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Die dritte indus­tri­elle Revolution

aus : vorgänge Heft 3/2007, S.71-82

Die Heraus­for­de­rungen

Die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen und diesen zu bremsen ist die wichtigste Aufgabe in der ersten Hälfte des neuen Jahrhunderts. Der vierte Sachstandsbericht des Weltklimarates hat vor wenigen Monaten den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu den Auswirkungen klimatischer Änderungen zusammengetragen und Szenarien unterschieden: Bleibt der Anstieg der Durchschnittstemperatur unter 2°C (verglichen mit vorindustriellen Werten), bedeutet dieses beispielsweise, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Hitzestress, Unterernährung, Durchfall-, Infektions- und andere Erkrankungen vermehrt auftreten, sich Schäden durch Hochwasser und Stürme verstärken und der Schutz der Küsten durch Korallenriffe abnimmt. Ab einem Anstieg der Durchschnittstemperatur um 2 bis zu 4°C fallen die Folgen noch gravierender aus: Millionen Menschen wären im Jahr durch Überflutungen von Küsten gefährdet, ein weitgehender Verlust biologischer Vielfalt droht, und der Beginn eines unumkehrbaren Abschmelzprozesses der Eisschilde Grönlands und in der westlichen Antarktis mit einem entsprechenden Meeresspiegelanstieg wäre die Folge. Bei einem Anstieg der Durchschnittstemperatur von mehr als 4°C, so schätzt der Weltklimarat, wären nicht nur das biologische und physikalische System, sondern auch unsere sozialen Systeme überfordert, sich an die Auswirkungen einer solchen Erwärmung anzupassen.(1)

Es ist hier nicht der Ort, die diversen wissenschaftlich fundierten Szenarien in allen Details zu erläutern. Die wenigen Fakten reichen, um zu erahnen, dass der Klimawandel nicht nur in ökologischen Kategorien zu durchmessen ist, sondern die zivilisatorische Herausforderung alle Aspekte unseres menschlichen Daseins und der menschlichen Ordnung beeinflussen wird, national und international. Das Verhältnis von Stadt und Land, von Zentrum und Peripherie wird sich neu strukturieren und die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen und von Entwicklungschancen wird grundlegend beeinflusst. Verteilungskämpfe, Bürgerkriege, eine neue internationale Arbeitsteilung, neue städtebauliche Herausforderungen – all das sind Dinge, die vom Klimawandel beeinflusst werden. Die Frage ist nicht ob, sondern nur noch wie und in welchem Ausmaß.

Das ist der Hintergrund für das so genannte „2 Grad“-Ziel: der Begrenzung des Anstiegs der globalen Oberflächentemperatur im Jahresmittel auf einen Wert von höchstens 2°C über dem vorindustriellen Niveau. Konkret bedeutet dies, dass die globalen Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts mindestens um die Hälfte gemindert werden müssen gegenüber dem Basisjahr 1990 und ein „peak“, also die Trendumkehr, innerhalb der nächsten 15 Jahre erreicht werden muss. Schon die Halbierung der heutigen Emissionen stellt eine enorme Herausforderung dar. Tatsächlich aber ist diese noch ungleich größer. Denn entscheidende Megatrends weisen nicht auf Emissionsminderung, sondern in die entgegengesetzte Richtung:(2)

  • Wir erleben einen gewaltigen weltwirtschaftlichen Wachstums- und Industrialisierungsschub. Das Weltsozialprodukt wird bis zum Jahr 2030 im Durchschnitt um 3 % jährlich wachsen und sich innerhalb der kommenden 25 Jahre annähernd verdoppeln auf dann mehr als 60 Billionen Dollar. Die transatlantische Wirtschaft bleibt zwar die wichtigste ökonomische Achse, das Gros des zusätzlichen Wachstums wird jedoch in den aufstrebenden Marktwirtschaften Asiens und Lateinamerikas erwirtschaftet. China, Indien, Brasilien, aber auch Indonesien werden zu den Wachstumsmotoren der Weltwirtschaft.
  • Das Bevölkerungswachstum und die Urbanisierung werden zunehmen. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 bereits rund 9,2 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Heute bevölkern 6,5 Milliarden Menschen den Planeten. Der größte Teil des Bevölkerungszuwachses wird in jenen Regionen liegen, die ihn am wenigsten verkraften können – ökonomisch, ökologisch und sozial. Mit dem Bevölkerungswachstum wird auch der Prozess der Urbanisierung vorangetrieben.
  • Die Mobilität wird weiter anwachsen. Prognosen gehen davon aus, dass sich allein der Luftverkehr im Vergleich zum Jahr 2003 bis 2020 mehr als verdoppeln wird. Auch die Verkehrsleistung in den heutigen Schwellenländern und der weltweite Bestand an Kraftfahrzeugen werden rapide zunehmen.
  • Die Energienachfrage steigt enorm. Prognosen der Internationalen Energieagentur IAEA gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 der Energiebedarf um 50 Prozent gestiegen sein wird.

