Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 210/211: Suizidbeihilfe - bald nur noch beschränkt?

Nachruf auf Klaus Scheunemann (27.2.1936 – 4.8.2015)

in: vorgänge 210/211 (2+3/2015), S. 251f.

Am 4. August 2015 verstarb der frühere hessische Rundfunkjournalist Klaus Scheunemann nach langer, schwerer Krankheit. Die Humanistische Union (HU) verliert mit Scheunemann einen jahrzehntelangen Mitstreiter ihrer Gründungsgeneration. Scheunemann trat der HU bereits im Gründungsjahr 1961 bei. Von 1967 bis 1975 gehörte er dem Bundesvorstand der Bürgerrechtsorganisation an. Später wirkte er jahrzehntelang gemeinsam mit seiner Ehefrau Renate im HU-Ortsverband Frankfurt mit, in dessen Vorstand er bis 2010 tätig war. 2007 wurde Scheunemann in Anerkennung seiner Verdienste um den Verein in den Beirat der HU berufen.

Über die Jahrzehnte engagierte sich Scheunemann zu zahlreichen Themen innerhalb der Humanistischen Union: seine Diskussionsbeiträge und Veröffentlichungen spiegeln zugleich seine Entwicklung und sein Leben wieder. Sie reichen vom „Mitspracherecht der Studierenden“ (1968) über die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs (1970), die Erhaltung und Kontrolle öffentlicher Medien (1971), das Engagement für eine Demokratisierung der Schulen und des Bildungssystems (ab Ende der 1970er Jahre) bis zu den Vorschlägen für eine neue, gesamtdeutsche Verfassung (1990).

Als strikter Verfechter einer klaren Trennung von Staat und Kirche setzte sich Scheunemann für eine konsequente Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen in den öffentlich-rechtlichen Medien ein. Alle Gruppen sollten nicht nur gleichermaßen bei den Sendungsinhalten berücksichtigt werden, er bestand auch auf einer gleichberechtigten Mitbestimmung aller Gruppen und Religionen in den Rundfunk- und Fernsehräten. Scheunemanns Thesen zum Verhältnis der Kirchen zum Rundfunk von 1974 formulieren insofern religionspolitische Ansprüche, die bis heute nicht eingelöst wurden.

Der gewandte Sprachgebrauch und die pointierte Kritik am Bestehenden verbanden sich bei Klaus Scheunemann zugleich mit einem differenzierenden Blick, der auch feine Veränderungen wahrnahm. So diagnostizierte er bereits 1969, dass der Einfluss der Kirchen in vielen Bereichen zurückgehe und im Gegenzug die politische Liberalisierung (u.a. im Strafrecht wie im Intimleben) voranschreite. Folglich sprach er sich für eine stärkere Orientierung auf die „Demokratisierung von Alltagsinstitutionen“ wie Schulen, Universitäten, Krankenhäusern oder Gefängnissen aus. Es spricht für sein politische Gespür, dass er – der Intellektuelle, in Wort und Schrift Mächtige – zugleich davor warnte, dass sich Organisationen wie die Humanistische Union eine „dogmatische Beschränkung auf bloß sprachkommunikatives Engagement“ auferlegten und im gleichen Atemzug vor einer „Flucht in puren Aktivismus“ warnte. Mitdenkern und Mitstreitern wie Klaus Scheunemann verdankt die bundesdeutsche Bürgerrechtsbewegung viele Anstöße.

Zum Nachlesen und Erinnern:

Klaus Scheunemann (1981), Eltern als „Hilfslehrer der Nation“ – wie lange noch? Ein Plädoyer für die Ganztagsschule, vorgänge #49, S. 36-38.

Klaus Scheunemann (1974), 8 Thesen zum Verhältnis der Kirchen zum Rundfunk, HU-Mitteilungen #66, S. 1-2

Klaus Scheunemann (1969), Zur aktuellen politischen Aufgabenstellung der Humanistischen Union. Von der Kirchenprivilegierung über die Liberalisierung der Privatsphäre zur politischen Formierung. Für die Demokratisierung von Alltagsinstitutionen. HU-Mitteilungen #38, S. 25-26.

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