Referat Neumann

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Referat von Prof. Dr. Johannes Neumann

Nach dem ausführlichen Referat von Herrn Fischer und von Herrn Walf bleibt mir nur noch die Aufgabe, einige Reste nachzutragen. Ich möchte mich auf fünf kurze Anmerkungen beschränken.

Die erste Anmerkung betrifft noch einmal die Sozialstaatproblematik.

Es wird hier ähnlich wie bei der Kirchensteuer und im Kontext der Kirchensteuer immer argumentiert, die umfassende Versorgung der deutschen Bürger im Sozialstaat der Bundesrepublik verdanken wir im Wesentlichen der Mithilfe der sogenannten freien Wohlfahrtsverbände, vor allen Dingen der beiden Kirchen. Ich war bis gestern auch noch überzeugt von der Güte der deutschen sozialpolitischen Leistungen, wenngleich ich auch stets Bedenken hatte, ob das alles auf der kirchlichen Mitarbeit beruht. Eine Untersuchung von 1989 im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit stellt einen europäischen Vergleich auf und übernimmt die Standards dreier Nachbarländer, zweier EG-Länder und eines Nicht-EG-Landes, nämlich Dänemark, der Niederlanden und der Schweiz. Ich nehme nur einmal die Zahlen heraus für die Altenversorgung. Wir haben in der Bundesrepublik derzeit, also Anfang 1989, 351.000 Heimplätze.

Wenn wir den Versorgungsstandard Dänemarks übernehmen würden, immer etwas belächelt als ein sozial rückständiges Land, hat hier noch gegenüber unseren 351.000 Plätzen 559.000 Plätze zu bieten.

Das besagt zweierlei:

Zum Ersten, daß unser Sozialsystem bei der Bereitstellung konkreter Hilfsangebote keineswegs so gut ist, wie uns glauben gemacht wird. Im Bereich der Kindergärten und der Krabbelgruppen sind wir geradezu ein Entwicklungsland.

Zum Zweiten zeigt dies, daß andere Länder in denen die kirchlichen Verbände nicht so privilegiert sind wie bei uns, durchaus Besseres bei der sozialen Versorgung zu bieten haben.

Offenbar ist diese Mitwirkung der sogenannten freien Wohlfahrtsverbände nicht eine Geheimwaffe, um eine Volkswirtschaft und ein Gemeinwesen nun tatsächlich auf einen optimalen sozialpolitischen Leistungsstand zu bringen.

Außerdem, meine ich: Für den modernen Wohlfahrtsstaat, also auch die Genannten an der Spitze, wie auch Frankreich, Italien und andere Länder Mitteleuropas, sind aufgrund ihrer je unterschiedlichen Entwicklung in den letzten 150 Jahren Wohlfahrtsstaaten geworden, die die beachtliche soziale Sicherheit zu erbringen vermögen, obwohl sie dieses verflochtene Sozialsystem wie wir es haben, mit einer großen Dominanz der kirchlichen Einrichtungen, nicht kennen.

Das möchte ich nur sagen, um diejenigen zu trösten, die fürchten, wenn die Kirchensteuer reduziert werde, werde es zu einem Zusammenbruch des Sozialwesens kommen. Es ist soeben mit Recht darauf hingewiesen worden, daß der Anteil der Eigenleistungen der Kirchen in dem sozialen Sektor weithin übertrieben bzw. bewußt überschätzt wird.

Damit zusammenhängend ist angesprochen worden, daß in diesen sozialen Bereichen ungefähr 500.000 bis 700.000 Beschäftigte tätig sind. Herr Baeger hat schon darauf hingewiesen, daß diese Personen insgesamt nicht den Schutz eines normalen Arbeitnehmers in der Bundesrepublik haben. Es gilt für sie nicht der Tendenzschutzparagraph, sondern es gilt für sie § 118 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes.

Der nämlich sagt:

„Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeachtet deren Rechtsform,“

Das heißt, dieser Arbeitnehmerkreis untersteht einem Sonderrecht. Einem Sonderrecht, das in den evang. Kirchen nach Landeskirchen unterschiedlich angewandt wird, aber in den süddeutschen Ländern sich doch dem kath. Regressionsniveau bezüglich innerer Gefolgschaftstreue angepaßt hat. In der kath. Kirche ist es ganz klar, daß hier die fachliche Kompetenz hinter der religiösen Unterordnung eindeutig zurücktritt. Damit der unmittelbare verwaltungstechnische Zugriff auch möglich ist, haben die Kirchen auf sehr nachdrückliches Drängen schließlich sogenannte Mitarbeitervertretungen eingerichtet.