Fazit: Wachsender Verkehr, wachsender Bedarf an Energie, Ausweitung industrieller Produktion und die steigende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen werden, wenn nichts geschieht, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen dramatisch erhöhen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich dieser bis zum Jahr 2050 auf jährlich knapp 60 Gigatonnen verdoppeln würde, wenn wir jetzt nicht gegensteuern. Und die klimatischen Folgen sind nur ein negativer Aspekt dieser Megatrends. Der Raubbau an unseren natürlichen Ressourcen und eine grassierende Umweltverschmutzung sind ein weiterer. Die chinesische Umweltbehörde SEPA schätzt die Kosten für die ökologische Sanierung Chinas bereits heute schon auf rund 10 Prozent des Bruttosozialproduktes und veranschlagt die Kosten damit in der gleichen Größenordnung wie das Wirtschaftswachstum. Inoffizielle Schätzungen fallen noch drastischer aus(3),und China ist auch nur ein Beispiel unter mehreren: Indien, Indonesien, Brasilien sind weitere.

Ein dritter Aspekt, der mit diesen Megatrends korreliert, ist die wachsende Konkurrenz um Rohstoffe, ihre Verknappung und Verteuerung. Der weltweite Materialverbrauch hat sich bereits in den vergangenen 30 Jahren extrem gesteigert. Insbesondere bei den Industrierohstoffen wie Rohöl, Steinkohle, Stahl, Aluminium oder Kupfer hat in den vergangenen Jahren eine sich stark beschleunigende Verbrauchsdynamik eingesetzt. China hat zum Beispiel in den letzten drei Jahrzehnten den Energieverbrauch versechsfacht und verbraucht heute ein Achtel der globalen Energie, ein Viertel der weltweiten Stahlproduktion und knapp die Hälfte des produzierten Zementes. Es ist nicht erstaunlich, dass in Nachrichtenmagazinen der „Kampf um Rohstoffe“ längst zum „Weltkrieg um Wohlstand“ geworden ist.

Eine dritte indus­tri­elle Revolution

Bei diesen globalen Problemen und Herausforderungen sind ökonomische, ökologische und soziale Aspekte untrennbar ineinander verwoben. Wie wir produzieren – das ist zu einer existentiellen Menschheitsfrage geworden. Wie machen wir „Mehr“ aus „Weniger“ und zwar so, dass dabei keine klimaschädlichen Treibhausgase entstehen und wir unsere natürlichen Ressourcen so effizient wie möglich nutzen und unsere Ökosysteme nicht unwiderruflich schädigen? Die Steigerung der Energie- und Materialeffizienz muss ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit, der wirtschaftlichen Prozesse und der wissenschaftlichen Forschung gerückt werden.

Viel wäre bereits gewonnen, wenn der Stand der besten verfügbaren Technik flächendeckend bei Produktion und Konsumption durchgesetzt würde. Die internationale Energieagentur schätzt, dass in der Fertigungsindustrie weltweit 18-26 Prozent Effizienzsteigerungen möglich sind. Würde dieses Potential ausgeschöpft, käme das bereits einer Einsparung des Gesamtenergieverbrauchs von fünf bis sieben Prozent gleich und könnte die weltweiten Kohlendioxidemissionen um acht bis zwölf Prozent senken.(4) Das kann dazu beitragen, den Anstieg der CO2 Emissionen abzuschwächen, für eine wirkliche Trendumkehr reicht dieses aber allein nicht aus.

Dazu bedarf es eines umfassenden technologischen Fortschritts. Blaupausen für ressourcenintelligentere Produkte sind vorhanden, und es mangelt „nur“ an der Umsetzung oder daran, die Prototypen auch auf den Markt zu bringen. Aber selbst das wird nicht reichen. Notwendig sind neue, „revolutionäre“ Technologiesprünge in industriellen Kernbereichen. Wir brauchen sie insbesondere bei der Energieerzeugung und -verwendung sowie bei der Stoffnutzung. Die ölbasierte Infrastruktur unserer Gesellschaften muss im wahrsten Sinne des Wortes erneuert werden: Statt Energie aus fossilen Rohstoffen zu gewinnen, brauchen wir erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Zusätzlich zur petrochemischen Industrie ist eine Chemieindustrie nötig, die ihre Kohlenstoffverbindungen immer mehr aus nachwachsenden Rohstoffen bezieht. Überhaupt: Die industrielle Produktion muss knappe und endliche Ressourcen sukzessive durch nach-wachsende Rohstoffe ersetzen. Wir stehen also vor einem radikalen Umbau der Industriegesellschaft, der radikalste Umbau, den eine Ökonomie in einer relativ kurzen Zeitperiode zu bewältigen hat. Dieser Umbau bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine dritte industrielle Revolution.

Der Begriff der industriellen Revolution ist durchaus angemessen. Angesichts des sehr begrenzten Zeithorizontes – 15 Jahre gibt uns die Wissenschaft noch, um die Weichen richtig zu stellen – können wir nicht mehr auf einen „evolutionären Prozess“ vertrauen. Wir brauchen einen qualitativen Sprung. Die Analogie zur industriellen Revolution macht auch deutlich, dass es dabei nicht allein um einen „technologischen Sprung“ gehen kann, sondern dass letztlich die Ökonomie als ganzes und auch die Gesellschaft von dieser Veränderung betroffen sein werden.

