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Was zum Gedenken "gesagt werden muss"

aus vorgänge Heft 2/2012,S.93-103

Mit der Diskussion des Gedichtes „Was gesagt werden muss“ von Günter Grass ging der erinnerungspolitische Diskurs zur nationalsozialistischen Vergangenheit in eine neue Runde. Sowohl Grass als auch sein Gedicht wurden vielfach als antisemitisch bezeichnet. Die Worte „Jude“ oder „Jüdin“ fallen in seinem Text nicht, sein Thema ist der Nahostkonflikt und der Weltfrieden, den er durch Israel bedroht sieht. Den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad verniedlicht er als „Maulhelden“, verkehrt dabei Ursache und Wirkung. Grass sieht sich aufgrund der Rüstungsverträge zwischen Deutschland und Israel zum Schreiben gezwungen. Seine Angst vor der möglichen nuklearen Bewaffnung der aus Deutschland gelieferten Unterseeboote findet ihren Widerhall in der Geschichte, mit der zwei Monate später der „Spiegel“ aufmachte: „Geheim-Operation Samson. Wie Deutschland die Atommacht Israel aufrüstet“.(1) Das derartige Schlagzeilen und Gedichte viele Anhängerinnen(2) finden, ist keine neue Entwicklung. 2003 ergab eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Umfrage, dass 65 Prozent der Deutschen in Israel die größte Gefahr für den Weltfrieden sehen.(3) Die Studie „Deutsche Zustände“ ermittelte eine Zustimmungsrate von 57 Prozent der deutschen Bevölkerung zu der Aussage „Israel führt einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser“. In derselben Studie machten 38 Prozent der Gefragten ihr Häkchen neben dem Satz „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“.(4)

Der Herausgeber der „Zeit“ Josef Joffe befand denn auch zu Grass‘ Gedicht kurz und bündig: „Der Antisemitismus will raus“(5). Solcherlei Äußerungen seien einer gesellschaftlichen Latenz geschuldet, „der neue (oder abgeleitete) A[ntisemitismus], wie er aus dem Grass-Gedicht quillt, ist komplizierter, „weil er sich aus einem Unterbewusst sein speist, das von mächtigen Tabus -Scham und Schuldgefühle -eingezwängt wird. Aber das Unbewusste will raus, wie Freud lehrte. Die Wege öffnen die Heuchelei und die Unredlichkeit.“

Um auf die Titelfrage „Wozu gedenken?“ dieser Ausgabe der „Vorgänge“ einzugehen, möchte ich im Folgenden in der Auseinandersetzung mit der Kultur des Gedenkens in Deutschland auf den Mechanismen der Abwehr eingehen, der auf einen darunter liegenden sekundären Antisemitismus verweist. Im Anschluss will ich über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Gedenkens, seine Einschränkungen und Möglichkeiten sprechen.

Von der Amnesie zur Hypermnesie

Nachdem die Nachkriegs- und Wiederaufbaujahre durch ein kollektives Beschweigen der begangenen Verbrechen geprägt waren, das Alexander und Margarete Mitscherlich prägnant als „die Unfähigkeit zu trauern“ analysierten, setzte, initialisiert durch die Studentenbewegung, erst in den 1980er Jahren, besonders nach der Vereinigung 1990, eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit der deutschen Schuld ein. Als Stationen dieses Prozesses seien hier die Ausstrahlung der Fernsehserie „Holocaust“ 1979 in der BRD(6), die Bitburg-Kontroverse(7), der „Historikerstreit“(8), die Diskussion um den Spielfilm „Schindlers Liste“, das „Gedenkjahr 1995″(9), die Diskussionen um das „Mahnmal für die ermordeten Juden Europas“(10) und die Neue Wache (ll), die Kontroverse über die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiterinnen(12), die Debatte über den Einsatz deutscher Bundeswehrsoldat innen im Kosovo-Krieg 1999(13) und die Goldhagen-(14) Wehrmachtsausstellungs-(15), Walser-(16) und Möllemann-Debatten(l7) genannt. Dabei ist Walser-Debatte als ein Bruchpunkt eines vorherigen demokratischen Konsenses anzusehen, antisemitische Ausfälle gesellschaftlich zu sanktionieren.(18)

Als vorläufig letztes Kapitel dieser Liste kann man das Grass-Gedicht „Was gesagt werden muss“(19) ansehen. Das kollektive Schweigen über die deutsche Schuld wurde seit den 1980-er Jahren von einer Beredsamkeit über die NS-Zeit, die „deutschen Diktaturen“(20) und Auschwitz abgelöst. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Bergem spricht gar von einem Umschlag von Amnesie zur Hypermnesie der Gegenwart.(21) „Die unterschwellig immer präsente Bedeutung der NS-Vergangenheit für die deutsche Gegenwartsgesellschaft wurde infolgedessen nachhaltig in die Öffentlichkeit gerückt.“(22) Dabei waren neben floskelhafter Rhetorik und Vereinnahmungsversuchen vor allem auch offene Abwehrreaktionen zu finden: „Die seit den 1980er Jahren vermehrt aggressiv artikulierte, ja hegemoniale „Schlussstrich- und Versöhnungsideologie“ (Bitburg, Gedenkjahr 1995, Walser-Debatte als „letzte Debatte“), die vor allem auf Versöhnung der deutschen Nation mit sich selbst und ihrer Geschichte zielt, hat dazu beigetragen, die öffentlichen Auseinandersetzungen um die NS-Vergangenheit teils geschichtsrevisionistisch zu verschärfen, aber auch insgesamt zu verstärken.(23)

Das gesellschaftliche Gespräch über den Nationalsozialismus hat sich also intensiviert und, wie der Politikwissenschaftler Lars Rensmann bezüglich der „Wehrmachtsausstellung“(24) 1995 feststellte, auch Risse im Abwehrkonsens hervorgebracht. Allerdings löse sich der „Diskurs über den Holocaust in einer neuen Unbefangenheit, einer politischen Erinnerungsverwaltung oder einer Beliebigkeit auf, bei der das Grauen oberflächlich thematisiert und in den Diskurs eingefügt wird, ohne es an sich heranzulassen.“(25) Die intensivierten Vergangenheitsdiskurse führen so also keineswegs notwendig zu mehr Aufklärung, sondern begünstigen auch teils subtile, teils sehr unverhüllte Abwehrformen.

Anerkennung oder Neutra­li­sie­rung des Holocaust

Für Rensmann zeigten sich im Erinnerungsdiskurs die „Nachwirkungen des Nationalsozialismus in der Demokratie“(26): „Im politischen Diskurs zum Gedenken an Auschwitz selbst (findet) das Fortwähren heftiger Abwehraffekte wie nationaler Ressentiments erneuten Ausdruck.“(27) So hätten sich Deckdiskurse der Normalisierung und Verharmlosung der NS-Vergangenheit gebildet, bei denen bspw. in der Gleichsetzung von DDR und nationalsozialistischem Deutschland, Auschwitz und Dresden(28) oder den Vertreibungen von Deutschen(29) und ihren Opfern die Singularität der NS-Verbrechen relativiert werden solle.

In Folge der intensivierten Vergangenheitsdiskurse zeigten sich drei Entwicklungen. Auf der einen Seite gebe es weitere Verarbeitungsprozesse bei einer Minderheit, die beispielsweise durch die Goldhagen-Debatte beeinflusst worden sei und sich nun an die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte machte. Dann folgten die „Unbekümmert Indifferenten“ und eine weitere Gruppe von besonders aggressiven, erinnerungsverweigernden Menschen, die sich apologetisch auf Familie und Nation bezögen.

Diese haben zwei Wege, sich mit dem „Zivilisationsbruch“(30) zu arrangieren. Zu-nächst gibt es eine Strategie, die der Soziologe Michael Schwab-Trap als eine „der Neutralisierung der Vergangenheit“(31) bezeichnet. Dabei werde die Wiedervereinigung als Zäsur bezeichnet und Deutschland nun als normale Nation verstanden. „Die Abgrenzung vom Nationalsozialismus macht der Abgrenzung zu den Folgen des Nationalsozialismus Platz.“(32) Ein Zusammenhang mit der deutschen Nation und deren Geschichte wird geleugnet. Rensmann warnt, dass gerade dort, wo die „Normalität“ der Gesellschaft und die „gelungene Aufarbeitung“ als „abgeschlossenes Geschichtskapitel“ am energischsten beschworen würden, nicht selten alte, lange tabuierte Ressentiments Urständ feierten.

Die Anerkennung des Holocaust als Bruchpunkt deutscher Geschichtsschreibung ist allerdings ebenfalls kein Zeichen eines annehmenden und empathischen Umgangs mit der Vergangenheit. Mit der Aussage „Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz“(33) begründete der damalige Außenminister Joschka Fischer den Kriegseintritt Deutschlands in Jugoslawien, einem Land in dem, wie er noch drei Jahre zuvor betont hatte, „die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg auf grausamste Art und Weise gewütet hat“(34). Auschwitz wurde vom Argument gegen deutsche Militärintervention zu einem Argument für den Einsatz.(35) So überschrieb der SPD-Abgeordnete Freimut Duve einen Artikel zum Militäreinsatz in der „Zeit“ mit dem Satz „An der Rampe von Srebrenica.“(36)

Dazu resümieren der Kulturwissenschaftler Thorben Fischer und Sprachwissenschaftler Matthias N. Lorenz im „Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland“: „Als ,das Böse‘ schlechthin bietet [Auschwitz] wie kaum ein anderes historisches Ereignis die Möglichkeit, in aktualisierende Sinnstiftungen einmontiert zu werden“, Es „verliert dabei aber […] ebenso an Eindeutigkeit wie an Überzeugungskraft.“(37)

Die Verarbeitung der Vergangenheit wird solchermaßen offensiv als moralische Begründung für die nationale Einstellung genutzt. „Aus den gegenwärtigen geschichtspolitischen Debatten lässt sich auch häufig ein selektives, segmentiertes und abstraktes Schuldanerkenntnis herausdestillieren, welches schließlich aus den NS-Verbrechen die „Verpflichtung“ ableitet, die deutsche Außenpolitik -“ aus historischer Verantwortung“ – weiter zu militarisieren sowie den deutschen Hegemonialanspruch in Europa und weltweit zu bestärken.“(38) Deutschland ist auf diese Weise nicht mehr nur eine Nation unter vielen, sondern präsentiert sich unumwunden als diejenige, die aus der Massenvernichtung der Jüdinnen Juden gelernt habe – die Sonderwegsthese der Geschichtswissenschaften kehrt sich um. Mit Adorno lässt sich betonen: „Man hat es nicht so eilig mit dem Schlußstrich unter die Vergangenheit, wenn sie der Abwehr dient.“(39) Der Wunsch, endlich als normalisierte Nation etwas für die eigene Läuterung zu bekommen, steigert sich in der Konstruktion Deutschlands als moralisch überlegener Nation, die eben wegen Auschwitz in der Lage sei, zu scheiden, was Recht und Unrecht ist.

Eine kritische Erforschung der Schuldabwehr ist heute somit „stärker im Kontext einer nationalstaatlichen, mentalitätsgeschichtlich orientierten politischen Kulturforschung zu konzipieren, die das Band von der deutschen Tat Auschwitz zur „zivilisatorischen Normalität“ und universellen Sphäre des Allgemein-Menschlichen zerschneidet, ohne Verbindungslinien zur universellen modernen Logik der Herrschaft und Ausgrenzung zu ignorieren; nirgends sind dabei die Widerstände vehementer als im Land der Täter.“(4o)

Am Bilde der ldentifikationen beim Fußball kommt der Politologe Daniel Keil zu dem Urteil, dass die „gelungene Entkoppelung Deutschlands vom Nationalsozialismus durch eine kulturindustriell geprägte permanente Bearbeitung, [] auf Banalisierung und Exkulpation hinausläuft.“(41) Die Aufarbeitung der Vergangenheit wird nicht ernsthaft, im Sinne einer Selbstreflexion sondern eher wie im gleichnamigen Aufsatz Adornos angemahnt vollzogen: „Mit Aufarbeitung der Vergangenheit ist in jenem Sprachgebrauch nicht gemeint, daß man das Vergangene im Ernst verarbeite, seinen Bann breche durch helles Bewußtsein. Sondern man will einen Schlußstrich darunter ziehen und womöglich es selbst aus der Erinnerung wegwischen“.(42)

In der modernen Form wird die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zur Pflicht, eben um nicht über die Inhalte nachzudenken. Scham oder Schuld kommen dabei außerhalb dieser intellektualisierenden Haltung nicht vor. So ist der Besuch bspw. einer Ausstellung verbunden mit dem Wunsch, diesem Selbstbild zu entsprechen. Die Sozialanthropologin Sharon Macdonald beschrieb dieses Vorgehen bereits 2009 innerhalb ihrer Studie zu Besucherinnen des Dokuzentrums auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg: „This learning itself, however, is cast as what seems to be the most important motivation of many to visit. This is as a kind of moral duty to bear witness to an atrocious past; this being expressed by some simply as something that one „should do“. As such, attendance becomes as much an act of commemoration as of education“.(43)

Für diese moralische Pflicht gelten dieselben Auswirkungen, wie für die starke Thematisierung des Nationalsozialismus generell. Sie schafft Räume, in denen das Vergangene im Ernst verarbeitet werden kann, trivialisiert die Auseinandersetzung allerdings zeitgleich.(44) Die Intensivierung der Vergangenheitsdiskurse führt somit nicht zwingend zu mehr Aufklärung, sondern begünstigt auch verschiedene Abwehrvarianten.

Die Abwehr gegen die Schuld

Bei einem solchen Umgang mit der deutschen Vergangenheit kommt es anstatt zu einer empathischen Auseinandersetzung zu einer „Affektverleugnung und Affektisolation, was heißt, daß […] das, was in Auschwitz geschah, zwar durchweg anerkannt wird, aber im Erleben nichts bedeutet.“(45) Dort allerdings, wo das Mitfühlen und die Scham nicht zugelassen würden, könne auch ein authentisches Gedenken nicht funktionieren. Die Schuld wird entweder verleugnet und gemindert oder unter Deckerinnerungen unterdrückt. Das Wissen um die Schuld bleibt unangetastet und wird durch eine gewollte Alternativversion ersetzt.

