Wächst Europa an seinen rechtspopulistischen Feinden?
Europäische wehrhafte Demokratie und Schutz der Grundwerte in der EU. In: vorgänge Nr. 216 (4/2016), S. 47-67
Der rechtspopulistische und rechtsextremistische Bewegungen und Parteien gewinnen zunehmend an Einfluss in der Europäischen Union (EU). Das gilt für osteuropäische Staaten wie sog. alte Demokratien Westeuropas, gefährdet die normativen und demokratischen Grundlagen der EU und beeinträchtigt deren außenpolitische Handlungsfähigkeit. Jörg Ukrow benennt in seinem Beitrag Ursachen dieser Entwicklung, beschreibt die Gefahren, die der Union nach innen wie außen daraus erwachsen, und skizziert mögliche politische wie rechtliche Schritte zur aktiven Bekämpfung der rechtspopulistischen Parteien, die bisher ungeachtet ihrer nationalistischen Ausrichtung enorm von der finanziellen Förderung durch die EU profitieren.
Verstärkte europäische Zusammenarbeit der Rechtspopulisten – eine Dystopie*
24. März 2017: Am Vorabend der offiziellen Feiern zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge kommen der neu gewählte italienische Ministerpräsident Beppe Grillo, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der polnische Regierungschef Jaros?aw Kaczinski, der österreichische Bundespräsident Norbert Hofer und der designierte niederländische Ministerpräsident Geert Wilders zusammen und beschließen einen fünf-Punkte-Plan für ein „Europa der Sicherheit und des Rechts“. Bestandteile eines kurzfristig umzusetzenden Aktionsplans sind die dauerhafte Rückkehr zu Grenzkontrollen an den Außengrenzen ihrer Länder, die Festlegung von Kontingenten für Muslime auf dem Arbeitsmarkt, die Begrenzung von Leistungen für Muslime innerhalb der sozialen Sicherungssysteme der EU-Mitgliedstaaten, die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie die Aussetzung der Grundrechte-Charta der EU. „Wir wollen eine Absicherung der abendländischen Kultur und ihrer Werte. Die EU hat hierbei versagt. Wir bieten den übrigen Mitgliedstaaten der EU Verhandlungen über ein neues Projekt Europa an – ein Europa der Vaterländer statt eines undemokratischen Superstaates. Sollten diese Verhandlungen keinen Erfolg haben, werden wir die EU gemeinsam verlassen“, heißt es in der Abschluss-Erklärung des neu eingerichteten „Gipfels der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“. Der russische Präsident Wladimir Putin begrüßt die Erklärung gemeinsam mit dem US-Präsidenten Donald Trump als „Grundlage für eine neue Ara der Kooperation und Sicherheit zwischen San Francisco und Wladiwostok“. Die Umfragewerte von Marine Le Pen signalisieren wenige Tage danach ihren Sieg im zweiten Wahlgang bei den französischen Präsidentschaftswahlen.
Diese aus bürgerrechtlicher Perspektive erschreckende Vision erscheint mit Blick auf jüngste Entwicklungen nicht mehr völlig abwegig. Sicherheit in ihren verschiedenen Facetten – innere Sicherheit, soziale Sicherheit, äußere Sicherheit – ist aus Sicht vieler Bürger in der EU bedroht.1 Mit dieser Angst agieren rechtspopulistische Kräfte zunehmend erfolgreich. Die dramatische Ausbreitung anti-europäischer wie anti-demokratischer Einstellungen bis in die gesellschaftliche Mitte von Mitgliedstaaten der EU2 ist eine Reaktion auf diese Angst und fördert zugleich den Erfolg von Rechtspopulisten. Ihr Aufstieg erfolgt zeitgleich mit einer Veralltäglichung,3 ja einem Erodieren des Charismas der europäischen Integration. Ein demokratisch vereintes Europa, wie z.B. in der Präambel des Grundgesetzes als Zielperspektive aufgezeigt,4 ist nach dem Brexit-Votum offenbar in weite Ferne gerückt. Erste politische Bemühungen, dem desintegrativen Potential dieses Votums mit einer Initiative für ein bürgernäheres, demokratischeres und sozialeres Europa zu begegnen,5 drohen im Sande zu verlaufen. Ein stärker integriertes Europa scheint den Demokratie-Test nicht zu bestehen. Die gescheiterten Referenden zur geplanten Europäischen Verfassung in Frankreich und den Niederlanden wirken hier als fortdauerndes Menetekel. Der Zeitgeist weist offenbar zunehmend zurück in eine nationalistische und anti-demokratische Richtung.6
Rechtspopulistische Grenzen des Wachstums für ein vereintes Europa?
Demokratie kann es in der EU als repräsentativ-demokratischem Staaten- und Verfassungsverbund7 nur als Mehrebenen-Demokratie8 geben. Vertiefung wie Erweiterung dieses Integrationsverbundes bedürfen einer demokratischen Legitimation auf den Ebenen der Union wie der Mitgliedstaaten. Spätestens nach der primärrechtlichen Verankerung dieses demokratischen Legitimationsverbundes in Art. 10 EUV folgt aus diesem Verbund, dass Gefährdungen des demokratischen Prozesses auf einer der Ebenen unmittelbare Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Verbundes insgesamt begründen können. Zudem gerät auch eine immer engere Union als Zielperspektive der EU9 ins Wanken, wenn das repräsentativ-demokratische Movens auf einer der beiden demokratischen Legitimationsebenen ins Stottern gerät.10
Für viele EU-Bürger ist die zunehmende Europäisierung des demokratischen Prozesses intransparent und löst Zweifel an den eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten aus.11 Die Zunahme der sozioökonomischen Ungleichheit, die Prekarisierung der unteren Schichten, der Bedeutungsverlust von Volksparteien, Gewerkschaften und anderen großen kollektiven Organisationen, die für die politische Sozialisation gerade des unteren Schichtungsdrittels der Gesellschaft eine wichtige Rolle im 20. Jahrhundert spielten, blockierte Aufstiegschancen und gebrochene Aufstiegsversprechen haben in der gesamten EU die Politik- und Demokratieverdrossenheit bildungsferner Bürger genährt12 und befördern einen Prozess der „Aushöhlung“ der europäischen Demokratien.13
Zusätzliche Gefährdungen der demokratischen Legitimationsfähigkeit einer Union Europas drohen durch eine politische Strömung, die sowohl in der politikwissenschaftlichen Forschung als auch in der politischen und medialen Öffentlichkeit als „Rechtspopulismus“ bezeichnet wird.14 Zwar tritt diese Strömung nicht als monolithischer gesamteuropäischer Block in Erscheinung. Die kulturelle und historische Vielfalt innerhalb der EU wirkt gerade bei Parteien, die sich auf das jeweilige nationale Erbe als Bezugspunkt fixieren, hemmend bei der Verdichtung rechtspopulistischer Vernetzung.
So beziehen sich rechtspopulistische Kräfte in Ost- und Mitteleuropa aufgrund ihrer Traditionen meist auf autoritäre Politikkonzepte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dagegen inszenieren sich die Rechtspopulisten in den alten Demokratien mitunter als „wahre Vertreterin“ der demokratischen Traditionen und Werte ihres Landes. Das Nebeneinander von gemeinsamer Abwehr-Haltung und nationalen Besonderheiten im Konzept der „Fremden“-Entrechtung zeigt sich auch im Identitätsverständnis der Rechtspopulisten: Von einem antisemitischen Grundkonsens kann keine Rede mehr sein, wohl aber von einem anti-muslimischen Kern von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. In Osteuropa erscheinen die „Feindgruppen“ in der Regel anders und breiter gefasst als in Westeuropa, der Hass ist häufig aggressiver und richtet sich vornehmlich gegen Juden, ethnische Minderheiten und Homosexuelle.15 Hier mag die kulturelle Prägung von vier Jahrzehnten real existierender sozialistischer Moral ebenso fortwirken wie das orthodoxe, katholisch-verklemmte Erbe von Jahrhunderten. Auch die Ängste gegenüber einer globalisierten Welt scheinen in osteuropäischen Ländern weiter verbreitet. Insofern wirkt sich möglicherweise die verspätete Integration dieser Länder in den europäisch-transatlantischen Wirtschafts- und Werteverbund ähnlich problematisch aus wie die verspätete Nationenbildung Deutschlands im 19. Jahrhundert: Übersteigerter Nationalismus wirkt als Folge zu lange unterdrückten Selbst-Bewusstseins.
Zwar unterscheiden sich historische Herkunft, politische Programmatik und Wählermilieus rechtspopulistischer Parteien in nicht unerheblichem Umfang. Bei den Positionierungen zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen gibt es, je nach Thema, inhaltliche Schnittflächen zu rechten wie linken Positionen im parteipolitischen Spektrum.16 Doch wenn rechtspopulistische Bewegungen in so unterschiedlichen Ländern wie Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Slowakei, oder Ungarn immer stärker werden, muss es gemeinsame und (daher) systemische Ursachen geben. Diese würden durch die schwerpunktmäßige oder gar alleinige Betrachtung nationaler Erfolgsfaktoren ausgeblendet. Aus demokratischer Perspektive gibt es im organisierten Rechtspopulismus in Europa besorgniserregende Übereinstimmungen, die ungeachtet des Gebots differenzierender Analyse eine gemeinsame Betrachtung rechtfertigen.