Die erste industrielle Revolution vollzog die Ersetzung des Holzes durch Kohle als Brennstoff und durch Stahl als Baustoff, beginnend in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sichtbarster Ausdruck war die Dampfmaschine. Die energetische Nutzung des Wasserdampfes revolutionierte die wirtschaftliche Produktion, indem sie sie unabhängig machte von den alten Energieträgern Wasser und Wind. Die industrielle Fertigung konnte sich von wasserführenden Standorten lösen und durch die Erfindung der Eisenbahn und der Dampfschifffahrt steigerte die Mobilität zusätzlich. Um diesen technologischen Kern herum gruppierten sich weitere Innovationen, vor allem aber Prozesse, die die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung radikal umkrempelten. Heimarbeit und das Verlagssystem konnten gegen die Fabrikationen und eine neue Form von industrieller Arbeitsteilung nicht mehr bestehen. Mit der Herausbildung der Lohnarbeit kommen die Produktions- und Eigentumsverhältnisse grundlegend in Bewegung. Neue Märkte, Urbanisierung und Bevölkerungswachstum sind weitere Folgen der ersten industriellen Revolution. Schnell werden aber auch Schattenseiten des Fortschritts deutlich: Hunger und Armut auf dem Land, städtisches Elend, Ausbeutung und die Ausbildung der sozialen Frage sind die wichtige Stichworte, die sich mit der industriellen Revolution am Ende des 18 Jahrhunderts verbinden.

Die zweite industrielle Revolution in der erste Dekade des 20. Jahrhunderts führte zur Elektrifizierung des Lebens und der Arbeitswelt. Kohle gewinnt noch einmal an Bedeutung. Und andererseits wird das Erdöl zum zweiten energetischen Standbein der Industriegesellschaft. Vor allem für die Mobilität verbinden sich damit neue Möglichkeiten. Aber nicht nur energetisch auch stofflich wird Erdöl im Rahmen der Kohlenstoffchemie zum bedeutendsten Rohstoff. Der extensive Umgang mit den natürlichen Ressourcen bekommt einen weiteren Schub. Wiederum verbindet sich diese industrielle Revolution mit durchgreifenden gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Entwicklungen. Charlie Chaplin hat diese Prozesse, etwa die Ausweitung der fordistischen Massenproduktion und die tayloristische Arbeitsorganisation, Mitte der dreißiger Jahre mit „Modern Times“ trefflich ins Bild gesetzt. Aber auch geostrategisch und machtpolitisch drückt die zweite industrielle Revolution, die Ost wie West unter-schiedlich, aber doch gleichermaßen stark prägte, dem 20. Jahrhundert ihren Stempel(5) auf.

Der Prozess der Industrialisierung vollzieht sich seither kontinuierlich. Immer wieder aber gab es auch Phasen einer historischen Verdichtung von Ereignissen bzw. neuer Weichenstellungen. Je nach Augenmerk markieren Wirtschaftshistoriker und Gesellschaftstheoretiker unterschiedliche Phasen der industriellen Revolution oder identifizieren im Rückgriff auf unterschiedliche Schlüsseltechnologien (Auto, Nukleartechnologie, Mikrochip, Internet, Nanotechnologien) weitere „Revolutionen“.

So wie sich technologische Entwicklungssprünge in der ersten und zweiten industriellen Revolution ganz wesentlich mit einer Veränderung der energetischen Basis verbanden, werden der Umgang mit Energie und die energetischen Strukturen unserer Gesellschaften auch im Zentrum der dritten industriellen Revolution stehen müssen. Anders als früher ist die veränderte energetische Struktur aber nicht nur Ausgangspunkt, sondern muss zum unmittelbaren Ziel des technischen Fortschritts werden, denn es geht darum, die Zentralität fossiler Rohstoffe zu überwinden. Energiepolitisch bedeutet dies, auf erneuerbare Energien aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie umzustellen. Stofflich muss es darum gehen, statt eines ressourcenextensiven Umgangs mit Energie und Material effiziente Produktionsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufzubauen und auch hier fossile Rohstoffe und knappe Materialien durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Man könnte es als Ironie der Geschichte beschreiben: So wie in der ersten industriellen Revolution Kohle und Stahl das Holz ersetzt haben, müssen nun Holz und andere nachwachsende Rohstoffe Kohle, Erdöl und Stahl substituieren. Allerdings geht es nicht darum, das Rad der Geschichte zurück, sondern nach vorne zu drehen: Nicht „Jute statt Plastik“ ist die Maxime der dritten industriellen Revolution, sondern „Plastik aus Jute“ – das heißt, neue Werkstoffe aus nachwachsenden, also erneuerbaren Rohstoffen.