Diese Deckerinnerungen bringen allerdings ein grundlegendes Problem mit sich: Es kann ihnen nicht restlos getraut werden, ein Rest Zweifel an ihnen bleibt bestehen und führt zunehmend zum Dogmatismus.(46)Die eigene oder deutsche Schuld soll abgewehrt werden, es gibt das Bedürfnis nach Auseinandersetzung. Dabei wird ein_e Ankläger in benötigt, um die Position des zweifelnden Selbst zu übernehmen. Die Ambivalenz der Apologie, also das Wissen um die Wahrheit, auf die durch die Leugnung Bezug genommen wird, muss auf zwei Personen aufgeteilt werden. Die zuvor selbst ausgesprochene Anklage gegen sich selbst wird von nun an durch den Widerpart vertreten, dem entgegen reagiert werden kann.

Es geht in der Abwehr also weder um Wahrheit oder ihr Gegenteil, sondern um den performativen Akt der Entschuldung in der Auseinandersetzung (47) Das Ziel ist das Streitgespräch, in dem mit einer anderen Person als Widerpart sogar die Möglichkeit für den die Apologet_in besteht, die Diskussion zu gewinnen. In dieser Diskussion soll Entlastung und eine unverstellte Identifikation mit dem Kollektiv herbeigeführt werden. Daraus erklärt sich auch, wie groß das Interesse ist, die Geschichte dauerhaft umzuschreiben. Dabei muss allerdings zunächst der bohrende Rest der Schuldanerkennung selbst vergessen werden, damit er im Folgenden den Anderen ausgeredet werden kann. Somit wäre das Vergessen „eher eine Leistung des allzu wachen Bewußtseins als dessen Schwäche gegenüber der Übermacht unbewußter Prozesse“(48) und wäre somit der Beginn einer geschichtsanpassenden Praxis, deren Ziel die Dekonstruktion von Auschwitz als Bruch der kollektiven Identifikation als „Deutscher“ ist.

Sekundärer Antise­mi­tismus

Für dieses deutsche Bedürfnis der Abwehr prägte der Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung Peter Schönbach den Begriff des „sekundären Antisemitismus“.(49) Entstanden aus dem Wunsch nach Entlastung von der deutschen Vergangenheit entsteht der Schuldabwehrantisemitismus „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“. so Dieser, so Theodor W. Adorno in einem Radiovortrags‘, ergab sich aus den innerfamiliären Narrativen: Die Generation der Täter versuchte, ihr Verhalten während der Nazi-Zeit zu rechtfertigen, und verwies dabei z. B. auf die „reichen Juden“ oder deren angeblichen großen Einfluss während der Weimarer Republik. Es geht also um Menschen, die sich selbst nicht als judenfeindlich verstehen – sie wollen sich distanzieren. Dieser Vorgang betrifft sowohl die Täter innen Generation, als auch deren Nachfahren. Er ist ein innerfamiliäres Narrativ: Stereotype, die als Erklärung für das Verhalten der Elterngeneration genutzt werden, verfestigen sich, werden von den Kindern übernommen, um nicht in Konflikt mit der elterlichen Geschichtsschreibung und Schuldverarbeitung zu geraten. Adorno führt weiter aus: „Wenn man Schuldgefühle und Verantwortung gegenüber dem von den Nazis Begangenen abwehrt, so bedeutet das nicht nur, daß man sich reinwaschen will, sondern ebenso auch, daß man, was begangen ward, eben doch unrecht fand und darum ablehnt. Wäre das nicht der Fall, so bedürfte es nicht des Eifers der Distanzierung.“(52)

Die Scham und die Abscheu über die Verbrechen der Nazis treiben zum Wunsch, möglichst nichts damit zu tun zu haben. Revidierung der Geschichte, Gleichsetzungen oder die Relativierung der Shoa sind die Methoden der Entlastung. In den Forschungen des Instituts zeige sich, dass „die furchtbaren Tatsachen der nationalsozialistischen Judenverfolgungen im allgemeinen nicht zu einer radikalen Abkehr vom Antisemitismus geführt“(53), sondern eine neue Ausformung des Antisemitismus begründet hätten. Die im Rahmen des späteren Essays „Schuld und Abwehr“ behandelten Personen sind somit mitunter keine überzeugten Nazis, dennoch offenbarten sie in ihren Aussagen eine feindselige Haltung gegen Jüdinnen_Juden, da die befragten Personen Überlebende des Holocaust oder generell „Juden“ als „Repräsentanten oder Verkörperungen einer unerwünschten oder verdrängten Erinnerung“(54) wahrnahmen. Die Befragten, sei es die Generation der Täter innen oder deren Kinder, befänden sich demnach in einem Dilemma: Einerseits seien sie über die millionenfachen Verbrechen erschrocken; andererseits versuchten sie ihr eigenes Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus zu rechtfertigen oder fühlten sich ihren Eltern oder ihrem eigenen nationalen Kollektiv verbunden – A-dorno spricht mehrmals von der blinden Identifikation mit der Nation und der Gewalt von Identifikationsmechanismen.

Wegen dieser Identifikation muss die Erinnerung an Auschwitz abgewehrt oder relativiert werden. Denn das Wissen und der Schrecken darüber, wohin es mit der Kollektivierung als Deutschland führte, gefährdet ein Bild, auf dass eine_r sich irgendwie positiv beziehen kann. So entwickelte sich nach 1945 eine neue Form der Feindschaft gegen Jüdinnen_Juden, weil sie bereits durch ihre Anwesenheit und durch die scheinbar für sie geäußerte Forderung nach Aufklärung und Erinnerung, den Wunsch, einen Schlussstrich zu ziehen und die Nazizeit vergessen zu können, unterminierten. Das eigene Schuldgefühl wird abgewehrt und auf die Juden projiziert. Diese Abwehr schlägt oftmals, so Horkheimer/Adorno, in aggressives Verhalten, bedingt durch antisemitische Projektionen, um: „Die Abwehr der Erinnerung an das Unsägliche, was geschah, bedient sich eben der Motive, welche es bereiten halfen.“55 Der jüdische Arzt Zvi Rex

brachte diesen von der kritischen Theorie begründeten Zusammenhang knapp auf den Begriff: „Auschwitz werden uns die Deutschen nie verzeihen!“(56)

Wozu Gedenken?

Diese intensivere Beschäftigung soll bereits die mit dem Begriff verbundenen Unmöglichkeiten aufzeigen. Die Frage nach Gedenken ist nicht nur ein „Wozu“. Vielmehr stellt sich auch die Frage nach der Möglichkeit eines zulassenden Gedenkens. Die Bereitschaft zum Erinnern und Gedenken ist abhängig vom Verhältnis des Einzelnen zur eigenen Geschichte, zur Geschichte Deutschlands und der eigenen Identifikation mit Deutschland. „Je näher und unverbrüchlicher man zu den Geschicken der eigenen Gemeinschaft steht, desto eher wird man die Erinnerung an deren Geschichte, die dann auch als eigene empfunden wird, zu bewahren suchen. Je ambivalenter, schwieriger und brüchiger die Vergangenheit des Volkes ist, dem man angehört, desto mehr Überwindung erfordert die Beschäftigung mit dessen Geschichte, die dann als eigene eher abgewehrt wird.“ (57)

Die Konfrontation mit den Verbrechen gegen die Menschheit macht ein annehmen des Erinnern oder Gedenken zu einer schweren Tätigkeit, die eine ungebrochene Identifikation mit der deutschen Nation verunmöglicht. Erinnern und Gedenken bedeuten dann immer auch Auseinandersetzung mit den Biografien der eigenen Eltern, Großeltern, Vorfahren und denen, die so waren wie sie. Das gesellschaftliche Denken der Nationalsozialist_innen aufzuarbeiten und dessen Transformationen und Wandlungen zu verfolgen, ist ebenfalls notwendig, um Gedenken nicht als lediglich rückwärtsgerichtete Rechtfertigungsfigur zu betrachten. So schrieb auch Salomon Korn: ,Die Bereitschaft, der nationalsozialistischen Verbrechen aufrichtig zu gedenken, hängt von der Bereitschaft der nichtjüdischen Deutschen ab, nationale Identität in ihren geschichtlich geformten Brechungen und Diskontinuitäten anzunehmen – sich eben nicht in eine scheinbar heile nationale Identität zu flüchten, die zwangsläufig die Erinnerung an den nationalsozialistischen Massenmord auf ihre Bedürfnisse hin verbiegen, relativieren und schließlich verfälschen muß.(58)

Die Ereignisse auf politischer Ebene, das Streben nach Normalisierung und erinnerungsverweigernder Versöhnung konnte nur über das Einstampfen oder Neubesetzen der Besonderheit der Geschichtsschreibung Deutschlands funktionieren. Dieses Streben hat schleichend die Grundlagen des Antisemitismus erneuert bzw. reproduziert. „Die Politik flankiert die gesellschaftlichen Konstitutionsbedingungen für solche Judenfeindlichkeit, die die Subjekte ins Innerste prägen.“(59)

Zwar hat die intensivierte Diskussion über den Holocaust nicht nur dem Antisemitismus, sondern auch der Auseinandersetzung `mit der Geschichte die Tür geöffnet. Die Folgen sind aber, wie im Text bereits aufgezeigt, keineswegs ableitbar. Es werden Räume geschaffen, in denen das Vergangene im Ernst verarbeitet werden kann, dennoch wird die Auseinandersetzung zeitgleich trivialisiert. Die Intensivierung der Vergangenheitsdiskurse führt somit nicht zwingend zu mehr Aufklärung, sondern begünstigt auch verschiedene Abwehrvarianten. Diese können nur durch Eingedenken und den Zugriff auf die gesellschaftlichen Ursachen bearbeitet werden.

Dabei wurde der Zusammenhang von Erinnerungsbereitschaft und nationaler Identifizierung bereits herausgearbeitet. Aus ihm wird deutlich, dass Erinnern und Gedenken der Nachfahren der Opfer und der Nachfahren der Täter innen sich ebenfalls unterscheiden müssen. „Die Nachfahren der Täter können nicht in gleicher Intensität um die ihnen ferner stehenden Opfer des Völkermordes trauern wie die unmittelbar betroffenen Nachfahren der Ermordeten oder Überlebenden. Während Letztere im Gedenken vor-wiegend die Erinnerung an die Ermordeten der eigenen Familie, des eigenen Volkes bewahren, müßte das Gedenken der Täter-Nachfahren an die Opfer des nationalsozialistischen Massenmordes immer auch die Erinnerung an Verbrechen des eigenen Volkes sowie Fragen nach deren Ursachen und Folgen einschließen.“(60)

Dieses Verhältnis lässt sich auch für den Vorstandsvorsitzenden der Rom und Cinti Union, Rudko Kawczynski, nicht zusammenfügen. Er sagte in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung „In den Tod geschickt – die Deportationen von Juden, Roma und Sinti aus Hamburg 1940-1945“: „Ein, wirkliches, gemeinsames Gedenken als Nachfahren der Generationen der Überlebenden und den Nachfahren der vermeintlichen Täter wird es wohl nicht geben können, dazu sind unsere Geschichten und Erfahrungen, unsere Erinnerungen an die Zeit der Hakenkreuze zu unterschiedlich. Eine gemeinsame Aufarbeitung und Mahnung jedoch ist nicht nur möglich, sondern unabdingbar. Gerade heute, in einer Zeit, in der Folter und Internierungen ebenso zu Alltag zu werden drohen, wie der Abbau von zivilen Rechten, in der Menschenrechte auf dem Altar der Terrorbekämpfung einem Überwachungswahn geopfert werden, ist es an uns, die Erinnerung an eine Zeit des Staatlichen Terrors lebendig zu erhalten.“(61)

In dieser Aussage findet sich eben der Umgang, den Adorno in „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“ bereits als Grundlage einer tatsächlichen Aufarbeitung der Vergangenheit formulierte: „Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt wären. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen.“(62)

(1) Der Spiegel 23/2012. Url: www.spiegel.de/spiegel/print/index-2012-23.html (Gesehen 10.06. 2012).

(2) Sprache wird in diesem Artikel als Ausdruck gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und damit auch als Ort an dem diese reproduziert werden verstanden. Mit der Schreibweise „mit Unterstrich“ sollen all diejenigen Geschlechtsidentitäten mitgedacht werden, die sich jenseits der gesellschaftlich hegemonialen Zweigeschlechtlichkeit verorten. Einen Spezialfall in dieser Schreibform stellt allerdings der Begriff Jüdinnen_Juden dar, da die eigentlich dieser Schreibweise entsprechende Bezeichnung „Jud_innen“, den nationalsozialistischen Begriff „Jud“ beinhaltet und diesen somit reproduziert.

(3) IRAQ and PEACE IN THE WORLD. Url: ec.europa.eu/public_opinion/flash/fl151_iraq_full_report.pdf, 85. (Gesehen 10.06. 2012).

(4) Heitmeyer, Wilhelm 2007: Deutsche Zustände. Folge 6. Suhrkamp, Frankfurt a. M.

(5) Joffe, Josef 2012: Der Antisemitismus will raus. Url: http:/Iwww.zeit.de/politik/ausland/2012-04/guenter-grass-gedicht-israeUkomplettansicht (gesehen 10.06.2012).

(6) Vgl. Fischer, Torben/ Lorenz, Matthias N. Hg. 2007: Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. Bielefeld transcript, S. 243 ff;

Rensmann, Lars 2001: Politisch-psychologische Nachwirkungen des Nationalsozialismus in der Gegenwart. Zum Verhältnis von neueren Vergangenheitsdiskursen und gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber dem Holocaust in Deutschland. In: Lappin, Eleonore/Schneider, Bernhard (Hg): Die Lebendigkeit der Geschichte. (Dis-)Kontinuitäten in Diskursen über den Nationalsozialismus. St. Ingbert Röhrig Universitätsverlag, S. 357.

