Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 197: Die rechte Gefahr

Weder harmlos noch friedfertig

Mädchen und Frauen im Rechtsextremismus

aus: vorgänge 197 ( Heft 1/2012) , S. 77-85

Seitdem sich im November 2011 die Neonazistin Beate Zschäpe der Polizei stellte und nur wenige Tage später ein Video des selbsternannten „Nationalsozialistischen Untergrunds” (NSU) bei verschiedenen Adressat/innen eintraf, erfuhr die Öffentlichkeit fast täglich von neuen Erkenntnissen über die rassistisch motivierte Mordserie, die unter den Augen von Politik, Behörden und Öffentlichkeit über Jahre hinweg vonstatten ging. Deutlich wurde in dem Zusammenhang u. a., dass die Neonazistin Beate Zschäpe aktiver Teil des Trios gewesen ist. Die Öffentlichkeit reagierte erstaunt darauf, dass auch eine Frau willens und in der Lage war, ihre rechtsextreme Gesinnung gewaltförmig umzusetzen. Übertroffen wurde dieses Erstaunen noch von dem Entsetzen darüber, dass es möglich sein konnte, dass die drei – mit Unterstützung eines Umfeldes von nach wie vor ungeklärter Reichweite – über einen derart langen Zeitraum ihre rechtsextreme, menschenverachtende Vision einer „Volksgemeinschaft” auslebten und dabei Menschen ermordeten, die nicht in dieses Bild passten.

Das allgemein geäußerte Erstaunen über die Beteiligung einer Frau verweist darauf, wie wenig wissenschaftliche Erkenntnisse in die öffentliche Auseinandersetzungen über Rechtsextremismus vorgedrungen sind und wie allgegenwärtig (und gewünscht) das Bild der friedfertigen, unpolitischen Frau bis heute ist (1). Entgegen diesem populären Bild finden sich Frauen und Mädchen heute in allen Bereichen des Rechtsextremismus. Egal ob am Herd, am Schreibtisch oder auf der Straße: Sie stehen ,ihren Mann‘ und füllen wichtige Rollen und Funktionen aus.

In diesem Artikel wird es darum gehen, Wirken, Rollen und Funktionen von Frauen im modernen Rechtsextremismus darzustellen. Entgegen der allgemeinen Darstellung Zschäpes als „eine der wenigen aktiven Frauen in der rechtsextremistischen Szene”, die sich „politisch kaum engagiert haben” soll (Förster/Thieme 2011), wollen wir aufzeigen, welch strukturellen Funktionen Frauen im Rechtsextremismus zukommen und in welcher Form sie sich in den letzten Jahrzehnten engagiert und organisiert haben, welches wichtige rechtsextreme Frauengruppen sind. Darüber hinaus setzen wir uns mit unterschiedlichen Weiblichkeiten im Rechtsextremismus auseinander und stellen dar, mit welchen spezifischen Aktionsformen Mädchen und Frauen sich dort verorten.

Mädchen und Frauen im modernen Rechts­ex­tre­mismus

Wurde das Engagement von Frauen und Mädchen in rechtsextremen Szenen jahrelang entweder gar nicht wahrgenommen oder als zu vernachlässigende Ausnahme angesehen, zeichnet sich innerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mittlerweile eine Entwicklung ab. Die häufige Reduzierung von Rechtsextremismus auf physische Gewalt und damit auf ein ordnungspolitisches Problem – ausgeübt durch in der Regel männlich gezeichnete (Unterschichts-) Jugendliche – ließ das, entsprechend der gesellschaftlichen Stereotype, „friedliche Geschlecht” häufig aus dem Blick geraten. Heute zeigen dagegen Einstellungsuntersuchungen wie auch Beobachtungen der rechten Szene: Frauen und Mädchen spielen dort eine wichtige Rolle. Bei rechtsextremen Einstellungen, in der Beobachtung der Funktionärsebene bis hin zu den amtlichen Gewaltstatistiken: Überall sind wir auch mit Mädchen und Frauen konfrontiert. Während die erfasste Beteiligung an Gewalttaten vorbehaltlich einer erheblichen Dunkelziffer bei etwa 10 Prozent liegt, stellen Frauen bereits an die 30 Prozent der Mitglieder rechtsextremer Organisationen und Parteien. Auf der Einstellungsebene gleichen sich die Geschlechter vollkommen einander an. Insgesamt hat sich der Frauenanteil in allen Bereichen in den letzten Jahren deutlich nach oben entwickelt (2).