Vielleicht darf ich zu diesen Mitarbeitervertretungen zu Ihrer Information ein kurzes Wort sagen.

Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 sah zunächst im Entwurf vor, daß alle Arbeitnehmer, sofern sie nicht Bedienstete der Körperschaften des öffentlichen Rechts sind – und jetzt kommt vielleicht bei Ihnen eine Assoziation zu dem eben Gehörten – das Recht haben nach Maßgabe des Gesetzes einen Betriebsrat zu bilden. Es ist nun nicht ganz belanglos für den politischen Bereich, welchen Titel ich habe, auch wenn fürs Erste die Klassifizierung der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts ein rätselhafter Ehrentitel war. Es ist ein Ehrentitel, der sich alles in Gold und Silber auszahlen läßt.

Darum gab es 1952 eine beispielhafte ökumenisch konzertierte Aktion: Der Kölner Erzbischof, Kardinal Frings, und der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Dibelius, haben in fast gleichlautenden Schreiben bei der Bundesregierung und bei allen Abgeordneten heftigsten Protest eingelegt, daß die Bediensteten der Kirche gleichgestellt werden sollen, mit den Arbeitern in normalen Industriebetrieben.

Das sei sachlich unangemessen aus zwei Gründen. Den Kirchen gehe es nicht um eine Dichotomie zwischen Kapital und Arbeit, sondern um einen gemeinsamen Verkündigungsauftrag. Und an diesem Auftrag hätten die Mitarbeiter in gleicher Weise teil und deshalb sei es sinnlos, eine Arbeitnehmer- und eine Arbeitgeberbank zu machen.

Die Bundesregierung und der Bundestag sind darauf eingegangen und haben eben den genannten Absatz in § 119 des Betriebsverfassungsgesetzes hinein genommen. In dem Schriftwechsel haben damals die beiden Bischöfe erklärt, daß sie eine beispielhafte Regelung, die weit über die Regelungen des Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsgesetzes hinausgehen sollen, entwickeln werden. Tatsächlich haben die Kirchen die entsprechenden Vertretungen erst eingerichtet als sie nicht mehr länger zu verzögern waren, nämlich 1972, anläßlich der Neuformulierung des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Bundestag.

Inhaltlich sind die Mitarbeitervertretungsregelungen der Kirchen den Personalvertretungsgesetzen gefolgt. Das eigentlich »Christliche« zeigt sich allein in der Verpflichtung auf die kirchlichen Grundsätze. Die Tatsache, daß für manche Professionen die Kirchen gewissermaßen eine Monopolstellung in bestimmten sozialpflegerischen Bereichen haben, dürfte bekannt sein; das brauche ich hier nicht auszuführen. Kommen Arbeitnehmer aus diesen kirchlichen Einrichtungen in eine schwierige Lebenssituation hinein, können sie gefeuert werden. Der Hausmeister eines kirchlichen Krankenhauses, der eine Geschiedene heiratet, ebenso wie die Therapeutin einer Behinderteneinrichtung in kirchlicher Trägerschaft, die aus der Kirche austritt, verlieren ihren »Job«!

Daran wollte ich einmal erinnern. Das Zweite, wozu ich etwas sagen wollte, ist ein Hinweis: Mir geht es bei all diesen Dingen nicht darum, zu sagen, die Religion müsse raus, sie dürfe in der Öffentlichkeit nicht erscheinen. Religion gehört zum geschichtlich gewachsenen Leben in unserer Gesellschaft und wir wissen alle in der gegenwärtigen Situation wie stark die Menschen nach religiösen Leitbildern suchen. Sie brauchen nur einmal in die Buchläden hinein zu schauen, um zu sehen, wie stark spirituelle Literatur; aber auch New-Age-Titel und religiöse Themen dort gehandelt werden. Das signalisiert einerseits ein großes Bedürfnis der Menschen unserer Zeit nach Sinngebung, auch nach Sinngebung in der Form von alten Mythen, die offenbar von den Kirchen nicht mehr in einer Weise vorgetragen werden, dass sie für den modernen Menschen in irgendeiner Weise rezeptabel sind.

