vorgänge 199: Ambivalenzen der Partizipation

vorgänge 199: Ambiva­lenzen der Parti­zi­pa­tion

Ambiva­lenzen der Parti­zi­pa­tion

vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 51. Jahrgang, Heft 3 (September 2012)

 

Kaum ein politischer Begriff hat in den letzten Jahrzehnten eine vergleichbare Karriere zu verzeichnen, wie die Partizipation. Einst von den Neuen Sozialen Bewegungen gegen einen Politikbetrieb erstritten, der dergleichen noch als ungebetene Einmischung in seine inneren Angelegenheiten begriff, wird sie mittlerweile von links bis rechts allseits begrüßt als Fortentwicklung der demokratischen Gesellschaft und als probates Mittel gegen die Sklerose des repräsentativen Systems. Sie ist fester Bestandteil der Governance in der Europäischen Union wie in den Systemen globalen Regierens. Auf nationaler Ebene sind größere Projekte ohne Mitsprache und -entscheidung der Bürger kaum mehr vorstellbar und die Piraten feiern Erfolge mit dem Versprechen, deren Teilhabe auf neuen, digitalen Wege zu mehren.

Doch in dem Maße, wie sich die Partizipation etabliert, rücken auch ihre Ambivalenzen in den Blick. So verdeckt das „Mehr Demokratie”, mit’dem für direkte Formen der Volksbeteiligung geworben wird, dass sie in einem legitimatorisch nicht unproblematischen Verhältnis zur repräsentativen Willensbildung stehen. Auch wird deutlich, dass die direkte Beteiligung der Bürger eine sozial voraussetzungsvolle Angelegenheit ist und dass die Erfolgschancen durchaus von dem sozialen Kapital des Engagierten ab-hängen. Und dieses ist nicht gleich verteilt. Offen ist auch, inwieweit das „Mehr Demokratie” die Defizite der etablierten Repräsentation tatsächlich abbaut, die den Ruf danach einst haben laut werden lassen. Mit Blick auf die supranationalen Ebenen ließe sich eher von einer Kompensation sprechen und das Krankheitsbild „Postdemokratie”, das seit einigen Jahren diagnostiziert wird, zeugt zumindest von einer gewissen Resistenz des repräsentativen Systems gegen direktdemokratische Kuren. Dies soll nun kein Plädoyer gegen Partizipation sein, sondern die Analyse dieser Ambivalenzen soll den Blick öffnen für gangbare Pfade einer Demokratisierung der Demokratie.

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