Das Anikonische des Grundgesetzes und die Galerie der Kanzler
Aus: Mitteilungen Nr. 205/206 (2+3/2009), S. 9
Manchmal sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Das zeigte Horst Bredekamp mit seinem Beitrag über die Ikonografie des Grundgesetzes und die Galerie der Kanzler. Entgegen dem Programm, das die Verfassung noch als anikonisches Dokument angekündige, präsentierte der Vortrag eine Bildgeschichte des Grundgesetzes, mit der Bredekamp bereits in der Typografie des Dokumentes ansetzte.
Die Urkunde des Grundgesetzes zeichne sich durch einen modernen Schrifttyp aus, der sich bewußt von traditionellen Schriftzügen absetze. Damit distanziere sich das Grundgesetz nicht nur von der bisherigen Staats- und Verfassungstradition Deutschlands, es negiere zugleich den herrschaftlichen Charakter des Dokumentes. Dieses Motiv einer protestantischen Enthaltsamkeit gegenüber der Macht und ihren Symbolen verfolgte Bredekamp in den Bildern des Unterzeichnungsaktes und der Galerie der Kanzler.
Die Aufnahmen von Erna Wagner-Hehmke zeigen die Tristesse und Enthaltsamkeit bei der Ratifikation des Grundgesetzes. Aufgereiht sitzen die Vertreter des Parlamentarischen Rates und der Länder, um einem Staatsakt beizuwohnen, der diesen Titel kaum verdient. Einziges Symbol ist eine aufgespannte Deutschlandfahne, die in das Podium hinein ragt.
Die Unterzeichnung selbst findet an einem weiß eingedeckten Podium statt, an dem ein Ministerpräsident nach dem anderen auf einem Holzschemel Platz nimmt. Die Dokumentation des Geschehens vermeidet jede Überhöhung der Protagonisten, eine feierliche Atmosphäre kommt nicht auf. Bredekamp erläuterte, wie mit fotografischen Mitteln das Selbstverständnis einer provisorischen, in ihrer Selbsreflektion gehemmten Staatsmacht stilisiert wird.
Das bisweilen ironisch anmutende Selbstverständnis durchzieht auch die Galerie der Kanzler, der sich Bredekamp abschließend widmete. Fallen politische Weltbilder und Persönlichkeiten auch weit auseinander, so eint die Kanzlergalerie von Adenauer bis Kohl der Versuch, die Staatsmänner als reflektierte, geistvolle Menschen darzustellen und sie von ihrem ikonografischen Vorbild – dem Fürstengemälde – abzusetzen.
Umstritten blieb allein die Deutung des jüngsten Bildnisses (G. Schröder), dessen Bruch mit der Tradition enthaltsamer Staatsmacht offensichtlich ist.
(Zusammenfassung: Sven Lüders)