„Der moderne Rechtsextremismus ist (…) ohne das Engagement von Frauen nicht denkbar. Es sind Frauen, die in der Szene wichtige soziale Funktionen einnehmen und die Szene nach innen stärken sowie nach außen ,normalisieren’”, so das Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus in einem offenen Brief anlässlich der Debatte um den NSU (2011). Rechtsextreme Frauen engagierten und engagieren sich sowohl an der Seite der Männer als auch eigenständig, im Kern der Szene ebenso wie in deren Umfeld. Allerdings traten sie dabei lange Zeit weniger offensiv an die Öffentlichkeit und prägten weniger die Außenwahrnehmung der Szene. Als wichtiger Indikator für die steigende Bedeutung von Mädchen und Frauen in rechtsextremen Szenen gelten die zahlreichen Gründungen rechter Frauenorganisationen in den letzten Jahren. Auch wenn es weibliche Räume und engagierte rechtsextreme Frauen schon immer gegeben hat, erfahren sie durch die eigenständige Organisierung eine neue Sichtbarkeit innerhalb der Szene wie auch darüber hinaus. Seit dem Jahr 2000 ist eine steigende Zahl an Gründungen homogen-weiblicher Organisationen zu beobachten. Dabei ist nach wie vor festzustellen, dass traditionelle Vorstellungen von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen die Szene dominieren. Anders ist das Konstrukt „Volksgemeinschaft” – zentrales Bezugselement rechtsextremer ldeologie – auch nicht aufrechtzuerhalten.

Rollen und Funktionen rechter Mädchen und Frauen

Rechte Szenen bieten Mädchen und Frauen heutzutage eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen und Rollen. So vielfältig die Angebote sind, so vielfältig sind die Mädchen und Frauen, die diese Angebote annehmen: So gibt es – wie auch unter männlichen Jugendlichen und Männern – die Rolle der Mitläuferin ebenso wie die Rolle der rechtsextremen Funktionärin oder Mandatsträgerin. Verstärkt engagieren sich rechtsextreme Frauen in der Kommunalpolitik; sie leiten rechtsextreme Organisationen wie die 1934 geborene Ursula Müller, Gründerin und langjährige Vorsitzende der seit 2011 verbotenen rechtsextremen „Hilfsorganisation für politische Gefangene” (HNG), betreiben einschlägige rechtsextreme Treffpunkte wie Christiane Dolscheid, Betreiberin des rechtsextremen Clubs 88 in Neumünster, oder sind als Anti-Antifa-Aktivistinnen und Fotografinnen an der körperlichen wie psychischen Bedrohung (vermeintlicher) politischer Gegner/innen beteiligt. Rechtsextreme Frauen machen Musik, so z. B. die NPD-Liedermacherin Karin Mundt aus Berlin, gründen eigene Frauenorganisationen und Selbsthilfegruppen. Autorinnen der sog. Neuen Rechten schreiben in einschlägigen Zeitschriften wie der „Jungen Freiheit”, propagieren ihre Form von Familienpolitik und machen strömungsübergreifend mobil gegen Gender Mainstreaming. Kurzum: Frauen und Mädchen sind im modernen Rechtsextremismus überall vorhanden und wissen wo nötig auch gut, sich gesellschaftliche Geschlechterklischees für strategische Ziele zu Nutze zu machen. So gelingt es Frauen und Mädchen einfacher als Männern, Räume für rechtsextreme Veranstaltungen anzumelden oder mit dem Ziel, Informationen über politische Gegner/innen jedweder Couleur zu sammeln, unerkannt an Veranstaltungen gegen Rechts teilzunehmen. Dies liegt schlicht und einfach darin begründet, dass bei jenen ,sympathischen jungen Frauen‘ deutlich seltener auf einen rechtsextremen Hintergrund ihrer Handlungen geschlossen wird.