Rechtspopulistische Erfolge in der EU – eine Zwischenbilanz
Nicht nur in Österreich (Freiheitliche Partei Österreichs, FPÖ), den Niederlanden (Partij voor de Vrijheid, PVV), im Baltikum (z.B. Lettland: Te?vzemei un Bri?vi?bai/LNNK) und in Skandinavien (z.B. Schweden: Sverigedemokraterna, SD; Dänemark: Dansk Folkeparti, DF) ist rechtspopulistischen Parteien inzwischen – z. T. schon wiederholt – der Sprung in die jeweiligen nationalen Parlamente gelungen. In Finnland (Perussuomalaiset, kurz Perus; deutsch seit 2012: Die Finnen), Polen (Prawo i Sprawiedliwos?c?, PiS), Ungarn (Fidesz17 – Magyar Polgári Szövetség; deutsch: Fidesz – Ungarischer Bürgerbund), in der Slowakei und in Kroatien sind rechtspopulistische Kräfte sogar seit einiger Zeit Teil von Regierungskoalitionen.18
Wahlerfolge haben Rechtspopulisten aber nicht nur auf der Ebene der Mitgliedstaaten der EU vorzuweisen. Ungeachtet ihrer Fundamental-Kritik an der EU ist es rechtspopulistischen Kräften auch gelungen, ihre Stellung innerhalb des Europäischen Parlaments (EP) auszubauen und finanzielle Förderungen seitens der EU zu aktivieren.
Rechtspopulistische und -extremistische Parteien und Wählergruppen konnten bei den Wahlen zum EP im Mai 2014 rund 140 von 751 Sitzen erobern. In Frankreich wurde der Front National (FN) mit 26 % der Stimmen stärkste Kraft, im Vereinigten Königreich wurde dies die United Kingdom Independent Party (UKIP) mit sogar 28 % der Stimmen. In Ungarn errang die rechtspopulistische Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orban 51,5 % der Stimmen, die rechtsextreme Partei Jobbik erzielte hier zudem 14,7 %. In Polen gewann die rechtspopulistische PiS (deutsch: Recht und Gerechtigkeit) 31,78 % der Stimmen und der Kongres Nowej Prawicy (KNP, deutsch: Kongress der Neuen Rechten) 7,2 % der Stimmen. In Dänemark wurde die DF mit 23 % der Stimmen stärkste Partei, in Österreich erzielte die rechtspopulistische FPÖ fast 8 % Zuwachs und landete mit 20,5 % auf dem dritten Platz. Gleiches gelang der rechtspopulistischen Partei Die Finnen mit fast 13 % der Stimmen.
Allerdings konnten rechtspopulistische Parteien nicht überall in Europa Stimmengewinne verzeichnen. In Belgien, Italien und den Niederlanden verloren der Vlaams Belang (VB), die Lega Nord (LN) und die Partij voor de Vrijheid (PVV) zwischen drei und sechs Prozent. Auch in den von der Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2007/2008 besonders betroffenen EU-Mitgliedstaaten Griechenland und Spanien blieben rechtspopulistische Parteien ohne besondere Wahlerfolge. Es gibt zudem auch weiterhin Mitgliedstaaten wie Irland oder Portugal, in denen rechtspopulistische oder -extremistische Parteien zumindest seit deren EU-Mitgliedschaft keine Rolle mehr spielen.19
Ob der politische Erfolg von rechtspopulistischen Parteien wie des FN über das Mehrheitswahlrecht wie in Frankreich auch weiterhin eingedämmt werden kann, erscheint offen. Aber selbst wenn es weiterhin „republikanische“ Absprachen zur Vermeidung von rechtspopulistischen Erfolgen in Stichwahlen geben sollte,20 zeichnet sich doch eine Prägung der politisch-programmatischen Agenda führender Repräsentanten anderer Parteien durch Anleihen bei rechtspopulistischen Positionen ab.21 Insbesondere in Referenden wie z.B. der Abstimmung in den Niederlanden zum EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen (am 6. April 2016)22 gewinnen rechtspopulistische Positionen ein erhebliches Gewicht.
Dies mag eine weitere programmatische Gemeinsamkeit rechtspopulistischer Bewegungen in Europa befördern: Sie kämpfen für eine Stärkung der plebiszitären Demokratie im Verfassungsgefüge ihrer Heimatländer. Wo sie – wie in Ungarn – an der Macht sind, bedienen sie sich dabei auch des Instruments der manipulativen Befragung, um anti-humanitäre und anti-pluralistische Ressentiments zusätzlich zu befördern.23
Nach den Wahlen vom Mai 2014 haben sich im EP acht Fraktionen24 gebildet, von denen zwei ein rechtspopulistisches Profil aufweisen: Die Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ mit aktuell 45 Abgeordneten und die Fraktion „Europa der Nationen und Freiheit“ mit aktuell 38 Fraktionsmitgliedern.
Stärkste Kräfte innerhalb der Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ sind die britische United Kingdom Independent Party25 mit derzeit 22 und die italienische Fünf-Sterne-Bewegung mit 17 Abgeordneten. Weitere Abgeordnete kommen aus Schweden, Frankreich, Litauen, Polen und Tschechien.
Stärkste Kraft innerhalb der Fraktion „Europa der Nationen und Freiheit“ ist der französische Front National (FN) mit 20 MdEP. Der Fraktion gehören ferner 5 Mitglieder der italienischen Lega Nord, je vier Mitglieder der österreichischen FPÖ und der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) sowie Abgeordnete des polnischen KNP, des belgischen Vlaams Belang (VB), aus dem Vereinigten Königreich und Rumänien an.
Mit Blick auf die inhaltlich-programmatischen Schnittmengen zwischen diesen Fraktionen erscheint weder eine thematische noch eine organisatorische Annäherung von vornherein ausgeschlossen.26 Einen gewissen Schutz vor einer solchen Annäherung bietet allerdings die offene Führungsfrage in einer solchen kooperativen Verdichtung.
Als besonderes Problem für eine aktive Eindämmungspolitik gegenüber dem Einfluss rechtspopulistischer Kräfte auf die EU erweist sich im Übrigen, dass einzelne Parteifamilien des konservativ-liberalen Spektrums bereit waren und sind, entsprechende Parteien in ihrer Parteifamilie bzw. in ihrer EP-Fraktion aufzunehmen. Die fortdauernde Mitgliedschaft der Fidesz-Partei in der EVP und deren EP-Fraktion sowie das gelegentliche Hofieren dieser Partei auch mit Blick auf innerstaatliche Debatten behindert die konsequente Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus auf der Ebene eines Konsenses wertegebundener Demokraten. Gleiches gilt für die Mitgliedschaft der Dansk Folkeparti in der Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer (EKR)“, einer Abspaltung der EVP-Fraktion unter Führung der britischen Tories. Rechtspopulisten sind im parlamentarischen Alltag des EP salonfähig geworden.
Rechtspopulismus in Europa – Ursachen und Kennzeichen bei europäisch vergleichender Betrachtung
Fünf miteinander verwobene Mobilisierungsstrategien rechtspopulistischer Bewegungen sind bei einer europäisch vergleichenden Betrachtung besonders bedeutsam:27 Diese bemühen sich, (1.) sich mit Tabubrüchen gegen „political correctness“ als Sprachrohr einer „schweigenden Mehrheit“ zu profilieren, (2.) soziale und ökonomische Probleme als Ausfluss des Versagens etablierter, auf Pluralismus und repräsentativer Demokratie gestützter politischer Prozesse zu brandmarken und hierdurch für sich zu nutzen, (3.) die etablierten politischen Akteure als per se korrupt und machtversessen zu diskreditieren, (4.) eine nationale Identitätszuschreibung als attraktiv und zukunftsgerichtet zu kennzeichnen sowie (5.) die Mechanismen medialer Skandalisierung28 zur Profilierung undifferenzierter politischer Lösungsansätze für gesellschaftliche Konflikte zu befördern.29 Dabei profitieren die Bewegungen von aktuellen gesellschafts-, sozial- und wirtschaftspolitischen Krisen: einer Verteilungs- und Zugangskrise, einer Repräsentationskrise der Politik sowie einer Identitätskrise. Allen diesen Krisenphänomenen ist eigen, dass sie durch die jahrzehntelange Ausbreitung des Neoliberalismus in Wissenschaft, Medien und Politik seit den 1970er Jahren befördert wurden.30 Der Aufstieg des Rechtspopulismus wurde insoweit auch durch einen Politikansatz befördert, der auf „marktkonforme Demokratie“31 statt auf eine demokratische und soziale Bändigung der Marktkräfte im Interesse von Wohlstand für alle setzt.
