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Begründung zu These 2: Kirchen­steuer

01. Juni 1995

aus: Trennung von Staat und Kirche. Thesen der Humanistischen Union. HU-Schriften 21, München 1995, S. 18 – 24

These 2: Kirchensteuer
Die Verfassung gesteht den Kirchen, soweit sie öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, das Recht zu, eigene Steuern zu erheben. (Art. 140 GG in Verb. mit 137 WRV)
Die Verfassung enthält keine Regelung des Einzugs kirchlicher Steuern durch den Staat. Der Steuereinzug durch den Staat verletzt in eklatanter Weise das Gebot der Trennung von Staat und Kirche.

Begründung:


In der öffentlichen Diskussion über die Kirchensteuer geraten zwei Argumentationsebenen immer wieder durcheinander. Zu unterscheiden ist die Frage, ob die landesrechtlich geregelte Kirchensteuererhebung durch staatliche Behörden nach dem Grundgesetz zulässig ist, von der Frage, welche Folgen die Abschaffung der Kirchensteuer und ihr Ersatz durch ein rein kircheninternes Beitragsystem rechts-und kirchenpolitisch haben würde.
Die praktischen Folgen können in der verfassungsrechtlichen Diskussion nur insoweit von Bedeutung sein, als sie Rückschlüsse auf die Auslegung des Grundgesetzes erlauben. Ist die staatliche Kirchensteuererhebung in ihrer konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich unzulässig, so sind die Folgen hinzunehmen. Die Verfassung hat allemal den Vorrang vor praktischen Erwägungen.

A. Fehlende rechtspolitische
Legitimation der Kirchensteuer

Äußerst vielfältig sind die Argumente, mit denen amtskirchlich orientierte Verteidiger des herrschenden Systems der Kirchensteuer, eines „finanzverfassungsrechtlichen Unikats“ (so selbst Josef Isensee [1]) operieren. Die Forderung nach völliger Abschaffung der Kirchensteuer wird oft sehr emotional und irrational diskutiert, zumal schon um die 70 % der bundesdeutschen Bevölkerung die Kirchensteuer generell ablehnen.

1. Zum Freund-Feind-Denken
Meist fühlen sich die Verteidiger des Systems sehr angegriffen, obwohl selbst erklärte Kirchengegner den Kirchen niemals das Recht abstreiten, ihre Mitgliedsbeiträge (um solche handelt es sich der Sache nach) nach Belieben entsprechend dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG in Verb. mit Art 137 III WRV) zu erheben. Auch eine Einziehung mit Hilfe staatlicher Gerichte würde den Kirchen sicher niemand verweigern wollen. Mehr verlangt selbst das Gesetzbuch der katholischen Kirche nicht [2]. Insofern ist, auch angesichts der andersartigen Regelung in allen vergleichbaren Ländern, die große Aggressivität mancher Verteidiger des Kirchensteuersystems („beispielhaft“ etwa Martin Lohmann, Ressortleiter beim Rheinischen Merkur [3]) nicht recht verständlich.

II Einige Gesichtspunkte der Systemverteidiger

(stichwortartig):
Es handele sich um Antikirchliche Propaganda; ohne Kirchensteuer sei der Sozialstaat nicht oder nur mit Einschränkungen zu verwirklichen; Kirchensteuer spare dem Staat Geld; die kirchlichen Sozialeinrichtungen stünden den Bürgern ungeachtet ihrer Weltanschauung zur Verfügung; Kirchensteuer beuge der Verödung der Kultur vor; Kirche müsse als unverzichtbarer Wertevermittler in der pluralistischen Gesellschaft gefördert werden; das Lohnsteuereinzugsverfahren sei äußerst praktikabel, effektiv und kostengünstig; Kirchensteuer garantiere bessere Steuergerechtigkeit; ihr Fortfall führe zu gesellschaftlich unerwünschten Entwicklungen in der Kirche usw. Man preist sie als zu exportierendes Modell.

III. Gewichtige Punkte sprechen demgegenüber für die Ersetzung des Kirchensteuermodells durch ein Modell rein kircheneigener Beitragsleistung:

1. Es kann nicht Aufgabe des dem Grundsatz der inhaltlichen Distanziertheit (Prinzip der Nichtidentifikation) und organisatorischen Trennung von Staat und Religion [4] verpflichteten Staats sein, für außerstaatliche Vereinigungen mit staatlichen Zwangsmitteln Mitgliedsbeiträge einzuziehen. Derartige Kirchenfinanzierung gibt es von allen vergleichbaren Staaten nur noch in größeren Teilen der Schweiz.