In einem solchen Sinne argumentierte auch der Rechtsanwalt der inhaftierten Neonazistin Zschäpe, der seinen Antrag auf Aufhebung der Haft damit begründete; dass seine Mandantin „von mehreren Zeugen als unauffällige, sympathische und höfliche Person bezeichnet wurde, die niemals eine extremistische politische Meinung äußerte”. (Die Tageszeitung 28.12.2011). Grundlage dieser Verteidigungsstrategie war unter anderem der bislang fehlende Nachweis darüber, dass Zschäpe aktiv an den rassistischen Morden beteiligt war. Der Umstand, dass sie mit den beiden toten Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 13 Jahre im Untergrund gelebt hatte, schien für den Nachweis ihrer aktiven Beteiligung an der Terrorgruppe irrelevant. Ignoriert wurde in dieser Darstellung ihrer Person darüber hinaus der Fakt, dass die Neonazistin vor dem gemeinschaftlichen Gang in die Illegalität bereits in den 1990er Jahren in rechtsextremen Organisationen wie der „Kameradschaft Jena” und dem militanten „Thüringer Heimatschutz” aktiv war. Sowohl die Bundesanwaltschaft als auch der Bundesgerichtshof argumentierten jedoch in der Folge, dass den bisherigen Erkenntnissen zufolge Zschäpe auf verschiedene Art und Weise eng in die Aktivitäten eingebunden war. Auch wenn sie nicht selbst geschossen hat, habe sie „logistische Tatbeiträge” geleistet, wie die Beschaffung von Pässen und Wohnungen oder die Anmietung einer Garage in Jena, in der die Polizei kurz vor dem Abtauchen des Trios im Jahr 1998 Rohrbomben gefunden hatte (Vgl. Schmidt/Speit 2012 sowie Litschko/Rath 2012).

Oftmals sind es die vermeintlich unspektakulären Aktivitäten, mit denen Frauen und Mädchen innerhalb der rechtsextremen Szene ihren Beitrag leisten. Dies illustrieren beispielsweise die aktuellen Ermittlungen gegen Frauen im Umfeld des NSU, die unter anderem in Verdacht stehen, Kontakte zu Unterkünften vermittelt oder Identitäten zur Verfügung gestellt zu haben. Der dadurch entstehende Eindruck, diese Frauen wären damit weniger gefährlich und lediglich Mitläuferinnen, täuscht über die reale Bedrohung hinweg und ignoriert die politischen Überzeugungen der Frauen sowie ihre aktive Unterstützung des gewaltförmigen Rechtsextremismus durch stille Zustimmung, lauten Applaus oder auch eigenes Zutreten oder -schlagen.

