Die (un)heimliche Staatsgewalt: VIII. Auskunftsanspruch
aus: vorgänge Nr. 55 (Heft 1/1982), S. 108-110
Die in den bisherigen Kapiteln vorgenommenen Einschränkungen und Präzisierungen der Tätigkeit des Verfassungsschutzes sind überflüssig, wenn nicht auch ihre Beachtung gesichert ist. Angesichts der dem Wesen nach heimlichen Tätigkeit des Verfassungsschutzes ist diese Garantie kaum zu geben, da Verstöße nicht bekannt werden, der Verfassungsschutz also keine Sanktionen zu fürchten braucht – weder als Institution insgesamt noch jeweils der einzelne Beamte. Die notwendige Wirksamkeit erhalten die vorgeschlagenen Regelungen erst, wenn ihre Einhaltung kontrolliert wird. Was liegt näher, als diese Kontrolle bei dem Betroffenen anzusiedeln, ihm einen Auskunftsanspruch zu geben, mit dem er überprüfen kann, ob und welche Informationen der Verfassungsschutz über ihn – gegebenenfalls rechtswidrig – gesammelt hat. Hinsichtlich der in Dateien enthaltenen personenbezogenen Daten, ist der Gesetzgeber in den Datenschutzgesetzen diesen Weg im Prinzip bereits gegangen. Die Datenschutzgesetze lassen die Verarbeitung personenbezogener Daten nur zu, wenn die schutzwürdigen Belange des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden. Da letztlich aber nur der Betroffene selbst entscheiden kann, ob durch die Speicherung oder die sonstige Verarbeitung seiner Daten in einer bestimmten Datei schutzwürdige Belange beeinträchtigt werden oder nicht“ [1] hat der Gesetzgeber den Auskunftsanspruch als fundamentale Kontrollfunktion eingeführt. Ausgerechnet der Sicherheitsbereich, in dem besonders sensible Daten gespeichert sind, ist davon ausgenommen worden.
Auf Initiative des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und einiger seiner Länderkollegen [2] ist nun teilweise auch bei den Polizeibehörden ein Auskunftsanspruch des Bürgers eingeführt worden [3].
Dieser datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch muß auch auf den Verfassungsschutz ausgedehnt werden. Er darf sich außerdem nicht auf die in Dateien enthaltenen Daten beschränken – dies sind nämlich im Bereich des Verfassungsschutzes in der Regel nur Aktenzeichen, aus denen ersichtlich ist, wo Akten über den Betreffenden geführt werden. Vielmehr muß der Auskunftsanspruch sich auf alle Informationen, die der Verfassungsschutz über den Betreffenden gesammelt hat, erstrecken sowie darauf, welche Informationen ggf. an wen übermittelt worden sind [4].
Eine Ausnahme kann vorgesehen werden für den Quellenschutz sowie für die Spionagebekämpfung. Die Beweislast dafür, dass einer dieser Ausnahmefälle vorliegt, muß beim Verfassungsschutz liegen. Hält er sich wirklich – wie von ihm selbst und den Politikern immer wieder behauptet – an Gesetz und Recht, ist auch nicht einzusehen, warum er einen solchen Auskunftsanspruch fürchten sollte und ablehnen müßte.
Verweise
1 Was bringt das Datenschutzgesetz?, hrg vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz, 1978, S 5.
2 Zweiter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz für 1979, S 51; Bundesdrucksache VIII/3570.
3 Richtlinien für die Errichtung und Führung von Dateien über personenbezogene Daten beim Bundeskriminalamt 1981, Pkt. 6.
4 Entsprechend Art 19 Abs. 3 Grundgesetz müßte geprüft werden, ob ein solcher Auskunftsanspruch auch juristischen Personen eingeräumt werden soll.
Sollte sich die in der letzten Zeit zunehmend in der Öffentlichkeit erhobene Forderung nach einem allgemeinen Akteneinsichtsrecht (vgl. den amerikanischen freedom of information act) durchsetzen, das sich nicht auf personenbezogene Daten beschränkt, sondern jedem Bürger ein Recht auf Akteneinsicht (auch ohne persönliche Betroffenheit) gewährt, so müßte dieses naturgemäß auch für den Verfassungsschutz gelten. Vgl. zu diesem Problembereich Ein überfälliges Bürgerrecht: Für ein Grundrecht auf Einsicht in Behördenakten, Dokumente und Materialien für eine deutsche Freedom of Information“-Gesetzgebung, Landesverband Berlin der Humanistischen Union, 1980.