Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 210/211: Suizidbeihilfe - bald nur noch beschränkt?

Zeit zu Handeln!

Ein Aufruf aus aktuellem Anlass, in: vorgänge 210/211 (2+3/2015), S. 9f.

Die aktuelle Flüchtlingssituation spaltet die Republik. Die Pegida-Aufmärsche waren gerade abgeklungen, da breitete sich eine neue Welle gewaltsamer Proteste gegen Migrant_innen aus. Die Chronik flüchtlingsfeindlicher Überfälle in Deutschland verzeichnet für dieses Jahr (Stand: 7.9.): 305 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, davon 45 Brandanschläge:, 77 tätliche Übergriffe mit 140 Körperverletzten und 154 flüchtlingsfeindliche Demonstrationen.

Während die Berliner Koalition den Spagat zwischen Abschreckung (durch schnellere Abschiebungen, längere Lagerfristen, Sachmittel statt Geld etc.) und demonstrativem Gutmenschentum in Heidenau und andernorts versucht, erleben wir eine spontane Welle der Hilfsbereitschaft für die hier ankommenden Flüchtlingen, die von ehrenamtlichen Helfer_innen empfangen und versorgt werden. Wir dokumentieren aus diesem Anlass einen aktuellen Aufruf von Pro Asyl, der vor weiteren rechtlichen Repressionen gegen Flüchtlinge warnt, aber zugleich an unser aller Verantwortung appelliert. Am Ende des Aufrufs finden sich konkrete Hinweise, wo und wie sich jede_r ganz konkret engagieren kann, um die hier ankommenden Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen und zu schützen.

Wir sind entsetzt, wütend und in großer Sorge. Es brennt in Deutschland. Nahezu täglich werden Flüchtlingsunterkünfte angezündet, es gibt rassistische Demonstrationen und Ausschreitungen in erschreckend vielen Orten. Schutzsuchenden Menschen schlägt blanker Hass und brutale Gewalt entgegen.

Wir wollen nicht länger ohnmächtig zuschauen. Wir sagen: Es ist Zeit zu handeln. Damit sich Menschlichkeit durchsetzt und Rassismus geächtet wird. Damit es kein neues Rostock-Lichtenhagen gibt. Über 150 Menschen wurden seit der Wiedervereinigung von Neonazis verbrannt, erschossen oder zu Tode geprügelt. Bereits 340 Anschläge im Jahr 2015 – das ist der gegenwärtige Terror.

Die vergangenen Monate lassen uns befürchten, dass bald weitere Tote zu beklagen sind. Diejenigen, die gemeinsam mit Neonazis gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen und auf Facebook hetzen, sind keine »Asylkritiker« und auch keine »besorgten Bürger«. Es ist brandgefährlich, den Hass derart zu verharmlosen. Es sind Rassisten. Man muss sie auch so bezeichnen. Wir haben eine politische und eine menschliche Verantwortung, Flüchtlinge aufzunehmen. Das Recht auf Asyl ist nicht verhandelbar, es ist ein Menschenrecht.

1. Die Polizei muss endlich ihrem Auftrag nachkommen und die rechten Gewalttäter stoppen. Flüchtlingsunterkünfte müssen dauerhaft und konsequent geschützt werden. Rufe nach einer Aushöhlung des Versammlungsrechts und Bannmeilen helfen dabei nicht.

2. Die Politik ist in der Verantwortung, die gegenwärtigen Herausforderungen anzugehen. Flüchtlinge müssen menschenwürdig behandelt werden. Selbst am Minimalen, einer vernünftigen Unterbringung, scheitert es derzeit. Es braucht winterfeste Unterkünfte, Sprachkurse, Hilfestellungen bei der Arbeitsmarktintegration sowie Bildungsmaßnahmen für junge Flüchtlinge. Das alles kostet zu Beginn des Aufenthalts Geld. Die Kosten einer langfristigen Desintegrationspolitik werden jedoch deutlich höher ausfallen.

3. Die Zivilgesellschaft muss auf der Straße dagegenhalten, wenn gegen Flüchtlinge demonstriert wird. Und zwar auch direkt schützend vor den Heimen selbst, wie jetzt in Heidenau. Dieses Engagement ist wertvoll und richtig. Nicht die Engagierten, die die Unterkünfte schützen, sind das Problem, sondern diejenigen, die die Flüchtlinge bedrohen und angreifen.

4. Wir alle müssen aktiv werden. Gegen Neonazis und Rassisten. Und in der direkten Unterstützung der Flüchtlinge. Ihre Bedürfnisse müssen gehört werden. Tausende Menschen helfen bereits. Ehrenamtlich, in ihrer Freizeit und bis zum Rande der Erschöpfung. Wir sagen Danke an alle, die sich bereits engagieren und hoffen, dass es noch viel mehr werden.

PRO ASYL & Kein Bock auf Nazis unterstützt von Antilopen Gang, Die Ärzte, Beatsteaks, Broilers, Deichkind, Donots, Feine Sahne Fischfilet, Fettes Brot, Frittenbude, Irie Révoltés, Jan Delay, Jennifer Rostock, Jupiter Jones, Kettcar, Madsen, Marteria, The Prosecution, Sportfreunde Stiller, Sookee, Die Toten Hosen, Thees Uhlmann, Tocotronic, Turbostaat und ZSK.

Wie jede/r hier ankommenden Flüchtlingen auf einfache Weise helfen kann, vermittelt ein Leitfaden von Pro Asyl: „Herzlich Willkommen. Wie man sich für Flüchtlinge engagieren kann“, abrufbar unter http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2015/Willkommen_Leit_web_doppel.pdf oder zu bestellen über Förderverein PRO ASYL, Postfach 160624, 60069 Frankfurt/M.

Über Internet und soziale Medien vernetzen sich auf lokaler Ebene viele Menschen, um konkrete Hilfe vor Ort zu leisten. Ein guter Ausgangspunkt für die Suche nach Möglichkeiten für die eigene Hilfe ist diese Übersichtskarte: https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=zc6TdvfelKuY.kUvriXoSREXw.

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