Neben dem Engagement in der Szene engagieren sich rechtsextreme Frauen darüber hinaus auch in verschiedenen Feldern der sozialen Arbeit und üben kommunale Ehrenämter aus. Auf diese Weise wird der Versuch unternommen, Politik vor Ort zu beeinflussen, ohne den eigenen rechtsextremen Hintergrund offen zu legen. Beispiele gibt es viele: So waren es in der Vergangenheit Führungskaderinnen der NPD, die sich ehrenamtlich dem örtlichen Kinderschwimmen oder dem Kaffeeausschank im Familienzentrum angenommen haben. Dahinter steckt oft eine bewusste, nach außen jedoch meist nicht als solche wahrgenommene Strategie. Eine rechtsextreme Aktivistin aus Mainz, Mutter von sieben Kindern und des nächtens aktiv als Moderatorin eines rechtsextremen Internetforums, schreibt in eben jenem: „Ich glaube, niemand würde mich mehr in den Elternbeirat unserer Schule wählen, wenn ich in der NPD wäre. Dann täte man mich als ,bösen Nazi‘ abstempeln und niemand würde mir mehr zuhören. So gesehen ist mein Einfluss auf die Menschen wesentlich größer, wenn ich nirgends offiziell organisiert bin.” (zitiert nach: Zeit.de 2010).

Rechts­ex­treme Frauen­gruppen und Frauen­bilder

Grundsätzlich gilt die Tatsache, dass sich die Anzahl von rechtsextremen Frauengruppen in den letzten Jahren immens gesteigert hat, auch als ein Anzeichen der gewachsenen Bedeutung von Frauen innerhalb der Szene. Rechtsextreme Frauengruppen hat es immer gegeben. Das entspricht auch der ldeologie der „Volksgemeinschaft” und ihrer inneren Aufteilung in einen weiblichen und einen männlichen Bereich.

Rechtsextreme Frauengruppen unterscheiden sich erheblich in Größe, Relevanz und Performance. So konnten sich bei Weitem nicht alle der an die 40 Neugründungen seit 1990 (Beobachtung des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus) dauerhaft etablieren. Einige existierten als kleine Splittergruppen nur kurze Zeit, andere Organisationen konnten sich jedoch konsolidieren und Einfluss erlangen. Es findet sich in den Gruppen eine relativ große Bandbreite von Frauenbildern. Teilweise offensiven Forderungen einiger meist jüngerer Frauen nach gleichberechtigter Teilhabe am sog. ,Straßenkampf’ wird von Männern wie von Frauen zumeist mit Spott begegnet.

Allen Frauengruppen gemein ist der Anspruch, Frauen einen „sanften Einstieg” in die nach wie vor männlich dominierte Szene zu bieten. „[…] diese Gemeinschaft von Frauen, unter Frauen, gemeinsam mit Frauen sitzen und sich besprechen und so weiter, tut Frauen einfach gut.“(3), so Stella Hähnel, eine der seit Jahren führenden NPD-Aktivistinnen. Sie sollen auf diese Weise, unabhängig einer etwaigen Liaison mit einem rechtsextremen Mann, an die Szene gebunden werden, um damit längerfristig der Szene erhalten zu bleiben.

Das „Besondere” am Engagement und an der Selbstdarstellung rechtsextremer Frauen erkennt man häufig erst beim näheren Hinschauen. Deutlich wird neben dem expliziten Abgrenzungsbedürfnis gegenüber „Emanzen” oder Feministinnen der Bezug auf eine „natürliche Weiblichkeit” und die explizite Betonung der Andersartigkeit der Geschlechter. So ist es in der Regel einer der ersten Schritte nach Gründung einer Frauengruppe, sich zur „Verschiedenartigkeit” der Geschlechter zu bekennen und zu beteuern, unter gar keinen Umständen eine Konkurrenz zum männlichen Teil der Szene darstellen zu wollen, sondern im eigenen Engagement die „natürliche Ergänzung” zur Arbeit der Männer zu sehen.