Ökologische Indus­trie­po­li­tik: Der Staat als Pionier

Der Staat kann den technologischen Fortschritt, den wir jetzt brauchen, nicht verordnen und sollte sich auch kein Wissen anmaßen, das er nicht hat. Aber ebenso sicher ist, dass auch der Markt allein nicht in der Lage ist, die benötigten Informationen und Technologien in einer angemessenen Zeit in benötigtem Umfang zur Verfügung zu stellen. Schon das vorhandene technische Verbesserungspotential auszuschöpfen, scheitert oftmals am kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Kalkül. Solange sich mit alten Anlagen Gewinne machen lassen, gibt es für Unternehmen wenig Anreize, diese durch effizientere zu ersetzen oder zu modernisieren. Wenn Märkte oligopolistisch strukturiert sind, bedeutet das hohe Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber und hohe Investitionskosten, insbesondere im Hightech-Bereich. Diese erschweren vielfach den Markteintritt für junge innovative Technologieunternehmen. Kurz: Wer als Alternative zu staatlichem Handeln allein im „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ (Hayek) den Motor für Innovation und wirtschaftliche Erneuerung sieht, riskiert, dass wir die Jahrhundertaufgabe nicht lösen. Die kurzen 15 Jahre, die zur Weichenstellung bleiben, sollten wir nicht durch den Kampf der reinen Lehren und durch theoretische Debatten über das Verhältnis von Markt und Staat verschwenden und darüber das Handeln vergessen. Die dritte industrielle Revolution braucht „Revolutionäre“ und sie braucht auch das enge Zusammen wirken von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb muss die Umweltpolitik innovationsfördernd ausgestaltet werden, und dafür brauchen wir eine ökologische Industriepolitik, die den technischen Fortschritt fördert und unsere Industrie auf die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen ausrichtet. Zu diesen Herausforderungen zählt auch, dass Deutschland und die Europäische Union sich in einer neuen internationalen Arbeitsteilung und im Globalisierungsprozess neu positionieren müssen. Als Produzent von innovativer Umwelttechnologie sollten sich die EU und Deutschland auf den Märkten der Zukunft so platzieren, dass neue Beschäftigung, neues Wachstum und nachhaltige Entwicklung möglich sind. Eine ökonomische Antwort auf die ökologische Zukunftsfrage zu geben und die ökonomischen Herausforderungen ökologisch zu beantworten, das will die ökologische Industriepolitik mit einem intelligenten ordnungspolitischem Mix und einem Staat als Pionier.