Auch das nationalistisch verengte „Kümmerer“-Image, um das sich rechtspopulistische Kräfte im Zeichen (neo-)liberaler Verweise auf die Selbstverantwortung jedes Einzelnen bemühen, dürfte für diesen Aufstieg hilfreich sein: Rechtspopulistische wie -extremistische Parteien rekurrieren auf Abstiegs-, Verlust- und Bedrohungsängste weiter Teile der Bevölkerung in den Mitgliedstaaten der EU, betonen ihre Anteilnahme an den Sorgen von Krisenverlierern um ihre Zukunft und verheißen soziale Wärme in der nationalen (Volks-)Gemeinschaft.32
Dieser Appell an latente Ängste, Vorurteile und Ressentiments,33 verbunden mit der Ansprache weitverbreiteter Aversionen und Ressentiments gegenüber Arbeitsmigranten, Asylbewerbern und Ausländern34 generell, hat mit dem Abbau wohlfahrtsstaatlicher Strukturen seit den 1990er Jahren,35 verstärkt nochmals seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007/200836 und der Flüchtlingskrise 2015 zusätzlichen Resonanzboden in einer Vielzahl von EU-Mitgliedstaaten gefunden. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich ohne wirksame Gegenstrategien der Aufstieg des Rechtspopulismus auch in Westeuropa fortsetzt und es ihnen gelingt, Wähler aus der Mittelschicht anzusprechen.37
Eine solche Selbstentfesselung des Rechtspopulismus kann befördert werden durch die Betonung politisch-kultureller Bürgerlichkeit:38 Von einer „autoritären Bewegung mit menschlichem Antlitz“ kann man bei rechtspopulistischen Kräften insoweit sprechen, als der Ruf nach einer starken Führungsfigur sowie nach der Einschränkung von Pluralismus und bestimmten Minderheitenrechten einhergeht mit dem Bemühen um zivile, bürgerliche Umgangsformen, der Betonung einer vermeintlichen Werteorientierung des eigenen politischen Handelns sowie der Selbstinszenierung als „Anwalt des kleinen Mannes“.39
Allen Ausformungen rechtspopulistischer Strömungen ist aus dem Blickwinkel eines freiheitlich-demokratischen, an den menschenrechtlich fundierten Grundwerten des modernen westlichen Verfassungsstaates orientierten Gesellschafts- und Staatsverständnisses eigen, dass sie Politik nicht als pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken40 verstehen, sondern als eine auf Ausgrenzung und Mobilisierung von Affekten ausgerichtete Angelegenheit. Nicht zuletzt mit Blick auf verschiedene Facetten des Prozesses der Europäisierung41 und Globalisierung42 bemühen sich Rechtspopulisten um Profilierung als Feinde einer offenen, grenzenlosen Gesellschaft, die nicht für die Freiheit, sondern für die Sicherheit planen.43 Insoweit kann man von einem anti-pluralistischen44 wie einem anti-integrativen Grundkonsens der Rechtspopulisten in der EU sprechen. In osteuropäischen Staaten wird die scharfe Ablehnung der EU vielfach auch noch durch den Widerwillen befördert, die nach dem Ende des Ostblocks 1989/90 wiedergewonnene Souveränität gleich wieder nach Brüssel, Luxemburg und Straßburg abzugeben.45
In Abgrenzung zu rechtsextremistischen Positionen verzichten rechtspopulistische Kräfte zwar auf die Leugnung nazistischer und faschistischer Menschheitsverbrechen.46 Sie beteiligen sich vergangenheitspolitisch allerdings an apologetischen Tendenzen, das Erbe der Unmenschlichkeit zu entsorgen47 und totalitäre Fehlwege in der Geschichte der Nationen als Vergangenheit vergehen zu lassen.48 An die Stelle einer differenzierten, auch selbstkritischen Befragung der Nationalgeschichte soll der uneingeschränkte Stolz auf das historische Erbe treten. In Abgrenzung zu Rechtsextremisten verzichten Rechtspopulisten auf die Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele sowie auf die Aufforderung zum Umsturz der bestehenden Verfassungsordnung.49 Rechtspopulistische Parteien wollen sich in Wahlen bewähren. Sie setzen nicht auf die Abschaffung des formalen Wahlakts, wohl aber auf die Schaffung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die den demokratischen Wechsel zu ihren Lasten erheblich erschweren.
Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt nach dem sog. Böckenförde-Diktum50 von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Rechtspopulistische Kräfte zielen auf die Erosion dieser Voraussetzungen. Sie bemühen sich insbesondere um die Schaffung von medialen, zivilgesellschaftlichen und staatsorganisatorischen Rahmenbedingungen, die einen dauerhaften Abschied vom freiheitlich-pluralen Staatsverständnis in der politischen Praxis ermöglichen.
Hinsichtlich dieser Schritte in Richtung auf eine „Versteinerung der politischen Verhältnisse über die Legislaturperiode hinaus“51 sind die Übergänge zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus teilweise fließend.52 Beide eint eine programmatische Ausrichtung, die durch ein Freund-Feind-Denken, die Ablehnung und die Forderung nach Ausschluss von „Fremdem“ sowie eine nationalistische resp. völkische Ausrichtung der Wirtschafts- und Sozialpolitik geprägt ist. Als „Schuldige“ für aktuelle wie andauernde Krisen und damit als „Feinde“ werden „die da oben“, insbesondere „die Kaste“, „das Finanzkapital“, die „Altparteien“, die „Lügenpresse“, etc. und eben auch die EU, sowie „unten“ Muslime, Flüchtlinge, Fremde etc. identifiziert.53 Gemäß dieser rechtspopulistischen Abgrenzungstheorie muss das „Fremde“ aus Staat und Gesellschaft ausgeschlossen werden, um das Überleben der eigenen Nation und damit des eigenen Selbst zu sichern. Wie weit diese Forderung nach Exklusion von Menschen reicht, die anderen Ethnien, Religionen oder gesellschaftlichen Randgruppen angehören (z. B. Behinderte, Obdachlose oder Arbeitslose), differiert zwischen den rechtspopulistischen Programmen in Europa – das Grundprinzip bleibt indessen unberührt.
Rechtspopulistische Parteien zählen in der EU zu den entschiedensten Kritikern von Neoliberalismus, Globalisierung und Wohlfahrtsstaatsabbau – allerdings mit einer klaren nationalistischen Note.54 Insofern können Wählerwanderungen von früheren Wählern linker Parteien, namentlich von Arbeitern mit einem relativ niedrigen formalen (Aus-)Bildungsstand55 hin zu rechtspopulistischen Parteien nicht überraschen.56 Insbesondere in den skandinavischen Ländern, in denen soziale Gerechtigkeit traditionell ein hoher Wert ist,57 kritisieren rechtspopulistische Parteien offensiv den aktuellen Abbau des Sozialstaates. Beim Auf- und Ausbau des Wohlfahrtsstaates bis in die 1960er-Jahre hinein sei der starke gesellschaftliche Zusammenhalt und die nationale Solidarität nur möglich gewesen, weil es kaum Migranten/-innen in der Gesellschaft gegeben habe. Kern dieses zentralen Bestandteils der rechtspopulistischen Programmatik ist ein umfassender, auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Fragen ansprechender Protektionismus, der auf den Schutz und die Bevorzugung des eigenen Volks58 und preference nationale59 gerichtet ist.60
Aus ökonomisch-sozialer Perspektive lässt sich der Aufstieg rechtspopulistischer Kräfte in Europa als ein Aufstand der Modernisierungsverlierer kennzeichnen. Dieser richtet sich sowohl gegen die wachsenden Einkommensunterschiede, Massenarbeitslosigkeit und relative Marginalisierungstendenzen,61 als auch gegen das bisherige Unvermögen sowie den vielfach fehlenden Willen der etablierten Parteien (einschließlich der sozialdemokratischen) und Eliten, diesen Prozessen wirksam entgegenzusteuern. Auf die zunehmenden sozialen Unterschiede reagieren Rechtspopulisten nicht mit Bemühungen um eine soziale Korrektur des Europäisierungs- und Globalisierungsprozesses, sondern mit der vollständigen Ablehnung ökonomischer Globalisierungs- und Modernisierungsprozesse als solcher.62
Soziale und ökonomische Motive allein können den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien und Parteienbündnisse nicht erklären.63 Globalisierungskritisch sind Rechtspopulisten auch deshalb, weil es ihnen nach der Programmatik ihrer Parteien um die Bewahrung und den Schutz der eigenen kulturellen und nationalen Identität geht,64 wobei sie an eine kulturelle Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung anknüpfen können65. Insoweit setzt die rechtspopulistische Programmatik auf politische, und kulturelle Selbstverteidigung gegenüber dem „Fremden“, sei dieses „Fremde“ die europäische Integration, Migration oder der wachsende islamische Bevölkerungsanteil. Auch in der Mitgliedschaft rechtspopulistischer Parteien scheint die anti-islamische Einstellung von besonderer Bedeutung.66 Die Verteidigung des „Rechts auf kulturelle Differenz“67 und des „Rechts auf Identität“ sowie deren Bewahrung vor Multikulturalismus und Globalisierung weisen einen klaren integrationsfeindlichen Akzent auf. Rechtspopulisten offerieren die ethnisch homogene Gesellschaft als Identifikationsmöglichkeit, indem sie Begriffe wie „Nation“ und „Volk“ überhöhen.68 Integrationsprojekte wie der Euro und Schengen stellen aus Sicht von Rechtspopulisten deshalb besonders aggressiv zu bekämpfende Fehlentwicklungen dar, weil sie auf freiheitliche und solidarische Überwindung nationalstaatlichen Denkens gerichtet sind. Umgekehrt drohen Entsolidarisierungseffekte innerhalb der EU im Zuge der aktuellen Krisen rechtspopulistisches Denken weiter zu befördern. Das Brexit-Votum hat sowohl in seiner plebiszitären wie in seiner anti-solidarischen Bedeutung diesen Politikansatz weiter gestärkt.