Eine dieser Organisationen ist die 2001 gegründete „Gemeinschaft Deutscher Frauen” (GDF). Bundesweit tätig, gliedert sich die GDF in einzelne Regionalgruppen. Die Altersstruktur innerhalb der Organisation ist sehr gemischt – jüngere Frauen stehen hier in engem Austausch mit Aktivistinnen, welche in Teilen auf jahrzehntelange Szeneerfahrung zurückblicken können. In ihrem Selbstverständnis als Eliteorganisation innerhalb des organisierten Rechtsextremismus tritt die GDF kaum öffentlich in Erscheinung. Das Aufnahmeverfahren ist so wenig transparent wie die Orte, an denen sich die regionalen Gruppen regelmäßig treffen und sich völkischer „Brauchtumspflege” annehmen oder zu Themen der Kindererziehung und Bildung austauschen. In Abgrenzung zum Christentum wird eine „germanische” Geschichte konstruiert. Gleichzeitig bezieht sich die GDF positiv auf die Biographien starker Frauen in der deutschen Geschichte, einschließlich der bürgerlichen Frauenbewegung – das besondere Engagement jüdischer Frauen hierin wird dabei stillschweigend unter den Tisch fallen gelassen. Die Rahmung der unterschiedlichen Themen von der gesunden Ernährung bis zum nationalsozialistischen Heldengedenken stellt die rechtsextreme „Volksgemeinschaft” dar. Das bedeutet, dass es den rechtsextremen Frauen von GDF und Co nicht darum geht, die Bildungssituation für alle Frauen zu verbessern oder gesunde Ernährung allen Kindern zugänglich zu machen: Es geht ausschließlich um den eigenen „deutschen” Nachwuchs, die eigene „deutsche” Familie – alles im Dienste der „Volksgemeinschaft”. Die GDF macht dies in ihrem bereits 2002 publizierten Grundsatzpapier „Die Frau in der nationalen Bewegung” deutlich, in dem es heißt: „Im Leben sind jedoch die verschiedensten Arbeiten zu verrichten. Grundsätzlich geht es immer um den Erhalt der eigenen Art (des eigenen Volkes oder der Sippe, heute der Nation und notgedrungen schon um den Erhalt der eigenen Rasse)“(4).

Personelle Überschneidungen der GDF gibt es u. a. mit der derzeit aktivsten und am öffentlichkeitswirksamsten agierenden Frauenorganisation, dem „Ring Nationaler Frauen” (RNF). Die 2006 gegründete Organisation ist heute Unterorganisation der NPD, hält sich allerdings explizit für Frauen ohne Parteibuch offen. Dies ist Teil der Strategie, möglichst viele Frauen aus dem rechtsextremen Lager für Parteipolitik zu gewinnen und schließlich an die NPD zu binden: „Gerade für die Frauen, die sich bislang noch nicht zu einer Mitgliedschaft in der Mutterpartei NPD entschließen konnten, bietet der RNF die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und politisch aktiv zu werden. (…) Unser Ziel ist es, nationale Interessen mit den Interessen der Frauen und ihrer Familien zu verbinden und dies laut und deutlich zu artikulieren“(5).

Ein wichtiges Ziel des RNF bestand zunächst im Ermutigen und in der Schulung von Frauen für die Übernahme innerparteilicher Ämter wie auch von Mandaten in parlamentarischen Gremien. Im Fokus des Interesses stand die aktive, berufstätige, politisch denkende und engagierte Frau. Forderungen nach einem „Müttergehalt statt Elterngeld”, wie es auf einem Werbeflyer heißt, bilden keinen Widerspruch dazu, sondern stehen paradigmatisch für eine Frauenpolitik der NPD, die Frauen jeden Alters – egal, ob berufstätig oder Mutter und Hausfrau – ansprechen möchte.

Gleichwohl ist das öffentliche Engagement von Frauen und Mädchen in rechtsextremen Szenen allgemein und in NPD und RNF im Besonderen nach wie vor nicht selbstverständlich und unterliegt qualitativ wie quantitativ konjunkturellen Schüben (Vgl. Lang 2010). Frauen und Mädchen müssen sich innerhalb der Szene stets doppelt beweisen: Als taffe Kameradin unter gleichzeitiger Wahrung ihrer „natürlichen Weiblichkeit”. Und zu den hier aufgemachten weiblichen Tugenden gehört auch die Zurückhaltung. Die GDF formulierte einst: „Frauen sind prinzipiell in der Lage, jede Aufgabe zu übernehmen, allerdings wissen sie sich zurückzuhalten, solange es fähige Männer zur Erfüllung dieser gibt“(6).