  • Um Effizienz- und Technologiesprünge zu fördern und Ökoinnovationen sehr schnell in den Markt und in die umfassende Anwendung zu bringen, sollte die Forschungsförderung auf Ressourceneffizienz und Energieintelligenz konzentriert werden. „Grüne Querschnittstechnologien“ müssen wir systematisch fördern. Nicht nur Nanotechnologie und weiße Biotechnik, auch Green Chemistry, Oberflächentechnik und Bionik bieten enorme Chancen für vielfältige Umwelttechnikanwendungen und damit für Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
  • Markteinführungsprogramme sind eine wichtige Voraussetzung für die Massenproduktion von dringend benötigten technologischen Lösungen und von Öko-Hightech. Das EEG hat die Stromerzeugung aus erneuerbare Energien mit großem Erfolg vorangebracht. Mit der EEG-Umlage von 3,2 Milliarden Euro pro Jahr ist in kurzer Zeit eine volkswirtschaftliche Wertschöpfung von 23 Milliarden Euro entstanden, bei weiterhin zweistelligen Wachstumsraten pro Jahr. Jetzt kommt es darauf an, den Anteil von erneuerbaren Energien am Wärmeverbrauch auf 14 Prozent im Jahr 2020 durch ein Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zu erhöhen und die Pflicht zur Nutzung von solarer Wärme zu koppeln mit der Aufstockung und Verstetigung des Marktanreizprogramms. Auch dieses wird zu neuen Produkten, Verfahren, Unternehmen mit neuer Beschäftigung führen.
  • Mit Förderprogrammen und Ordnungsrecht ließen sich aber auch die Markteinführung bzw. Durchdringung besonders effizienter Technologien in den privaten Haushalten durchsetzen. Um energie- und rohstoffeffiziente Konsumgüter in den Massenmärkten zum Durchbruch zu verhelfen, brauchen wir übersichtliche und verbraucherfreundliche Kennzeichnung und ambitionierte Grenzwerte. Die Japaner haben es vorgemacht: eine Dynamisierung von Standards, in denen die besten Geräte am Markt die Richtschnur bilden, führt zu einem regelrechten Innovationswettlauf und forciert regelrechte Effizienzsprünge. Über solche Top-Runner-Ansätze kann ein notwendiges Innovationssystem aufgebaut werden und damit ein ordnungsrechtlicher Rahmen, der Energie- und Ressourceneffizienz in das Zentrum unserer industriellen Produktion rückt.
  • Im Bereich der Umwelt- und Energietechnik müssen Leuchtturmprojekte und sog. „Vorreiter-Märkte“ entwickelt werden. Wenn die heimischen Märkte so ausgestaltet werden, dass über eine innovative Angebots- und Nachfragestruktur die künftigen globalen Standards faktisch entwickelt werden, sind das die besten Voraussetzungen für innovative Unternehmen und eine internationale Marktführerschaft. Da auf absehbare Zeit und in globalem Maßstab Kohle ein wichtiger Energieträger bleiben wird, muss z.B. die CCS-Technologie aufgebaut werden, die Kohlendioxid abscheidet und speicherfähig macht. Mit dem Rechtsrahmen für Abscheidung, Transport und Speicherung von CO (CCS) werden nicht nur die Grundlage für Pilotanlagen gelegt und eine stabile rechtliche Basis für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Deutschland sich zu einem Vorreitermarkt entwickelt. Die „Alternativen Werkstoffe“ und „Verbundwerkstoffe“ sind ebenfalls Bereiche, in denen Vorreiter-Märkte aufgebaut werden müssen.
  • Die öffentliche Hand hat mit einer jährlichen Nachfrage von ca. 250 Mrd. € eine erhebliche Marktmacht, die innovationspolitisch besser genutzt werden muss. Bisher spielt der Energieverbrauch bei der Beschaffung von Geräten nur eine untergeordnete Rolle, weil die bloßen Anschaffungskosten Grundlage der Vergabeentscheidung waren. Mit der Anschaffung von energieeffizienteren Geräten werden nicht nur Unterhaltskosten reduziert, sondern wird die öffentliche Hand zum Motor für die Markteinführung von Effizienztechnologien. Das ermöglicht Unternehmen unter Umständen jene Skaleneffekte zu erzielen, die benötigt werden, um Produkte auch auf den Massenmärkten erfolgreich platzieren zu können.
  • Ein wichtiges Instrument der ökologischen Industriepolitik ist und bleibt das klassische umweltpolitische Ordnungsrecht. Klare ordnungsrechtliche Vorgaben machen, rechtzeitig angekündigt, ebenso wie ambitionierte Benchmarks und politische Zielvereinbarungen Planung und Kalkulation für die Unternehmen möglich und treiben zugleich Innovationen voran. Ein Verbot ineffizienter Strom-Nachtspeicherheizungen, die aufkommensneutrale Umgestaltung der Kfz-Steuer, die nicht den Hubraum sondern die CO2-Emissionen zur Bemessungsgrundlage nimmt, stärkere Anforderungen an die Dichtheit von Kälteanlagen mit fluorierten Kältemitteln oder die Novelle des KWK-Gesetzes – all diese Maßnahmen zeichnet aus, dass sie den Klimaschutz und technologischen Fortschritt miteinander verknüpfen.
  • Für die Diffusion ressourcen- und klimaschützender Umwelttechnologie muss aber auch die Außenhandelspolitik in den Dienst genommen werden. Deutschland und die EU brauchen Exportförderinitiativen, die sich nicht nur um die bessere Vermarktung der Umwelttechnik „made in Germany“, „made in Europe“ kümmern, sondern auch für einen Export erfolgreicher Politikinstrumente werben.(6)

Dialog und Netzwerke statt Barrikaden und Blockaden

Zwanzig Jahre nach Gründung des Bundesumweltministeriums konstatiert Prinz Hassan von Jordanien, der Präsident des Club of Rome: „Die Märkte der Zukunft sind grün“. Damit prophezeit er nicht irgendwelchen ökologischen Nischenmärkten eine prosperierende Zukunft, sondern bringt zum Ausdruck, dass große Leitmärkte der Zukunft eine starke ökologische Dimension aufweisen werden – und angesichts der beschriebenen Megatrends aufweisen müssen. Der schonende Umgang mit Energie und Ressourcen wird so zur Zukunftsfrage. Wie wir leben werden und wie die Qualität des Lebens sein wird, wird davon abhängen, ob wir es schaffen, die Märkte der Zukunft umweltverträglich auszugestalten und in eine „dritte industrielle Revolution“ zu investieren.

Jene Länder und Regionen, die die technologische Führerschaft in den grünen Märkten erlangen, verschaffen sich im globalen Wettbewerb entscheidende Vorteile und damit die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung. Nach allem, was wir heute wissen, lassen sich einige zentrale Bereiche und Märkte identifizieren, die künftig von einer besonderen Wachstumsdynamik geprägt sein werden. Diese Märkte verbinden ökonomische und ökologische Herausforderungen in besonderer Weise und werden das Gesicht des Industrialisierungsschubes mitprägen. Wer hier investiert, der gestaltet dauerhafte Arbeitsplätze und sichert Zukunft – ökonomisch, sozial und ökologisch. In Deutschland und Europa gibt es für eine solche leitmarktorientierte ökologische Industriepolitik viele Ansätze:

Energieerzeugungs- und Kraftwerkstechnologien: Die wachsende Nachfrage nach Energie kann nur befriedigt werden, wenn wir die Erneuerbaren Energien massiv ausbauen und bei der Kraftwerkstechnologie einen großen Schritt vorankommen. Kraftwerke müssen fossile Brennstoffe weit effizienter als bisher und mit weit weniger CO2 Ausstoß verstromen. Mittelfristig müssen auch Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke vollkommen CO2-frei werden. Ab spätestens 2020 sollte daher die CCS-Technik zur sicheren Abscheidung und Lagerung von CO2 Standard für alle neuen fossilen Kraftwerke sein. Zugleich wird eine sichere und ausreichende Energieversorgung davon abhängen, dass erhebliche Fortschritte bei der Brennstoffzellentechnologie und bei der Energiespeicherung gemacht werden.