Es geht mir also – und das wollte ich damit sagen – nicht darum zu sagen, jetzt Schluß, wir dürfen also im öffentlichen Leben von Religion nichts spüren. Nein ich meine, Religion ist etwas aus dem Menschen, aus der menschlichen Gesellschaft Hervorbrechendes. Darum verwundern auch die vielen religiösen Angebote nicht, die heute in unserer Gesellschaft vorgetragen werden und da auch ihr Publikum finden. Wenn unsere Gesellschaft so kirchlich wäre, da geht es mir auch gar nicht um Zahlen, wie von interessierten Seiten glauben gemacht wird, wenn also die beiden großen privilegierten Kirchen, sich ihrer Sache und ihres Auftrages sicher wären, könnten sie sich ja dem Wettbewerb der religiösen Ideen stellen.

Aber genau das trauen sie sich nicht zu! Sonst könnten sie beispielsweise die Kirchensteuer so erheben lassen, wie es eigentlich Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung vorsieht, nämlich, daß die Kirchen diese Aufgabe selber tätigen. Sie brauchen doch nicht den staatlichen Zwang dazwischen schalten. Was mich an der Kirchensteuer ärgert, ist einmal die Tatsache, daß ich gezwungen bin auf der Steuerkarte – jedwedem, der sie in die Hand bekommt, auch meinem Arbeitgeber gegenüber – zu offenbaren, wes Geistes Kind ich bin. Das widerspricht dem durch Art. 4 gewährleisteten Grundrecht der Glaubens und Gewissensfreiheit.

Das Zweite ist, daß dieser Einzug dann erfolgt mittels staatlichen Zwanges. Es ist etwas anderes, ob jemand mir Geld schuldet und ich dann den zivilgerichtlichen Weg bemühen muß, oder ob das Finanzamt kraft staatlicher Hoheit unmittelbar den Zugang zu dem Geldsäckel hat, mit Pfändung und allem, was dazu gehört.

Ich habe drittens etwas dagegen, – das ist mir jetzt dieser Tage passiert, man weiß das ja – aber solange man es nicht erfährt, glaubt man es nicht, das es so ist – ich habe eine Hilfe für den Garten beschäftigt, und weil ich ein ehrlicher Bürger bin und keine Steuern hinterziehen will, habe ich gesagt, ich melde diese Frau beim Finanzamt an und zahle die Lohnkostenpauschale. Das waren ein paar Hundert Mark und damit war die Sache erledigt. Dann legte mir mein Steuerberater diesen Entwurf vor und darauf steht, Kirchensteuer.

Jetzt wird es lustig: evangelische und katholische Kirchensteuer. Ich habe gesagt, ist die Frau denn evangelisch am Oberkörper und am anderen Teil anders? Oder rechts oder links, auf der einen Seite katholisch oder zahlt sie für den Mann mit? Der Mann ist aber auch katholisch. Das sei eine Regelung. Ich rief den Mann beim Finanzamt an. Der sagte, logisch sei das nicht, aber das sei Vorschrift. Jetzt stelle man sich doch bitte einmal vor, mit welchem Recht nehmen die Kirchen für sich in Anspruch und zwar ohne daß sie darüber reflektieren, daß sie von einer Arbeit, die ein anderer leistet, der steuerpflichtig ist, nun einfach Halbe-Halbe machen. Das ist für mich eine Manier von Straßenräubern und Straßendieben, die machen Halbe-Halbe, aber doch kein System, das vorgibt, in sich einen logischen Sinn zu haben.

(Einwurf aus dem Publikum: Sie zahlen sogar, wenn die Person nicht konfessionell gebunden ist. Das ist eine Pauschale. Schwebt beim Bundesverfassungsgericht, ich warte seit Jahren auf eine Antwort.)