Frauen- und Mädchenorganisationen aus dem aktionsorientierten Umfeld der eher jugendlich geprägten „Freien Kameradschaften” haben aktuell an Präsenz und Deutungsmacht verloren. Den zumeist sehr jungen Frauen ist gemein, dass sie für sich die Teilnahme am so genannten Straßenkampf einfordern. Dieser wird in der Tradition der historischen SA als Politikum begriffen. Der Männerbund – wie die SA ihn verkörperte – bedürfe „[i]n so harten Zeiten, wie sie uns Deutschen auferlegt sind”(7) der Unterstützung der weiblichen Kämpferinnen. Im Gegensatz dazu stehen die nichtsdestotrotz geschichtsrevisionistischen Bezüge und anti-egalitären Geschlechterpolitiken der jungen Frauen: So nimmt die mittlerweile verbotene „Mädelgruppe der Kameradschaft Tor” in ihrem Selbstverständnis Bezug auf ein Zitat der NS-Frauenschaft-Führerin Gertrude Scholtz-Klink und sieht sich dazu auserkoren, „anderen Frauen aufzuzeigen, was Ihre Pflichten für Volk und Vaterland sind“(8). Im modernen Rechtsextremismus stehen diese ambivalenten Positionen zum Teil in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit nebeneinander. So trat der mittlerweile zerfallene „Mädelring Thüringen” unter dem Leitsatz „Deutsche Frauen wehrt euch – gegen das Patriarchat und politische Unmündigkeit” an und forderte ein, dass sich Frauen im „nationalen Widerstand” durch selbstständiges Handeln und nicht nur über die Mutterrolle auszeichnen sollen(9). Gleichzeitig betonte die extrem rechte Splittergruppe umso vehementer, dass es ihr nicht um die Schaffung eines Frauenbildes gehe, das sich von seiner „naturgegebenen Aufgabe” – dem Muttersein – loslöse.

Die zunehmende Präsenz von Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung des Rechtsextremismus zeigt mithin unterschiedliche Weiblichkeitskonstruktionen der jeweiligen Akteurinnen. Längst gibt es nicht mehr nur die blond-bezopfte, aufopfernde, kinderreiche, rechtsextreme Mutter. Auch wenn die Propagierung traditioneller Weiblichkeits- konstruktionen konstitutives Element der Volksgemeinschaftsideologie ist, lässt sich eine Pluralisierung von gelebten Weiblichkeitsinszenierungen beobachten.

Das Konzept der „Volks­ge­mein­schaft”

Als zentraler Bezugsrahmen für ldeologie und Struktur des Rechtsextremismus ist das Konstrukt der „Volksgemeinschaft” zu benennen: klar geschlechtlich strukturiert, weist es Männern wie Frauen spezifische Sphären und Aufgaben zu. Zugleich verspricht es Frauen wie Männern eine vermeintliche Geborgenheit und einen Schutz gegenüber Bedrohungen von außen.

Bereits im Nationalsozialismus stellte die sexistische Konstruktion der „Volksgemeinschaft” eine der Grundlagen der nationalsozialistischen Gesellschaft dar. Auch im modernen Rechtsextremismus findet eine Aufwertung der traditionellen, bürgerlichen Mutterrolle einerseits bei gleichzeitiger Zurschaustellung eines aggressiven Antifeminismus statt. „Gerade als Frauen tragen wir die Pflicht, unser Volk nicht aussterben zu lassen. Wir sind es, die die ehrenvolle Aufgabe haben, ein Volk großzuziehen und es zu formen. Doch leider zählt dies in der heutigen Zeit nicht mehr allzu viel. Man will keine deutschen Familien, wo Kindern noch nationale Identität gegeben wird. Diese Gesellschaft hetzt systematisch Mann und Frau gegeneinander auf”, so der „Mädelring Thüringen” auf einer Internetseite.

