Begründung zu These 9: Medien
aus: Trennung von Staat und Kirche. Thesen der Humanistischen Union. HU-Schriften 21, München 1995, S. 47 – 48
These 9: Medien
Kirchen dürfen in den öffentlich-rechtlichen Medien nicht gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen bevorzugt werden.
Begründung:
Artikel in Verträgen zwischen einem Bundesland und den christlichen Großkirchen, die den Kirchen „in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemessene Sendezeiten für Zwecke der Verkündigung und der Seelsorge sowie für sonstige Sendungen“ und den Anspruch auf „angemessene Sendezeiten“ und „angemessene Vertretung ihrer Interessen“ in Aufsichtsgremien zusichern, sind verfassungswidrig. Denn keine Gruppe darf aufgrund ihrer Weltanschauung privilegiert werden. Diese Privilegierung ist umso absurder, als die christlichen Kirchen in fast jedem Dorf vertreten und an einer Verbreitung ihrer Lehren daher in keiner Weise gehindert sind. Würden vergleichbare andere gesellschaftlichen Gruppen (Gewerkschaften, Verbände, Parteien), die mit Fug und Recht entsprechende Ansprüche erheben könnten, Sendezeiten, Redaktionen und Interessenvertretung eigens zugesichert, wäre dieses möglicherweise das Ende eines unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Sofern geltend gemacht wird, das Gebiet von Religion und Weltanschauung erfordere eine Sonderbehandlung, so ist darauf hinzuweisen, dass dann zunächst einmal ein immenser Nachholbedarf an „angemessener Sendezeit“ und „Interessenvertretung“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für den konfessionsfreien Teil der Bevölkerung besteht, der in den neuen Bundesländern gegenüber dem christlichen Bevölkerungsteil eindeutig in der Mehrheit ist. Auch bundesweit stellen die Konfessionsfreien ca. 25% der Bevölkerung (bei steigender Tendenz), deren Interesse an einer „angemessenen Vertretung“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bislang kaum berücksichtigt wurde. Würden die Sendezeiten und die entsprechenden Finanzmittel entsprechend dem Anteil der jeweiligen Religion oder Weltanschauung in der Bevölkerung zugewiesen (und jeder andere Ansatz ist unrechtmäßig!), Dann würden in den neuen Bundesländern mindestens 70% der hierfür verfügbaren Sendezeiten und entsprechend viele Mandate in Aufsichtsgremien den Verbänden konfessionsfreier Bundesbürger zuzuerkennen sein. Jedenfalls ist es unredlich, in der Praxis sehr weitgehend die großkirchlichen Interessen zu berücksichtigen und die anderen Gruppierungen ganzer geistiger Strömungen zu vernachlässigen (z.b, die humanistische Aufklärung. Der große Bevölkerungsteil frei denkender Menschen lässt sich trotz oft gleicher Interessen nur schwer organisiere. Das ist kein Grund, den theoretisch anerkannten Fundamentalsatz (s. Rechtsprechung des BVerfG und die Rundfunkgesetze) zu ignorieren, dass der Rundfunk „nicht der Repräsentation organisierter Interessen oder Meinungen, sondern der Sicherung der Meinungsvielfalt“ dienen muss (s. BVerfG, NJW 1991, 899, Leitsatz 5a ).