Energieeffizienztechnologien: Der globale Energiehunger kann nur befriedigt werden, wenn zugleich Energie sparsamer und energieeffizienter produziert und konsumiert wird. Das japanische Top-Runner Programm gibt bereits heute die Richtung vor: Der Kampf um die Märkte wird ein internationaler Effizienzwettlauf der Konsumgüterindustrie. Aber auch die industrielle Produktion selber wird zum Gegenstand der energieeffizienten Modernisierung werden. Die Wärmedämmung unserer Häuser ist ein weiteres zukunftsträchtiges Geschäftsfeld. Das Gebäudesanierungsprogramm in Deutschland illustriert beispielhaft wie Umweltschutz und Beschäftigung Hand in Hand gehen.

Recycling- und Abfallwirtschaftstechnologien: Der hohe Ölpreis und die Knappheit vieler Rohstoffe bleiben nicht ohne Auswirkung auf die Abfallwirtschaft, die schon heute in Deutschland jährlich 50 Milliarden Euro umsetzt. Zwischen 2000 und 2005 stiegen die Weltmarktpreise für importierte Rohstoffe im Euro-Raum um 81 Prozent. Eine Studie des Instituts der Wirtschaft taxiert die Rohstoff- und Energieersparnis durch die durch Recycling gewonnenen Sekundärrohstoffe auf 3,7 Milliarden Euro jährlich. Nicht nur der Markt für Sekundärrohstoffe wird weiter wachsen, sondern auch der für Recyclingtechnik, um die Abfälle von heute als „Bergwerke der Zukunft“ effizienter auszubeuten.

Mobilität und Verkehrstechnologien: Globalisierung und demografische Veränderungen intensivieren die Verkehre. Allein in China gehen Schätzungen von einer Nachfrage nach einer Milliarde zusätzlicher Autos aus. Eine enorme Chance für die Automobilindustrie – wenn es gelingt, die Emissionsproblematik in den Griff zu bekommen. Zugleich intensivieren die Demografie ebenso wie die Urbanisierung und Landflucht den Bedarf an innovativen integrierten Verkehrskonzepten. Neue Kraftstoffe, neue Antriebe wie die Brennstoffzelle und intermodaler Verkehr sind die Stichworte eines weltweiten Zukunftsmarktes, der die Verminderung klimaschädlicher Emissionen und das wachsende Mobilitätsbedürfnis zum Ausgleich bringen muss.

Wasser- und Abwassertechnologien: Die Weltgemeinschaft hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Anteil der Weltbevölkerung ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser und hygienischer Abwasserentsorgung bis zum Jahr 2015 zu halbieren. In den Entwicklungsländern müssen dabei weitgehend flexible Wasserinfrastrukturkonzepte den spezifischen Herausforderungen Rechnung tragen. Zusätzlich ergibt sich in den Industrieländern ein enormer Re-Investitionsbedarf in den Leitungsnetzen. Der globale Markt der Wasser- und Abwasserentsorgung wird aktuell auf 250 Mrd. Euro geschätzt. Erhebliche Umsatzsteigerungen werden erwartet. Die EU rechnet bereits im Jahr 2010 mit rund 400 Mrd. Euro.

Umwelttechnisches Engineering/Anlagentechnik: So wichtig es ist, Produkte und Produktionsprozesse künftig energieeffizient und ressourcenschonend auszugestalten, die umweltpolitischen Sünden der Vergangenheit in vielen Ländern werden dafür sorgen, dass auch der nachsorgende Umweltschutz und die Umwelttechnologie „at the end of the pipe“ ein ertragreiches Geschäftsfeld bleiben. Angesichts aktueller Industrialisierungsprozesse in den Schwellenländern könnten diese Bereiche sogar an Gewicht gewinnen. Zunehmend ökonomisch bedeutsam wird auch das Angebot an umwelttechnischen Systemlösungen und die integrierte Umwelttechnik.

Als Basisinnovationen und übergreifende ökonomische Wachstumsfelder kommen hinzu:

Lifescience: Kaum ein Bereich wird gesellschaftlich so kontrovers diskutiert wie die Biotechnologie. Relativ unbestritten ist aber, dass sich mit der weißen Biotechnologie, wie auch der „green chemistry“, die Chance verbindet, chemische und industrielle Produktion umweltschonend umzugestalten. Aber es ist auch wahr, dass insbesondere der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen gerade unter Umweltgesichtspunkten eine besondere Herausforderung darstellt. Unstrittig ist, dass die Lebenswissenschaften zu den sich dynamisch entwickelnden Wissensgebieten mit hohem ökonomischem Potenzial zählen. Aber berechtigte Bedenken dürfen nicht mit Hinweis auf wirtschaftliches Potenzial beiseite geschoben werden. Es kommt darauf an, durch einen differenzierten und sorgfältigen Umgang mit den Lebenswissenschaften ihr Potenzial für Umwelt und Wirtschaft zu entwickeln.