Die „Erklärungstheorien“ rechtspopulistischer Kräfte für politische, ökonomische und soziale Missstände sind durch ihre einfache und dichotome Sichtweise geprägt: Sie trennen zwischen Gut und Böse, zwischen Freund und Feind – und nehmen nicht selten den Charakter von Verschwörungstheorien an.69 Undifferenzierte Pauschalurteile über „den Islam“, die ihn tendenziell mit dem politisch ideologisierten Islam (Islamismus) oder gar islamistischem Terrorismus gleichsetzen, sind neben der EU-Kritik ein Markenkern des Rechtspopulismus.70 Generell wird „dem Islam“ dabei vorgeworfen, er stehe „abendländischen“ Grundwerten und Normen wie der Trennung von Kirche und Staat, Demokratie, der Gleichwertigkeit von Mann und Frau, der Freiheit der Religion und der Meinungsäußerung sowie dem Respekt vor Minderheiten diametral entgegen. Mit dieser islamophoben Grundrichtung wird zugleich den rechtspopulistischen Forderungen nach „nationaler Präferenz“ in Bezug auf Arbeitsplätze und wohlfahrtsstaatliche Leistungen ein ideologischer Unterbau verliehen.71
Nicht nur gemeinsame „Feindbilder“ im gesellschaftlichen Raum, sondern auch eine gemeinsame medien- und netzpolitische Konzeption fördert Aufstieg wie Zusammenarbeit rechtspopulistischer Kräfte in Europa. Dazu zählen die Kritik an der „Systempresse“ und die Aus- oder Gleichschaltung bisheriger vielfaltssichernder Organisationsformen im Bereich der Medien bei eigener Regierungsübernahme, sowie die offensive Nutzung neuer Medien. Insoweit wiederholt sich durchaus ein aus autoritären und totalitären Systemen bekanntes Muster der Parallelität von gestrigem Inhalt und moderner Darbietungsform.72
Rechtspopulistische Herausforderungen für die Werteorientierung der EU
Die EU war von Beginn an mehr als eine bloße Wirtschaftsgemeinschaft. Die Werteorientierung des europäischen Integrationsprozesses hat nunmehr in Art. 2 EUV eine normative Verankerung gefunden.73 Je stärker allerdings die pluralistische Vielfalt (auch normativ) fixiert wurde, um so bedeutsamer wurde das Beharren auf traditionellen Werteorientierungen als Schoß rechtspopulistischen Wachstums. An die Stelle eines auf die Verknüpfung von Erbe und Austausch, von Bewahrung und Offenheit für Neues gerichteten kulturellen Ansatzes, wie er das kulturelle Verständnis der EU prägt,74 tritt ein hermetisches kulturelles Selbst-Verständnis, in dem Fremdes nicht als Chance, sondern als Gefahr wahrgenommen wird.
Mit dem Anwachsen rechtspopulistischer Strömungen innerhalb der EU und ihrer Mitgliedstaaten gewinnt die Frage nach der Handlungs- und Abwehrfähigkeit der EU als Wertegemeinschaft zunehmendes Gewicht.75 Denn der Umstand, dass eigene Mitgliedstaaten fundamentale Grundsätze der Achtung der Menschenwürde, der Rechtsstaatlichkeit, der Wahrung der Menschenrechte, des Pluralismus und der Toleranz missachten, stellt die Glaubwürdigkeit der EU im Innern wie nach außen76 in Frage: Ein Dulden wertemissachtenden Verhaltens der Regierungen von EU-Mitgliedstaaten provoziert Nachahmungseffekte in weiteren Mitgliedstaaten und beeinträchtigt die Fähigkeit der EU, glaubhaft die Einhaltung dieser Werte auch in Drittstaaten einzufordern. Die Unterstützung rechtspopulistischer Kräfte durch die russische Regierung entspringt erkennbar auch dem Bemühen um eine Schwächung des Wertefundaments der EU.77 Die Frage, wie wehrhaft die europäische Demokratie ist,78 berührt mithin die Entwicklungs- und Gestaltungsperspektiven der EU nach innen wie nach außen.
Mit Blick auf die Wehrhaftigkeit der europäischen Demokratie erscheint jede Finanzierung rechtspopulistischer Kräfte durch die EU als Widerspruch in sich. Eine solche Förderung findet nicht nur über die beiden genannten, offen rechtspopulistischen Fraktionen sowie die Mitwirkung in anderen Fraktionen statt, die sich zu ihrer Gründung auf Kompromisse bei einem konsequenten Kampf gegen Rechtspopulismus in der EU einließen.. Rechtspopulistische Parteien werden auch auf der Grundlage des Art. 224 AEUV gefördert.79 Finanzierungsfähig ist eine solche Partei nach geltender Rechtslage zwar nur, wenn ihr Programm und ihre Tätigkeiten im Einklang mit den Werten stehen, auf die sich die Union gemäß Artikel 2 EUV gründet. Dessen ungeachtet erfahren aktuell Förderung aus EU-Mitteln:
- die im Oktober 2009 gegründete und im Februar 2012 vom EP anerkannte „Europäische Allianz der nationalen Bewegungen“ (Alliance of European National Movements, AENM). Ihr gehören als Mitgliedsparteien die ungarische Jobbik sowie weitere rechtsextreme Parteien aus Belgien, Bulgarien, Italien, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien und dem Vereinigten Königreich an.
- die im Herbst 2010 gegründete und im Februar 2011 durch das EP anerkannte „Europäische Allianz für Freiheit“ (European Alliance for Freedom, EAF), der u.a. führende Politiker von FN, FPÖ und VN angehören.
- die im Oktober 2014 gegründete und im Dezember 2014 anerkannte „Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit“ (Mouvement pour l’Europe des nations et des libertés, MENL). Ihr gehören als Mitgliedsparteien der FN,80 die FPÖ, der VB, die Lega Nord und die tschechische Svoboda a p?ímá demokracie an.81
Rechtspopulismus als möglicher Katalysator einer wehrhaften europäischen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
Es ist eine beunruhigende Entwicklung, dass in Mitgliedstaaten, in denen rechtspopulistische Parteien führend an der Regierung beteiligt sind, die Politik dieser Regierungen zunehmend autokratische Züge aufweist. Besonderes Kennzeichen sind insbesondere Schritte zu einer Politik der Machtkonzentration und -absicherung nicht zuletzt durch Einschränkung der Medienfreiheit sowie der Unabhängigkeit der Justiz.82
Um Fehlentwicklungen des demokratischen Prozesses, die dessen Bestand gefährden, unterbinden zu können, hat sich während und nach den Erfahrungen mit totalitären und autoritären politischen Systemen nicht nur in Deutschland,83 sondern auch in anderen EU-Mitgliedstaaten84 das Konzept der wehrhaften Demokratie entwickelt: Durch eine gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung, aber auch mit Mitteln des Rechts soll die Demokratie gegen Feinde und Gefährder verteidigt werden. In Deutschland erlebt dieses Konzept mit Blick auf das laufende NPD-Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eine aktuelle Bewährungsprobe (s. dazu den Beitrag von Will in diesem Heft).
Auch in der EU als demokratischem Integrationsverbund ist wehrhafte Demokratie im Werden. Mögliche Adressaten entsprechender Abwehrmaßnahmen gegen demokratie- und pluralismusgefährdende Aktivitäten sind sowohl rechtspopulistisch regierte Mitgliedstaaten als auch rechtspopulistische europäische politische Parteien.
Das schärfste Schwert, dass der EU-Vertrag gegen Mitgliedstaaten zur Verfügung stellt, die sich gegen das Wertefundament des europäischen Demokratie- und Verfassungsverbundes stellen, ist dessen Artikel 7.85 Indessen ist die Aktivierung dieses Instruments materiell- und verfahrensrechtlich an hohe Hürden gekoppelt: Auf begründeten Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten der EU, des EP oder der Europäischen Kommission kann der Rat nach Art. 7 Abs. 1 EUV mit der Mehrheit von vier Fünfteln seiner Mitglieder nach Zustimmung des EP86 feststellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Werte durch einen Mitgliedstaat besteht. Bei gleicher Ausgestaltung des Initiativrechts sowie des Mitwirkungsrechts des EP kann der Europäische Rat nach Art. 7 Abs. 2 EUV (nur) einstimmig feststellen, dass eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Werte durch einen Mitgliedstaat vorliegt. Wurde die Feststellung nach Art. 7 Abs. 2 EUV getroffen, so kann der Rat gemäß Art. 7 Abs. 3 EUV mit qualifizierter Mehrheit beschließen, bestimmte Rechte auszusetzen, die sich aus der Anwendung der Verträge auf den betroffenen Mitgliedstaat herleiten, einschließlich der Stimmrechte des Vertreters der Regierung dieses Mitgliedstaats im Rat.
Für beide Feststellungen – sowohl die Gefahr als auch das tatsächliche Vorliegen einer schwerwiegenden Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Werte durch einen Mitgliedstaat – besteht ein Beurteilungsspielraum.87 Er kann ebenso wie das Ermessen, ob gegen einen Mitgliedstaat eingeschritten wird, in einer am Grundsatz „im Zweifel für die Wahrung von Demokratie und Pluralismus“ ausgerichteten Weise ausgeübt werden. Gemäß Art. 354 Abs. 1 AEUV wirkt der betroffene Mitgliedstaat bei den entsprechenden Abstimmungen in Rat und Europäischem Rat nicht mit, bei der Berechnung des Drittels oder der vier Fünftel der Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 1 und 2 EUV wird er außerdem nicht berücksichtigt.
Allerdings existieren divergierende Einschätzungen der politischen Akteure darüber, ob ein Eingreifen in einem rechtspopulistisch regierten Mitgliedstaat notwendig ist, und über welche generellen Mittel die EU in solchen Fällen verfügen soll. Ob sich die EU über Art. 7 EUV als eigenständiger Akteur bei der Verteidigung normierter gemeinsamer Werte gegen renitente Mitgliedstaaten profilieren kann, bleibt deshalb offen.88 Gegen eine solche Profilierungsmöglichkeit sprechen nicht zuletzt die erforderlichen Quoren in Rat und Europäischem Rat: Je mehr rechtspopulistische Kräfte auf das Regierungshandeln von Mitgliedstaaten Einfluss nehmen können, um so schwerer ist bereits die Aktivierung des Schutzmechanismus nach Art. 7 Abs. 1 EUV. Schon hier kann sich – i. S. einer „Koalition der Betroffenen“89 – eine Sperrminorität von Regierungen von Mitgliedstaaten etablieren, die von rechtspopulistischen Kräften mitgetragen werden oder zumindest auf deren Tolerierung angewiesen sind. Dies gilt erst recht für die Beschlussfassung im Europäischen Rat. Mit Blick auf den erreichten Einfluss rechtspopulistischer Bewegungen auf Regierungen einerseits und den Grad ihrer Zusammenarbeit andererseits dürften sich beim derzeitigen Stand der Dinge Art. 7 Abs. 2 und 3 EUV als stumpfes Schwert im Kampf gegen rechtspopulistische Gefährdungen und Verletzungen der Werteordnung der EU erweisen.
