Staatsleistungen an die Kirchen sind einzustellen
Humanistische Union fordert Umsetzung des Verfassungsauftrages durch den Gesetzgeber und ersatzlose Streichung der jährlichen Zahlungen
Die Humanistische Union (HU) fordert den Bundestag anlässlich der bevorstehenden zweiten Lesung eines Gesetzesentwurfs der Fraktion Die Linke auf, die Staatsleistungen an die Kirchen endlich einzustellen. Die Linke will die Staatsleistungen an die Kirchen ablösen, die Kirchen sollen als einmalige Entschädigung das Zehnfache eines Jahresbetrages erhalten (BT-Drs. 17/8791). Am heutigen Donnerstag, den 27. Juni, findet die zweite Lesung des Gesetzentwurfs statt; gemäß der Beschlussempfehlung des federführenden Innenausschusses rechnet die Bürgerrechtsorganisation mit einer Ablehnung im Plenum.
Dazu erklärt Kirsten Wiese vom Bundesvorstand der HU: Der Bundesgesetzgeber sollte endlich das seit 1919 bestehende Verfassungsgebot umsetzen. Es ist nicht akzeptabel, dass die Mehrheit der Abgeordneten einen klaren Verfassungsauftrag weiterhin ignoriert. Bereits die Weimarer Reichsverfassung (Art. 138) verpflichtete den Gesetzgeber, die allgemeinen Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen, sprich: zu beenden. Diese Aufforderung gilt durch Artikel 140 Grundgesetz fort.
Kirsten Wiese weist darauf hin, dass eine Ablösung der Staatsleistungen den verschuldeten Landeshaushalten zugute käme. Es ist völlig unverständlich, warum die zum Teil hoch verschuldeten Länder jährlich 481 Millionen Euro an die evangelische und die katholische Kirche zahlen, die schuldenfrei und zudem in der Lage sind, ihren Finanzbedarf durch die von ihnen selbst festzusetzende Kirchensteuer zu decken. Angesichts eines jährlichen Kirchensteueraufkommens von rund 9,4 Mrd. Euro gefährde eine Einstellung der Staatsleistungen auch nicht die Existenz der Kirchen.
Die jährlichen Staatsleistungen sind allgemeine Zuwendungen an die Kirchen ohne jegliche Zweckbindung, die von Steuergeldern finanziert werden. Sie sind weder zu verwechseln mit den Kirchensteuern, die der Staat für die Kirchen einzieht, noch mit den Zuwendungen für kirchliche Schulen, Kindergärten oder Krankenhäuser, diakonische und karitative Einrichtungen oder Anstaltsseelsorge. All dies wäre von einer Aufhebung der allgemeinen Staatsleistungen an die Kirchen nicht betroffen.
Die parlamentarische Debatte über das Ablösegebot war mehrfach von Missverständnissen und Unwissen geprägt. Dennoch verweigerte sich die Mehrheit im Innenausschuss einer Anhörung Sachverständiger; ein entsprechender Antrag der Linksfraktion wurde nur von Bündnis 90/Die Grünen unterstützt. Die CDU/CSU-Fraktion begründete ihre Ablehnung des Gesetzesentwurfs in den Ausschussberatungen sogar mit dem Reichskonkordat von 1933 (s. BT-Drs. 17/13156, Seite 5). Das zeugt nach Kirsten Wiese von wenig Geschichtsbewusstsein. Das Reichskonkordat wurde am 20. Juli 1933, also nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes, zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossen. Es bedurfte deshalb nicht mehr der Zustimmung des Reichstages. Artikel 18 des Reichskonkordates bestimmte, dass vor der Ablösung der Staatsleistungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich ein freundschaftliches Einvernehmen herbeizuführen sei. Das aber verstieß schon damals gegen Artikel 138 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung, der die Ablösung der Staatsleistungen nicht an ein solches Einvernehmen knüpfte. Ebenso wenig verlangt Artikel 140 GG, durch den Artikel 138 WRV in das Grundgesetz übernommen wurde, ein solches Einvernehmen.
Die Humanistische Union hat bereits 2011 einen eigenen Gesetzentwurf für ein Ablösegesetz vorgelegt, mit dem sie die entschädigungslose Beendigung der Staatsleistungen fordert. Die evangelische und katholische Kirche haben mit mehr als 15 Milliarden Euro seit 1949 bereits ein Vielfaches dessen erhalten, was ihnen durch die Enteignungen in vergangenen Jahrhunderten genommen worden ist. Eine Entschädigung ist deshalb nicht mehr nötig, so Kirsten Wiese.