(7) Vgl. Postone, Moishe 2005a: Bitburg. 5. Mai 1985 und danach. Ein Brief an die westdeutsche Linke. In: Postone, Moishe (Hg.): Deutschland, die Linke und der Holocaust. Politische Interventionen. Freiburg 9a-ira-Verlag, S. 51-59, Dülffer, Jost 1999: Erinnerungspolitik und Erinnerungskultur – Kein Ende der Geschichte. In: Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.): Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Hamburg Hamburger Edition, S 289-312; Hartmann, Geoffrey (Hg.) 1986: Bitburg in Moral and Political Perspective. Bloomington; Funke, Hajo 1988: Aufarbeitung der Vergangenheit. Zur Wirkung nationalsozialistischer Erziehung vor und nach 1945. In: Bar-On, Dan/Beiner, Friedhelm/Brusten Manfred (Hg.): Der Holocaust, familiale und gesellschaftliche Folgen – Aufarbeitung in Wissenschaft und Erziehung. Wuppertal Universitätsverlag.

(8) Vgl. Diner, Dan (Hg.) 1987: Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Zu Historisierung und Historikerstreit. Frankfurt a. M. Fischer.

(9) Vgl. Rensmann 2001 S. 359.

(10) Vgl. Brumlik, MichalFunke, Hajo/Rensmann, Lars (Hg.) 2000: Umkämpftes Vergessen: Walser-Debatte, Holocaust-Mahnmal und neuere deutsche Geschichtspolitik. Berlin Das Arabische Buch, Dülffer 1999.

(11) Ebd. S. 77 ff.

(12) Vgl. Schwab Trapp, Michael 2003: Der Nationalsozialismus im öffentlichen Diskurs. In: Bergem, Wolfgang (Hg.): Die NS-Diktatur im deutschen Erinnerungsdiskurs. Opladen Leske&Budrich, S 323 f.

(13) Vgl. Schwab-Trapp 2003.

(14) Vgl. Fischer/Lorenz 2007: S. 295 ff.; Rensmann, Lars 1998: Kritische Theorie über den Antisemitismus: Studien zu Struktur, Erklärungspotential und Aktualität. Berlin und Hamburg Argument, S. 336 ff.; Rensmann, Lars 2001: S. 359 ff.; Rensmann, Lars 2005: Demokratie und Judenbild: Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, S. 334.

(15) Vgl. Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.) 1999: Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung: „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Hamburg: Hamburger Edition, Rensmann 2001: S. 362 f.; Zöchmeister, Markus/Sauer, Joachim 2005: Langes Schweigen – Späte Erinnerung. Die Wehrmachtsausstellung in Salzburg. Innsbruck Studienverlag.; Prantl, Heribert (Hg.) 1997: Wehrmachtsverbrechen. Eine deutsche Kontroverse. Hamburg Hoffmann und Campe; Thiele, Hans-Günther (Hg.) 1997: Die Wehrmachtsausstellung. Dokumentation einer Kontroverse. Bonn Bundeszentrale für Politische Bildung.

(16) Vgl. Brumlik/Funke/Rensmann 2000; Rensmann 2001: S. 362 ff.; Salzborn, Samuel 2010: Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne. Sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich. Frankfurt a. M.: Campus. S. 207 f£; Dietzsch, Martin/Jäger, Siegfried/Schobert, Alfred (Hg.) 1999: Endlich ein normales Volk? Vom rechten Verständnis der Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation. Duisburg Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung.

(17) Vgl. Funke, Hajo Friedensrede als Brandstiftung. In: Brumlik/Funke/Rensmann, S 212ff.

(18) Vgl. Habermas, Jürgen 2002: Tabuschranken. Eine semantische Anmerkung. Für Marcel Reich-Ranicki, aus gegebenen Anlässen. In: Süddeutsche Zeitung vom 7.6.2002. S. 13; Salzborn 2010 S.208 f.

(19) Grass, Günther 2012: Was gesagt werden muss. In: www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809 (Gesehen am 04.06.2012).

(20) Kritik bei Habermas, Jürgen 1995: Die Normalität einer Berliner Republik. Frankfurt a. M. Suhrkamp, S. 26 f.

(21) Bergem, Wolfgang 2003: Barbarei als Sinnstiftung? Das NS-Regime in Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur der Bundesrepublik. In: Bergem; Wolfgang (Hg.): Die NS-Diktatur im deutschen Erinnerungsdiskurs. S. 81.

(22) Rensmann 2001 S. 357.

(23) Ebd. S. 366.

(24) Ebd.

(25) Ebd.

(26) Adorno, Theodor W. 1977: Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit. In: Gesammelte Schriften 10.2. Eingriffe, Stichworte, Anhang. Hrsg. von Rolf Tiedemann unter der Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schultz. Frankfurt a. M. Suhrkamp, S. 555 f.

(27) Rensmann 2001 S. 366.

(28) Vgl. Klunft, Michael (Hg.) 2003: Erinnern, verdrängen, vergessen. Giessen: Netzwerk für politische Bildung, Kultur und Kommunikation, S. 167 ff.; Explizit zu Dresden Vgl. Fischer, Henning 2011: „Erinnerung“ an und für Deutschland. Dresden und der 13. Februar 1945 im Gedächtnis der Berliner Republik. Münster Verlag Westfälisches Dampfboot.

(29) Später, Erich 2004: Siebzig Jahre völkischer Nationalismus: Von der „Sudetendeutschen Volksgemeinschaft“ zur „Volksgruppe im Exil“. In: Klundt, Michael (Hg.): Heldenmythos und Opfertaumel. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen im deutschen Geschichtsdiskurs. Köln PapyRossa, S. 104-133.

(30) Diner, Dan (Hg.) 1988: Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz. Frankfurt a. M. Fischer.

(31) Schwab-Trapp 2003: S. 183.

(32) Ebd. S. 184.

(33) Zitat nach: Süddeutsche Zeitung. 24. Januar 2005.

(34) Fischer, 30.6.1995 zitiert nach Schwab-Trapp 2003: S. 176.

(35) Vgl. Claussen, Detlev 2005: Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus. Frankfurt a. M.

(36) Duve, Freimut 1995: An der Rampe von Srebrenica. In: Die Zeit 30/1995. Url: www.zeit.de 1995/30/An_der_Rampe_von_Srebrenica (Gesehen: 06.10.2010).

(37) Vgl. Fischer/Lorenz 2007 S. 305.

(38) Klunft 2004 S. 175.

(39) Adorno, Theodor W. 1975: Schuld und Abwehr. In: Gesammelte Schriften. Band 9. Soziologische Schriften II, S. 237.

(40) Rensmann, Lars 2000: Aufgearbeitete Vergangenheit? Zur Erforschung gegenwärtiger Dynamiken von Nationalismus und Judeophobie in Deutschland. In: Jäger, Siegfried/Schobert, Alfred (Hg.): Weiter auf unsicherem Grund: Rechtsextremismus – Rechtspopulismus – Rassismus. Kontinuitäten und Brüche. Duisburg Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, S. 84.

(41) Keil, Daniel 2010: Die „zarte Wiederentdeckung des Deutschen“ – Thesen zu Kritik der deutschen Nation und ihrer gegenwärtigen Entwicklung. In: Projektgruppe Nationalismuskritik (Hg.): Irrsinn der Normalität. Aspekte der Reartikulation des deutschen Nationalismus. Münster Westfälisches Dampfboot, S.20-44.

(42) Ebd. S. 555.

(43) Macdonnald, Sharon 2009: Difficult heritage: negotiating the Nazi past in Nuremberg and beyond. London/New York Routledge, S. 169.

(44) Vgl. Adorno 1977 S. 555.

(45) Juelich, Dierk 1995: Erlebtes und ererbtes Trauma. Von den psychischen Beschädigungen bei den Urhebern der Shoah. In: Schreier, Helmut/Heyl, Mathias (Hg.): „Daß Auschwitz nicht noch einmal sei…“ Zur Erziehung nach Auschwitz. Hamburg Krämer, S. 98.

(46) Vgl. Huppert, Daru 2003: Revisionismus als Einstellung und Klischee. In: Büro trafo K./Höllwart, Renate/Martinez-Turek, Charlotte/Sternfeld, Nora/Pollak, Alexander (Hg.): In einer Wehrmachtsausstellung. Erfahrungen mit Geschichtsvermittlung. Wien: Turia+Kant, S. 129.

(47) Vgl. ebd. S. 130.

(48) Adorno 1977 S. 558.

(49) Adorno, Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute.

(50) Broder 1986 S. 11.

(51) Adorno, Theodor W. Gesammelte Schriften. Band 20.1.Vermischte Schriften I, S. 360-3 84.

(52) Adorno 1975 S. 149 f.

(53) Adorno 1975 S. 323.

(54) Rensmann, Lars 2005: Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden Verlag für Sozialwissenschaften, S. 91.

(55) Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W. 1985: Vorwort zu Paul W. Massings „Vorgeschichte des politischen Antisemitismus“. In: Horkheimer, Max: Gesammelte Schriften Bd. 8. Frankfurt a. M. S. 126 f.

(56) Zit. nach Juelich, Dierk 1994: Die Wiederkehr des Verdrängten. Sozialpsychologische Aspekte zur Identität der Deutschen nach Auschwitz. In: Kulke, Christine (Hg.): Der gewöhnliche Antisemitismus: Zur politischen Psychologie der Verachtung. Pfaffenweiler Centaurus-Verlags-Gesellschaft, S. 86.

(57) Korn, Salomon 2001: Die zweigeteilte und die gemeinsame Erinnerung: Was es in Israel heißt, des Holocaust zu gedenken, und was in Deutschland. Url: www.antisemitismus.net/ns-vergangenheit/korn.htm (Stand 13.06.2012).

(58) Ebd.

(59) Rensmann 1998: S. 334.

(60) Ebd.

(61) Rudko Kawczynski 2009: Eröffnungsrede. Url: hannoverscher-bahnhof.hamburg.de/contentblob/2106044/data/02-rede-03.doc (Stand 13.06.2012)

(62) Adorno 1977 S. 572.

Hannes Jaacks

Was zum Gedenken „gesagt werden muss“

Mit der Diskussion des Gedichtes „Was gesagt werden muss“ von Günter Grass ging der erinnerungspolitische Diskurs zur nationalsozialistischen Vergangenheit in eine neue Runde. Sowohl Grass als auch sein Gedicht wurden vielfach als antisemitisch bezeichnet. Die Worte „Jude“ oder „Jüdin“ fallen in seinem Text nicht, sein Thema ist der Nahostkonflikt und der Weltfrieden, den er durch Israel bedroht sieht. Den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad verniedlicht er als „Maulhelden“, verkehrt dabei Ursache und Wirkung. Grass sieht sich aufgrund der Rüstungsverträge zwischen Deutschland und Israel zum Schreiben gezwungen. Seine Angst vor der möglichen nuklearen Bewaffnung der aus Deutschland gelieferten Unterseeboote findet ihren Widerhall in der Geschichte, mit der zwei Monate später der „Spiegel“ aufmachte: „Geheim-Operation Samson. Wie Deutschland die Atommacht Israel aufrüstet“.(1) Das derartige Schlagzeilen und Gedichte viele Anhängerinnen(2) finden, ist keine neue Entwicklung. 2003 ergab eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Umfrage, dass 65 Prozent der Deutschen in Israel die größte Gefahr für den Weltfrieden sehen.(3) Die Studie „Deutsche Zustände“ ermittelte eine Zustimmungsrate von 57 Prozent der deutschen Bevölkerung zu der Aussage „Israel führt einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser“. In derselben Studie machten 38 Prozent der Gefragten ihr Häkchen neben dem Satz „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“.(4)

Der Herausgeber der „Zeit“ Josef Joffe befand denn auch zu Grass‘ Gedicht kurz und bündig: „Der Antisemitismus will raus“(5). Solcherlei Äußerungen seien einer gesellschaftlichen Latenz geschuldet, „der neue (oder abgeleitete) A[ntisemitismus], wie er aus dem Grass-Gedicht quillt, ist komplizierter, „weil er sich aus einem Unterbewusst sein speist, das von mächtigen Tabus -Scham und Schuldgefühle -eingezwängt wird. Aber das Unbewusste will raus, wie Freud lehrte. Die Wege öffnen die Heuchelei und die Unredlichkeit.“

Um auf die Titelfrage „Wozu gedenken?“ dieser Ausgabe der „Vorgänge“ einzugehen, möchte ich im Folgenden in der Auseinandersetzung mit der Kultur des Gedenkens in Deutschland auf den Mechanismen der Abwehr eingehen, der auf einen darunter liegenden sekundären Antisemitismus verweist. Im Anschluss will ich über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Gedenkens, seine Einschränkungen und Möglichkeiten sprechen.

Von der Amnesie zur Hypermnesie

Nachdem die Nachkriegs- und Wiederaufbaujahre durch ein kollektives Beschweigen der begangenen Verbrechen geprägt waren, das Alexander und Margarete Mitscherlich prägnant als „die Unfähigkeit zu trauern“ analysierten, setzte, initialisiert durch die Studentenbewegung, erst in den 1980er Jahren, besonders nach der Vereinigung 1990, eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit der deutschen Schuld ein. Als Stationen dieses Prozesses seien hier die Ausstrahlung der Fernsehserie „Holocaust“ 1979 in der BRD(6), die Bitburg-Kontroverse(7), der „Historikerstreit“(8), die Diskussion um den Spielfilm „Schindlers Liste“, das „Gedenkjahr 1995″(9), die Diskussionen um das „Mahnmal für die ermordeten Juden Europas“(10) und die Neue Wache (ll), die Kontroverse über die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiterinnen(12), die Debatte über den Einsatz deutscher Bundeswehrsoldat innen im Kosovo-Krieg 1999(13) und die Goldhagen-(14) Wehrmachtsausstellungs-(15), Walser-(16) und Möllemann-Debatten(l7) genannt. Dabei ist Walser-Debatte als ein Bruchpunkt eines vorherigen demokratischen Konsenses anzusehen, antisemitische Ausfälle gesellschaftlich zu sanktionieren.(18)

Als vorläufig letztes Kapitel dieser Liste kann man das Grass-Gedicht „Was gesagt werden muss“(19) ansehen. Das kollektive Schweigen über die deutsche Schuld wurde seit den 1980-er Jahren von einer Beredsamkeit über die NS-Zeit, die „deutschen Diktaturen“(20) und Auschwitz abgelöst. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Bergem spricht gar von einem Umschlag von Amnesie zur Hypermnesie der Gegenwart.(21) „Die unterschwellig immer präsente Bedeutung der NS-Vergangenheit für die deutsche Gegenwartsgesellschaft wurde infolgedessen nachhaltig in die Öffentlichkeit gerückt.“(22) Dabei waren neben floskelhafter Rhetorik und Vereinnahmungsversuchen vor allem auch offene Abwehrreaktionen zu finden: „Die seit den 1980er Jahren vermehrt aggressiv artikulierte, ja hegemoniale „Schlussstrich- und Versöhnungsideologie“ (Bitburg, Gedenkjahr 1995, Walser-Debatte als „letzte Debatte“), die vor allem auf Versöhnung der deutschen Nation mit sich selbst und ihrer Geschichte zielt, hat dazu beigetragen, die öffentlichen Auseinandersetzungen um die NS-Vergangenheit teils geschichtsrevisionistisch zu verschärfen, aber auch insgesamt zu verstärken.(23)

Das gesellschaftliche Gespräch über den Nationalsozialismus hat sich also intensiviert und, wie der Politikwissenschaftler Lars Rensmann bezüglich der „Wehrmachtsausstellung“(24) 1995 feststellte, auch Risse im Abwehrkonsens hervorgebracht. Allerdings löse sich der „Diskurs über den Holocaust in einer neuen Unbefangenheit, einer politischen Erinnerungsverwaltung oder einer Beliebigkeit auf, bei der das Grauen oberflächlich thematisiert und in den Diskurs eingefügt wird, ohne es an sich heranzulassen.“(25) Die intensivierten Vergangenheitsdiskurse führen so also keineswegs notwendig zu mehr Aufklärung, sondern begünstigen auch teils subtile, teils sehr unverhüllte Abwehrformen.

