Publikationen / Mitteilungen / Mitteilungen Nr. 207

Johannes Neumann zum 80. Geburtstag

Aus: Mitteilungen Nr. 207 (Heft 4/2009), S. 34

(JAH) Das Ärgernis  der kirchlichen Privilegien, des unheilvollen Einflusses der Kirchen auf die Menschen und auf die Politik hat Johannes Neumann, der mit „seiner“ katholischen Kirche  bereits vor mehr als 30 Jahren gebrochen hat, zu einem streitbaren und streitbegabten Menschen gemacht. Beharrlich hat er, auch und gerade im Rahmen der Humanistischen Union, die kirchlichen Wertvorstellungen als interessengeleitete Politik für die Machteliten entlarvt. Bemerkenswert ist vor allem seine Schrift „Zur religiösen Legitimation der Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland“, 1991 als Veröffentlichung der Humanistischen Union erschienen. Hier prangert er das Versagen des Vatikans, welcher 1933 das schändliche Konkordat mit Hitler schloss, und der deutschen Bischöfe in nationalsozialistischer Zeit an, als etwa Kardinal Bertram meinte, der Episkopat müsse sich im Angesicht der Massenvernichtung der Juden „zunächst auf kirchlich wichtigere und weittragendere Belange konzentrieren“, nämlich darauf, „wie eine christentums- und kirchenfeindliche Beeinflussung in der Erziehung der katholischen Jugend wirksam zu verhindern ist“. Auch nach dem Krieg gab es namentlich bei der katholischen Kirche keine Spur von Schulbewusstsein. Johannes Neumann erinnerte daran, dass die Bischöfe 1949 das Grundgesetz ablehnten, weil sie das Elternrecht  auf eine konfessionelle öffentliche Schule dort nicht ausreichend gewährleistet fanden. Und er schilderte die unheilvolle Rolle der Kirchen bei der militärischen Aufrüstung Westdeutschlands, der Wiederbelebung der Militärseelsorge, den kirchlichen Widerwillen  gegen die Kriegsdienstverweigerung.

Die Kritik an der „engen Verbandelung von Staat und Kirchen“ war das gemeinsame Thema von Johannes Neumann und der Humanistischen Union. Schwerpunkte waren dabei der Religionsunterricht einerseits, die Kirchenfinanzierung andererseits. Die 10 Thesen der Humanistischen Union zum Staat-Kirche-Verhältnis, 1995 unter dem Titel „Trennung von Staat und Kirche“ erschienen, waren zu einem großen Teil sein Werk. Noch heute haben diese Thesen für die Haltung der Humanistischen Union unverändert volle Gültigkeit. Sie zeugen ganz im Sinne des Agnostikers Johannes Neumann weder von Religions- noch von Kirchenfeindlichkeit, sondern beharren auf der Religionsfreiheit aller Bürgerinnen und Bürger und auf der Neutralität des Staates in Weltanschauungsfragen, also auf der Achtung der Verfassung.
Auch persönlich hat sich Johannes Neumann eingebracht. Für seinen Sohn haben er und seine Frau einen Rechtsstreit über die Verpflichtung zur Teilnahme am Ethikunterricht in Baden-Württemberg  geführt. Dieser Streit, in welchem es in Wahrheit um die Zukunft des Religionsunterrichts in Deutschland ging, führte zwar in den drei Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zum Erfolg; der Leser der Urteile kann aber das Unbehagen der Richter, namentlich des Bundesverwaltungsgerichts, was das Ergebnis betrifft, nicht übersehen. So räumen die Richter etwa ein, dass bei der „Abmeldung“ vom Religionsunterricht mit Blick auf die Alternative (häufig treffend „Heidenhüten“ genannt) Motive eine Rolle spielen dürften, „die mit der Freiwilligkeit der Teilnahme am Religionsunterricht selbst nichts zu tun haben“. Und die Anforderungen des Gerichts an die Ausgestaltung des „Ersatzunterrichts“ Ethik (curriculare Gleichstellung von Ethik- und Religionsunterricht) sind weder in Baden-Württemberg noch in anderen Bundesländern bis heute verwirklicht. Das Bundesverfassungsgericht hat es dann mit einer schändlichen Begründung abgelehnt, sich mit der Verfassungsbeschwerde der Neumanns in der Sache zu beschäftigen: die Verfassungsrichter vermissten die Beifügung des mit der Verfassungsbeschwerde  angegriffenen Urteils, obwohl sie dieses Urteil natürlich längst aus anderer Quelle kannten. Wie viele andere Gerichtsverfahren beweist das Neumannsche vor allem eines: die Kirchenfreundlichkeit der Rechtsprechung, namentlich des Verfassungsgerichts, und ihre Unwilligkeit, sich mit den für die Kirchen heiklen Fragen zu befassen.

Als die Humanistische Union im Jahr 2001 anlässlich ihres 40. Geburtstages sich ihrer Themen und ihrer Positionen vergewisserte, war es natürlich Johannes Neumann – zusammen mit seiner Frau Ursula –, der sich des Themas „Die Kirchen: Staaten im Staate?“ annahm (vorgänge Nr. 155, S. 158 ff.). Sein Fazit: „Genug Stoff für Bürgerrechtler also, auch in Zukunft“. Wir hoffen, dass zu diesen Bürgerrechtlern auch weiterhin und noch lange Johannes und Ursula Neumann gehören.

nach oben