Der juristische Instrumentenkasten für einen solchen Kampf ist indes nicht auf Art. 7 EUV begrenzt: Die Europäische Kommission (auf der Grundlage von Art. 258 AEUV) sowie dritte Mitgliedstaaten (auf der Grundlage von Art. 259 AEUV) können gegen einen Mitgliedstaat, der die Werteordnung des Art. 2 EUV verletzt, ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH einleiten. Ein solches Verfahren kann nicht nur auf eine Verletzung von sekundärem Unionsrecht wie z.B. dem Anti-Diskriminierungsrecht gestützt werden.90 Vielmehr ist auch Art. 2 EUV selbst ein geeigneter Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Frage, ob ein Mitgliedstaat seinen unionsrechtlichen Pflichten genügt. Es widerspräche dem sog. effet utile dieser Regelung, wenn man sie nicht auch zum Bezugspunkt für Vertragsverletzungsverfahren machen könnte.91 Dieses Instrumentarium zu nutzen ist beim derzeitigen Stand der Judikatur des EuGH keine Frage unüberwindbarer Rechtshindernisse, sondern der rechtspolitischen Bereitschaft, im Kampf gegen rechtspopulistische Gefährdungen der Werteordnung auch juristische Risiken einzugehen.
Diesen Mut zum juristischen Risiko bei der wehrhaft-demokratischen Bewältigung rechtspopulistischer Herausforderungen braucht es auch beim Kampf gegen Verletzungen der Werteordnung durch rechtspopulistische Parteien. Zwar scheidet ein Verbot rechtspopulistischer Parteien in der EU regelmäßig wegen der engen Grenzen, die einem solchen Verbot nicht zuletzt mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Art. 11 EMRK in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gesetzt sind,92 aus. Ob durch das Europäische Parlament anerkannte politische Parteien i. S. der EU-Verordnung Nr. 1141/2014 überhaupt tauglicher Adressat mitgliedstaatlicher Verbotsmaßnahmen sein können, erscheint rechtlich fraglich. Auch hier würde gelten, dass die Möglichkeiten eines Parteiverbotes zeitlich eng begrenzt sind. Mit Aussicht auf Erfolg initiierbar wäre ein solches Verbot nur innerhalb eines engen Zeitkorridors, wenn die Partei ein Mindestmaß an politischer Relevanz bereits erreicht hat, dann aber nur solange, wie sie noch nicht an der Regierung eines EU-Mitgliedstaates beteiligt ist oder diese unterstützt.
Nicht wahrgenommen wurden bislang die Möglichkeiten auf der Grundlage der EU-Verordnung Nr. 1141/2014, einer europäischen politischen Partei die Eintragung nach Art. 3 dieser Verordnung und damit auch die Grundlage für ihre Finanzierung aus EU-Mitteln zu entziehen. Ein solches Controling im Interesse wehrhafter europäischer Demokratie ist sowohl von Amts wegen als auch auf Initiative des EP, des Rates und der Kommission der EU möglich. Zum einen hat die Behörde für europäische politische Parteien und europäische politische Stiftungen gemäß Art. 10 Abs.1 dieser Verordnung von Amts wegen regelmäßig zu prüfen, ob die eingetragenen Parteien die Beachtung der Grundwerte des Art. 2 EUV in ihrer Programmatik wie in ihrem Handeln weiterhin erfüllen. Zum anderen können das EP, der Rat oder die Kommission gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung die Behörde auffordern zu prüfen, ob eine bestimmte europäische politische Partei die Grundwerte wahrenden Voraussetzungen gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. c erfüllt. In solchen Fällen ersucht die Behörde den gemäß Art. 11 eingerichteten Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten diesbezüglich um eine Stellungnahme. Unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme entscheidet die Behörde, ob sie der betreffenden Partei durch Löschen aus dem in Art. 7 der Verordnung geregelten Register die Anerkennung entzieht. Eine solche Löschung darf aber gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung nur im Falle eines offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoßes gegen die Werteordnung des Art. 2 EUV erfolgen – insoweit besteht ein Beurteilungsspielraum der Akteure.
Abkehr von europäischer Konsensdemokratie und Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit in Reaktion auf die rechtspopulistische Herausforderung?
Offen bleibt, wie jenseits des Einsatzes rechtlicher Instrumente politisch erfolgreich gegen rechtspopulistische Gefährdungen der europäischen Werteordnung agiert werden kann. Eine Politik der Entzauberung durch Regierungsbeteiligung, wie sie z. B. François Mitterand in Bezug auf die PCF während seiner Präsidentschaft gelang,93 ist nach den bisherigen Erfahrungswerten zumindest kein sicherer Weg, um das Erstarken rechtspopulistischer Parteien einzudämmen.
Ob ein dezentraler Demokratieschutz über bürgerschaftliches Engagement allein ein geeignetes Instrument zur Wertewahrung sein kann,94 erscheint in mehrfacher Hinsicht fraglich: Eine solche dezentrale Kontrolle der Wertewahrung setzt eine rechtsstaatliche Substanz in den Mitgliedstaaten voraus, die bei einer politischen Entscheidungsgewalt von Rechtspopulisten gerade nicht mehr besteht. Zudem droht zivilgesellschaftliche Konfliktbereitschaft gegenüber rechtspopulistischen Kräften ins Leere zu laufen, solange nicht gleichzeitig reale Ursachen des rechtspopulistischen Aufstiegs bekämpft werden. Dazu gehören nicht zuletzt auch Antworten auf die Frage, wie eine grundwerte-geleitete Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik auf nationaler und europäischer Ebene i. S. einer „guten Gesellschaft“ künftig gestaltet und vermittelt werden sollte.95
Der Ansatz des EU-Kommissionspräsidenten Juncker, der im Vorfeld der Stichwahl um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten behauptete, „mit den Rechtspopulisten (sei) weder eine Debatte noch ein Dialog möglich“,96 vermag im Lichte der bisherigen Erfahrungen in Europa ebenso wenig zu überzeugen wie die Übernahme rechtspopulistischer Rhetorik, etwa der Ablehnung des Multikulturalismus und „exzessiver“ Zuwanderung oder die propagierte Rückkehr zu christlich-abendländischen Wurzeln im politischen Handeln.97
Rechtspopulistische Parteien verlieren nicht an Zustimmung durch Ausgrenzung oder Anbiederung, sondern durch offensive Auseinandersetzung mit ihren Themen und Akteuren. Zu einer solchen Bereitschaft, offen für die Werteordnung des Art. 2 EUV einzutreten, sollte auch der Mut zählen, aktiv und konsequent die Verrohung der politischen Sprache und Kultur in alten wie neuen Medien zu thematisieren. Klammheimliche Freunde des Rechtspopulismus sind auch solche Journalisten, die unkritisch, undifferenziert und unreflektiert Vorurteile über Politiker und Politik im Allgemeinen und die EU, ihre Organen, Strukturen, Arbeitsprozesse und ihren Output im Besonderen bedienen. Zu einer medialen Gegenstrategie gegen die anti-europäischen Affekte des Rechtspopulismus gehört größere Präsenz und Transparenz der Berichterstattung über EU und Globalisierung ebenso wie die Bereitschaft von Medienakteuren, sich jenseits klassischer Qualitätsmedien mit dem Rechtspopulismus auseinander zu setzen.
Gefordert sind mit Blick auf das rechtspopulistische Feindbild EU aber nicht nur Dritte, sondern auch die Organe der EU selbst. Die Abkehr von einem operativen wie kommunikativen TINA-Ansatz („There is no alternative“) bei Tempo und Schwerpunkten der europäischen Integration könnte die Attraktivität für Rechtspopulisten deutlich senken. Ein entsprechender Neustart müsste allerdings im Zweifel auch den strategischen Ansatz einer großen Koalition im Europäischen Parlament und in der Europäischen Kommission kritisch hinterfragen.98
Das offene Austragen von Streitthemen in der EU, wie es sich z.B. beim Umgang mit der Euro-Krise, in der Flüchtlingspolitik und den Freihandelsabkommen in jüngster Zeit verstärkt abzeichnet, könnte die Wurzeln einer gemeinsamen demokratischen Identität auf europäischer Ebene stärken. Auch der innereuropäische Diskurs über den Umgang mit rechtspopulistischen Herausforderungen kann erkennbar als Katalysator für das Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit wirken – einer Öffentlichkeit, ohne deren Bestehen aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts99 weitere vertiefende Integrationsschritte in Europa ausgeschlossen sind.
Abschließend könnte man in Anknüpfung an Arturo Ui mit Blick auf mögliche ungewollte rechtspopulistische Impulse für die Perspektive eines demokratisch vereinten Europa festhalten: „Der Schoß, aus dem dies kroch, ist fruchtbar schon.“
DR. JÖRG UKROW war viele Jahre lang Rundfunkreferent in der Saarländischen Staatskanzlei sowie als Lehrbeauftragter am Europa-Institut, Sektion Rechtswissenschaft tätig. Seit 2011 ist er Landesvorsitzender der Europa-Union Saar sowie seit diesem Jahr geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Instituts für Europäisches Medienrecht (EMR).
Anmerkungen
* Das Manuskript dieses Beitrags wurde am 25.9.2016 abgeschlossen – die Bedingungen für die Dystopie haben sich mit dem Ausgang der österreichischen Bundespräsidenten-Wahl geändert.
1 Migration und Terrorismus erweisen sich nach den Ergebnissen des jüngsten Standard-Eurobarometers 85 vom Frühjahr 2016 als mit deutlichem Abstand dringlichste Sorgen der Bürger auf EU-Ebene.
