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Geschichte des Grund­ge­setzes

Aus: Mitteilungen Nr. 205/206 (2+3/2009), S. 10

Geschichte des Grundgesetzes

Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes zeigt: Die heute verbreitete Begeisterung für unsere Verfassung war nicht immer vorhanden. Als sich im August 1948 die „Verfassungseltern“ zum Konvent trafen, war ein Teil der Deutschen noch in der Gesinnung des Nationalsozialismus gefangen, der andere Teil von seiner Unschuld überzeugt.

Zudem herrschte die Auffassung, dass es sich bei der Gründung Westdeutschlands nur um eine Übergangslösung handle, das Grundgesetz nur provisorischen Charakter habe. Christian Bommarius zitierte in seiner Vorlesung zur Geschichte des Grundgesetzes eine Umfrage aus dem März 1949, wonach 40% der befragten Westdeutschen dem Grundgesetz gleichgültig gegenüber standen, 33% zeigten sich mäßig und nur 21% stärker daran interessiert.

Bommarius widmete sich den Umständen, unter denen das Grundgesetz entstand. Sein Vortrag erzählte von den 77 Männern und Frauen, die drei Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur, im beginnenden Kalten Krieg zusammen kamen, um über eine demokratische Verfassung zu beraten. In keinem anderen westdeutschen Nachkriegsparlament saßen so viele Nazi-Gegner und Nazi-Opfer wie im parlamentarischen Rat.

Unter diesen Voraussetzungen war es, so Bommarius, um so erstaunlicher, dass sich mit dem Grundgesetz eine „kopernikanische Wende“ im Staatsbild der Deutschen vollzog: Mit der neuen Verfassung endete der deutsche Obrigkeitsstaat und wurde durch einen Staat der Bürger ersetzt, die von nun an Freiheitsgarantien gegenüber dem Staat genossen. Am neuen Staats- und Menschenbild hob Bommarius insbesondere die Garantie der Menschenwürde hervor, Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz.

Bommarius warnte davor, dass dieser Kerngedanke unserer Verfassung zunehmend unter die Räder gerate: „Wer die einschlägigen Karlsruher Urteile der letzten Jahre liest, muss den Eindruck haben, dass die Menschenwürde noch was gilt, nur mit ihrer Garantie durch die Politik ist es nicht mehr weit her“, kritisierte er. Die Urteile zum großen Lauschangriff, der Online-Durchsuchung und dem Luftsicherheitsgesetz machten deutlich, dass die in den Grundrechten enthaltene Abstandsgarantie zwischen Staat und Bürgern nicht immer gewahrt werde.

(Zusammenfassung: Nina Eschke)

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