Nanotechnologie: Als Basisinnovation wird die Nanotechnologie ökonomisch eine wachsende Bedeutung gewinnen und zum dynamischen Wirtschaftsfeld werden. Unter Umweltgesichtspunkten verbinden sich mit ihr echte Chancen: Materialien mit neuen Eigenschaften führen zu einem erheblich geringeren Ressourcenverbrauch in der Produktion und im Betrieb, durch Verzicht auf gefährliche Stoffe im Verarbeitungsvorgang (z.B. Lacke), durch Energieeinsparung bei chemischen Prozessen oder durch höhere Energieausbeute etwa bei Solarzellen. Gerade unter umweltpolitischen Gesichtspunkten bleibt die Erforschung bisher unbekannter Auswirkungen im Lebenszyklus von Nanoprodukten eine wichtige Herausforderung.

Ökodesign: Die Produkte der Zukunft werden nicht nur energiesparender, sondern auch ressourcenschonender produziert und konsumiert werden müssen. Mit der Bionik werden energie- und ressourcensparende Naturprozesse für die technische Anwendung nutzbar gemacht. Material sparende Konstruktion, der Einbau von recyceltem Material, energiesparende Technik, die Erhöhung der Langlebigkeit, eine modeunabhängige Gestaltung, emissionsarmer Gebrauch und schadstoffarme Entsorgung werden wichtige Referenzgrößen im Bereich des Produktdesigns, um die herum sich Know-how und wirtschaftliches Potenzial gruppieren.

Bioplastik/Bioraffinerie: Öl ist nicht nur energetisch sondern auch chemisch der Rohstoff, auf dem unser Wohlstand basiert. Noch ist Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen die Ausnahme. Aber in den Forschungslabors von Wissenschaft und Wirtschaft weiß man, dass dies der Stoff ist, aus dem die Zukunft gebaut ist. Je teurer das Erdöl, desto günstiger die Biopolymere aus Raps, Zuckerrübe oder Mais. Die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA schätzt, dass kompostierbares Bioplastik bis zu 94 Prozent jene Plastikprodukte der Endkonsumenten vermindern könnte, die heute noch im Abfall landen.

Damit ein ökonomieweites Ressourcenmanagement funktionieren kann, müssen sich benötigte Technologiecluster ausbilden. Damit der Fortschritt nicht nur Antrieb, sondern auch eine Richtung bekommt, bedarf es eines besseren Zusammenwirkens und einer gegenseitigen Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in der Region ebenso wie auf der Bundesebene. Eine dritte industrielle Revolution braucht eine politische Infrastruktur.

Gerade die Politik läuft zu oft den Entwicklungen hinterher anstatt selber zum Antreiber zu werden. Dies setzt auch eine bessere Koordination voraus: Wirtschafts-, Forschungs-, Infrastruktur-, Außen-, Entwicklungs-, Energie- und Umweltpolitik müssen intelligent verknüpft werden, wenn Technologien nicht nur entwickelt, sondern auch global zum Einsatz kommen sollen. Ein Industriekabinett wäre ein wichtiger Schritt, um einerseits Synergien zu erzielen, aber auch um der faktischen Verflechtung von Problemen und Herausforderungen gerecht zu werden.

Das Bundesumweltministerium hat den Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen, der Wirtschaft und wichtigen Stakeholdern intensiviert und ein Netzwerk „Energie- und Ressourceneffizienz“ gegründet. Dieses Netzwerk soll zur Initialzündung für die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz in Deutschland werden: der schonende Umgang mit Ressourcen wird auf die Agenda aller relevanten Akteure gesetzt. Informationslücken können dadurch geschlossen und Maßnahmen gezielt eingeleitet werden. Der Dialog mit Handwerk, Industrieverbänden und -unternehmen sowie anderen Stakeholdem aus Wirtschaft und Wissenschaft gruppiert sich dabei um ausgewählte und sehr konkrete Aktionsfelder.