Diese regelrechte Mutterschaftsideologie setzt dem Engagement von Frauen und Mädchen klare Grenzen: Die aktive Teilnahme am „politischen Kampf” ist zwar erwünscht oder wird zumindest toleriert. Doch darf dies nicht der „natürlichen Aufgabe” der Frau, möglichst zahlreich Kinder für die ,Gemeinschaft aller Deutschen‘ zu gebären, im Wege stehen. Während Männer weiterhin in der völkischen Pflicht stehen, sich für das hehre Ideal der „Volksgemeinschaft” an der politischen Front zu verdingen, stellt dies für Frauen nur eine zusätzliche Option dar: eine Art Kür, nachdem sie die ihr auferlegten Pflichten der Mutterschaft und Versorgung von Heim und Herd erledigt haben. Wie plural oder modern weibliche Rollen im Rechtsextremismus sind, zeigt sich für junge Frauen somit in der Regel zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Jugend endet und ihre Pflicht als Mutter und „Hüterin der weißen Rasse” beginnen soll. Geschlecht bleibt somit eine der zentralen Kategorien, anhand welcher sich die Gemeinschaft gliedert und die Einzelnen ihren Platz erhalten.

Möglich­keiten und Heraus­for­de­rungen für die Gesell­schaft: Das Prinzip der doppelten Unsicht­bar­keit durch­bre­chen!

Ungeachtet der inzwischen vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse (Vgl. Antifaschistisches Frauennetzwerk 2005) und eines durchaus auch in Medien und Öffentlichkeit zu registrierenden Interesses an Mädchen und Frauen im Rechtsextremismus ist zu konstatieren, dass Rechtsextremismus nach wie vor als ein männliches Phänomen wahrgenommen wird. Gilt es immer noch als Ausnahme, Mädchen überhaupt politische Meinungen zuzutrauen, so werden ihnen noch weniger rechtsextreme Orientierungen zugetraut. Rechtsextreme Orientierungen bei Mädchen und jungen Frauen fallen so unter das Phänomen der „doppelten Unsichtbarkeit“ (Vgl. Lang/ Lehnert 2011). Im Hinblick auf die gesellschaftliche Herausforderung, Rechtsextremismus auf all seinen Ebenen zu begegnen, ist dies fatal. Es erschwert die Sichtbarmachung der politischen Einstellungen und der Aktivitäten rechtsextremer Mädchen und Frauen und erschwert die Auseinandersetzung mit ihnen im Bereich der pädagogischen Arbeit ebenso wie in der juristischen Verfolgung und auf der Ebene der Politik und des zivilgesellschaftlichen Engagements. Nur wenn Frauen und Mädchen mit ihrem Wirken und in ihren mannigfachen Funktionen wahrgenommen werden, können Erscheinungsformen in ihrer ganzen Breite und in der gesellschaftlichen Mitte wirksam bekämpft und zurückgedrängt werden.

(1) Bereits in der Auseinandersetzung mit der Beteiligung von Frauen am Nationalsozialismus ist deutlich geworden, dass Frauen nicht als Subjekte begriffen wurden. Entweder wurde ihre Rolle und ihre Funktion schlicht ausgeblendet oder aber sie wurden als Frauen per se als Opfer patriarchaler Strukturen wahrgenommen. Erst mit dem „Historikerinnenstreit” zwischen der US-amerikanischen Historikerin Claudia Koonz und der westdeutschen Historikerin Gisela Bock begann eine differenzierte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Rollen und Funktionen und dem Wirken der Frauen im und für den Nationalsozialismus. Die Nicht-Wahrnehmung von Frauen als politische Subjekte erfüllt unterschiedliche Funktionen: Zum einen unterstützt sie die gesellschaftlich gewünschte Asymmetrie im Geschlechterverhältnis, zum anderen entlastet sie Frauen, nicht zuletzt damit wieder auch die gesamte Gesellschaft.