Ich möchte nur klarmachen: es geht hier nicht darum, daß man für eine Vereinigung, der jemand angehört, Beiträge zahlt. Sondern es geht mir darum, daß ich für ein formales Bekenntnis zu einem Glauben – eine höchst individuelle Sache – eine Zahlung leisten muß, die der Staat sozusagen als Staatsleistung auferlegt und bei der das Mitglied keine Möglichkeit hat (Herr Walf hat darauf hingewiesen), als gläubiger Christ zu sagen, ich will das so nicht machen. Dann bleibt praktisch nichts anderes übrig, als die Loyalität mit der Kirche aufzukündigen.

Und ich frage mich, wie das mit dem Grundsatz der Religionsfreiheit und der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit noch vereinbar sein soll. Für mich ist das nicht vereinbar.

Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Tatsache der Militärseelsorge.

Wir haben in der Bundesrepublik die hochinteressante Situation (ich will es mal vorsichtig ausdrücken), daß wir in Art. 4 Grundgesetz eine Freiheit des Bekenntnisses des Glaubens und der religiösen Ausübung verankert haben und daß wir auf der anderen Seite über Art. 140 aus der Weimarer Reichsverfassung die Möglichkeit haben, daß die Religionsgesellschaften und Kirchen für Personen, die in besonderen Gewaltverhältnissen leben müssen, Seelsorge anbieten können, d.h. daß sie das Zugangsrecht haben zu Militäreinrichtungen, Kasernen, Krankenhäusern und u.U. auch bei der Polizei, wenn diese kaserniert ist und in Gefängnissen, da vor allen Dingen.

In der Wirklichkeit unserer staatlichen Entwicklung seit 1945, teilweise aufruhend auf Vorläufer schon in der Weimarer Republik, teilweise darüber hinaus zurückreichend, hat sich – ich will nur das eine Beispiel herausnehmen – die Militärseelsorge etabliert. Hier ist es notwendig, daran zu erinnern, was vielleicht den heutigen Menschen längst aus dem Gedächtnis geschwunden ist: 1945 und in den Jahren danach haben wir ja darüber nachgedacht, wohin unser militärisches Engagement uns geführt hat. Und viele Leute, weiland auch ein Landrat aus dem Oberbayerischen mit dem Namen Franz-Josef Strauß, hat damals gesagt, lieber soll mir die Hand verdorren, als daß ich wieder ein Gewehr anfasse. Das haben damals viele Leute gesagt und geglaubt. Und viele Leute haben keinerlei Interesse gezeigt, als bereits 1950, also nur gut ein Jahr nach der Installierung der Bundesrepublik, die erste Bundesregierung das Amt Blanck hier in Bonn installiert hat, das Vorläuferorgan des späteren und jetzigen Verteidigungsministeriums.

Ich sagte, ein Großteil der Menschen hatte damals kein Verständnis, denn es gab auch sehr starken emotionalen Widerstand. Es ist schade, daß Herr Nücken von der EKD gerade herausgegangen ist, ich wollte jetzt nämlich etwas sehr Positives über die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik sagen.

Die evangelischen Kirchen vor allen Dingen haben hier heftigen Widerstand angemeldet. Und es kam in der Synode der EKD zu einer so heftigen Auseinandersetzung, daß beinahe die Synode darüber zerbrochen wäre und damit die Einheit der evangelischen Kirche in Deutschland.

Ganz anders verhielt es sich auf Seiten der katholischen Bischöfe. Die hatten vor fünfeinhalb Jahren noch für Führer, Volk und Vaterland beten lassen und waren jetzt sofort dabei, das Schreckensbild des gottlosen Bolschewismus (da ist damals etwas gewesen, was die Leute beunruhigt hatte) zu beschwören, gegen den die Christen – wie es in einem Aufruf hieß – wachsam sein und rasch rüsten müßten, sollte das Abendland nicht von den bolschewistischen Barbaren überrannt werden. Ich will das im Einzelnen nicht ausführen.