2. Die beiden Großkirchen (das sind nur die wichtigsten Religionsgemeinschaften, die „Kirchensteuern“ erheben) verwenden von den derzeit ca. 16 Mrd. Kirchensteuer lediglich um die 8 % für allgemein-öffentliche kirchliche Sozialeinrichtungen. Die sich für die öffentliche Hand hieraus ergebenden Einsparungen betragen nur einen Teil dessen, was sich an staatlichen Mindereinnahmen allein aus der steuerlichen Absetzbarkeit der Kirchensteuern ergibt, von den Kosten der Militär- und Anstaltsseelsorge, den enormen Kosten der theologischen Fakultäten, des Religionsunterrichts und anderer Ausgaben zugunsten der Kirchen ganz abgesehen.

3. Eine Reduzierung kirchlicher Sozialeinrichtungen auf Grund reduzierter kircheneigener Einnahmen hätte daher kaum Auswirkungen auf den Bestand der ohnehin weitestgehend von Staat und Kommunen finanzierten Einrichtungen, allenfalls auf die Trägerschaft.

4. Positive Folge einer Reduzierung kirchlicher Träger wäre eine Verringerung der weithin vorhandenen verfassungswidrigen kirchlichen Monopole im Sozialbereich. Das BVerfG hat in seinem Sozialhilfeurteil den, gegen starken Widerstand der Städte 1961 neu eingeführten Grundsatz des Vorrangs der „freien Träger“ vor denen der öffentlichen Hand, das sind überwiegend kirchliche, verfassungskonform eingeschränkt: Bei der Neuerrichtung sozialer Einrichtungen müsse Art. 4 GG (Glaubensfreiheit) beachtet werden. Das bedeutet, dass eine Grundversorgung mit weltanschaulich neutralen Einrichtungen vorhanden sein muss [5].

5. Die Kirchensteuer begünstigt den Zentralismus der amtskirchlichen Hierarchie mit ihrem üppig ausgestatteten Personal-und Machtapparat. Sie nimmt daher indirekt von Staats wegen und also illegitim Einfluss auf die innerkirchlichen Strukturen.

6. Ärmere und „entschlacktere“ Kirchen, die sich mehr auf ihre ureigenen Kräfte stützen müssten, könnten einen mindestens gleichwertigen Einfluss auf die Wertebildung in der Gesellschaft nehmen. Sie müssten mehr auf ihre – nun im Durchschnitt überzeugteren – Mitglieder Rücksicht nehmen als auf politische Instanzen.

8. Ein kircheneigenes Beitragssystem würde auch aus folgendem Grund die kirchliche Glaubwürdigkeit erhöhen: Aus vielschichtigen Gründen, insbesondere auch des sozialen „Zwangs“ (Rücksicht auf Familienangehörige, auf kleinere Arbeitgeber), zahlen selbst solche Bürger Kirchensteuer, die keinerlei Kirchenbindung mehr haben oder gar als „unreligiös“ zu bezeichnen sind. Dabei wird die Kirchensteuer weit überwiegend (ca. 65 -70 %) für Personal des innerkirchlichen Bereichs verwendet. Das Beharren auf der Kirchensteuer zielt also wesentlich auf Zahler, die mit der Kirche nichts im Sinn haben: Es handelt sich – trotz der Möglichkeit des „Kirchenaustritts“ – um eine Sonderform der Unehrlichkeit, die übrigens in der Pastoralkonstitution des 2. Vatikanums (Art. 76) indirekt deutlich verurteilt wurde.

9. Die Kirchensteuer ist Relikt einer historisch älteren Rechtsschicht. Sie hatte einmal, unter völlig anderen Verhältnissen, ihre Rechtfertigung angesichts einer volkskirchlichen Struktur. Von einer Volkskirche kann selbst im Westen Deutschlands seit langem nicht mehr die Rede sein‘, in den neuen Bundesländern nicht einmal als Restbestand.

