Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 210/211: Suizidbeihilfe - bald nur noch beschränkt?

„Jede Bemühung um einen 'Beratungs­zwang' geht vollständig an der Realität vorbei“

Interview mit dem Sterbebegleiter Peter Puppe In: vorgänge 210/211 (2-3/2015), S. 201 – 202

PETER PUPPE   Jahrgang 1943, hat 35 Jahre als Lehrer an Bremer Schulen sowie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Puppe ist heute als Autor, freier Lektor, Rezitator und Hörbuchproduzent tätig. Er hat vier Bücher veröffentlicht: „Sterbehilfe. 4+1 Wege zum selbstbestimmten Sterben“, „Sterbehilfe – die letzten Wochen des Klaus G. Zur Illusion humanen Sterbens in Deutschland“, „Ich sterbe mich. Aus dem Alltag deutscher Sterbehelfer“, sowie den Krimi „Mimi Muskaneder und der Todesengel von Augsburg“. Peter Puppe ist zusammen mit dem niederländischen Psychiater Dr. Boudewijn Chabot Begründer der Organisation ‚Sterbendürfen‘.
Herr Puppe, danke, dass Sie bereit sind, einige Fragen für die vorgänge zu beantworten. Zunächst möchte ich Sie danach fragen, ob Sie im Rahmen des Vereins „Sterbendürfen“ oder als Privatperson agieren?
Es gibt keinen Verein, sondern nur die Menschenrechtsbewegung „Sterbendürfen“! Ich handele immer nur als Privatperson. Ich möchte im übrigen keine zusätzliche Werbung für meine Tätigkeit. Ich halte mich aus demselben Grund auch mit Auftritten in den Medien sehr zurück. Jeder Medienauftritt oder Bericht hat die Folge von 20 bis 60 neuen Anfragen, die ich kaum angemessen bewältigen kann. Übrigens bestätige ich Ihnen vorab auch gern die Erfahrung der Schweizer Vereine: In meinen Beratungen (konkrete Zahlen werde ich nie nennen, aber Sie können von Hunderten seit 2005 ausgehen) ist das Verhältnis von Lebenshilfe zu Sterbehilfe etwa 6 zu 1!
Welche Unterstützung oder Hilfeleistungen bieten Sie an und für wen?
Ich biete gar nichts an! Nach meiner Dokumentation von 2005 („Sterbehilfe – die letzten Wochen des Klaus G“), für eine Kurzfassung im Internet bekam ich den Arthur-Koestler-Preis 2005, kam es folgerichtig zu weiteren Anfragen, auf die ich als Privatperson reagiere. Alles Weitere ist und bleibt immer privat im Rahmen unserer geltenden Gesetze. Es gibt also von mir kein öffentliches Angebot!
Wie finden Betroffene zu Ihnen? Welche Art von Gesprächen führen Sie durch? Wann und wie treffen Sie die Entscheidung, welche Hilfen Sie im konkreten Fall anbieten? Beziehen Sie andere in die Begleitung ein?
Diese Fragen sind oben bereits beantwortet.

Wie finanzieren Sie Ihre Arbeit?
Vor einer persönlichen Beratung erwarte ich die Vorabüberweisung für meinen Reiseaufwand. Bei Bedürftigkeit trage ich die Kosten selbst, teilweise aus Unterstützungsbeiträgen für die Menschenrechtsbewegung „Sterbendürfen“.
Sehen Sie Gefahren bei einer Professionalisierung der Suizidbeihilfe oder gibt es aus Ihrer Sicht andere zu regelnde Aspekte Ihrer Tätigkeit?
Was verstehen Sie bitte unter Professionalisierung? Ich bin seit 10 Jahren „professionell“ und einer (zeitlich stehe ich ganz hinten) von nur fünf namentlich bekannten „Sterbehelfern“ in Deutschland – neben Herrn Kusch (zu dem ich mich nicht weiter äußere) aber der einzige, der über das Internet problemlos zu erreichen ist! Herrn Arnold und Herrn Spittler kenne ich persönlich, mit Frau Neumann hatte ich wiederholt Mailkontakt. Ich selbst nenne mich übrigens „Sterbebegleiter“; warum, ist in meinem aktuellsten Buch dargestellt.
Meine Tätigkeit als Privatperson auf der Grundlage geltender Gesetze bedarf ganz sicher keiner weiteren Regelung. Sollte es irgendwann in Deutschland tatsächlich eine ausreichende Zahl von qualifizierten Medizinern geben, die ansprechbar wären, würde ich meine private Tätigkeit gerne aufgeben und bei der Qualifizierung der Mediziner mit meiner Erfahrung mithelfen.
Die geplante Gesetzesinitiative halte ich im Übrigen für nicht verfassungskonform und bin sicher, dass sie das Bundesverfassungsgericht wieder kippen wird, was allerdings drei bis vier Jahre dauern könnte. Ein Horror für jede_n Betroffene_n! Jede Bemühung um einen „Beratungszwang“ geht weiterhin an der Realität vollständig vorbei. Nach meiner Einschätzung würden 90 bis 95 Prozent aller meiner Gesprächspartner einer verordneten Beratung mit dem Risiko der Ablehnung Ihres Sterbewunsches nicht nachkommen, sondern weiterhin den privaten Beratungskontakt suchen.

Herr Puppe, vielen Dank.
Das Gespräch führte Claudia Krieg.

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