Anerkennung oder Neutralisierung des Holocaust

Für Rensmann zeigten sich im Erinnerungsdiskurs die „Nachwirkungen des Nationalsozialismus in der Demokratie“(26): „Im politischen Diskurs zum Gedenken an Auschwitz selbst (findet) das Fortwähren heftiger Abwehraffekte wie nationaler Ressentiments erneuten Ausdruck.“(27) So hätten sich Deckdiskurse der Normalisierung und Verharmlosung der NS-Vergangenheit gebildet, bei denen bspw. in der Gleichsetzung von DDR und nationalsozialistischem Deutschland, Auschwitz und Dresden(28) oder den Vertreibungen von Deutschen(29) und ihren Opfern die Singularität der NS-Verbrechen relativiert werden solle.

In Folge der intensivierten Vergangenheitsdiskurse zeigten sich drei Entwicklungen. Auf der einen Seite gebe es weitere Verarbeitungsprozesse bei einer Minderheit, die beispielsweise durch die Goldhagen-Debatte beeinflusst worden sei und sich nun an die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte machte. Dann folgten die „Unbekümmert Indifferenten“ und eine weitere Gruppe von besonders aggressiven, erinnerungsverweigernden Menschen, die sich apologetisch auf Familie und Nation bezögen.

Diese haben zwei Wege, sich mit dem „Zivilisationsbruch“(30) zu arrangieren. Zu-nächst gibt es eine Strategie, die der Soziologe Michael Schwab-Trap als eine „der Neutralisierung der Vergangenheit“(31) bezeichnet. Dabei werde die Wiedervereinigung als Zäsur bezeichnet und Deutschland nun als normale Nation verstanden. „Die Abgrenzung vom Nationalsozialismus macht der Abgrenzung zu den Folgen des Nationalsozialismus Platz.“(32) Ein Zusammenhang mit der deutschen Nation und deren Geschichte wird geleugnet. Rensmann warnt, dass gerade dort, wo die „Normalität“ der Gesellschaft und die „gelungene Aufarbeitung“ als „abgeschlossenes Geschichtskapitel“ am energischsten beschworen würden, nicht selten alte, lange tabuierte Ressentiments Urständ feierten.

Die Anerkennung des Holocaust als Bruchpunkt deutscher Geschichtsschreibung ist allerdings ebenfalls kein Zeichen eines annehmenden und empathischen Umgangs mit der Vergangenheit. Mit der Aussage „Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz“(33) begründete der damalige Außenminister Joschka Fischer den Kriegseintritt Deutschlands in Jugoslawien, einem Land in dem, wie er noch drei Jahre zuvor betont hatte, „die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg auf grausamste Art und Weise gewütet hat“(34). Auschwitz wurde vom Argument gegen deutsche Militärintervention zu einem Argument für den Einsatz.(35) So überschrieb der SPD-Abgeordnete Freimut Duve einen Artikel zum Militäreinsatz in der „Zeit“ mit dem Satz „An der Rampe von Srebrenica.“(36)

Dazu resümieren der Kulturwissenschaftler Thorben Fischer und Sprachwissenschaftler Matthias N. Lorenz im „Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland“: „Als ,das Böse‘ schlechthin bietet [Auschwitz] wie kaum ein anderes historisches Ereignis die Möglichkeit, in aktualisierende Sinnstiftungen einmontiert zu werden“, Es „verliert dabei aber […] ebenso an Eindeutigkeit wie an Überzeugungskraft.“(37)

Die Verarbeitung der Vergangenheit wird solchermaßen offensiv als moralische Begründung für die nationale Einstellung genutzt. „Aus den gegenwärtigen geschichtspolitischen Debatten lässt sich auch häufig ein selektives, segmentiertes und abstraktes Schuldanerkenntnis herausdestillieren, welches schließlich aus den NS-Verbrechen die „Verpflichtung“ ableitet, die deutsche Außenpolitik -“ aus historischer Verantwortung“ – weiter zu militarisieren sowie den deutschen Hegemonialanspruch in Europa und weltweit zu bestärken.“(38) Deutschland ist auf diese Weise nicht mehr nur eine Nation unter vielen, sondern präsentiert sich unumwunden als diejenige, die aus der Massenvernichtung der Jüdinnen Juden gelernt habe – die Sonderwegsthese der Geschichtswissenschaften kehrt sich um. Mit Adorno lässt sich betonen: „Man hat es nicht so eilig mit dem Schlußstrich unter die Vergangenheit, wenn sie der Abwehr dient.“(39) Der Wunsch, endlich als normalisierte Nation etwas für die eigene Läuterung zu bekommen, steigert sich in der Konstruktion Deutschlands als moralisch überlegener Nation, die eben wegen Auschwitz in der Lage sei, zu scheiden, was Recht und Unrecht ist.

Eine kritische Erforschung der Schuldabwehr ist heute somit „stärker im Kontext einer nationalstaatlichen, mentalitätsgeschichtlich orientierten politischen Kulturforschung zu konzipieren, die das Band von der deutschen Tat Auschwitz zur „zivilisatorischen Normalität“ und universellen Sphäre des Allgemein-Menschlichen zerschneidet, ohne Verbindungslinien zur universellen modernen Logik der Herrschaft und Ausgrenzung zu ignorieren; nirgends sind dabei die Widerstände vehementer als im Land der Täter.“(4o)

Am Bilde der ldentifikationen beim Fußball kommt der Politologe Daniel Keil zu dem Urteil, dass die „gelungene Entkoppelung Deutschlands vom Nationalsozialismus durch eine kulturindustriell geprägte permanente Bearbeitung, [] auf Banalisierung und Exkulpation hinausläuft.“(41) Die Aufarbeitung der Vergangenheit wird nicht ernsthaft, im Sinne einer Selbstreflexion sondern eher wie im gleichnamigen Aufsatz Adornos angemahnt vollzogen: „Mit Aufarbeitung der Vergangenheit ist in jenem Sprachgebrauch nicht gemeint, daß man das Vergangene im Ernst verarbeite, seinen Bann breche durch helles Bewußtsein. Sondern man will einen Schlußstrich darunter ziehen und womöglich es selbst aus der Erinnerung wegwischen“.(42)

In der modernen Form wird die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zur Pflicht, eben um nicht über die Inhalte nachzudenken. Scham oder Schuld kommen dabei außerhalb dieser intellektualisierenden Haltung nicht vor. So ist der Besuch bspw. einer Ausstellung verbunden mit dem Wunsch, diesem Selbstbild zu entsprechen. Die Sozialanthropologin Sharon Macdonald beschrieb dieses Vorgehen bereits 2009 innerhalb ihrer Studie zu Besucherinnen des Dokuzentrums auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg: „This learning itself, however, is cast as what seems to be the most important motivation of many to visit. This is as a kind of moral duty to bear witness to an atrocious past; this being expressed by some simply as something that one „should do“. As such, attendance becomes as much an act of commemoration as of edu “     – cation . (43)

Für diese moralische Pflicht gelten dieselben Auswirkungen, wie für die starke Thematisierung des Nationalsozialismus generell. Sie schafft Räume, in denen das Vergangene im Ernst verarbeitet werden kann, trivialisiert die Auseinandersetzung allerdings zeitgleich.(44) Die Intensivierung der Vergangenheitsdiskurse führt somit nicht zwingend zu mehr Aufklärung, sondern begünstigt auch verschiedene Abwehrvarianten.

Die Abwehr gegen die Schuld

Bei einem solchen Umgang mit der deutschen Vergangenheit kommt es anstatt zu einer empathischen Auseinandersetzung zu einer „Affektverleugnung und Affektisolation, was heißt, daß […] das, was in Auschwitz geschah, zwar durchweg anerkannt wird, aber im Erleben nichts bedeutet.“(45) Dort allerdings, wo das Mitfühlen und die Scham nicht zugelassen würden, könne auch ein authentisches Gedenken nicht funktionieren. Die Schuld wird entweder verleugnet und gemindert oder unter Deckerinnerungen unterdrückt. Das Wissen um die Schuld bleibt unangetastet und wird durch eine gewollte Alternativversion ersetzt.

Diese Deckerinnerungen bringen allerdings ein grundlegendes Problem mit sich: Es kann ihnen nicht restlos getraut werden, ein Rest Zweifel an ihnen bleibt bestehen und führt zunehmend zum Dogmatismus.(46)Die eigene oder deutsche Schuld soll abgewehrt werden, es gibt das Bedürfnis nach Auseinandersetzung. Dabei wird ein_e Ankläger in benötigt, um die Position des zweifelnden Selbst zu übernehmen. Die Ambivalenz der Apologie, also das Wissen um die Wahrheit, auf die durch die Leugnung Bezug genommen wird, muss auf zwei Personen aufgeteilt werden. Die zuvor selbst ausgesprochene Anklage gegen sich selbst wird von nun an durch den Widerpart vertreten, dem entgegen reagiert werden kann.

Es geht in der Abwehr also weder um Wahrheit oder ihr Gegenteil, sondern um den performativen Akt der Entschuldung in der Auseinandersetzung (47) Das Ziel ist das Streitgespräch, in dem mit einer anderen Person als Widerpart sogar die Möglichkeit für den die Apologet_in besteht, die Diskussion zu gewinnen. In dieser Diskussion soll Entlastung und eine unverstellte Identifikation mit dem Kollektiv herbeigeführt werden. Daraus erklärt sich auch, wie groß das Interesse ist, die Geschichte dauerhaft umzuschreiben. Dabei muss allerdings zunächst der bohrende Rest der Schuldanerkennung selbst vergessen werden, damit er im Folgenden den Anderen ausgeredet werden kann. Somit wäre das Vergessen „eher eine Leistung des allzu wachen Bewußtseins als dessen Schwäche gegenüber der Übermacht unbewußter Prozesse“(48) und wäre somit der Beginn einer geschichtsanpassenden Praxis, deren Ziel die Dekonstruktion von Auschwitz als Bruch der kollektiven Identifikation als „Deutscher“ ist.

Sekundärer Antisemitismus

Für dieses deutsche Bedürfnis der Abwehr prägte der Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung Peter Schönbach den Begriff des „sekundären Antisemitismus“.(49) Entstanden aus dem Wunsch nach Entlastung von der deutschen Vergangenheit entsteht der Schuldabwehrantisemitismus „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“. so Dieser, so Theodor W. Adorno in einem Radiovortrags‘, ergab sich aus den innerfamiliären Narrativen: Die Generation der Täter versuchte, ihr Verhalten während der Nazi-Zeit zu rechtfertigen, und verwies dabei z. B. auf die „reichen Juden“ oder deren angeblichen großen Einfluss während der Weimarer Republik. Es geht also um Menschen, die sich selbst nicht als judenfeindlich verstehen – sie wollen sich distanzieren. Dieser Vorgang betrifft sowohl die Täter innen Generation, als auch deren Nachfahren. Er ist ein innerfamiliäres Narrativ: Stereotype, die als Erklärung für das Verhalten der Elterngeneration genutzt werden, verfestigen sich, werden von den Kindern übernommen, um nicht in Konflikt mit der elterlichen Geschichtsschreibung und Schuldverarbeitung zu geraten. Adorno führt weiter aus: „Wenn man Schuldgefühle und Verantwortung gegenüber dem von den Nazis Begangenen abwehrt, so bedeutet das nicht nur, daß man sich reinwaschen will, sondern ebenso auch, daß man, was begangen ward, eben doch unrecht fand und darum ablehnt. Wäre das nicht der Fall, so bedürfte es nicht des Eifers der Distanzierung.“(52)

Die Scham und die Abscheu über die Verbrechen der Nazis treiben zum Wunsch, möglichst nichts damit zu tun zu haben. Revidierung der Geschichte, Gleichsetzungen oder die Relativierung der Shoa sind die Methoden der Entlastung. In den Forschungen des Instituts zeige sich, dass „die furchtbaren Tatsachen der nationalsozialistischen Judenverfolgungen im allgemeinen nicht zu einer radikalen Abkehr vom Antisemitismus geführt“(53), sondern eine neue Ausformung des Antisemitismus begründet hätten. Die im Rahmen des späteren Essays „Schuld und Abwehr“ behandelten Personen sind somit mitunter keine überzeugten Nazis, dennoch offenbarten sie in ihren Aussagen eine feindselige Haltung gegen Jüdinnen_Juden, da die befragten Personen Überlebende des Holocaust oder generell „Juden“ als „Repräsentanten oder Verkörperungen einer unerwünschten oder verdrängten Erinnerung“(54) wahrnahmen. Die Befragten, sei es die Generation der Täter innen oder deren Kinder, befänden sich demnach in einem Dilemma: Einerseits seien sie über die millionenfachen Verbrechen erschrocken; andererseits versuchten sie ihr eigenes Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus zu rechtfertigen oder fühlten sich ihren Eltern oder ihrem eigenen nationalen Kollektiv verbunden – A-dorno spricht mehrmals von der blinden Identifikation mit der Nation und der Gewalt von Identifikationsmechanismen.