Es ist nun heute so und das halte ich nun für den eigentlich verfassungsrechtlichen Skandal, daß die Militär-Kirchenämter, obere Bundesbehörden sind. Der Militärdekan und der Militärgeneralvikar – der eine evangelisch, der andere katholisch – sind beamtete Bundesbedienstete im Generalsrang und darunter fächert sich jetzt der ganze geistliche militärische Betrieb, über den Militärdekan, den Militäroberpfarrer bis zu dem jeweiligen Militärpfarrer. Alle als unmittelbare Bundesbeamte. Allerdings – damit nicht soviel passiert, wenn da einer einmal anspringt – Bundesbeamte nur auf Zeit. Aber darauf kommt es mir gar nicht an. Sondern es kommt mir hier darauf an, daß eine Bundesbehörde ein ganzes kirchliches Regiment unter sich hat und in diesem Kontext dem Militärgeistlichen Aufgaben obliegen, daß er lebenskundlichen Unterricht erteilt und Teil der sogenannten Inneren Führung ist.

Anders als bei schulischem Unterricht ist der Soldat verpflichtet, an dem lebenskundlichen Unterricht teilzunehmen; er ist Bestandteil des militärischen Dienstes. Und die Geistlichen beider Konfessionen sind in der Eidesunterweisung ebenfalls als Pflichtveranstaltung der Bundeswehr beteiligt und für diese eingesetzt.

Zum Schluß, um das zu charakterisieren, scheint mir eine Bemerkung noch angebracht. Diese verfassungswidrige Vermengung von staatlichen Aufgaben mit sozusagen religiöser Autorität, hat auch auf der Ebene der Länder Schule gemacht. Wir haben dort ebenfalls einen ähnlich organisierten Seelsorgedienst für die Polizei, für den in der Regel ähnliches gilt wie für die Militärseelsorge.

Schließlich noch etwas anderes. Ich habe vor einiger Zeit gelesen, daß in Baden-Württemberg ein Abkommen geschlossen worden ist, zwischen dem Land und den Kirchen über die Zusammenarbeit in Katastrophenfällen und anderen Notlagen. Dadurch soll in solchen Fällen die seelsorgliche Betreuung der Opfer, der Angehörigen und der Helfer sichergestellt werden. Dafür haben die Kirchen Beauftragte im Landesbeirat auch für Katastrophenschutz. Von der unmittelbaren Optik kann es natürlich sein, daß man Seelsorge einbinden und nicht untergehen lassen will – auch in Katastrophenfällen -, ich halte aber eher die Einbindung der Religion hier doch für eine Parallele, wie die Tatsache, daß die Katastrophenschutztämter auch Valium einlagern. Ich wundere mich, daß die Kirchen sich auf diese Einvernahme eingelassen haben.

Der dritte Punkt: Wenn ich den noch ganz kurz ansprechen kann: Es ist im Mai dieses Jahres, das betrifft nun in erster Linie die Katholische Kirche, eine Instructio von der kirchlichen Glaubenskongregation erlassen worden, über die kirchliche Berufung des Theologen am 24. Mai.

Meine Damen und Herren, die meisten kirchlichen Verlautbarungen, gerade wenn sie aus Rom kommen, kann man ja mehr oder weniger getrost entweder der Sensationspresse überlassen oder der Vergessenheit anheim geben. Aber dieses Dokument scheint mir gerade für die staatskirchenrechtliche und damit auch für die kirchenpolitische und finanzpolitische Diskussion von großer Bedeutung zu sein, so daß ich Ihnen die Lektüre dieses Papiers, das zu umfangreich ist, als daß ich es hier im Einzelnen zitieren kann, dringend empfehlen möchte.

Ich will Sie nur auf zwei Punkte hinweisen:

1. Diese Instructio unterwirft die Theologen an katholisch-theologischen Fakultäten und nicht nur sie, sondern was vielleicht viele von Ihnen gar nicht wissen, auch an ganz normalen philosophischen Fakultäten gibt es sogenannte Konkordatslehrstühle, d.h. Lehrstühle, die nur im Zusammenwirken mit der Kirche besetzt werden können und bei denen die Kirche ein Abberufungsrecht auch in Bezug auf einen Philosophieprofessor hat. Das ist durch das Bayerische Konkordat von 1975 sogar noch ausgeweitet worden, ist also nicht nur ein Relikt des 19. oder gar des 18. Jahrhunderts. Im 18. Jahrhundert wäre das nicht möglich gewesen.

