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Karl Cervik verstorben

Mitteilungen Nr. 218/219 (Heft 3/4 2012), S. 29

Karl Cervik, „Urgestein“ der Essener Humanistischen Union und Mitbegründer des Bildungswerks der HU NRW, ist am 22. Oktober 2012 in Geeste (Emsland) im Alter von 81 Jahren gestorben. Die 1960er bis 1980er Jahre der HU in Essen und NRW sind ohne ihn nicht denkbar: Er gründete einen „Förderkreis Gemeinschaftsschule“ und trieb über dieses Bündnis wie auch über die HU die Delegitimation und Abschaffung der Konfessionsschulen voran, machte Reformvorschläge zur Heimerziehung, organisierte Vorträge, Tagungen und Ausstellungen zu allen damaligen HU-Themen und engagierte sich für Humanisierung und Öffnung des Strafvollzugs mit Gesprächskreisen und Beratungsarbeit. Zu den Themenkreisen Heimerziehung und Strafvollzug entwickelte er auch eine Schriftenreihe.

Karl kam aus armen Verhältnissen einer kinderreichen „multikulturellen“ Familie in Wien (der Vater stammte aus Kroatien und die Familie der Mutter aus Mähren), erlitt die damalige Heimerziehung im NS-Staat am eigenen Leib und wollte nach dem Krieg in die USA auswandern. Er blieb auf seinem Fußweg 1948 in Essen hängen, wurde Lehrling im Bergbau, arbeitete in einer Chemiefabrik und trat schließlich in die Dienste der Bundesbahn ein, wo er sich vom Streckengänger zum technischen Zeichner hocharbeitete. Parallel dazu waren ihm die eigene Bildung und die anderer immer ein großes Anliegen – er besuchte regelmäßig die Volkshochschule, wurde zum Mitbegründer des HU-Bildungswerks NRW (war auch viele Jahre lang Vorsitzender), leitete Gesprächskreise in Gefängnissen und holte schließlich, mit fast 70 Jahren, sein Abitur nach.

Karl Cervik hat in seinen Ruhestandsjahren die Aufarbeitung seiner lebensgeschichtlichen Erfahrungen begonnen und mehrere historisch-biografische Veröffentlichungen vorgelegt – u.a. „Kindermord in der Ostmark. Kindereuthanasie im Nationalsozialismus 1938-1945“ (2. Aufl. Münster 2004) und „Der Abnahmebeschluss. Eine Kindheit in den nationalsozialistischen Fürsorge- und Erziehungsheimen der Gaue Wien, Niederdonau und Mainfranken“ (2007). 2006 verlieh ihm das Land Wien für seine historische Aufklärungs-und Forschungsarbeit das Goldene Verdienstzeichen.

In der intellektuellen und von Juristen geprägten HU war der umtriebige Autodidakt Karl Cervik – eingetreten Ende 1961! – immer so etwas wie ein Exot; gut, dass unser Verein auch solchen Menschen eine politische Heimat und einen Aktionsraum geboten hat!

Norbert Reichling und Paul Ciupke

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