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Wahlfrei­heit statt Wahlzwang. Humanis­ti­sche Union Berlin-­Bran­den­burg unterstützt Initiative „Pro Ethik“

Mitteilungen20108/2008Seite 27

Mitteilungen Nr. 201, S. 27

Wahlfreiheit statt Wahlzwang. Humanistische Union Berlin-Brandenburg unterstützt Initiative „Pro Ethik“

Mit tatkräftiger Unterstützung der Kirchen bemüht sich derzeit der Berliner Verein „Pro Reli“ um ein Volksbegehren, dass aus dem bisher freiwilligen Religionsunterricht ein Wahlpflichtfach wird. Die Initiative wirbt für ihren Vorschlag zur Änderung des Berliner Schulgesetzes mit dem Motto „Mehr Wahlfreiheit“: Schülerinnen und Schüler sollen künftig zwischen Religions- und Ethikunterricht wählen. Frei wählen können alle Schüler bisher, ob sie den Religionsunterricht besuchen – der Ethikunterricht ist davon unabhängig für alle obligatorisch. Das Ethikfach wurde in der Hauptstadt vor zwei Jahren als interreligiöses, wertebildendes Unterrichtsfach eingeführt.  Die HU Berlin-Brandenburg, die lange für ein solches Fach gestritten hatte, beteiligt sich deshalb an der im Mai begründeten Initiative gegen das Volksbegehren und für den Erhalt des Ethikunterrichts. Wir dokumentieren hier den Gründungsaufruf der Initiative „Pro Ethik“.

Berlin ist eine Weltstadt. In ihr leben Menschen vieler unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Weltanschauungen. Ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität für alle Menschen in unserer Stadt und eine Herausforderung für die Berliner Schule ist, dass alle lernen müssen einander trotz der Verschiedenartigkeit mit Respekt und Toleranz zu begegnen, die Grundwerte unserer Verfassung zu kennen und anzuerkennen und Konflikte friedlich zu lösen.
Um gegenseitiges Verständnis, gemeinsame Werte und gelebte Toleranz zu fördern, ist 2006 in Berlin ein gemeinsamer Ethikunterricht eingeführt worden. In diesem neuen,   allgemeinbildenden Fach erwerben alle Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Weltanschauungen von der 7. – 10. Klasse Wissen über verschiedene Kulturen, Lebensweisen und die großen Weltreligionen und Weltanschauungen, lernen sich gegenseitig in ihrer Unterschiedlichkeit besser kennen, üben den Respekt voreinander und den Dialog miteinander und beschäftigen sich alle gemeinsam mit so wichtigen ethischen Themen wie Freiheit, Verantwortung und Solidarität, Gleichheit, Recht und Gerechtigkeit.

Über den Ethikunterricht hinaus haben alle Schülerinnen und Schüler von der 1. Klasse an die Möglichkeit, zwischen Unterrichtsangeboten von Religionsgemeinschaften und vom Humanistischen Verband frei zu wählen. Diese bewährte Regelung besteht seit 1948 im Westteil unserer Stadt und seit 1990 in ganz Berlin. Hier gibt es derzeit Angebote eines evangelischen, katholischen, orthodoxen, jüdischen, islamischen und buddhistischen Religionsunterrichts, außerdem das weltanschaulichen Fach Humanistische Lebenskunde. Ethik ist kein Alternativangebot zum Religions- und Weltanschauungsunterrricht. Vielmehr ergänzen sich seit 2006 allgemeinbildender und verbindlicher Ethikunterricht einerseits und bekenntnisgebundener Religions- und Weltanschauungsunterricht andererseits in sinnvoller Weise.

Die kirchennahe Initiative Pro Reli hat gegen das für alle verpflichtende gemeinsame Lernen ein Volksbegehren beantragt. Unter dem Slogan „Wir wollen Wahlfreiheit!“ will sie eine Abwahlmöglichkeit für Ethik einführen, damit den gemeinsamen Ethikunterricht zerstören und erreichen, dass ein Wahlpflichtbereich Ethik/Religion eingeführt wird, mit dem bekennender Religionsunterricht zugleich in den Rang eines regulären Unterrichsfaches gehoben wird. Das Verbindende des Faches Ethik würde damit aufgegeben. Schülerinnen und Schüler würden nach Glaubensrichtungen und Weltanschauungen getrennt entweder am Ethikunterricht oder an einem bekenntnisgebunden Religions- oder Weltanschauungsunterricht teilnehmen müssen. Zugleich will sie durchsetzen, dass die in Berlin bewährte Trennung von öffentlicher Schule und Kirchen aufgehoben und Bekenntnisunterricht zu einer staatlichen Aufgabe gemacht wird. Unsere Initiative Pro Ethik will aktiv dazu beitragen,

•  den gemeinsamen Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler der 7. – 10. Klasse zu erhalten und weiter zu entwickeln, weil er das tolerante Zusammenleben in unserer Stadt, Konflikt- und Gesprächsfähigkeit fördert und
•  dass alle Schülerinnen und Schüler, die das wünschen, den freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht wie bisher besuchen können.

Wir bitten alle Bürgerinnen und Bürger Berlins, die ein friedliches Zusammenleben in unserer Stadt fördern wollen, unsere Initiative für die Erhaltung und Weiterentwicklung des gemeinsamen Ethikunterrichts zu unterstützen!

Berlin, 20. Mai 2008

Ausführliche Informationen zum Status des Religionsunterrichts in Berlin, den Zielen des Ethikunterrichts sowie zum Volksbegehren „Pro Reli“ finden sich unter: http://proethik.humanistische-union.de.

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