2 Vgl. hierzu Stollreiter, Ist Europa auf dem „rechten“ Weg?, 2011, S. 1.
3 Vgl. zur Veralltäglichung charismatischer Herrschaft Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. rev. Aufl., 1980, S. 661.
4 Vgl. hierzu Calliess, Staatsrecht III – Bezüge zum Völker- und Europarecht, 2014, S. V, 200 f.; Rüß, Vereintes Europa – das unerreichbare Staatsziel?, 2005, S. 19 ff.
5 Vgl. Gabriel/Schulz, Europa neu gründen, 24.06.2016; Verhofstadt, Draft Report on possible evolutions of and adjustments to the current institutional set-up of the European Union (2014/2248(INI)).
6 Zur ideengeschichtlichen Traditionslinie solcher Ansätze vgl. z.B. Sontheimer, Antidemokratische Denkens in der Weimarer Republik, 1962.
7 Zur Einordnung der EU durch das Bundesverfassungsgericht als Staatenverbund vgl. BVerfGE 89, 155 (181, 184) sowie z.B. Calliess (Hrsg.), Verfassungswandel im europäischen Staaten- und Verfassungsbund, 2007.
8 Vgl. hierzu di Fabio, Mehrebenendemokratie in Europa, 2001(abrufbar unter http://www.whi-berlin.eu/documents/difabio.pdf); Maurer, Mehrebenendemokratie und Mehrebenenparlamentarismus: Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente nach Lissabon, in: Kadelbach (Hrsg.), Europäische Integration und parlamentarische Demokratie, 2009, S. 19 ff.
9 Nach Art. 1 Abs. 2 EUV stellt dieser Vertrag „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden“.
10 Vgl. auch Franzius, Ist Ungarn überall? Merkmale und Entwicklungen der Demokratiegefährdungen in Europa, 2013, S. 14 (abrufbar unter http://adb.de/node/178).
11 Vgl. hierzu Bastgen, Die Demokratisierungspotenziale europäischer NGOs, 2015, S. 47 ff.
12 Vgl. Merkel, Ist die Krise der Demokratie eine Erfindung?, in: ders. (Hrsg.), Krise der Demokratie – Wahrheit oder Mythos, 2015, S. 473 ff.
13 Vgl. Mair, Ruling The Void: The Hollowing Of Western Democracy, 2013.
14 Vgl. Albrecht (Hrsg.), Europa rechtsaußen. Rechtsextremisten und Rechtspopulisten im Europäischen Parlament, 3. Aufl. 2015; Bathke/Spindler (Hrsg.), Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa. Zusammenhänge – Widersprüche – Gegenstrategien, 2006; Bauer, Rechtspopulismus in Europa. Vergängliches Phänomen oder auf dem Weg zum politischen Mainstream?, 2010; Häusler/ Roeser, Rechtspopulismus in Europa und die rechtspopulistische Lücke in Deutschland, 2014; Hartleb, Nach ihrer Etablierung. Rechtspopulistische Parteien in Europa. Begriff – Strategie – Wirkung, 2011; Langenbacher/Schellenberg (Hrsg.), Europa auf dem „rechten“ Weg? Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa, 2011; van Kessel, The populist cat-dog: applying the concept of populism to contemporary European party systems, Journal of Political Ideologies 19 (2014), S. 99 ff.; ders., Populist Parties in Europe. Agents of Discontent?, 2015; ders./Pirro, Discontent on the Move: Prospects for Populist Radical Right Parties in the 2014 European Parliament Election, Intereconomics 49 (2014), S. 4 ff.
15 Vgl. Schellenberg, in: Stollreiter, Ist Europa auf dem „rechten“ Weg?, 2011, S. 4.
16 Vgl. Hillebrand, Die populistische Herausforderung – Eine Einführung, in: ders. (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa, 2015, 7 (9).
17 Fidesz ist die Abkürzung von Fiatal Demokraták Szövetsége, dem „Bund Junger Demokraten“, der 1988 gegründet wurde und aus dem die Partei hervorging.
18 Gleiches gilt außerhalb der EU, aber in einer für die europäische Debatte dennoch bedeutsamen Weise für die Schweizerische Volkspartei (SVP) sowie die norwegische Fremskrittspartiet (FrP; deutsch: Fortschrittspartei).
19 Vgl. hierzu auch Bogumil, Erfolg und Misserfolg der populistischen radikalen Rechten in Deutschland und Europa. Eine Ursachenanalyse, MIP 21 (2015), 40 (40).
20 Vgl. hierzu für die 2. Runde der französischen Regionalwahlen am 13. Dezember 2015 z.B. Althoff, Kräftig durchgeschüttelt: Frankreichs Parteiensystem im Umbruch, 15.12.2015 (abrufbar unter https://www.boell.de/de/2015/12/15/kraeftig-durchgeschuettelt-frankreichs-parteiensystem-im-umbruch).
21 Vgl. Blume, Rückkehr unter alter Fahne, 24.08.2016 (abrufbar unter http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-08/frankreich-nikolas-sarkozy-kandidatur-analyse); zur Wandelung der österreichischen Flüchtlingspolitik in Reaktion auf steigende Umfragewerte der FPÖ s. Krämer/Solveen, Der Vormarsch der Euro-Gegner, Commerzbank – Woche im Fokus v. 20. Mai 2016, 2 (2 f.).
22 Der Vorsitzende der PVV, Geert Wilders, bezeichnete das gescheiterte Referendum als „Anfang vom Ende der EU“; vgl. z.B. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/niederlaender-stimmen-gegen-eu-ukraine-assoziierungsabkommen-14164948.html.
23 Das Europäische Parlament hat in einer Entschließung vom 10. Juni 2015 (2015/2700(RSP), Tz. 5) die von der ungarischen Regierung eingeleitete öffentliche Befragung zum Thema Migration und die damit zusammenhängende landesweite Plakataktion verurteilt und betont, dass Inhalt und Sprache dieser konkreten Befragung in Ungarn zu den Themen Immigration und Terrorismus in höchstem Maße irreführend, mit Vorurteilen behaftet und unausgewogen sind und einen auf Vorurteilen beruhenden und unmittelbaren Bezug zwischen Migration und Bedrohungen für die Sicherheit herstellen.
24 Zur Bildung einer Fraktion im EP sind nach Art. 32 der geltenden Geschäftsordnung des EP mindestens 25 Abgeordnete erforderlich, und in jeder Fraktion müssen Abgeordnete aus wenigstens einem Viertel der (derzeit 28) EU-Mitgliedstaaten, d.h. aktuell aus sieben Mitgliedstaaten vertreten sein.
25 Die UKIP-Abgeordneten werden wie sämtliche MdEP des Vereinigten Königreichs im Zuge des Brexit aus dem Europäischen Parlament ausscheiden. Wann dies geschieht, ist mit Blick auf die noch ausstehende Mitteilung nach Art. 50 Abs. 2 EUV wie mit Blick auf die erst danach startenden Verhandlungen über die Rahmenbedingungen des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der EU noch offen. Zwar würde die Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ innerhalb der laufenden Legislaturperiode des EP nach dem Ausscheiden der UKIP-Mitglieder die notwendige Mindestanzahl von 25 Abgeordneten nicht mehr erreichen. Allerdings sieht Art. 32 Abs. 3 der Geschäftsordnung des EP vor, dass, falls die Zahl der Mitglieder einer Fraktion unter die vorgeschriebene Schwelle zurückgeht, der Präsident des EP mit Zustimmung der Konferenz der Präsidenten, die aus ihm und den Vorsitzenden der Fraktionen im EP besteht (Art. 26 der Geschäftsordnung des EP) ihr Weiterbestehen bis zur nächsten konstituierenden Sitzung des Parlaments gestatten, sofern die Mitglieder weiterhin mindestens ein Fünftel der Mitgliedstaaten vertreten und die Fraktion bereits länger als ein Jahr besteht. Beides wäre bei der Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ nach einem Ausscheiden der UKIP-Mitglieder der Fall. Allerdings wendet der Präsident diese Ausnahmeregelung nicht an, wenn es hinreichend Anhaltspunkte für die Vermutung gibt, dass sie missbräuchlich in Anspruch genommen wird. Rechtsstreitigkeiten sind hier nicht ausgeschlossen
26 Vgl. Schmidtke, Das Europäische Parlament – Hochburg der Rechtspopulisten?, 2016; dies./Oppelland, Parlamentsaktivitäten der Rechtsaußenparteien im Europäischen Parlament, 2015.
27 Vgl. zum Folgenden Bauer, Rechtspopulismus in Europa, 2010, S. 7 ff.; Langenbacher/Schellenberg, Einleitung: Ein Sammelband zu Erscheinungsformen und Entwicklung der radikalen Rechten in Europa, in: dies. (Hrsg.), Europa auf dem „rechten“ Weg? Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa, 2011, S. 11 ff.
28 Vgl. hierzu Kepplinger, Die Mechanismen der Skandalisierung, 3. Aufl. 2012.
29 Vgl. zu Letzterem auch Meyer, Populismus und Medien, in: Decker (Hrsg.), Populismus, 2006, 81 (82).
30 Vgl. Bathke/Spindler (Hrsg.), Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa. Zusammenhänge – Widersprüche – Gegenstrategien, 2006; Schulmeister, Der Schoß ist fruchtbar noch, Freitag, 26.05.2016
31 Der Begriff geht zurück auf ein Statement von Angela Merkel, wonach Wege zu finden seien, „wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist“; vgl. Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der TU Darmstadt, Unwort des Jahres 2011, http://www.unwortdesjahres.net/fileadmin/unwort/download/pressemitteilung_unwort2011_01.pdf, S. 2.
32 Vgl. zu dieser Gemeinsamkeit auch Betz, Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, ÖZP 2002, 251 (252); Schulmeister, Der Schoß ist fruchtbar noch, Freitag, 26.05.2016.