(2) Zur Beteiligung von Frauen an den verschiedenen Dimensionen des Rechtsextremismus: Juliane Lang 2010 S. 129 f.

(3) Stella Hähnel: Frauen in der NPD. Vortrag auf einer Veranstaltung des Ring Nationaler Frauen (RNF) Berlin am 3.9.2008 in Berlin. Transkribiert durch das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (APABIZ). Eingesehen im: APABIZ‘

(4) „Die Frau in der nationalen Bewegung. Arbeitsgrundlage der GDF” 2002. Hervorhebungen im Original.

(5) Katrin Köhler nach ihrer Wiederwahl zur Vorsitzenden des RNF Sachsen im Jahre 2009, zitiert nach: Deutsche Stimme 05/2010, Riesa. 5.18.

(6) Homepage der Gemeinschaft Deutscher Frauen 2007, nicht mehr online abrufbar.

(7) Mädelgruppe der Kameradschaft Tor 2004: Was wir wollen? Homepage der Mädelgruppe, nicht mehr online abrufbar.

(8) Ebd.

(9) Mädelring Thüringen 2007: Nationaler Feminismus – ein Paradoxon?, Homepage des Mädeiring, nicht mehr online abrufbar.

(10) Mädelring Thüringen o. J., eingesehen am 26.03.2012

Literatur

Antifaschistisches Frauennetzwerk, Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus 2005 (Hg.): Braune Schwestern? Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten. Münster.

Die tageszeitung: Keine Beweise. In: taz.de vom 28.12.2011. www.taz.de/!84492/, eingesehen am 16.03.2012.

Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus 2011: Und warum ist das interessanteste an einer militanten Rechtsextremistin ihr Liebesleben? Offener Brief vom 15.11.2011, www.frauenund-rechtsextremismus.de/cros/images/medienarbeit/offener-brief-2011-11-15.pdf, eingesehen am 16.03.2012.

Förster, Andreas/Thieme 2011, Matthias: „Terror von Rechts”; in: Frankfurter Rundschau, vom 14.11.2011.

Lang, Juliane 2010: „…Diese Gemeinschaft von Frauen, unter Frauen, gemeinsam mit Frauen sitzen und sich besprechen und so weiter, tut Frauen einfach gut.” Frauen im Rechtsextremismus; in: Claus, Robert et al. 2010 (Hg.): „Was ein rechter Mann ist” Männlichkeiten im Rechtsextremismus, Berlin, S. 127 – 142.

Lang, Juliane/Lehnert, Esther 2011: „…wir sind trotzdem aktiv und wir stehen trotzdem unsere Frau, und stehen mit bei der Demo oder beim Infostand und sind deswegen noch lange kein Heimchen am Herd…” Mädchen und Frauen im Rechtsextremismus. In: Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V.: Außerschulische Bildung. Heft O1/2011.

Langer, Annett „Die Mär vom Nazi-Betthäschen”; in: Spiegel-Online vom 20.11.2011, www.spiegel.de/panorama/0,1518,798644,OO.htm1, eingesehen am 16.03.2012.

Litschko, Konrad/Rath, Christian 2012: „Zschäpe bleibt hinter Gittern.”; in: Die tageszeitung vom 01.03.2012

Schmidt, Wolf/Speit, Andreas 2012: „Knallharte Überzeugungstäterin”; in: Die tageszeitung vom 24.01.2012, taz.de/!86308/, eingesehen am 16.03.2012

Zeit.de: Zu Hause backt sie Hakenkreuztorten. In: Zeit Online vom 03.06.2010. linksunten.indymedia.org/de/node/20954, eingesehen am 16.03.2012.

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