Wegen dieser Identifikation muss die Erinnerung an Auschwitz abgewehrt oder relativiert werden. Denn das Wissen und der Schrecken darüber, wohin es mit der Kollektivierung als Deutschland führte, gefährdet ein Bild, auf dass eine_r sich irgendwie positiv beziehen kann. So entwickelte sich nach 1945 eine neue Form der Feindschaft gegen Jüdinnen_Juden, weil sie bereits durch ihre Anwesenheit und durch die scheinbar für sie geäußerte Forderung nach Aufklärung und Erinnerung, den Wunsch, einen Schlussstrich zu ziehen und die Nazizeit vergessen zu können, unterminierten. Das eigene Schuldgefühl wird abgewehrt und auf die Juden projiziert. Diese Abwehr schlägt oftmals, so Horkheimer/Adorno, in aggressives Verhalten, bedingt durch antisemitische Projektionen, um: „Die Abwehr der Erinnerung an das Unsägliche, was geschah, bedient sich eben der Motive, welche es bereiten halfen.“55 Der jüdische Arzt Zvi Rex

brachte diesen von der kritischen Theorie begründeten Zusammenhang knapp auf den Begriff: „Auschwitz werden uns die Deutschen nie verzeihen! „(56)

Wozu Gedenken?

Diese intensivere Beschäftigung soll bereits die mit dem Begriff verbundenen Unmöglichkeiten aufzeigen. Die Frage nach Gedenken ist nicht nur ein „Wozu“. Vielmehr stellt sich auch die Frage nach der Möglichkeit eines zulassenden Gedenkens. Die Bereitschaft zum Erinnern und Gedenken ist abhängig vom Verhältnis des Einzelnen zur eigenen Geschichte, zur Geschichte Deutschlands und der eigenen Identifikation mit Deutschland. „Je näher und unverbrüchlicher man zu den Geschicken der eigenen Gemeinschaft steht, desto eher wird man die Erinnerung an deren Geschichte, die dann auch als eigene empfunden wird, zu bewahren suchen. Je ambivalenter, schwieriger und brüchiger die Vergangenheit des Volkes ist, dem man angehört, desto mehr Überwindung erfordert die Beschäftigung mit dessen Geschichte, die dann als eigene eher abgewehrt wird.“ (57)

Die Konfrontation mit den Verbrechen gegen die Menschheit macht ein annehmen des Erinnern oder Gedenken zu einer schweren Tätigkeit, die eine ungebrochene Identifikation mit der deutschen Nation verunmöglicht. Erinnern und Gedenken bedeuten dann immer auch Auseinandersetzung mit den Biografien der eigenen Eltern, Großeltern, Vorfahren und denen, die so waren wie sie. Das gesellschaftliche Denken der Nationalsozialist_innen aufzuarbeiten und dessen Transformationen und Wandlungen zu verfolgen, ist ebenfalls notwendig, um Gedenken nicht als lediglich rückwärtsgerichtete Rechtfertigungsfigur zu betrachten. So schrieb auch Salomon Korn: ,Die Bereitschaft, der nationalsozialistischen Verbrechen aufrichtig zu gedenken, hängt von der Bereitschaft der nichtjüdischen Deutschen ab, nationale Identität in ihren geschichtlich geformten Brechungen und Diskontinuitäten anzunehmen – sich eben nicht in eine scheinbar heile nationale Identität zu flüchten, die zwangsläufig die Erinnerung an den nationalsozialistischen Massenmord auf ihre Bedürfnisse hin verbiegen, relativieren und schließlich verfälschen muß.(58)

Die Ereignisse auf politischer Ebene, das Streben nach Normalisierung und erinnerungsverweigernder Versöhnung konnte nur über das Einstampfen oder Neubesetzen der Besonderheit der Geschichtsschreibung Deutschlands funktionieren. Dieses Streben hat schleichend die Grundlagen des Antisemitismus erneuert bzw. reproduziert. „Die Politik flankiert die gesellschaftlichen Konstitutionsbedingungen für solche Judenfeindlichkeit, die die Subjekte ins Innerste prägen.“(59)

Zwar hat die intensivierte Diskussion über den Holocaust nicht nur dem Antisemitismus, sondern auch der Auseinandersetzung `mit der Geschichte die Tür geöffnet. Die Folgen sind aber, wie im Text bereits aufgezeigt, keineswegs ableitbar. Es werden Räume geschaffen, in denen das Vergangene im Ernst verarbeitet werden kann, dennoch wird die Auseinandersetzung zeitgleich trivialisiert. Die Intensivierung der Vergangenheitsdiskurse führt somit nicht zwingend zu mehr Aufklärung, sondern begünstigt auch verschiedene Abwehrvarianten. Diese können nur durch Eingedenken und den Zugriff auf die gesellschaftlichen Ursachen bearbeitet werden.

Dabei wurde der Zusammenhang von Erinnerungsbereitschaft und nationaler Identifizierung bereits herausgearbeitet. Aus ihm wird deutlich, dass Erinnern und Gedenken der Nachfahren der Opfer und der Nachfahren der Täter innen sich ebenfalls unterscheiden müssen. „Die Nachfahren der Täter können nicht in gleicher Intensität um die ihnen ferner stehenden Opfer des Völkermordes trauern wie die unmittelbar betroffenen Nachfahren der Ermordeten oder Überlebenden. Während Letztere im Gedenken vor-wiegend die Erinnerung an die Ermordeten der eigenen Familie, des eigenen Volkes bewahren, müßte das Gedenken der Täter-Nachfahren an die Opfer des nationalsozialistischen Massenmordes immer auch die Erinnerung an Verbrechen des eigenen Volkes sowie Fragen nach deren Ursachen und Folgen einschließen.“(60)

Dieses Verhältnis lässt sich auch für den Vorstandsvorsitzenden der Rom und Cinti Union, Rudko Kawczynski, nicht zusammenfügen. Er sagte in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung „In den Tod geschickt – die Deportationen von Juden, Roma und Sinti aus Hamburg 1940-1945“: „Ein, wirkliches, gemeinsames Gedenken als Nachfahren der Generationen der Überlebenden und den Nachfahren der vermeintlichen Täter wird es wohl nicht geben können, dazu sind unsere Geschichten und Erfahrungen, unsere Erinnerungen an die Zeit der Hakenkreuze zu unterschiedlich. Eine gemeinsame Aufarbeitung und Mahnung jedoch ist nicht nur möglich, sondern unabdingbar. Gerade heute, in einer Zeit, in der Folter und Internierungen ebenso zu Alltag zu werden drohen, wie der Abbau von zivilen Rechten, in der Menschenrechte auf dem Altar der Terrorbekämpfung einem Überwachungswahn geopfert werden, ist es an uns, die Erinnerung an eine Zeit des Staatlichen Terrors lebendig zu erhalten.“(61)

In dieser Aussage findet sich eben der Umgang, den Adorno in „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“ bereits als Grundlage einer tatsächlichen Aufarbeitung der Vergangenheit formulierte: „Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt wären. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen.“(62)

(1) Der Spiegel 23/2012. Url: www.spiegel.de/spiegel/print/index-2012-23.html (Gesehen 10.06. 2012).

(2) Sprache wird in diesem Artikel als Ausdruck gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und damit auch als Ort an dem diese reproduziert werden verstanden. Mit der Schreibweise „mit Unterstrich“ sollen all diejenigen Geschlechtsidentitäten mitgedacht werden, die sich jenseits der gesellschaftlich hegemonialen Zweigeschlechtlichkeit verorten. Einen Spezialfall in dieser Schreibform stellt allerdings der Begriff Jüdinnen_Juden dar, da die eigentlich dieser Schreibweise entsprechende Bezeichnung „Jud_innen“, den nationalsozialistischen Begriff „Jud“ beinhaltet und diesen somit reproduziert.

(3) IRAQ and PEACE IN THE WORLD. Url: ec.europa.eu/public_opinion/flash/fl151_iraq_full_report.pdf, 85. (Gesehen 10.06. 2012).

(4) Heitmeyer, Wilhelm 2007: Deutsche Zustände. Folge 6. Suhrkamp, Frankfurt a. M.

(5) Joffe, Josef 2012: Der Antisemitismus will raus. Url: http:/Iwww.zeit.de/politik/ausland/2012-04/guenter-grass-gedicht-israeUkomplettansicht (gesehen 10.06.2012).

(6) Vgl. Fischer, Torben/ Lorenz, Matthias N. Hg. 2007: Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. Bielefeld transcript, S. 243 ff;

Rensmann, Lars 2001: Politisch-psychologische Nachwirkungen des Nationalsozialismus in der Gegenwart. Zum Verhältnis von neueren Vergangenheitsdiskursen und gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber dem Holocaust in Deutschland. In: Lappin, Eleonore/Schneider, Bernhard (Hg): Die Lebendigkeit der Geschichte. (Dis-)Kontinuitäten in Diskursen über den Nationalsozialismus. St. Ingbert Röhrig Universitätsverlag, S. 357.

(7) Vgl. Postone, Moishe 2005a: Bitburg. 5. Mai 1985 und danach. Ein Brief an die westdeutsche Linke. In: Postone, Moishe (Hg.): Deutschland, die Linke und der Holocaust. Politische Interventionen. Freiburg 9a-ira-Verlag, S. 51-59, Dülffer, Jost 1999: Erinnerungspolitik und Erinnerungskultur – Kein Ende der Geschichte. In: Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.): Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Hamburg Hamburger Edition, S 289-312; Hartmann, Geoffrey (Hg.) 1986: Bitburg in Moral and Political Perspective. Bloomington; Funke, Hajo 1988: Aufarbeitung der Vergangenheit. Zur Wirkung nationalsozialistischer Erziehung vor und nach 1945. In: Bar-On, Dan/Beiner, Friedhelm/Brusten Manfred (Hg.): Der Holocaust, familiale und gesellschaftliche Folgen – Aufarbeitung in Wissenschaft und Erziehung. Wuppertal Universitätsverlag.

(8) Vgl. Diner, Dan (Hg.) 1987: Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Zu Historisierung und Historikerstreit. Frankfurt a. M. Fischer.

(9) Vgl. Rensmann 2001 S. 359.

(10) Vgl. Brumlik, MichalFunke, Hajo/Rensmann, Lars (Hg.) 2000: Umkämpftes Vergessen: Walser-Debatte, Holocaust-Mahnmal und neuere deutsche Geschichtspolitik. Berlin Das Arabische Buch, Dülffer 1999.

(11) Ebd. S. 77 ff.

(12) Vgl. Schwab Trapp, Michael 2003: Der Nationalsozialismus im öffentlichen Diskurs. In: Bergem, Wolfgang (Hg.): Die NS-Diktatur im deutschen Erinnerungsdiskurs. Opladen Leske&Budrich, S 323 f.

(13) Vgl. Schwab-Trapp 2003.

(14) Vgl. Fischer/Lorenz 2007: S. 295 ff.; Rensmann, Lars 1998: Kritische Theorie über den Antisemitismus: Studien zu Struktur, Erklärungspotential und Aktualität. Berlin und Hamburg Argument, S. 336 ff.; Rensmann, Lars 2001: S. 359 ff.; Rensmann, Lars 2005: Demokratie und Judenbild: Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, S. 334.

(15) Vgl. Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.) 1999: Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung: „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Hamburg: Hamburger Edition, Rensmann 2001: S. 362 f.; Zöchmeister, Markus/Sauer, Joachim 2005: Langes Schweigen – Späte Erinnerung. Die Wehrmachtsausstellung in Salzburg. Innsbruck Studienverlag.; Prantl, Heribert (Hg.) 1997: Wehrmachtsverbrechen. Eine deutsche Kontroverse. Hamburg Hoffmann und Campe; Thiele, Hans-Günther (Hg.) 1997: Die Wehrmachtsausstellung. Dokumentation einer Kontroverse. Bonn Bundeszentrale für Politische Bildung.

(16) Vgl. Brumlik/Funke/Rensmann 2000; Rensmann 2001: S. 362 ff.; Salzborn, Samuel 2010: Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne. Sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich. Frankfurt a. M.: Campus. S. 207 f£; Dietzsch, Martin/Jäger, Siegfried/Schobert, Alfred (Hg.) 1999: Endlich ein normales Volk? Vom rechten Verständnis der Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation. Duisburg Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung.

(17) Vgl. Funke, Hajo Friedensrede als Brandstiftung. In: Brumlik/Funke/Rensmann, S 212ff.

(18) Vgl. Habermas, Jürgen 2002: Tabuschranken. Eine semantische Anmerkung. Für Marcel Reich-Ranicki, aus gegebenen Anlässen. In: Süddeutsche Zeitung vom 7.6.2002. S. 13; Salzborn 2010 S.208 f.

(19) Grass, Günther 2012: Was gesagt werden muss. In: www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809 (Gesehen am 04.06.2012).

(20) Kritik bei Habermas, Jürgen 1995: Die Normalität einer Berliner Republik. Frankfurt a. M. Suhrkamp, S. 26 f.

(21) Bergem, Wolfgang 2003: Barbarei als Sinnstiftung? Das NS-Regime in Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur der Bundesrepublik. In: Bergem; Wolfgang (Hg.): Die NS-Diktatur im deutschen Erinnerungsdiskurs. S. 81.

(22) Rensmann 2001 S. 357.

(23) Ebd. S. 366.

(24) Ebd.

(25) Ebd.

(26) Adorno, Theodor W. 1977: Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit. In: Gesammelte Schriften 10.2. Eingriffe, Stichworte, Anhang. Hrsg. von Rolf Tiedemann unter der Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schultz. Frankfurt a. M. Suhrkamp, S. 555 f.

(27) Rensmann 2001 S. 366.

(28) Vgl. Klunft, Michael (Hg.) 2003: Erinnern, verdrängen, vergessen. Giessen: Netzwerk für politische Bildung, Kultur und Kommunikation, S. 167 ff.; Explizit zu Dresden Vgl. Fischer, Henning 2011: „Erinnerung“ an und für Deutschland. Dresden und der 13. Februar 1945 im Gedächtnis der Berliner Republik. Münster Verlag Westfälisches Dampfboot.