10. Innerkirchlich wird die Kirchensteuer auch von katholischer Seite seit langem kritisiert: z.B. von H. Barion : sie sei eine „neokonstantionische Verfremdung“ die nach einem neuen Kierkegaard rufe; von 0. v. Nell-Breuninge [8]: „…in der freiheitlichen Landschaft unseres Verfassungs- und Staatskirchenrechts ist dieser Anachronismus ein erratischer Block“. Eine ausführliche Broschüre des „Bensberger Kreises [9]“ befasst sich u.a. mit den Problemen Geld als Machtfaktor in der Weltkirche, Bürokratisierung und Konzentration, Identitätsverlust, Arbeitgeberproblematik. Ergebnis einer anderen Lösung sei: geringere Einnahmen, aber keine Verarmung; relative politische Unabhängigkeit, Stärkung der Basis, ökumenische Solidarität u.a). In dem 1990 gegründeten „Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V.“[10] haben verschiedene kirchliche Gruppierungen zusammengefunden.

Resultat: Rechtspolitisch ist die Kirchensteuer nicht mehr zu rechtfertigen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann [11], hat schon 1974 in Anlehnung an E.-W. Böckenförde geschrieben: „Es gibt im Kern der politischen Ordnung keine Verbindung mehr zur Religion… die Religion wird zu einer Angelegenheit des Interesses einzelner Bürger. Sie ist kein Bestandteil der staatlichen Ordnung.“

B. Verfassungsrechtliche Argumente
gegen den Einzug kirchlicher Steuern
durch den Staat

Bisher so gut wie unbekannt geblieben ist die Erkenntnis, dass auch bei grundsätzlicher Beibehaltung der Kirchensteuer als einer öffentlich-rechtlichen Zwangsabgabe aus Rechtsgründen erhebliche Änderungen erforderlich sind.
1. Die Regelung des GG als oberster Rechtsnorm lautet wie folgt:
„Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ (Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 VI WRV)

2. Das bedeutet folgendes: Da es sich um die Erhebung eines Mitgliedsbeitrags einer außerstaatlichen Organisation in Form einer Steuer handelt (ein finanzverfassungsrechtlich einmaliger Fall), ist ein gewisses Maß an institutionellem Zusammenwirken von Staat und Religionsgemeinschaften begriffsnotwendig erforderlich. Formell-rechtlich liegt nur dann eine Steuer vor, wenn der Staat auf Antrag des Steuergläubigers („Kirche“) Rückstände zwangsweise beitreibt. Um die Steuer rationell erheben zu können, hat der Steuergläubiger nach der o.gen. Bestimmung das Recht, die Steuerdaten der öffentlichen Hand mitgeteilt zu bekommen („bürgerliche Steuerlisten“). Es sind nur diese zwei Minimalvoraussetzungen, die die Verfassung garantiert. Sie erfordern freilich den Erlas von Landesgesetzen. Dabei könnte – unstreitig – der Landesgesetzgeber bestimmen, dass die Kirchensteuer nur von kirchlichen Stellen verwaltet werden soll [12]. Hätte man sich damit begnügt, wären zahlreiche Rechtsprobleme nicht entstanden damit begnügt, wären zahlreiche Rechtsprobleme nicht entstanden.

3. Zur Weimarer Zeit war die alte Ortskirchensteuer schrittweise in eine Diözesan-bzw. Landeskirchensteuer umgewandelt worden. Zentralisiert und vereinheitlicht wurde das System erst nach 1945. Erst jetzt auch verzichtete man nahezu allgemein auf kircheneigene Steuerbehörden und ging auf das praktische und höchst effektive System des Abzugs von der Lohnsteuer über, wobei der Arbeitgeber kostenlos auch die Kirchensteuer abzuführen hat. Die Aufgaben der früheren Kirchensteuerämter übertrug man auf Wunsch der Kirchen landesgesetzlich auf die Finanzämter. Die Rechtspraxis hat, aufbauend auf den o.gen. Minimalerfordernissen, in der BRD ein komplexes System staatlicher Verwaltung mit zum Teil skurrilen Folgen geschaffen; zugunsten der Kirchen, versteht sich.