33 Vgl. zur Präsenz solche rechtspopulistischer wie -extremistische Positionen fördernder Einstellungen in der Bevölkerung von EU-Mitgliedstaaten z.B. Zick/Küpper/Hövermann, Die Abwertung der Anderen. Eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung, 2011.
34 Vgl. hierzu Betz, Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, ÖZP 2002, 251 (253); Camus, Frankreichs Front National auf dem Weg an die Macht?, in: Hillebrand (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa, 2015, 24 (26).
35 Vgl. hierzu Swank/Betz, Globalization, the welfare state and right-wing populism in Western Europe, Socio-Economic Review 2003, 215 ff.
36 Vgl. hierzu Kriesi/Pappas (Hrsg.), European populism in the shadow of the great recession, 2015.
37 Vgl. zum Anwachsen der Wählerschaft des FN bei Facharbeitern und ungelernten Angestellten im Handel, bei Handwerkern, Geschäftsinhabern und Unternehmern Camus, Frankreichs Front National auf dem Weg an die Macht?, in: Hillebrand (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa, 2015, 24 (28).
38 Vgl. zum Konzept Fest, Bürgerlichkeit als Lebensform, 2007, 9 (12 ff.).
39 Vgl. zur Abgrenzung von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus auch Bryant, Rechtspopulismus = Rechtsextremismus?, in: Stiftung SPI (Hrsg.), „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen …!“ Zur Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Argumentationsweisen, 2011, 8 (10 ff.).
40 Vgl. hierzu Schmidt, Maximen politischen Handelns, 1981, S. 20.
41 Zur Bedeutung von Globalisierung und Europäisierung für das demokratische Gemeinwesen vgl. Calliess, Staatsrecht III – Bezüge zum Völker- und Europarecht, 2014, S. 2 ff.; Grimm, Die Zukunft der Verfassung II – Auswirkungen von Europäisierung und Globalisierung, 2012; Marschall, Das politische System Deutschlands, 2. Aufl. 2011, S. 241 ff.
42 Zur Bedeutung von Globalisierung und Europäisierung das Anwachsen rechtspopulistischer Strömungen in Europa vgl. Hillebrand, Die populistische Herausforderung – Eine Einführung, in: ders. (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa, 2015, 7 (7 f.).
43 „Wir müssen für die Freiheit planen und nicht für die Sicherheit, wenn auch vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, dass nur die Freiheit die Sicherheit sichern kann“, Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. II, 8. Aufl.2003, S. 224.
44 Vgl. hierzu auch Rosenberger, Rechtspopulismus, in: Frölich-Steffen u.a. (Hrsg.), Populisten an der Macht, 2005, 35 (46).
45 Vgl. auch Franzius, Ist Ungarn überall? Merkmale und Entwicklungen der Demokratiegefährdungen in Europa, 2013, S. 14 (abrufbar unter http://adb.de/node/178).
46 Beim Front National unter der Führung von Marine Le Pen zählt diese Abkehr von der Verharmlosung der NS-Verbrechen durch den früheren FN-Vorsitzenden, ihren Vater Jean-Marie Le Pen, der z.B. die NS-Gaskammern wiederholt als „Detail der Geschichte“ bezeichnet hat, zur Politik der „Entdämonisierung“ des FN; vgl. hierzu Camus, Frankreichs Front National auf dem Weg an die Macht?, in: Hillebrand (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa, 2015, 24 (25); Mayer, From Jean-Marie to Marine Le Pen: Electoral Change on the Far Right, Parliamentary Affairs, 66. Jg. H. 1 (2013), 160 ff.
47 Zu geschichtspolitischen Anknüpfungspunkten im sog. Historikerstreit vgl. Habermas, Eine Art Schadensabwicklung. Die apologetischen Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung, ZEIT v. 11. Juli 1986.
48 Zu geschichtspolitischen Anknüpfungspunkten im sog. Historikerstreit vgl. Nolte, Vergangenheit, die nicht vergehen will, FAZ v. 6. Juni 1986.
49 Ausdruck der fortbestehenden Abgrenzung ist z.B., dass die klar rechtsextremen Vertreter der griechischen Partei „Goldenen Morgenröte“ und der ungarischen Partei „Jobbik“ (deutsch: Bewegung für ein besseres Ungarn) sowie Udo Voigt von der NPD, die bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 ein Mandat errungen haben, auch von rechtspopulistisch geprägten Fraktionen nicht aufgenommen wurden, sodass diese Abgeordneten als Fraktionslose innerhalb des EP weitgehend isoliert sind.
50 Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 60.
51 Vgl. zur Entwicklung in Ungarn Franzius, Ist Ungarn überall? Merkmale und Entwicklungen der Demokratiegefährdungen in Europa, 2013, S. 14 (abrufbar unter http://adb.de/node/178).
52 Dies spricht gegen die These, Populismus und Extremismus seien einander ausschließende Kategorien. Vgl. zu dieser These Bogumil, Erfolg und Misserfolg der populistischen radikalen Rechten in Deutschland und Europa. Eine Ursachenanalyse, MIP 21 (2015), 40 (41); Mudde, Populist Radical Right Parties in Europe, 2007, S. 23 ff.
53 Vgl. Schulmeister, Der Schoß ist fruchtbar noch, Freitag, 26.05.2016
54 Vgl. FN, Notre Projet. Programme Politique du Front National, o.J., S. 47 ff.; PVV, Hún Brussel, óns Nederland, 2012, S. 10 ff.; VB, Uw stok achter de deur, 2014, S. 9 ff.
55 Vgl. hierzu Andersen/Bjørklund, Radical right-wing populism in Scandinavia: from tax revolt to neo-liberalism and xenophobia, in: Hainsworth (Hrsg.): The Politics of the Extreme Right, 2000, 193 (216 f.); dies., Scandinavia and the Far Right, in: Davies/Jackson (Hrsg.), The Far Right in Europe. An Encyclopedia, 2008, 147 ff.; Betz, Entre succès et échec: l.extrême droite à la fin des années quatre-vingt-dix, in: Perrineau (Hrsg.): Les croisés de la société fermée, 2001, 407 (413 f.); Mayer, Ces Français qui votent FN, 1999, S. 224 f.; Ulram, Sozialprofil und Wahlmotive der FPÖ-Wähler: Zur Modernität des Rechtspopulismus am Beispiel des Phänomens Haider, in: Loch/Heitmeyer (Hrsg.): Schattenseiten der Globalisierung, 2001, 206 (216).
56 Vgl. auch Hillebrand, Die populistische Herausforderung – Eine Einführung, in: ders. (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa, 2015, 7 (9 f.).
57 Vgl. hierzu Koler,hler, Det svenska folkhem – vom schwedischen „Volksheim“ zum Wohlfahrtsstaat Schweden, Zeitschrift fu]r ausla]ndisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht 1987, 203 ff.
58 Vgl. Fischer, „Eigen volk eerst“ – rechtspopulistische Diskursstrategien am Beispiel des belgischen Vlaams Belang, 2009; Jean-Marie Le Pen, „les français d’abord“ (1984) oder der Slogan des FPÖ-Parteiprogramms: „Österreich zuerst“.
59 Vgl. die Pressemitteilung des FN-Generalsekretärs Nicolas Bay v. 18.9.2015: „Face à la priorité étrangère, la préférence nationale !“.
60 Vgl. hierzu Betz, Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, ÖZP 2002, 251 (257).
61 Vgl. hierzu Atkinson, Ungleichheit, 2016; Kuhn/van Elsas/Hakhverdian/van der Brug (2016), An ever wider gap in an ever closer Union. Rising inequalities and euroscepticism in 12 West European democracies, 1976-2008, Socio-economic review 14. Jg. H. 1 (2016), 27 ff.
62 Vgl. hierzu Betz, Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, ÖZP 2002, 251 (258); Decker, Parteien unter Druck. Der neue Rechtspopulismus in den westlichen Demokratien, 2000, S. 33 ff. 70 ff., 329 ff.; Ignazi, The silent counter-revolution. Hypotheses on the emergence of extreme right-wing parties in Europe, European Journal of Political Research, 22. Jg. H. 1 (1992), 3 ff.
63 Vgl. hierzu Betz, Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, ÖZP 2002, 251 (258 ff.); Minkenberg, The Renewal of the Radical Right: Between Modernity and Anti-modernity,in: Government and Opposition, 35 Jg. H. 2 (2000), 170 ff.; van der Brug/Fennema/Tillie, Anti-immigrant parties in Europe: Ideological or protest vote?, in: European Journal of Political Research, 37. Jg. H. 1 (2000), 77 ff.
64 Vgl. hierzu Veugelers, Right-Wing Extremism in Contemporary France: A “silent counter-revolution”? The sociological quarterly 41. Jg. H. 1 (2000), 19 ff.
65 Vgl. hierzu Bouvet, L’insecurité culturelle, 2015, S. 127 f.
66 Vgl. hierzu Berbuir, Das politische Selbstverständnis von Mitgliedern rechtspopulistischer Parteien als Indikator für eine Verortung im politischen Spektrum – eine qualitative Analyse, MIP 19 (2013), 63 (71).
67 Vgl. hierzu Betz, Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, ÖZP 2002, 251 (253); Hafez, Islamophober Populismus, 2010, S. 42.
68 Vgl. Schellenberg, in: Stollreiter, Ist Europa auf dem „rechten“ Weg?, 2011, S. 4.
69 Vgl. Sottopietra, Phänomen Rechtspopulismus, 1998, S. 7.
70 Bryant/Chuing, Einleitung, in: Stiftung SPI (Hrsg.), „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen …!“ Zur Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Argumentationsweisen, 2011, 4 (4).