(29) Später, Erich 2004: Siebzig Jahre völkischer Nationalismus: Von der „Sudetendeutschen Volksgemeinschaft“ zur „Volksgruppe im Exil“. In: Klundt, Michael (Hg.): Heldenmythos und Opfertaumel. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen im deutschen Geschichtsdiskurs. Köln PapyRossa, S. 104-133.

(30) Diner, Dan (Hg.) 1988: Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz. Frankfurt a. M. Fischer.

(31) Schwab-Trapp 2003: S. 183.

(32) Ebd. S. 184.

(33) Zitat nach: Süddeutsche Zeitung. 24. Januar 2005.

(34) Fischer, 30.6.1995 zitiert nach Schwab-Trapp 2003: S. 176.

(35) Vgl. Claussen, Detlev 2005: Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus. Frankfurt a. M.

(36) Duve, Freimut 1995: An der Rampe von Srebrenica. In: Die Zeit 30/1995. Url: www.zeit.de 1995/30/An_der_Rampe_von_Srebrenica (Gesehen: 06.10.2010).

(37) Vgl. Fischer/Lorenz 2007 S. 305.

(38) Klunft 2004 S. 175.

(39) Adorno, Theodor W. 1975: Schuld und Abwehr. In: Gesammelte Schriften. Band 9. Soziologische Schriften II, S. 237.

(40) Rensmann, Lars 2000: Aufgearbeitete Vergangenheit? Zur Erforschung gegenwärtiger Dynamiken von Nationalismus und Judeophobie in Deutschland. In: Jäger, Siegfried/Schobert, Alfred (Hg.): Weiter auf unsicherem Grund: Rechtsextremismus – Rechtspopulismus – Rassismus. Kontinuitäten und Brüche. Duisburg Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, S. 84.

(41) Keil, Daniel 2010: Die „zarte Wiederentdeckung des Deutschen“ – Thesen zu Kritik der deutschen Nation und ihrer gegenwärtigen Entwicklung. In: Projektgruppe Nationalismuskritik (Hg.): Irrsinn der Normalität. Aspekte der Reartikulation des deutschen Nationalismus. Münster Westfälisches Dampfboot, S.20-44.

(42) Ebd. S. 555.

(43) Macdonnald, Sharon 2009: Difficult heritage: negotiating the Nazi past in Nuremberg and beyond. London/New York Routledge, S. 169.

(44) Vgl. Adorno 1977 S. 555.

(45) Juelich, Dierk 1995: Erlebtes und ererbtes Trauma. Von den psychischen Beschädigungen bei den Urhebern der Shoah. In: Schreier, Helmut/Heyl, Mathias (Hg.): „Daß Auschwitz nicht noch einmal sei…“ Zur Erziehung nach Auschwitz. Hamburg Krämer, S. 98.

(46) Vgl. Huppert, Daru 2003: Revisionismus als Einstellung und Klischee. In: Büro trafo K./Höllwart, Renate/Martinez-Turek, Charlotte/Sternfeld, Nora/Pollak, Alexander (Hg.): In einer Wehrmachtsausstellung. Erfahrungen mit Geschichtsvermittlung. Wien: Turia+Kant, S. 129.

(47) Vgl. ebd. S. 130.

(48) Adorno 1977 S. 558.

(49) Adorno, Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute.

(50) Broder 1986 S. 11.

(51) Adorno, Theodor W. Gesammelte Schriften. Band 20.1.Vermischte Schriften I, S. 360-3 84.

(52) Adorno 1975 S. 149 f.

(53) Adorno 1975 S. 323.

(54) Rensmann, Lars 2005: Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden Verlag für Sozialwissenschaften, S. 91.

(55) Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W. 1985: Vorwort zu Paul W. Massings „Vorgeschichte des politischen Antisemitismus“. In: Horkheimer, Max: Gesammelte Schriften Bd. 8. Frankfurt a. M. S. 126 f.

(56) Zit. nach Juelich, Dierk 1994: Die Wiederkehr des Verdrängten. Sozialpsychologische Aspekte zur Identität der Deutschen nach Auschwitz. In: Kulke, Christine (Hg.): Der gewöhnliche Antisemitismus: Zur politischen Psychologie der Verachtung. Pfaffenweiler Centaurus-Verlags-Gesellschaft, S. 86.

(57) Korn, Salomon 2001: Die zweigeteilte und die gemeinsame Erinnerung: Was es in Israel heißt, des Holocaust zu gedenken, und was in Deutschland. Url: www.antisemitismus.net/ns-vergangenheit/korn.htm (Stand 13.06.2012).

(58) Ebd.

(59) Rensmann 1998: S. 334.

(60) Ebd.

(61) Rudko Kawczynski 2009: Eröffnungsrede. Url: hannoverscher-bahnhof.hamburg.de/contentblob/2106044/data/02-rede-03.doc (Stand 13.06.2012)

(62) Adorno 1977 S. 572.

Hannes Jaacks

Was zum Gedenken „gesagt werden muss“

Mit der Diskussion des Gedichtes „Was gesagt werden muss“ von Günter Grass ging der erinnerungspolitische Diskurs zur nationalsozialistischen Vergangenheit in eine neue Runde. Sowohl Grass als auch sein Gedicht wurden vielfach als antisemitisch bezeichnet. Die Worte „Jude“ oder „Jüdin“ fallen in seinem Text nicht, sein Thema ist der Nahostkonflikt und der Weltfrieden, den er durch Israel bedroht sieht. Den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad verniedlicht er als „Maulhelden“, verkehrt dabei Ursache und Wirkung. Grass sieht sich aufgrund der Rüstungsverträge zwischen Deutschland und Israel zum Schreiben gezwungen. Seine Angst vor der möglichen nuklearen Bewaffnung der aus Deutschland gelieferten Unterseeboote findet ihren Widerhall in der Geschichte, mit der zwei Monate später der „Spiegel“ aufmachte: „Geheim-Operation Samson. Wie Deutschland die Atommacht Israel aufrüstet“.(1) Das derartige Schlagzeilen und Gedichte viele Anhängerinnen(2) finden, ist keine neue Entwicklung. 2003 ergab eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Umfrage, dass 65 Prozent der Deutschen in Israel die größte Gefahr für den Weltfrieden sehen.(3) Die Studie „Deutsche Zustände“ ermittelte eine Zustimmungsrate von 57 Prozent der deutschen Bevölkerung zu der Aussage „Israel führt einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser“. In derselben Studie machten 38 Prozent der Gefragten ihr Häkchen neben dem Satz „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“.(4)

Der Herausgeber der „Zeit“ Josef Joffe befand denn auch zu Grass‘ Gedicht kurz und bündig: „Der Antisemitismus will raus“(5). Solcherlei Äußerungen seien einer gesellschaftlichen Latenz geschuldet, „der neue (oder abgeleitete) A[ntisemitismus], wie er aus dem Grass-Gedicht quillt, ist komplizierter, „weil er sich aus einem Unterbewusst sein speist, das von mächtigen Tabus -Scham und Schuldgefühle -eingezwängt wird. Aber das Unbewusste will raus, wie Freud lehrte. Die Wege öffnen die Heuchelei und die Unredlichkeit.“

Um auf die Titelfrage „Wozu gedenken?“ dieser Ausgabe der „Vorgänge“ einzugehen, möchte ich im Folgenden in der Auseinandersetzung mit der Kultur des Gedenkens in Deutschland auf den Mechanismen der Abwehr eingehen, der auf einen darunter liegenden sekundären Antisemitismus verweist. Im Anschluss will ich über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Gedenkens, seine Einschränkungen und Möglichkeiten sprechen.

Von der Amnesie zur Hypermnesie

Nachdem die Nachkriegs- und Wiederaufbaujahre durch ein kollektives Beschweigen der begangenen Verbrechen geprägt waren, das Alexander und Margarete Mitscherlich prägnant als „die Unfähigkeit zu trauern“ analysierten, setzte, initialisiert durch die Studentenbewegung, erst in den 1980er Jahren, besonders nach der Vereinigung 1990, eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit der deutschen Schuld ein. Als Stationen dieses Prozesses seien hier die Ausstrahlung der Fernsehserie „Holocaust“ 1979 in der BRD(6), die Bitburg-Kontroverse(7), der „Historikerstreit“(8), die Diskussion um den Spielfilm „Schindlers Liste“, das „Gedenkjahr 1995″(9), die Diskussionen um das „Mahnmal für die ermordeten Juden Europas“(10) und die Neue Wache (ll), die Kontroverse über die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiterinnen(12), die Debatte über den Einsatz deutscher Bundeswehrsoldat innen im Kosovo-Krieg 1999(13) und die Goldhagen-(14) Wehrmachtsausstellungs-(15), Walser-(16) und Möllemann-Debatten(l7) genannt. Dabei ist Walser-Debatte als ein Bruchpunkt eines vorherigen demokratischen Konsenses anzusehen, antisemitische Ausfälle gesellschaftlich zu sanktionieren.(18)

Als vorläufig letztes Kapitel dieser Liste kann man das Grass-Gedicht „Was gesagt werden muss“(19) ansehen. Das kollektive Schweigen über die deutsche Schuld wurde seit den 1980-er Jahren von einer Beredsamkeit über die NS-Zeit, die „deutschen Diktaturen“(20) und Auschwitz abgelöst. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Bergem spricht gar von einem Umschlag von Amnesie zur Hypermnesie der Gegenwart.(21) „Die unterschwellig immer präsente Bedeutung der NS-Vergangenheit für die deutsche Gegenwartsgesellschaft wurde infolgedessen nachhaltig in die Öffentlichkeit gerückt.“(22) Dabei waren neben floskelhafter Rhetorik und Vereinnahmungsversuchen vor allem auch offene Abwehrreaktionen zu finden: „Die seit den 1980er Jahren vermehrt aggressiv artikulierte, ja hegemoniale „Schlussstrich- und Versöhnungsideologie“ (Bitburg, Gedenkjahr 1995, Walser-Debatte als „letzte Debatte“), die vor allem auf Versöhnung der deutschen Nation mit sich selbst und ihrer Geschichte zielt, hat dazu beigetragen, die öffentlichen Auseinandersetzungen um die NS-Vergangenheit teils geschichtsrevisionistisch zu verschärfen, aber auch insgesamt zu verstärken.(23)

Das gesellschaftliche Gespräch über den Nationalsozialismus hat sich also intensiviert und, wie der Politikwissenschaftler Lars Rensmann bezüglich der „Wehrmachtsausstellung“(24) 1995 feststellte, auch Risse im Abwehrkonsens hervorgebracht. Allerdings löse sich der „Diskurs über den Holocaust in einer neuen Unbefangenheit, einer politischen Erinnerungsverwaltung oder einer Beliebigkeit auf, bei der das Grauen oberflächlich thematisiert und in den Diskurs eingefügt wird, ohne es an sich heranzulassen.“(25) Die intensivierten Vergangenheitsdiskurse führen so also keineswegs notwendig zu mehr Aufklärung, sondern begünstigen auch teils subtile, teils sehr unverhüllte Abwehrformen.

Anerkennung oder Neutralisierung des Holocaust

Für Rensmann zeigten sich im Erinnerungsdiskurs die „Nachwirkungen des Nationalsozialismus in der Demokratie“(26): „Im politischen Diskurs zum Gedenken an Auschwitz selbst (findet) das Fortwähren heftiger Abwehraffekte wie nationaler Ressentiments erneuten Ausdruck.“(27) So hätten sich Deckdiskurse der Normalisierung und Verharmlosung der NS-Vergangenheit gebildet, bei denen bspw. in der Gleichsetzung von DDR und nationalsozialistischem Deutschland, Auschwitz und Dresden(28) oder den Vertreibungen von Deutschen(29) und ihren Opfern die Singularität der NS-Verbrechen relativiert werden solle.

In Folge der intensivierten Vergangenheitsdiskurse zeigten sich drei Entwicklungen. Auf der einen Seite gebe es weitere Verarbeitungsprozesse bei einer Minderheit, die beispielsweise durch die Goldhagen-Debatte beeinflusst worden sei und sich nun an die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte machte. Dann folgten die „Unbekümmert Indifferenten“ und eine weitere Gruppe von besonders aggressiven, erinnerungsverweigernden Menschen, die sich apologetisch auf Familie und Nation bezögen.

Diese haben zwei Wege, sich mit dem „Zivilisationsbruch“(30) zu arrangieren. Zu-nächst gibt es eine Strategie, die der Soziologe Michael Schwab-Trap als eine „der Neutralisierung der Vergangenheit“(31) bezeichnet. Dabei werde die Wiedervereinigung als Zäsur bezeichnet und Deutschland nun als normale Nation verstanden. „Die Abgrenzung vom Nationalsozialismus macht der Abgrenzung zu den Folgen des Nationalsozialismus Platz.“(32) Ein Zusammenhang mit der deutschen Nation und deren Geschichte wird geleugnet. Rensmann warnt, dass gerade dort, wo die „Normalität“ der Gesellschaft und die „gelungene Aufarbeitung“ als „abgeschlossenes Geschichtskapitel“ am energischsten beschworen würden, nicht selten alte, lange tabuierte Ressentiments Urständ feierten.