4. Völlig übersehen hat man dabei folgendes: Die Kirchensteuer, im 19. Jh. aus den historischen Notwendigkeiten der Trennung von Staat und Kirche im Zuge der allmählichen Ablösung der staatskirchlichen Rechtsformen („Thron und Altar“) entstanden, wurde 1919 in den Zusammenhang einer weitgehenden verfassungsrechtlichen Trennung von Staat und Kirche gestellt. Dieser Trennungsgrundsatz wird heute als striktes Verbot institutioneller Verflechtungen staatlicher und kirchlicher Organe verstanden, wobei jede Ausnahme einer speziellen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Trotzdem haben unter der Geltung des GG alle Kirchensteuergesetze ein Instrumentarium zumindest fakultativer sehr weitgehender Zusammenarbeit staatlicher und kirchlicher Organe geschaffen. Insbesondere die wichtige Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlagsteuer zur Lohn- und Einkommensteuer ist geradezu ein Musterbeispiel einer staatskirchlichen Rechtsform geworden.

5a) Die Missachtung der (theoretisch anerkannten) Grundprinzipien der weltanschaulichen Neutralität und der Trennung von Staat und Kirche geht in Rechts- und Staatspraxis ganz allgemein trotz des aussagekräftigen Verfassungstextes sehr weit.
Bei der Kirchensteuer fällt auf, dass die Zulassung der Steuerverwaltung durch den Staat nahezu allgemein nicht problematisiert wurde. Auch das BVerfG hat in seiner ansonsten „liberalen“ grundlegenden Entscheidung E 19, 206 (die Einführung „staatskirchlicher Rechtsnormen“ sei durch das GG verwehrt) und in einer Reihe anderer einschlägiger Entscheidungen keinerlei Rechtsproblem erkannt. Offenbar war man so sehr von der Effizienz und eingefahrenen Selbstverständlichkeit des Lohnsteuerabzugsverfahrens beeindruckt, dass man ein Rechtsproblem nicht erkennen mochte. Daher durfte das praktische Verfahren auf gar keinen Fall indirekt verhindert werden. Dies zeigen die Behandlung der Verpflichtung des Arbeitgebers, für seine Arbeitnehmer die Kirchenlohnsteuer einzubehalten und abzuführen sowie die Behandlung des Problems des Religionsvermerks auf der Lohnsteuerkarte.

b) Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum (kostenlosen!) Einbehalt der Kirchenlohnsteuer erschien dem Bundesverfassungsgericht [13] – trotz damals kontroverser Debatte – so problemlos, dass es eine Verfassungsbeschwerde nicht einmal zur Entscheidung annahm. Die Begründung: Das Kirchenlohnsteuerverfahren sei verfassungsgemäß (eine vom Bundesverfassungsgericht und der herrschenden Meinung noch nie überprüfte begründungslose These). Die Arbeitgeber seien lediglich Beauftragte des Steuerfiskus. Der Arbeitgeber unterstütze dabei „im Rahmen seiner sozialstaatlich gebotenen Fürsorgepflicht zugleich seine Arbeitnehmer in der vereinfachten Erfüllung der ihnen obliegenden Kirchensteuerpflicht“. Dabei werden die Mitgliedsbeiträge für Religionsgemeinschaften eingezogen, die frei darüber verfügen können. Eine Indienstnahme privater für öffentliche Aufgaben mag zwar u.u. möglich sein, aber doch nicht, wenn bei ihrer Erfüllung ein wichtiges Verfassungsprinzip (institutielle Trennung von Staat und Religion) missachtet wird und sogar ein andersgläubiger oder religionsloser Arbeitgeber gezwungen wird, für eine von ihm abgelehnte Glaubensgemeinschaft kostenlos tätig zu sein, um das mit einer Tätigkeit lediglich für den Staat zu „begründen“.

c) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs [14] scheut nicht einmal davor zurück, die Pauschalisierung der Lohnkirchensteuer zusammen mit der Pauschalisierung der Lohnsteuer zuzulassen, wobei der Arbeitgeber im Einzelfall nachweisen muss, dass der jeweilige Arbeitnehmer keiner steuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehört, um einer unberechtigten Zahlung zu entgehen. Dabei kann der Arbeitgeber i.d.R. bei Teilzeitbeschäftigten, weil er auf die Vorlage der Lohnsteuerkarte verzichten muss, den geforderten Nachweis nicht einmal führen. Die Aufteilung ist laut BFH nach einer Schätzung zwischen evangelischen und römisch-katholischen Steueranteilen vorzunehmen. Die Anteile der anderen berechtigten Religionsgemeinschaften fallen dabei unter den Tisch. Besonders pikant ist die Pauschalisierung der Kirchenlohnsteuer in den neuen Bundesländern, wo die Kirchenzugehörigkeit ja die Ausnahme ist.

