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Attac-Klage gegen Aberkennung der Gemein­nüt­zig­keit

In: vorgänge Nr. 215 (Heft 3/2016), S. 97-99

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat beim Hessischen Finanzgericht eine Klage gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit eingereicht (4 K 179/16). Das Frankfurter Finanzamt hatte dem Verein mit Bescheid vom 14.4.2014 die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2010 bis 2012 mit der Begründung aberkannt, die satzungsgemäßen Ziele des Vereins entsprächen nicht den förderungswürdigen Kriterien aus § 52 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO); zudem sei die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins nicht ausschließlich auf gemeinnützige, sondern auch auf allgemeine politische Zwecke ausgerichtet. In der Begründung seiner Entscheidung verwies das Finanzamt insbesondere auf das Engagement des Vereins für eine Finanztransaktionssteuer sowie eine Vermögensabgabe.

Gegen die Entscheidung des Finanzamts legte Attac umgehend Einspruch ein. Dieser wurde nach mehr als anderthalb Jahren im Januar 2016 zurückgewiesen, was für Attac den Klageweg eröffnete.
In der mittlerweile veröffentlichten Begründung der Klage weist Attac darauf hin, dass es mit seinen Satzungszielen wie mit seiner praktischen Tätigkeit in mehrfacher Hinsicht die in der AO benannten gemeinnützigen Anliegen verfolge – so durch die Förderung des Gemeinwesens, der Solidarität und der Demokratie. Insbesondere der Stellenwert der Solidarität als zwar nicht expliziter, aber an vielen Stellen des Grundgesetzes implizit vorausgesetzter Verfassungswert (etwa im Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG) wird besonders hervorgehoben.

Nicht nachvollziehbar ist, warum das Finanzamt bei unveränderter Rechtslage die bestehende Satzung des Vereins, die es in früheren Bescheiden bereits als mit dem Gemeinnützigkeitsrecht konform angesehen hatte, jetzt monierte. In der Klage wird deshalb auch der Vertrauensschutz für die unverändert gebliebene Satzung eingefordert.
Mit Bezug auf die strittige politische Betätigung von Attac widerspricht die Klagebegründung der Behauptung des Finanzamts, die politische Betätigung des Vereins (u.a. für Transaktionssteuer und Vermögensabgabe) weise keinen sachlichen Bezug zu den gemeinnützigen Zwecken der Organisation auf. Die bundesweit über 400 Bildungsveranstaltungen, die Attac pro Jahr anbiete, zielten darauf ab, die Beteiligten zu einer „kritisch aktiven Teilnahme am politischen Geschehen“ zu befähigen, seien deshalb originär politische Bildungsarbeit. Darüber hinaus werden die demokratischen und gemeinwohlorientierten Aspekte zahlreicher Attac-Kampagnen erläutert, deren Bezug zu den Vereinszwecken das Finanzamt nicht erkennen wollte.

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für Attac ist kein Einzelfall. In den letzten Jahren mehren sich die Fälle, in denen seit Jahrzehnten aktiven Vereinen mit Verweis auf eine enge Auslegung der Abgabenordnung (etwa: FIAN) oder auf politische Betätigungen der gemeinnützige Status aberkannt wurde. Dabei wird häufig auf die Steuerrechtsprechung Bezug genommen, wonach eine politische Betätigung von Organisationen grundsätzlich gemeinnützigkeitsschädlich sei und nur in Ausnahmen zulässig ist, ohne die Gemeinnützigkeit zu gefährden. Zu den anerkannten Ausnahmen zählt, wenn die politischen Aktivitäten als Mittel zur Erreichung der gemeinnützigen Zwecke dienen und dabei eine parteipolitische Neutralität gewahrt werde.

Die Einschränkung der politischen Betätigung für gemeinnützige Vereine findet sich jedoch nicht im Gesetz (der AO), sondern nur im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO). Die Klagebegründung mahnt unter Verweis auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofes an, „dass in unserer vollkommen politisierten Welt eine Förderung gemeinnütziger Zwecke praktisch kaum möglich ist, ohne auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen …“ (S. 12) Eine Abgrenzung gemeinnütziger von politischer Betätigung sei nur hinsichtlich der Unterstützung politischer Parteien notwendig, in allgemeiner Form aber kaum sinnvoll. So seien auch die meisten der in § 52 Abs. 2 AO aufgeführten steuerbegünstigten Zwecke „politische Zwecke“, etwa der Natur- und Umweltschutz, die Entwicklungs- oder Flüchtlingshilfe oder das demokratische Staatswesen – „all dieses sind geradezu Kernbereiche der Politik.“ (S. 5)

Vor dem Hintergrund des Attac-Verfahrens hat sich im vergangenen Jahr die „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ gegründet, in der sich mittlerweile über 60 Organisationen und Stiftungen (darunter auch die Humanistische Union) für eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts einsetzen. Eine der zentralen Forderungen der Allianz ist die umgehende Änderung des Anwendungserlasses zu § 52 AO (die der Bundesfinanzminister vornehmen könnte). Er sollte neu gefasst werden als: „eine politische Tätigkeit danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit ist, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist.“

Die Bundesregierung bestätigte in einer Antwort auf eine Große Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 18/9573 v. 7.9.2016), dass derzeit innerhalb der Bundesregierung ein Meinungsaustausch über die Aufnahme weiterer gemeinnütziger Zwecke in die Abgabenordnung stattfinde, der aber noch nicht abgeschlossen sei. Zur Frage, inwiefern eine politische Betätigung gemeinnütziger Vereinigungen breiter als bisher zugelassen werden sollte, gibt sich die Regierung jedoch bedeckt: „Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung sind das Ehrenamt und die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes in und durch Parteien im Sinne des Artikels 21 Absatz 1 des Grundgesetzes weiterhin voneinander getrennt zu betrachten.“ (ebd., S. 5) Weiterhin warnt die Regierung: „Die Öffnung des Gemeinnützigkeitsbegriffs auch für politische Aktivitäten würde zu einem grundlegend  anderen Verständnis von „Gemeinnützigkeit“ und damit zu weitreichenden gesetzlichen Änderungen führen.“ (ebd., S. 8).

Klagebegründung der Kanzlei Müller-Heidelberg, Fuchs und Partner im Verfahren Attac Trägerverein ./. Finanzamt Frankfurt/Main III (4 K 179/16) v. 17.5.2016, unter http://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/Gemeinnutz/Attac_Klagebegruendung_FGKassel.pdf 

Informationen zur „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ und Forderungen derselben für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht: http://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de.

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