Dem Theologen wird also in der erwähnten Instruction vorgeschrieben, daß er nur innerhalb der kirchlichen Lehre zu dozieren und er jede abweichende Meinung zu unterlassen hat. Und wenn er aufgrund seiner wissenschaftlichen Studien glaubt, zu einem abweichenden Urteil kommen zu müssen, also zu einem Ergebnis, das von der kirchlichen Glaubenslehre abweicht, dann hat er im Gehorsam dieses Problem den kirchlichen Oberen vorzutragen und sich ihren weiteren Weisungen zu fügen. Wenn er meint, er habe doch Recht, dann hat er sich leidend in diese Situation zu fügen und zu schweigen.

Herr Ratzinger, der Chef der Glaubenskongregation, schreibt: Man kann sich darum nicht auf diese Rechte des Menschen berufen, wie sie etwa in unserer Verfassung stehen, um sich den Äußerungen des Lehramtes zu widersetzen.

Und er sagt an einer anderen Stelle: Hier von Verletzungen der Menschenrechte zu reden, ist fehl am Platz, denn man verkenne dabei die genaue Hierarchie der Rechte. Also, das Grundrecht, wie wir es in Art. 4 unserer Verfassung haben, rangiert irgendwo unter ferner liefen hinter dem Recht der Glaubenskongregation.

Weshalb ich das hier sage, meine Damen und Herren, einfach um zu zeigen, daß wir nicht nur über die Kirchensteuern, sondern über unsere ganz normalen Steuern, die wir als Staatsbürger zahlen, diese katholisch-theologischen Fakultäten finanzieren. Es ist von Subventionen gesprochen worden. Wir subventionieren diese Fakultäten und Hochschulen nicht, sofern sie staatliche Einrichtungen sind, sondern wir zahlen sie zu absolut 100 % und zwar Personalkosten, Sachkosten und alles was dazugehört. Wobei man wissen muß, daß die Ausbildung dieses Personals im Grunde nur den Kirchen zugute kommt. Der sozusagen positive Abfall für die Gesellschaft als Journalisten oder irgendwelche sonstigen Bereiche der Gesellschaft ist minimal, so daß praktisch der einzige Arbeitsmarkt in Richtung auf den kirchlichen Dienst besteht. Da scheint mir auch die Frage berechtigt zu sein, ob unter solchen Auspizien man nicht fragen muß, wie es sich nun bei den theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten verhält.

Sicherlich wird man hier unterscheiden müssen, zwischen den evangelischen und den katholischen. Ich habe aber vorhin schon einmal in einem privaten Gespräch darauf hingewiesen, der Unterschied ist vielleicht ein gradueller, aber er ist kein prinzipieller. In den nächsten Monaten wird wahrscheinlich die Diskussion über die Konkordate bzw. den Reichskonkordat auf uns zukommen. Und zwar nicht, weil wir das wollen, sondern weil Rom meint, es habe im Augenblick allen Grund, aus hausinternen Gründen an dem Konkordat etwas zu verändern.

Erstens in Bezug auf die Anzahl und Regulierung der Bischofssitze in den ehemaligen DDR-Gebieten. Möglicherweise ist eine Vermehrung der Bischofssitze geplant. Der Zweck einer solchen Vermehrung ist ganz einsichtig, wenn man sich überlegt wie Abstimmungsverhältnisse über Vermehrung von Sitzen gesteuert werden können. Das könnte ein Motiv sein. Und ein anderes Motiv könnte die Tatsache sein; daß es in Deutschland viele katholisch-theologische Fakultäten gibt, so daß die römische Glaubensbehörde überhaupt nicht das Personal hat, um die dort Lehrenden angemessen überwachen zu können. Wenn sie nicht denunziert werden von „freundlichen“ Kollegen, ist praktisch eine genaue Kontrolle gar nicht möglich, d.h. der Urwald der deutschen theologischen Fakultäten ist unüberschaubar.

Hier muß ausgeforstet werden, das ist der Grund, warum Rom vermutlich – was die Auguren raunen – die Konkordate noch einmal neu überdenken möchte. Nicht etwa, weil man in irgendeiner schamhaften Form an den Vertragsabschluß von 1933 nicht mehr erinnert werden möchte, jegliche Scham liegt hier den deutschen Bischöfen ebenso wie der römischen Kurie fern, sondern hier überwiegt einzig und allein das rationale Kalkül.

Damit wollte ich es sein Bewenden haben lassen.

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