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Nachruf auf Erhard Eppler

Mitteilungen24105/2020Seite 16-17

Bereits am 19. Oktober 2019 ist Erhard Eppler im Alter von 92 Jahren gestorben.

In: Mitteilungen 241 (1/2020), S. 16-17

Er war einer der großen Intellektuellen der SPD, der Zukunftsthemen früher als andere definierte und sich nur begrenzt den Machtzwängen pragmatischer Alltagspolitik aussetzte. Das hat ihm auch den Spott der eigenen Genossen eingebracht. Helmut Schmidts Wort war auch auf Eppler gemünzt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“. Herbert Wehner nannte ihn „Pietcong“, damit anspielend auf seinen baden-württembergischen Pietismus und seine oft kämpferischen Auftritte.

Seine politische Laufbahn begann Eppler in Gustav Heinemanns „Gesamt-deutscher Volkspartei“, die er ebenso wie dieser wegen Erfolglosigkeit bei der Wählerschaft verließ, um dann in die SPD einzutreten. Er sei am Godesberger Programm von 1959 unschul-dig, hat er einmal gesagt, das weitgehend Abschied nahm von sozialistischen Positionen und der Volkspartei SPD den Weg ebnete. 1961 wurde er Bundestagsabgeordneter und zog 1968 als Entwicklungshilfeminister in das Kabinett der Großen Koalition unter Kanzler Kiesinger ein; auch unter Kanzler Willy Brandt bekleidete er das Amt von 1969 bis 1974. Er hat das Konzept der bloßen „Entwicklungshilfe“ um den Aspekt der „wirtschaftlichen Zusammenarbeit“ erweitert.“ Für Eppler war Entwicklungspolitik internationale Sozial- und Friedenspolitik. Ihm gelang es damals, die Entwicklungspolitik als dritte Säule der Außenpolitik neben der West- und Ost-politik zu etablieren.

Nach der Kanzlerschaft von Willy Brandt hat Eppler sein Amt 1974 zur Verfügung gestellt, weil er sich mit Helmut Schmidt nicht über Haushaltsfragen einigen konnte. Eppler ist bis 1981 in die Landespolitik nach Baden-Württemberg gegangen; der erhoffte Erfolg blieb aus. Allerdings gelang es ihm, im Landesverband den Abschied von der Atomenergie durchzusetzen. In diese Zeit fällt auch sein Engagement in der Gustav Heinemann-Initiative, die das politische Vermächtnis des ersten sozialdemokratischen Bundespräsidenten weiterzutragen auf ihre Fahne geschrieben hatte. Ein Schwerpunkt lag auf der Friedenspolitik, insbesondere was die Versöhnung mit den östlichen Nachbarn betraf. Ebenso ging es der Initiative um einen leistungsfähigen Sozialstaat und die Wahrung sowie den Ausbau von Bürgerrechten. Eppler gehörte zu denen, die 1978 den Gründungsaufruf unterschrieben. Die Humanistische Union trägt bis heute in ihrem Namen den Untertitel: „Vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative“, was 2009 erfolgte.

Viele Jahre war Eppler Vorsitzender der Grundwerte-Kommission der SPD. Er gilt als einer der ersten, die die Nutzung der Kernenergie in Frage stellten. Er war Gegner der von Hel-mut Schmidt betriebenen Nato-Nachrüstung mit Mittelstreckenrake-ten Ende der siebziger und in den achtziger Jahren. Wie nur wenige Sozialdemokraten redete er auf den Groß-kundgebungen der Friedensbewegung. Dazu trug gewiss auch sein Engagement in der evangelischen Kirche bei – er war zwei Mal Präsident von Kirchentagen und hatte Funktionen in der EKD-Synode.

Wie sehr Eppler auch in innerdeutschen Fragen seiner Zeit voraus war, zeigt seine Beteiligung am sog. SPD-SED-Grundlagen-Papier, das er 1987 mit dem Ostberliner Professor Reinhold veröffentlichte. Es ging um die Bedingungen für eine Überwindung der Teilung Deutschlands. Seine Rede am 17. Juni 1989 vor dem Deutschen Bundestag nahm in frappierender Weise die Ereignisse der Folgemonate vorweg.

Eppler war wie Schmidt, Dregger und andere noch Teilnehmer des Zweiten Weltkriegs. Das hat ihn zum Kriegsgegner gemacht, aber er war kein Pazifist. Den Bundeswehreinsatz im Koso-vo 1999 verteidigte er. Seine Haltung damals: „Tragisch ist eine Situation, wenn man schuldig wird, ganz gleich, was man tut“. Und er half Gerhard Schröder, als es darum ging, die Agenda 2010 in der Partei und Öffentlichkeit durchzusetzen. Er habe zu wenig über die Einzelheiten der Agenda gewusst, warf er sich später einmal vor. Und er wusste: „Das Wichtigste ist Glaubwürdigkeit.“

Eine Würdigung von Erhard Eppler darf seine publizistischen Leistungen nicht ausblenden. Mit seinem Buch „Ende oder Wende“ aus dem Jahr 1975 bewies Eppler beispielsweise, wie sehr er Vordenker für einökologisches Bewusstsein war. Zur Selbstironie fähig meinte er: „Wer zu früh kommt, den bestrafen die Parteifreunde.“ Seine Autobiografie „Links leben“ aus dem Jahr 2015 gehört zu den lesenswertesten Politiker-Selbstporträts. Heute wissen wir, dass die traditionsreiche SPD Leute mit seiner intellektuellen Kraft nötiger hat denn je.

Werner Koep-Kerstin

Erhard Eppler: Links Leben. Erinnerun-gen eines Wertkonservativen.

Berlin, Propyläen Verlag, 335 Seiten | 2015 | EUR 26.80

ISBN 3-549-07465-4.

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