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Großer Lausch­an­griff erneut verfas­sungs­widrig

Mitteilungen19203/2006Seite 15

Beiratsmitglied der Humanistischen Union reicht Verfassungsbeschwerde ein.

Mitteilungen Nr. 192, S.15

Am 3. März konnten Verfassungsfreunde ein Jubiläum feiern. Am 3. März 2004 hatte das Bundesverfassungsgericht auf Antrag u.a. von Burkhard Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, beide Mitglieder des Beirates der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, den Großen Lauschangriff in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt, da die gesetzliche Regelung in der Strafprozessordnung die Vorgaben des Grundgesetzes nicht einhielt, insbesondere nicht die Menschenwürde, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den höchsten Verfassungswert, ausreichend schützte.

Ein Kernbereich privater Lebensgestaltung muss nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts uneingeschränkt unüberwacht bleiben, d.h. Gespräche mit engsten Familienangehörigen, Vertrauenspersonen und sog. Berufsgeheimnisträgern (Rechtsanwälten, Ärzten, Pfarrern usw.). Dieser Schutz müsse gesetzlich gewährleistet werden, so das Bundesverfassungsgericht. Es gab dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum 30. Juni 2005, die der Gesetzgeber mit einem „Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohnraumüberwachung)“ vom 24. Juni 2005 nutzte.

Der Binger Rechtsanwalt Dr. Till Müller-Heidelberg, ebenfalls Mitglied im Beirat der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union und früher deren langjähriger Bundesvorsitzender, hat am „Jubiläumstag“, dem 3. März 2006, Verfassungsbeschwerde gegen dieses Gesetz eingelegt. Seiner Auffassung nach verstößt das Gesetz gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Weder sind Gespräche mit „engsten Vertrauenspersonen“ geschützt, noch ist die gerichtliche Überprüfung der Verwertbarkeit so erlangter Kenntnisse, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, gesichert. Entgegen der ausdrücklichen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtsurteils ist das automatische Abhören von Gesprächen nicht verboten, sondern wird von den Gesetzesverfassern sogar ausdrücklich für zulässig erklärt, der „absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung“ wird nicht, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, gesichert.

Da all diese Vorgaben ausdrücklich im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff vom 3. März 2004 enthalten sind und darüber hinaus von maßgeblichen Fachleuten dem Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nochmals verdeutlicht wurden, spricht Rechtsanwalt Dr. Müller-Heidelberg von „Verfassungsfeinden in Bundesregierung und Bundestag. Denn sie wissen was sie tun.“

Pressemitteilung der Humanistischen Union vom 7. März 2006

Der Text der Verfassungsbeschwerde kann in der Bundesgeschäftsstelle angefordert werden.

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