zielerreichungsgrad durch das Statistische Bundesamt überwacht (vgl. Bundesregierung 2008/11: 36).

IX. Sozia­l-­öko­lo­gi­sche Markt­wirt­schaft und Strate­gie­felder

Sozial-ökologische Markt- oder Gemischtwirtschaft und Strategiefelder einer nachhaltigen Ökonomie: Vertreter der nachhaltigen/ökologischen Ökonomie konstatieren ein umfangreiches Marktversagen (z. B. Armut und Verteilungsungerechtigkeit, Übernutzung der natürlichen Ressourcen, Unterausstattung mit meritorischen Gütern, Stabilitätsprobleme; Rogall 2006). Das Marktversagen kann nur dann auf ein akzeptables Maß reduziert werden, wenn die Politik eingreift. Daher sprechen sie sich für eine sozial-ökologische Markt- bzw. Gemischtwirtschaft aus (Schiller 1965; Bartmann 1996: 10), die wir wie folgt definieren: „Unter einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft wird ein Wirtschaftssystem verstanden, dass auf den ethischen Prinzipien des intra- und intergenerativen Gerechtigkeitsgrundsatzes und der Verantwortung beruht. Hierzu werden die Märkte nicht abgeschafft, aber sie erhalten mit Hilfe von politisch-rechtlichen Instrumenten einen Entwicklungsrahmen (z.B. ökologische Leitplanken, Sozial-, und Mitbestimmungsgesetze), der dafür sorgt, dass die Folgen des Marktversagens ausgeglichen werden und die Volkswirtschaft sich nach den Zielen und Prinzipien einer nachhaltigen Ökonomie umstrukturiert.“ (zur gesellschaftlichen Abkehr von rein wirtschaftsliberalen Positionen Niejahr; Schmidt 2007/08: 3; Stiglitz 2006).

Um die Transformation der heutigen Industriegesellschaft (von Helmut Schmidt Raubtierkapitalismus genannt) in eine nachhaltige Wirtschaft zu beschleunigen, werden zentrale Strategiefelder ausgewählt in denen dieser Prozess forciert und exemplarisch vorangetrieben wird (nachhaltige Wirtschafts-, Energie, Mobilitäts-, Ressourcenschonungs- und Produktgestaltungspolitik). Diese Felder eigenen sich besonders gut, da sich hier exemplarisch zeigen lässt, dass eine nachhaltige Wirtschaft nicht Askese propagiert und Armut verfestigt, sondern im Zuge einer 3. Industriellen Revolution eine ausreichende Güterausstattung und hohe eine Lebensqualität innerhalb der Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit ermöglicht. Hierbei werden auch die Chancen für die Beschäftigung und damit die Sozialpolitik gesehen, allerdings auch die Hemmnisse und noch zu lösenden Probleme benannt (z. B. ein vollständiger Umstieg vom fossilen und atomaren Zeitalter in das Solarzeitalter bis zur Mitte bzw. zum Ende des Jahrhunderts).

X. Anerkennung der globalen Verant­wor­tung

Globaler Ordnungsrahmen und Verantwortung der Industriestaaten statt Freihandel und Turbokapitalismus: Vertreter der nachhaltigen/ökologischen Ökonomie sind sich über die folgenden Aussagen und Ziele einig: (1) Die ungerechten Austauschbeziehungen und Arbeitsteilungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern führen zu materiellem Wohlstand in den Industrieländern und zu Armut in den Entwicklungsländern. (2) Eine nachhaltige Entwicklung ist aber ohne die Verwirklichung der intragenerativen Gerechtigkeit nicht möglich. Hierbei tragen die Industriestaaten aufgrund der historischen Entwicklung und ihrer hohen Leistungsfähigkeit eine besonders hohe Verantwortung (Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung; Kopfmüller 2003: 37). (3) Die Einführung eines globalen Ordnungsrahmens wird als notwendig angesehen, mit einer Regulierung der Finanzmärkte, sozial-ökologischen Mindeststandards die kontrolliert und sanktioniert werden und Mechanismen für einem fairen Handelsaustausch bereitstellen (Costanza u. a. 2001: 197; Kopfmüller 2003: 36). (4) Der heutige Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch der Industrieländer kann nicht auf alle sieben – bis 2050 etwa 9,0 Milliarden Menschen übertragen werden (DSW 2005/03: 4). Vielmehr werden schon heute die Belastungsgrenzen als überschritten angesehen. Vertreter der Nachhaltigen/Ökologischen Ökonomie fordern, dass der Verbrauch der natürlichen Ressourcen bis zum Jahr 2050 global um 50% gesenkt wird. Da die Entwicklungsländer ihren geringen Pro-Kopf-Verbrauch nicht senken werden, sondern ihnen vielmehr eine gewisse Steigerung zusteht, müssen die Industriestaaten ihren Verbrauch bis 2050 um 80-90% senken. (5) Die Schwellenländer (insbes. die „neuen Verbrauchsstaaten“ wie China, Indien, Brasilien usw.) dürfen die Technik- und Strukturentwicklung der Industriestaaten nicht einfach nachahmen, sondern müssen von Anfang an ressourceneffiziente und nachhaltige Techniken einsetzen, dass geht nur durch Technologietransfer. (6) Alle Schwellen- und Entwicklungsländer tragen Verantwortung für die weitere Bevölkerungsentwicklung, da die Gesamtbelastung der natürlichen Lebensgrundlagen sich aus dem Pro-Kopf-Verbrauch mal der Bevölkerungsanzahl ergibt (Costanza u. a. 2001: 109, 206). (7) Um diese Ziele zu erreichen müssen die internationalen Institutionen systematisch nach den Zielen der Nachhaltigen Entwicklung reformiert werden (dabei müssen die Schwellenländer, z. B. nach dem G20 Gedanken, in die Entscheidungsprozesse integriert werden).

XI. Ausblick

Die globale Wirtschaftskrise hilft vielen Politikern und Ökonomen zu erkennen, dass der Staat einen Ordnungsrahmen mit nachhaltigen (sozial-ökologischen) Leitplanken setzen muss um die globalen Probleme zu beherrschen. Damit besteht die Chance, dass die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung künftig zu den Leitprinzipien der Politik werden (Bundesregierung 2008/11: 11). Die notwendigen Instrumente zur Einleitung einer derartigen Entwicklung sind vorhanden, aber immer noch nicht konsequent genug eingeführt. Die nachhaltige/ökologische Ökonomie könnte bei dem Prozess zu einer nachhaltigen Entwicklung eine wichtige Rolle übernehmen, wenn es ihr gelingt, ihre Differenzen zurückzustellen und die Kraft zu finden, neue praxisrelevante theoretische Alternativen zur traditionellen Ökonomie zu formulieren sowie ihre Erkenntnisse verstärkt in die öffentliche Diskussion zu transportieren. Das wird aber kein Selbstläufer, vielmehr werden Positionen zunehmen, die in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen den nachhaltigen Umbau verschieben wollen (z.B. Wulff, Seehofer, Glos). In dieser Situation gilt es Stand und Kurs zu halten. Statt auf das Wiedererstarken der Spekulanten und Neoliberalen zu warten, sollte jetzt gehandelt werden.

Literatur

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