Die Anerkennung des Holocaust als Bruchpunkt deutscher Geschichtsschreibung ist allerdings ebenfalls kein Zeichen eines annehmenden und empathischen Umgangs mit der Vergangenheit. Mit der Aussage „Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz“(33) begründete der damalige Außenminister Joschka Fischer den Kriegseintritt Deutschlands in Jugoslawien, einem Land in dem, wie er noch drei Jahre zuvor betont hatte, „die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg auf grausamste Art und Weise gewütet hat“(34). Auschwitz wurde vom Argument gegen deutsche Militärintervention zu einem Argument für den Einsatz.(35) So überschrieb der SPD-Abgeordnete Freimut Duve einen Artikel zum Militäreinsatz in der „Zeit“ mit dem Satz „An der Rampe von Srebrenica.“(36)

Dazu resümieren der Kulturwissenschaftler Thorben Fischer und Sprachwissenschaftler Matthias N. Lorenz im „Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland“: „Als ,das Böse‘ schlechthin bietet [Auschwitz] wie kaum ein anderes historisches Ereignis die Möglichkeit, in aktualisierende Sinnstiftungen einmontiert zu werden“, Es „verliert dabei aber […] ebenso an Eindeutigkeit wie an Überzeugungskraft.“(37)

Die Verarbeitung der Vergangenheit wird solchermaßen offensiv als moralische Begründung für die nationale Einstellung genutzt. „Aus den gegenwärtigen geschichtspolitischen Debatten lässt sich auch häufig ein selektives, segmentiertes und abstraktes Schuldanerkenntnis herausdestillieren, welches schließlich aus den NS-Verbrechen die „Verpflichtung“ ableitet, die deutsche Außenpolitik -“ aus historischer Verantwortung“ – weiter zu militarisieren sowie den deutschen Hegemonialanspruch in Europa und weltweit zu bestärken.“(38) Deutschland ist auf diese Weise nicht mehr nur eine Nation unter vielen, sondern präsentiert sich unumwunden als diejenige, die aus der Massenvernichtung der Jüdinnen Juden gelernt habe – die Sonderwegsthese der Geschichtswissenschaften kehrt sich um. Mit Adorno lässt sich betonen: „Man hat es nicht so eilig mit dem Schlußstrich unter die Vergangenheit, wenn sie der Abwehr dient.“(39) Der Wunsch, endlich als normalisierte Nation etwas für die eigene Läuterung zu bekommen, steigert sich in der Konstruktion Deutschlands als moralisch überlegener Nation, die eben wegen Auschwitz in der Lage sei, zu scheiden, was Recht und Unrecht ist.

Eine kritische Erforschung der Schuldabwehr ist heute somit „stärker im Kontext einer nationalstaatlichen, mentalitätsgeschichtlich orientierten politischen Kulturforschung zu konzipieren, die das Band von der deutschen Tat Auschwitz zur „zivilisatorischen Normalität“ und universellen Sphäre des Allgemein-Menschlichen zerschneidet, ohne Verbindungslinien zur universellen modernen Logik der Herrschaft und Ausgrenzung zu ignorieren; nirgends sind dabei die Widerstände vehementer als im Land der Täter.“(4o)

Am Bilde der ldentifikationen beim Fußball kommt der Politologe Daniel Keil zu dem Urteil, dass die „gelungene Entkoppelung Deutschlands vom Nationalsozialismus durch eine kulturindustriell geprägte permanente Bearbeitung, [] auf Banalisierung und Exkulpation hinausläuft.“(41) Die Aufarbeitung der Vergangenheit wird nicht ernsthaft, im Sinne einer Selbstreflexion sondern eher wie im gleichnamigen Aufsatz Adornos angemahnt vollzogen: „Mit Aufarbeitung der Vergangenheit ist in jenem Sprachgebrauch nicht gemeint, daß man das Vergangene im Ernst verarbeite, seinen Bann breche durch helles Bewußtsein. Sondern man will einen Schlußstrich darunter ziehen und womöglich es selbst aus der Erinnerung wegwischen“.(42)

In der modernen Form wird die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zur Pflicht, eben um nicht über die Inhalte nachzudenken. Scham oder Schuld kommen dabei außerhalb dieser intellektualisierenden Haltung nicht vor. So ist der Besuch bspw. einer Ausstellung verbunden mit dem Wunsch, diesem Selbstbild zu entsprechen. Die Sozialanthropologin Sharon Macdonald beschrieb dieses Vorgehen bereits 2009 innerhalb ihrer Studie zu Besucherinnen des Dokuzentrums auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg: „This learning itself, however, is cast as what seems to be the most important motivation of many to visit. This is as a kind of moral duty to bear witness to an atrocious past; this being expressed by some simply as something that one „should do“. As such, attendance becomes as much an act of commemoration as of edu “     – cation . (43)

Für diese moralische Pflicht gelten dieselben Auswirkungen, wie für die starke Thematisierung des Nationalsozialismus generell. Sie schafft Räume, in denen das Vergangene im Ernst verarbeitet werden kann, trivialisiert die Auseinandersetzung allerdings zeitgleich.(44) Die Intensivierung der Vergangenheitsdiskurse führt somit nicht zwingend zu mehr Aufklärung, sondern begünstigt auch verschiedene Abwehrvarianten.

Die Abwehr gegen die Schuld

Bei einem solchen Umgang mit der deutschen Vergangenheit kommt es anstatt zu einer empathischen Auseinandersetzung zu einer „Affektverleugnung und Affektisolation, was heißt, daß […] das, was in Auschwitz geschah, zwar durchweg anerkannt wird, aber im Erleben nichts bedeutet.“(45) Dort allerdings, wo das Mitfühlen und die Scham nicht zugelassen würden, könne auch ein authentisches Gedenken nicht funktionieren. Die Schuld wird entweder verleugnet und gemindert oder unter Deckerinnerungen unterdrückt. Das Wissen um die Schuld bleibt unangetastet und wird durch eine gewollte Alternativversion ersetzt.

Diese Deckerinnerungen bringen allerdings ein grundlegendes Problem mit sich: Es kann ihnen nicht restlos getraut werden, ein Rest Zweifel an ihnen bleibt bestehen und führt zunehmend zum Dogmatismus.(46)Die eigene oder deutsche Schuld soll abgewehrt werden, es gibt das Bedürfnis nach Auseinandersetzung. Dabei wird ein_e Ankläger in benötigt, um die Position des zweifelnden Selbst zu übernehmen. Die Ambivalenz der Apologie, also das Wissen um die Wahrheit, auf die durch die Leugnung Bezug genommen wird, muss auf zwei Personen aufgeteilt werden. Die zuvor selbst ausgesprochene Anklage gegen sich selbst wird von nun an durch den Widerpart vertreten, dem entgegen reagiert werden kann.

Es geht in der Abwehr also weder um Wahrheit oder ihr Gegenteil, sondern um den performativen Akt der Entschuldung in der Auseinandersetzung (47) Das Ziel ist das Streitgespräch, in dem mit einer anderen Person als Widerpart sogar die Möglichkeit für den die Apologet_in besteht, die Diskussion zu gewinnen. In dieser Diskussion soll Entlastung und eine unverstellte Identifikation mit dem Kollektiv herbeigeführt werden. Daraus erklärt sich auch, wie groß das Interesse ist, die Geschichte dauerhaft umzuschreiben. Dabei muss allerdings zunächst der bohrende Rest der Schuldanerkennung selbst vergessen werden, damit er im Folgenden den Anderen ausgeredet werden kann. Somit wäre das Vergessen „eher eine Leistung des allzu wachen Bewußtseins als dessen Schwäche gegenüber der Übermacht unbewußter Prozesse“(48) und wäre somit der Beginn einer geschichtsanpassenden Praxis, deren Ziel die Dekonstruktion von Auschwitz als Bruch der kollektiven Identifikation als „Deutscher“ ist.

Sekundärer Antisemitismus

Für dieses deutsche Bedürfnis der Abwehr prägte der Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung Peter Schönbach den Begriff des „sekundären Antisemitismus“.(49) Entstanden aus dem Wunsch nach Entlastung von der deutschen Vergangenheit entsteht der Schuldabwehrantisemitismus „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“. so Dieser, so Theodor W. Adorno in einem Radiovortrags‘, ergab sich aus den innerfamiliären Narrativen: Die Generation der Täter versuchte, ihr Verhalten während der Nazi-Zeit zu rechtfertigen, und verwies dabei z. B. auf die „reichen Juden“ oder deren angeblichen großen Einfluss während der Weimarer Republik. Es geht also um Menschen, die sich selbst nicht als judenfeindlich verstehen – sie wollen sich distanzieren. Dieser Vorgang betrifft sowohl die Täter innen Generation, als auch deren Nachfahren. Er ist ein innerfamiliäres Narrativ: Stereotype, die als Erklärung für das Verhalten der Elterngeneration genutzt werden, verfestigen sich, werden von den Kindern übernommen, um nicht in Konflikt mit der elterlichen Geschichtsschreibung und Schuldverarbeitung zu geraten. Adorno führt weiter aus: „Wenn man Schuldgefühle und Verantwortung gegenüber dem von den Nazis Begangenen abwehrt, so bedeutet das nicht nur, daß man sich reinwaschen will, sondern ebenso auch, daß man, was begangen ward, eben doch unrecht fand und darum ablehnt. Wäre das nicht der Fall, so bedürfte es nicht des Eifers der Distanzierung.“(52)

Die Scham und die Abscheu über die Verbrechen der Nazis treiben zum Wunsch, möglichst nichts damit zu tun zu haben. Revidierung der Geschichte, Gleichsetzungen oder die Relativierung der Shoa sind die Methoden der Entlastung. In den Forschungen des Instituts zeige sich, dass „die furchtbaren Tatsachen der nationalsozialistischen Judenverfolgungen im allgemeinen nicht zu einer radikalen Abkehr vom Antisemitismus geführt“(53), sondern eine neue Ausformung des Antisemitismus begründet hätten. Die im Rahmen des späteren Essays „Schuld und Abwehr“ behandelten Personen sind somit mitunter keine überzeugten Nazis, dennoch offenbarten sie in ihren Aussagen eine feindselige Haltung gegen Jüdinnen_Juden, da die befragten Personen Überlebende des Holocaust oder generell „Juden“ als „Repräsentanten oder Verkörperungen einer unerwünschten oder verdrängten Erinnerung“(54) wahrnahmen. Die Befragten, sei es die Generation der Täter innen oder deren Kinder, befänden sich demnach in einem Dilemma: Einerseits seien sie über die millionenfachen Verbrechen erschrocken; andererseits versuchten sie ihr eigenes Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus zu rechtfertigen oder fühlten sich ihren Eltern oder ihrem eigenen nationalen Kollektiv verbunden – A-dorno spricht mehrmals von der blinden Identifikation mit der Nation und der Gewalt von Identifikationsmechanismen.

Wegen dieser Identifikation muss die Erinnerung an Auschwitz abgewehrt oder relativiert werden. Denn das Wissen und der Schrecken darüber, wohin es mit der Kollektivierung als Deutschland führte, gefährdet ein Bild, auf dass eine_r sich irgendwie positiv beziehen kann. So entwickelte sich nach 1945 eine neue Form der Feindschaft gegen Jüdinnen_Juden, weil sie bereits durch ihre Anwesenheit und durch die scheinbar für sie geäußerte Forderung nach Aufklärung und Erinnerung, den Wunsch, einen Schlussstrich zu ziehen und die Nazizeit vergessen zu können, unterminierten. Das eigene Schuldgefühl wird abgewehrt und auf die Juden projiziert. Diese Abwehr schlägt oftmals, so Horkheimer/Adorno, in aggressives Verhalten, bedingt durch antisemitische Projektionen, um: „Die Abwehr der Erinnerung an das Unsägliche, was geschah, bedient sich eben der Motive, welche es bereiten halfen.“55 Der jüdische Arzt Zvi Rex

brachte diesen von der kritischen Theorie begründeten Zusammenhang knapp auf den Begriff: „Auschwitz werden uns die Deutschen nie verzeihen! „(56)

Wozu Gedenken?

Diese intensivere Beschäftigung soll bereits die mit dem Begriff verbundenen Unmöglichkeiten aufzeigen. Die Frage nach Gedenken ist nicht nur ein „Wozu“. Vielmehr stellt sich auch die Frage nach der Möglichkeit eines zulassenden Gedenkens. Die Bereitschaft zum Erinnern und Gedenken ist abhängig vom Verhältnis des Einzelnen zur eigenen Geschichte, zur Geschichte Deutschlands und der eigenen Identifikation mit Deutschland. „Je näher und unverbrüchlicher man zu den Geschicken der eigenen Gemeinschaft steht, desto eher wird man die Erinnerung an deren Geschichte, die dann auch als eigene empfunden wird, zu bewahren suchen. Je ambivalenter, schwieriger und brüchiger die Vergangenheit des Volkes ist, dem man angehört, desto mehr Überwindung erfordert die Beschäftigung mit dessen Geschichte, die dann als eigene eher abgewehrt wird.“ (57)

Die Konfrontation mit den Verbrechen gegen die Menschheit macht ein annehmen des Erinnern oder Gedenken zu einer schweren Tätigkeit, die eine ungebrochene Identifikation mit der deutschen Nation verunmöglicht. Erinnern und Gedenken bedeuten dann immer auch Auseinandersetzung mit den Biografien der eigenen Eltern, Großeltern, Vorfahren und denen, die so waren wie sie. Das gesellschaftliche Denken der Nationalsozialist_innen aufzuarbeiten und dessen Transformationen und Wandlungen zu verfolgen, ist ebenfalls notwendig, um Gedenken nicht als lediglich rückwärtsgerichtete Rechtfertigungsfigur zu betrachten. So schrieb auch Salomon Korn: ,Die Bereitschaft, der nationalsozialistischen Verbrechen aufrichtig zu gedenken, hängt von der Bereitschaft der nichtjüdischen Deutschen ab, nationale Identität in ihren geschichtlich geformten Brechungen und Diskontinuitäten anzunehmen – sich eben nicht in eine scheinbar heile nationale Identität zu flüchten, die zwangsläufig die Erinnerung an den nationalsozialistischen Massenmord auf ihre Bedürfnisse hin verbiegen, relativieren und schließlich verfälschen muß.(58)

Die Ereignisse auf politischer Ebene, das Streben nach Normalisierung und erinnerungsverweigernder Versöhnung konnte nur über das Einstampfen oder Neubesetzen der Besonderheit der Geschichtsschreibung Deutschlands funktionieren. Dieses Streben hat schleichend die Grundlagen des Antisemitismus erneuert bzw. reproduziert. „Die Politik flankiert die gesellschaftlichen Konstitutionsbedingungen für solche Judenfeindlichkeit, die die Subjekte ins Innerste prägen.“(59)

Zwar hat die intensivierte Diskussion über den Holocaust nicht nur dem Antisemitismus, sondern auch der Auseinandersetzung `mit der Geschichte die Tür geöffnet. Die Folgen sind aber, wie im Text bereits aufgezeigt, keineswegs ableitbar. Es werden Räume geschaffen, in denen das Vergangene im Ernst verarbeitet werden kann, dennoch wird die Auseinandersetzung zeitgleich trivialisiert. Die Intensivierung der Vergangenheitsdiskurse führt somit nicht zwingend zu mehr Aufklärung, sondern begünstigt auch verschiedene Abwehrvarianten. Diese können nur durch Eingedenken und den Zugriff auf die gesellschaftlichen Ursachen bearbeitet werden.