Um zu angemessenen Lösungen zu kommen, dürfen Politik und Wirtschaft sich nicht scheuen, die technologischen, produktionsbezogenen, organisatorischen oder steuerungspolitischen Herausforderungen sehr konkret in den Blick zu nehmen. Vor allem sollten sie dabei den Schlagabtausch ordnungspolitischer Dogmen und Befindlichkeiten hinter sich zu lassen. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), das VDI Technologiezentrum, das Borderstep Institut, Roland Berger und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben für das Bundesumweltministerium kürzlich wichtige Technologielinien untersucht, denen für eine innovative Umweltpolitik besondere Bedeutung zukommt. Es zeigt sich: Je genauer wir Technologien, die wir für unsere Zukunft brauchen, untersuchen, desto differenzierter stellen sich die konkreten Anforderungen dar und desto klarer werden die Beiträge, die Politik, Wirtschaft und Wissenschaft jeweils leisten können. Nur drei Beispiele seien genannt:

  • Deutschland ist zwar im Bereich der Biokunststoffe im Hinblick auf die technologische Forschung gut positioniert, betrachtet man aber die Polyactide relativiert sich der Befund. Wenn wir weg vom Öl wollen, dann ist diese Untergruppe der Biokunststoffe ein besonders zukunftsträchtiger Bereich. Der Automobilhersteller Toyota verwendet bereits seit 1998 Bauteile aus Bioplastik in ausgesuchten Modellen. Der Konzern plant im Jahr 2020 ca. 66 % des Weltmarktbedarfs an Bioplastik durch die Ausweitung der eigenen Polyactid Produktion abzudecken und verspricht sich davon einen Umsatz von 38 Mrd. US-Dollar. Deutschland ist in diesem wichtigen Zukunftsfeld ein Nachzügler.
  • Ganz anders die Ausgangssituation bei der solaren Kühlung: Im Bereich der Solarthermie sind deutsche Unternehmen hervorragend aufgestellt. Deutschland entwickelt sich sogar zu einem regelrechten Vorreitermarkt für „solares Kühlen“. Und das Angebot trifft auf einen wachsenden Bedarf: zunehmender Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung in den Schwellenländern lassen die Nachfrage steigen. Gerade für die Schwellenländer könnte sich mit dem solaren Kühlen eine win-win-Situation verbinden, denn dort sind die klimatischen Voraussetzungen für die Solarthemie überwiegend positiv und die Stromnetze für einen Nachfrageanstieg bei der elektrischen Kühlung gar nicht ausgelegt. Trotz bester Bedingungen ist der Einsatz dieser umweltfreundlichen Technologie auch vor dem Hintergrund der hohen Kosten aber kein Selbstläufer. Die Herausforderung besteht deshalb darin, die vorhandene (deutsche) Technik kostengünstiger in die breite, globale Anwendung zu bringen und den Sprung in die „economies of scale“ zu schaffen.
  • Wiederum anders die Situation bei der elektrischen Energiespeicherung. Energiespeicher stellen für die Stromversorgung aus flukturierenden und dezentralen Energiequellen eine unverzichtbare Komponente dar und tragen dazu bei, die Grundlastfähigkeit erneuerbarer Energieträger zu verbessern. Die wichtigsten Entwicklungsaktivitäten lagen bisher in den USA und in Japan, allerdings gewinnen auch in Europa und insbesondere in Deutschland das Thema und die Forschung inzwischen an Fahrt. Aber immer noch beschränkt sich die Anwendung der neuen Speichersysteme auf Nischenanwendungen, bei denen weder die Frage der Kosten noch des Wirkungsgrades die wesentlichen Entscheidungskriterien sind. Die zentrale Herausforderung ist gegenwärtig technologischer Art und besteht in der Verbesserung der Wirkungsgrade und der Minimierung der mit der Speicherung verbundenen Verluste.

Deutlich wird: Für die dritte industrielle Revolution gibt es keine Patentrezepte. Der Staat als Pionier kann und muss mit einer ökologischen Industriepolitik günstige Rahmenbedingungen schaffen und dafür sorgen, dass die ökonomischen und ökologischen Herausforderungen für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft berechenbar werden. Die technologische Lösung aber muss er den Unternehmen und den Menschen überlassen. Der Staat hat vor allem die Aufgabe, die Entwicklungen – eine neue energetische Infrastruktur, einen effizienteren und schonenden Umgang mit Ressourcen sowie den Ersatz von knappen und endlichen durch nachwachsende Rohstoffe – mit einer Politik zu verbinden, die neues Wachstum, neue Wertschöpfung und neue Beschäftigung schafft und Abhängigkeiten überwindet. Denn auch das ist klar und liegt in der Logik einer industriellen Revolution: Erneuerbare Energien, Energie- und Materialeffizienz sowie nachwachsende Rohstoffe betreffen nicht nur technologische Aspekte, sondern werden unser ökonomisches und soziales Leben gründlich verändern – national und international.

(1) vgl. www.ippc.ch.

(2) vgl. dazu auch: Bundesumweltministerium, Ökologische Industriepolitik. Memorandum für einen „New Deal“ von Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung, Oktober 2006.

(3) vgl. taz vom 04.07.2007, S. 9.

(4) vgl. Claude Mandil, Verschwendungswirtschaft, in: Financial Times Deutschland vom 24.07. 2007, S. 24. Vgl. zu den Einsparpotentialen auch: www.aachener-stiftung.de.

(5) vgl. z.B. Eric Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. München/Wien 1995.

(6) Mit einer „Servicestelle Umwelttechnologieexport und CDM Vorhaben“ will das BMU z.B. deutschen Unternehmen im Ausland bei der Abwicklung von ökologisch unterstützenswerten Projekten unterstützen.

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