Bürgerrechte statt Sicherheitsstaat
Bürgerrechtler fordern Stopp weiterer Überwachungsvorhaben und die Rücknahme von Grundrechtseinschränkungen. Aus: Mitteilungen Nr. 201, S. 17
Die Humanistische Union hatte am 23./24. Mai gemeinsam mit acht weiteren Bürger- und Menschenrechtsgruppen zur Tagung „Sicherheitsstaat am Ende. Kongress zur Zukunft der Bürgerrechte“ nach Berlin eingeladen. Nach zwei Auftaktreferaten zum Verhältnis von Staat und Bürgern (Heribert Prantl) sowie zur Inszensierung von Sicherheitsfragen (Reinhard Kreissl) diskutierten zahlreiche Experten aus Wissenschaft, Rechtspraxis, Medien und Politik. Sie kritisierten vor allem die sicherheitspolitischen Entwicklungen der letzten Jahre und diskutierten mit den Teilnehmern über mögliche Alternativen. Die TeilnehmerInnen der Tagung verabschiedeten folgende Resolution:
Bund und Länder haben in den vergangenen Jahren zahlreiche so genannte Sicherheitsgesetze verabschiedet. Dadurch geraten immer mehr Menschen ins Visier staatlicher Überwachung, gegen die sie sich kaum wehren können. Mit pauschalen Verdächtigungen und ausufernder Kontrolle gefährdet diese Sicherheitspolitik gerade das, was sie zu schützen vorgibt: eine freiheitliche Gesellschaft und rechtsstaatliche Grenzen staatlichen Handelns. Die Teilnehmer der Konferenz fordern deshalb den sofortigen Stopp weiterer Überwachungsvorhaben und eine Politik, die grundrechtliche Freiheiten respektiert. Eckpunkte einer solchen Politik sind:
• Unsere Gesellschaft braucht überwachungsfreie Räume: Jedem Menschen, egal was er begangen hat oder wessen er verdächtigt wird, muss eine überwachungsfreie Privatsphäre zugestanden werden. Auf Ermittlungsmaßnahmen wie die Online-Durchsuchung von Computern, die unvermeidbar in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingreifen, muss eine freiheitliche Gesellschaft verzichten.
• Die Prävention von Gefahren darf kein Staatsziel werden, dem wir unsere Freiheit opfern. Wir fordern deshalb einen Verzicht auf alle Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen, die ohne jeglichen Verdacht das Kommunikationsverhalten, die Bewegungen oder Verhaltensweisen der gesamten Bevölkerung kontrollieren.
• Staatliches Handeln soll offen, erkennbar und überprüfbar sein. Diesen Prinzipien widerspricht die zunehmende Zentralisierung von Sicherheitsbehörden. Polizeiliches und geheimdienstliches Handeln sind strikt zu trennen, die gemeinsame Nutzung von Datenbeständen ist zu beenden.
• Eine freie Gesellschaft braucht den Protest und die Tolerierung Andersdenkender: Willkürliche Maßnahmen gegen Demonstrierende und die Kriminalisierung sozialen Protests sind zu beenden.
• Eine freie Gesellschaft verträgt keine Militarisierung. Für Einsätze der Bundeswehr im Inland oder eine zivil-militärische Zusammenarbeit ist kein Platz in einer rechtsstaatlichen Demokratie.
• Grundrechtliche Freiheiten müssen im vollen Umfang auch für MigrantInnen und Flüchtlinge gelten: Sie haben ebenso einen uneingeschränkten Anspruch auf den Schutz ihres Privatlebens. Die ausufernde Praxis der Abschiebungshaft, die selbst gegenüber Minderjährigen und zum Teil ohne richterliche Kontrolle praktiziert wird, ist unverhältnismäßig und deswegen abzuschaffen.
• Im Übrigen gilt: Freiheitsrechte sind ohne die materiellen Voraussetzungen, sie in Anspruch nehmen zu können, nur von begrenzter Wirkung. Eine Gesellschaftspolitik, die die sozialen Gegensätze immer weiter verschärft und die Verarmung größerer Bevölkerungsteile vorantreibt, widerspricht dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes.
Eine Dokumentation der Vorträge und Podiumsdiskussionen der Tagung findet sich hier.