71 Vgl. auch Betz, Rechtspopulismus in Westeuropa: Aktuelle Entwicklungen und politische Bedeutung, ÖZP 2002, 251 (254).
72 Vgl. zur Medienstrategie rechtspopulistischer Parteien auch Barlen/Brandstetter, Fremdenfeindlich 2.0 – Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in der digitalen Welt, in: Decker/Henningsen/Jakobsen, (Hrsg.), Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa: Die Herausforderung der Zivilgesellschaft durch alte Ideologien und neue Medien, 2015, 303 ff.
73 Danach sind „(d)ie Werte, auf die sich die Union gründet, … die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet“. Vgl. hierzu z.B. Herdegen, Die Europäische Union als Wertegemeinschaft, in: Festschrift für Rupert Scholz, 2007, S. 139 ff.; Mandry, Europa als Wertegemeinschaft, 2009; Niedobitek/Sommermann (Hrsg.), Die Europäische Union als Wertegemeinschaft, 2013.
74 Vgl. Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.).Das Recht der Europäischen Union, 2016, Art. 167 AEUV Rn. 85 ff.
75 Vgl. hierzu Hau, Sanktionen und Vorfeldmaßnahmen zur Absicherung der europäischen Grundwerte. Rechtsfragen zu Art. 7 EU, 2002; Hummer/Obwexer, Die Wahrung der „Verfassungsgrundsätze“ der EU, EuZW 2010, 485; Klamt, Die Europäische Union als Streitbare Demokratie. Rechtsvergleichende und europarechtliche Dimensionen einer Idee, 2012; Niedobitek, Die Europäische Union als Wertegemeinschaft, in: Neuss u.a. (Hrsg.): Kooperationsbeziehungen in der neuen Europäischen Union, 2012, 205; Sandfort, Der Schutz der gemeinsamen Werte (Art. 2 EUV) innerhalb der EU am Beispiel Ungarns, 2014; Serini, Sanktionen der Europäischen Union bei Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Demokratie- oder Rechtsstaatsprinzip, 2009; Träbert, Sanktionen der Europäischen Union gegen ihre Mitgliedstaaten. Die Sanktionsverfahren nach Art. 228 Abs. 2 EGV und Art. 7 EUV, 2010, S. 16.
76 Vgl. Ukrow, Grundrechte und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, in: Bröhmer (Hrsg.), Der Grundrechtsschutz in Europa, 2002, S. 139 ff.
77 Vgl. hierzu Perger, Die neue Dimension des Populismus: Die europäische Rechte und die eurasische Herausforderung der liberalen Demokratie, in: Hillebrand (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa, 2015, 128 (133 f.).
78 Vgl. Benz, Wie wehrhaft ist die europäische Demokratie, 2016.
79 Aktuell erfolgt die entsprechende Finanzierungsregelung auf dieser Grundlage durch die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen, Amtsblatt EU 2014 v. 4.11.2014 Nr. L 317/1. Vgl. zur Fortentwicklung des europäischen Parteienrechts durch diese Verordnung Merten, Neue Impulse im europäischen Parteienrecht, MIP 19 (2013), S. 30 ff.; Motika, Kontrolle und Sanktionen im System der Finanzierung der Europarteien, in: Poguntke u.a. (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer europäischen Parteiendemokratie, 2013, S. 69 ff.
80 Der FN gehörte zuvor der Europäischen Allianz der nationalen Bewegungen (englisch Alliance of European National Movements, AENM, französisch Alliance européens des mouvements nationaux, AEMN) an, einem Sammelbecken von Parteien, die als rechtsextrem eingestuft werden können. Auch dieser europäischen politischen Partei hat das EP für die Zeit von 2012 bis 2015 Parteienfinanzierung in Höhe von insgesamt fast 1,5 Mio. € zuerkannt. Dem EP gehört aus diesem Kreis nur noch Abgeordnete der ungarischen Jobbik-Partei an. Aufgelöst ist inzwischen nach öffentlich gewordenen Unregelmäßigkeiten die Bewegung für ein Europa der Freiheit und der Demokratie (engl. Movement for a Europe of Liberties and Democracy, franz. Mouvement pour l’Europe des libertés et de la démocratie, MELD). Ihr gehörten zeitweise u.a. die Dansk Folkeparti und die Lega Nord an.
81 Der AENM wurde für 2012 bis 2015 jeweils zwischen 289 und 454 T€ , der EAF für 2011 bis 2013 jeweils zwischen 360 und 385 T€, für 2014 ca. 521 T€ und für 2015 ca. 496 T€ und der MENL für 2015 1,17 Mio. Euro als Parteienfinanzierung zuerkannt; vgl. http://www.europarl.europa.eu/pdf/grants/Grant_amounts_parties%2003-2015_new%20logo.pdf.
82 In Ungarn hat diese Entwicklung zwischenzeitlich durch die eine Verfassungsänderung ermöglichenden parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse eine Absicherung erfahren, die über die Unwägbarkeiten demokratischen Regierungswechsels im Zuge von Wahlen hinausreichen. Vgl. hierzu die kritische Haltung der sog. Venedig-Kommission des Europarates, http://www.venice.coe.int/webforms/documents/?pdf=CDL-AD%282013%29012-e.
83 Vgl. Thiel, Wehrhafte Demokratie, 2003.
84 Vgl. Klamt, Die Europäische Union als Streitbare Demokratie. Rechtsvergleichende und europarechtliche Dimensionen einer Idee, 2012, S. 36 ff.
85 Vgl. zu diesem Sanktionsverfahren Klamt, Die Europäische Union als Streitbare Demokratie. Rechtsvergleichende und europarechtliche Dimensionen einer Idee, 2012, S. 311 ff.; Sandfort, Der Schutz der gemeinsamen Werte (Art. 2 EUV) innerhalb der EU am Beispiel Ungarns, 2014, S. 26 ff.
86 Für die Zwecke des Art. 7 EUV beschließt das Europäische Parlament nach Art. 354 Abs. 4 AEUV mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mit der Mehrheit seiner Mitglieder.
87 Vgl. Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 2016, Art. 7 EUV Rdnr. 21, 29 ff.
88 Vgl. Benz, Wie wehrhaft ist die europäische Demokratie, 2016, S. 58 ff., 99 ff.
89 Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 2016, Art. 7 EUV Rdnr. 21.
90 Vgl. hierzu EuGH, Rs. C-286/12, Kommission/Ungarn, ECLI:EU:C:2012:687; dazu z.B. Vincze, The ECJ as the Guardian of the Hungarian Constitution, (2013) 19 European Public Law 19 (2013), S. 489 ff.
91 So aber für die Rechtslage vor dem Vertrag von Lissabon, vgl. Frowein, Die rechtliche Bedeutung des Verfassungsprinzips der parlamentarischen Demokratie für den europäischen Integrationsprozess, Europarecht 18 (1983), 301 (310 f.); Hau, Sanktionen und Vorfeldmaßnahmen zur Absicherung der europäischen Grundwerte. Rechtsfragen zu Art. 7 EU. 2002, S. 54 ff.; wie hier z.B. auch Murswiek, Die heimliche Entwicklung des Unionsvertrages zur europäischen Oberverfassung. Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 28 (2009), 481 (482); Sandfort, Der Schutz der gemeinsamen Werte (Art. 2 EUV) innerhalb der EU am Beispiel Ungarns, 2014, S. 21 ff.
92 Nach der Rechtsprechung des EGMR muss ein Parteiverbot gesetzlich vorgesehen sein, ein legitimes Ziel verfolgen, und es muss eine „dringende gesellschaftliche Notwendigkeit“ geben, die Partei zu verbieten; vgl. hierzu z.B. EGMR, Urteil v. 13.2.2003 (GK), Wohlfahrtspartei u.a., Nr. 41340/98 u.a.; Urteil v. 30.10.2005, United Macedonian Organisation Ilinden – Pirin u.a., Nr. 59489/00 sowie Emek, Parteiverbote und Europäische Menschenrechtskonvention, 2007, S. 133 ff.; Pabel, Parteiverbote auf dem europäischen Prüfstand, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 63 (2003), 921 (925 ff.).
93 Vgl. hierzu Dörr, François Mitterrand und der PCF – Die Folgen der rééquilibrage de la gauche für den Parti Communiste Français, MIP 17 (2011) S. 43 ff.
94 Vgl. zu einem solchen Ansatz Franzius, Ist Ungarn überall? Merkmale und Entwicklungen derDemokratiegefährdungeninEuropa, 2013, S. 17, abrufbar unter abrufbar unter http://adb.de/node/178).
95 Vgl. Decker/Henningsen/Jakobsen, Revolte von rechts, in: dies. (Hrsg.), Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa: Die Herausforderung der Zivilgesellschaft durch alte Ideologien und neue Medien, 2015, 13 (24).
96 «Avec l’extrême droite, il n’y a ni débat ni dialogue possible », zitiert nach http://www.lemonde.fr/europe/article/2016/05/20/la-france-a-une-idee-de-l-europe-a-defendre_4922934_3214.html
97 Vgl. zu entsprechenden Tendenzen z.B. Camus, Frankreichs Front National auf dem Weg an die Macht?, in: Hillebrand (Hrsg.), Rechtspopulismus in Europa, 2015, 24 (27).
98 Vgl. im Ansatz auch Grabbe/Lehne, Can the EU Survive Populism?, 14. Juni 2016, http://carnegieeu rope.eu/2016/06/14/can-eu-survive-populism/j1vb („over the longer term the grand coalition could increase voters’ frustration”).
99 Vgl. BVerfGE 123, 267 (359); kritisch zur These des BVerfG z.B. Ukrow, Von Luxemburg lernen heißt Integrationsgrenzen bestimmen, Zeitschrift für europarechtliche Studien 17 (2014), 119 (124).