d) Wie fadenscheinig die z.T. komplizierten Bemühungen der Rechtsprechung sind, zeigt das Problem des Vermerks der (fehlenden) Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte. Art. 136 III 1 WRV (über Art. 140 GG Verfassungsbestandteil) sagt klipp und klar: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“ Zwar gilt eine Ausnahme für den Fall, dass von der Kenntnis Rechte oder Pflichten abhängen, doch muss dabei selbstverständlich Art. 4 GG beachtet sein! Das BVerfG hat das Problem („in dubio pro ecclesia“) 1978 so „gelöst“: Das Kirchenlohnsteuerverfahren ist verfassungsgemäß. Es erfordert aus „Zweckmäßigkeitsgründen“ einen Vermerk über die Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers zu einer steuerberechtigten Religionsgemeinschaft. Aus diesem Grund ist eine Grundrechtsverletzung „noch nicht“ anzunehmen. Die Einschränkung des schrankenlosen Fundamentalrechts der Glaubensfreiheit, dessen Teilaspekt Art. 136 III 1 WRV ist, aus durch eine kircheneigene Steuerverwaltung bloßen Zweckmäßigkeitsgründen, entgegen würde zahlreiche verfassungsrechtliche dem klaren Wortlaut der Verfassung: ein Ungereimtheiten, z.T. schwerwiegender verfassungsrechtlicher Abgrund! (BVerfGE Art, beseitigen.
49, 375 = NJW 1979, 209)

e) Ohne den Lohnsteuerkarten-Vermerk und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abführung der Kirchenlohnsteuer wäre allerdings in der Tat das wie geölt funktionierende System des Kirchenlohnsteuerverfahrens beendet. Die Kirchen müssten ein eigenes Erhebungsverfahren entwickeln. Allerdings gelingt es anderen Großorganisationen wie Gewerkschaften und Volksparteien mit Hilfe der EDV ebenfalls ganz gut, ihre Mitglieder zu verwalten, ohne dass sie darüber klagen. Wie unnötig die Mißaehtung der Verfassung ist, zeigt die Tatsache, dass evangelisch-lutherische und katholische Kirche in Bayern seit eh und je bis heute ganz freiwillig die Kircheneinkommensteuer durch Kirchensteuerämter verwalten. Eine Ersetzung des staatlichen Kirchenlohnsteuereinzugs

C. Folgerungen

Aus allgemeinen rechtpolitischen Gründen sollte die Kirchensteuer abgeschafft und durch ein kircheneigenes Beitragssystem ersetzt werden. Aber schon das geltende Verfassungsrecht (GG) untersagt die staatliche Einziehung der Kirchensteuer (Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz). Schon Art und Ausmaß der damit verbundenen Rechtsprobleme sprechen dagegen. Selbst wenn man die staatliche Kirchensteuerverwaltung für zulässig halten wollte, so ist sie doch auf gar keinen Fall verfassungsrechtlich gefordert. Die Kirchensteuergesetze der Länder sollten daher entsprechend geändert werden. Das wäre selbst nach Auffassung des bislang äußerst kirchenfreundlichen BVerfG ohne jedes verfassungsrechtliches Risiko.

Anmerkungen:

[1]JuS 1980, 94/98.

[2] can. 222 § 1 CIC; ferner ran. 126D,1262; can. 1263 enthalt im Hinblick auf Deutschland die Zulassung „partikularer Gesetze und Gewohnheiten‘, die dem Diözesanbischof „weitergehende Rechte einräumen‘

[3]Die Neue Ordnung 47 (1993) 412-422; auch in W. Ockenfels/ B. Kettem, Streitfall Kirchensteuer 61-75

[4]Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 1 WRV; vgl. auch M. 137 III (WRV – Selbstbestimmungsrecht – und M. 138 WRV -finanzielle und vermögensrechtliche Trennung)

[8]DÖV 1970,148/154.

[9]Zu einigen Aspekten der Kirchenfinanzierung. Bonn ‚1992.

[10] I. Vors.: Dr. Magdalene Bussmann, Sylviastr. 14, 45131 Essen.

[11]In H. Howes: Gesellschaft ohne Christentum Düsseldorf 1974, 124/131.

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