Dabei wurde der Zusammenhang von Erinnerungsbereitschaft und nationaler Identifizierung bereits herausgearbeitet. Aus ihm wird deutlich, dass Erinnern und Gedenken der Nachfahren der Opfer und der Nachfahren der Täter innen sich ebenfalls unterscheiden müssen. „Die Nachfahren der Täter können nicht in gleicher Intensität um die ihnen ferner stehenden Opfer des Völkermordes trauern wie die unmittelbar betroffenen Nachfahren der Ermordeten oder Überlebenden. Während Letztere im Gedenken vor-wiegend die Erinnerung an die Ermordeten der eigenen Familie, des eigenen Volkes bewahren, müßte das Gedenken der Täter-Nachfahren an die Opfer des nationalsozialistischen Massenmordes immer auch die Erinnerung an Verbrechen des eigenen Volkes sowie Fragen nach deren Ursachen und Folgen einschließen.“(60)

Dieses Verhältnis lässt sich auch für den Vorstandsvorsitzenden der Rom und Cinti Union, Rudko Kawczynski, nicht zusammenfügen. Er sagte in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung „In den Tod geschickt – die Deportationen von Juden, Roma und Sinti aus Hamburg 1940-1945“: „Ein, wirkliches, gemeinsames Gedenken als Nachfahren der Generationen der Überlebenden und den Nachfahren der vermeintlichen Täter wird es wohl nicht geben können, dazu sind unsere Geschichten und Erfahrungen, unsere Erinnerungen an die Zeit der Hakenkreuze zu unterschiedlich. Eine gemeinsame Aufarbeitung und Mahnung jedoch ist nicht nur möglich, sondern unabdingbar. Gerade heute, in einer Zeit, in der Folter und Internierungen ebenso zu Alltag zu werden drohen, wie der Abbau von zivilen Rechten, in der Menschenrechte auf dem Altar der Terrorbekämpfung einem Überwachungswahn geopfert werden, ist es an uns, die Erinnerung an eine Zeit des Staatlichen Terrors lebendig zu erhalten.“(61)

In dieser Aussage findet sich eben der Umgang, den Adorno in „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“ bereits als Grundlage einer tatsächlichen Aufarbeitung der Vergangenheit formulierte: „Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt wären. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen.“(62)

(1) Der Spiegel 23/2012. Url: www.spiegel.de/spiegel/print/index-2012-23.html (Gesehen 10.06. 2012).

(2) Sprache wird in diesem Artikel als Ausdruck gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und damit auch als Ort an dem diese reproduziert werden verstanden. Mit der Schreibweise „mit Unterstrich“ sollen all diejenigen Geschlechtsidentitäten mitgedacht werden, die sich jenseits der gesellschaftlich hegemonialen Zweigeschlechtlichkeit verorten. Einen Spezialfall in dieser Schreibform stellt allerdings der Begriff Jüdinnen_Juden dar, da die eigentlich dieser Schreibweise entsprechende Bezeichnung „Jud_innen“, den nationalsozialistischen Begriff „Jud“ beinhaltet und diesen somit reproduziert.

(3) IRAQ and PEACE IN THE WORLD. Url: ec.europa.eu/public_opinion/flash/fl151_iraq_full_report.pdf, 85. (Gesehen 10.06. 2012).

(4) Heitmeyer, Wilhelm 2007: Deutsche Zustände. Folge 6. Suhrkamp, Frankfurt a. M.

(5) Joffe, Josef 2012: Der Antisemitismus will raus. Url: http:/Iwww.zeit.de/politik/ausland/2012-04/guenter-grass-gedicht-israeUkomplettansicht (gesehen 10.06.2012).

(6) Vgl. Fischer, Torben/ Lorenz, Matthias N. Hg. 2007: Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. Bielefeld transcript, S. 243 ff;

Rensmann, Lars 2001: Politisch-psychologische Nachwirkungen des Nationalsozialismus in der Gegenwart. Zum Verhältnis von neueren Vergangenheitsdiskursen und gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber dem Holocaust in Deutschland. In: Lappin, Eleonore/Schneider, Bernhard (Hg): Die Lebendigkeit der Geschichte. (Dis-)Kontinuitäten in Diskursen über den Nationalsozialismus. St. Ingbert Röhrig Universitätsverlag, S. 357.

(7) Vgl. Postone, Moishe 2005a: Bitburg. 5. Mai 1985 und danach. Ein Brief an die westdeutsche Linke. In: Postone, Moishe (Hg.): Deutschland, die Linke und der Holocaust. Politische Interventionen. Freiburg 9a-ira-Verlag, S. 51-59, Dülffer, Jost 1999: Erinnerungspolitik und Erinnerungskultur – Kein Ende der Geschichte. In: Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.): Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Hamburg Hamburger Edition, S 289-312; Hartmann, Geoffrey (Hg.) 1986: Bitburg in Moral and Political Perspective. Bloomington; Funke, Hajo 1988: Aufarbeitung der Vergangenheit. Zur Wirkung nationalsozialistischer Erziehung vor und nach 1945. In: Bar-On, Dan/Beiner, Friedhelm/Brusten Manfred (Hg.): Der Holocaust, familiale und gesellschaftliche Folgen – Aufarbeitung in Wissenschaft und Erziehung. Wuppertal Universitätsverlag.

(8) Vgl. Diner, Dan (Hg.) 1987: Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Zu Historisierung und Historikerstreit. Frankfurt a. M. Fischer.

(9) Vgl. Rensmann 2001 S. 359.

(10) Vgl. Brumlik, MichalFunke, Hajo/Rensmann, Lars (Hg.) 2000: Umkämpftes Vergessen: Walser-Debatte, Holocaust-Mahnmal und neuere deutsche Geschichtspolitik. Berlin Das Arabische Buch, Dülffer 1999.

(11) Ebd. S. 77 ff.

(12) Vgl. Schwab Trapp, Michael 2003: Der Nationalsozialismus im öffentlichen Diskurs. In: Bergem, Wolfgang (Hg.): Die NS-Diktatur im deutschen Erinnerungsdiskurs. Opladen Leske&Budrich, S 323 f.

(13) Vgl. Schwab-Trapp 2003.

(14) Vgl. Fischer/Lorenz 2007: S. 295 ff.; Rensmann, Lars 1998: Kritische Theorie über den Antisemitismus: Studien zu Struktur, Erklärungspotential und Aktualität. Berlin und Hamburg Argument, S. 336 ff.; Rensmann, Lars 2001: S. 359 ff.; Rensmann, Lars 2005: Demokratie und Judenbild: Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, S. 334.

(15) Vgl. Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.) 1999: Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung: „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Hamburg: Hamburger Edition, Rensmann 2001: S. 362 f.; Zöchmeister, Markus/Sauer, Joachim 2005: Langes Schweigen – Späte Erinnerung. Die Wehrmachtsausstellung in Salzburg. Innsbruck Studienverlag.; Prantl, Heribert (Hg.) 1997: Wehrmachtsverbrechen. Eine deutsche Kontroverse. Hamburg Hoffmann und Campe; Thiele, Hans-Günther (Hg.) 1997: Die Wehrmachtsausstellung. Dokumentation einer Kontroverse. Bonn Bundeszentrale für Politische Bildung.

(16) Vgl. Brumlik/Funke/Rensmann 2000; Rensmann 2001: S. 362 ff.; Salzborn, Samuel 2010: Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne. Sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich. Frankfurt a. M.: Campus. S. 207 f£; Dietzsch, Martin/Jäger, Siegfried/Schobert, Alfred (Hg.) 1999: Endlich ein normales Volk? Vom rechten Verständnis der Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation. Duisburg Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung.

(17) Vgl. Funke, Hajo Friedensrede als Brandstiftung. In: Brumlik/Funke/Rensmann, S 212ff.

(18) Vgl. Habermas, Jürgen 2002: Tabuschranken. Eine semantische Anmerkung. Für Marcel Reich-Ranicki, aus gegebenen Anlässen. In: Süddeutsche Zeitung vom 7.6.2002. S. 13; Salzborn 2010 S.208 f.

(19) Grass, Günther 2012: Was gesagt werden muss. In: www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809 (Gesehen am 04.06.2012).

(20) Kritik bei Habermas, Jürgen 1995: Die Normalität einer Berliner Republik. Frankfurt a. M. Suhrkamp, S. 26 f.

(21) Bergem, Wolfgang 2003: Barbarei als Sinnstiftung? Das NS-Regime in Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur der Bundesrepublik. In: Bergem; Wolfgang (Hg.): Die NS-Diktatur im deutschen Erinnerungsdiskurs. S. 81.

(22) Rensmann 2001 S. 357.

(23) Ebd. S. 366.

(24) Ebd.

(25) Ebd.

(26) Adorno, Theodor W. 1977: Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit. In: Gesammelte Schriften 10.2. Eingriffe, Stichworte, Anhang. Hrsg. von Rolf Tiedemann unter der Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schultz. Frankfurt a. M. Suhrkamp, S. 555 f.

(27) Rensmann 2001 S. 366.

(28) Vgl. Klunft, Michael (Hg.) 2003: Erinnern, verdrängen, vergessen. Giessen: Netzwerk für politische Bildung, Kultur und Kommunikation, S. 167 ff.; Explizit zu Dresden Vgl. Fischer, Henning 2011: „Erinnerung“ an und für Deutschland. Dresden und der 13. Februar 1945 im Gedächtnis der Berliner Republik. Münster Verlag Westfälisches Dampfboot.

(29) Später, Erich 2004: Siebzig Jahre völkischer Nationalismus: Von der „Sudetendeutschen Volksgemeinschaft“ zur „Volksgruppe im Exil“. In: Klundt, Michael (Hg.): Heldenmythos und Opfertaumel. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen im deutschen Geschichtsdiskurs. Köln PapyRossa, S. 104-133.

(30) Diner, Dan (Hg.) 1988: Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz. Frankfurt a. M. Fischer.

(31) Schwab-Trapp 2003: S. 183.

(32) Ebd. S. 184.

(33) Zitat nach: Süddeutsche Zeitung. 24. Januar 2005.

(34) Fischer, 30.6.1995 zitiert nach Schwab-Trapp 2003: S. 176.

(35) Vgl. Claussen, Detlev 2005: Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus. Frankfurt a. M.

(36) Duve, Freimut 1995: An der Rampe von Srebrenica. In: Die Zeit 30/1995. Url: www.zeit.de 1995/30/An_der_Rampe_von_Srebrenica (Gesehen: 06.10.2010).

(37) Vgl. Fischer/Lorenz 2007 S. 305.

(38) Klunft 2004 S. 175.

(39) Adorno, Theodor W. 1975: Schuld und Abwehr. In: Gesammelte Schriften. Band 9. Soziologische Schriften II, S. 237.

(40) Rensmann, Lars 2000: Aufgearbeitete Vergangenheit? Zur Erforschung gegenwärtiger Dynamiken von Nationalismus und Judeophobie in Deutschland. In: Jäger, Siegfried/Schobert, Alfred (Hg.): Weiter auf unsicherem Grund: Rechtsextremismus – Rechtspopulismus – Rassismus. Kontinuitäten und Brüche. Duisburg Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, S. 84.

(41) Keil, Daniel 2010: Die „zarte Wiederentdeckung des Deutschen“ – Thesen zu Kritik der deutschen Nation und ihrer gegenwärtigen Entwicklung. In: Projektgruppe Nationalismuskritik (Hg.): Irrsinn der Normalität. Aspekte der Reartikulation des deutschen Nationalismus. Münster Westfälisches Dampfboot, S.20-44.

(42) Ebd. S. 555.

(43) Macdonnald, Sharon 2009: Difficult heritage: negotiating the Nazi past in Nuremberg and beyond. London/New York Routledge, S. 169.

(44) Vgl. Adorno 1977 S. 555.

(45) Juelich, Dierk 1995: Erlebtes und ererbtes Trauma. Von den psychischen Beschädigungen bei den Urhebern der Shoah. In: Schreier, Helmut/Heyl, Mathias (Hg.): „Daß Auschwitz nicht noch einmal sei…“ Zur Erziehung nach Auschwitz. Hamburg Krämer, S. 98.

(46) Vgl. Huppert, Daru 2003: Revisionismus als Einstellung und Klischee. In: Büro trafo K./Höllwart, Renate/Martinez-Turek, Charlotte/Sternfeld, Nora/Pollak, Alexander (Hg.): In einer Wehrmachtsausstellung. Erfahrungen mit Geschichtsvermittlung. Wien: Turia+Kant, S. 129.

(47) Vgl. ebd. S. 130.

(48) Adorno 1977 S. 558.

(49) Adorno, Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute.

(50) Broder 1986 S. 11.

(51) Adorno, Theodor W. Gesammelte Schriften. Band 20.1.Vermischte Schriften I, S. 360-3 84.

(52) Adorno 1975 S. 149 f.

(53) Adorno 1975 S. 323.

(54) Rensmann, Lars 2005: Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden Verlag für Sozialwissenschaften, S. 91.

(55) Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W. 1985: Vorwort zu Paul W. Massings „Vorgeschichte des politischen Antisemitismus“. In: Horkheimer, Max: Gesammelte Schriften Bd. 8. Frankfurt a. M. S. 126 f.

(56) Zit. nach Juelich, Dierk 1994: Die Wiederkehr des Verdrängten. Sozialpsychologische Aspekte zur Identität der Deutschen nach Auschwitz. In: Kulke, Christine (Hg.): Der gewöhnliche Antisemitismus: Zur politischen Psychologie der Verachtung. Pfaffenweiler Centaurus-Verlags-Gesellschaft, S. 86.

(57) Korn, Salomon 2001: Die zweigeteilte und die gemeinsame Erinnerung: Was es in Israel heißt, des Holocaust zu gedenken, und was in Deutschland. Url: www.antisemitismus.net/ns-vergangenheit/korn.htm (Stand 13.06.2012).

(58) Ebd.

(59) Rensmann 1998: S. 334.

(60) Ebd.

(61) Rudko Kawczynski 2009: Eröffnungsrede. Url: hannoverscher-bahnhof.hamburg.de/contentblob/2106044/data/02-rede-03.doc (Stand 13.06.2012)

(62) Adorno 1977 S. 572.

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