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Zum Tod von Burkhard Hirsch

Mitteilungen24105/2020Seite 19-20

Am 11. März 2020 ist Burkhard Hirsch im Alter von 89 Jahren gestorben. In: Mitteilungen 241 (1/2020), S. 19-20

Wie nur wenige hat er den Linksliberalis-mus in der Bundesrepublik verkörpert. Hirsch, der am 29. Mai 1930 in Mag-deburg geboren wurde und in Halle aufwuchs, gehörte zur „Mitteldeutschen Fraktion“ in der FDP um den Hallenser Hans-Dietrich Genscher und gebürtigen Dresdner Gerhart Baum.

Die Entscheidungen des Bundesver-fassungsgerichts zum Großen Lauschangriff (2004) und zum Luftsicherheitsgesetz (2006) sind untrennbar mit seinem Namen verbunden; er hat zudem die Vorratsdatenspeicherung nach Kräften torpediert. 71 Jahre lang war Hirsch Mitglied der FDP – mit allen Höhen und Tiefen, die er mit dem von der FDP vertretenen Mehrheits-Liberalismus in der Bundesrepublik durchlitten hat. Ämter hat er viele innegehabt, Bundesminister wurde er allerdings nie.

Der promovierte Jurist Hirsch begann 1964 als Kommunalpolitiker im Düs-seldorfer Stadtrat. Nach den Landtagswahlen 1975 avancierte er zum Innenminister in Nordrhein-Westfalen. In seine Amtszeit fielen die terroristischen Taten der „Roten Armee Fraktion“, die Auseinandersetzungen um den „Schnellen Brüter“, bei denen Hirsch sich als strikter Gegner der Kernenergie auswies. Hirsch war es, der für die Aufnahme des Datenschutzrechts in die Landesverfassung kämpfte – und der allerdings die Be-rufsverbote für vertretbar hielt.

Bundestagsabgeordneter wurde Burkhard Hirsch zum ersten Mal 1972, er kehrte 1980 in das höchste deutsche Parlament zurück und war von 1994 bis 1998 Bundestags-Vizepräsident. Aus Protest gegen die Einführung des „Großen Lauschangriffs“ trat er 1995 von seinem Posten als rechts- und innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion zurück.

Sein Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag 1998 ließ ihn in seinem Engagement als leidenschaftlicher Verteidiger des Rechtsstaates nicht weniger aktiv sein. 2006 hat die Humanistische Union den Fritz Bauer Preis an Burkhard Hirsch verliehen – ein Preis, der alle zwei Jahre das politisch-rechtliche Vermächtnis des Generalstaatsanwaltes aus Hessen fortführt. In der Begründung hieß es: „Mit Burkhard Hirsch ehrt die Humanistische Union einen liberalen Demokraten, der sich unermüdlich zum Schutz der Freiheitsrechte einsetzt. Seine Erfolge zeigen nicht nur ein unerschöpfliches bürgerrechtliches Engagement, sondern auch verfassungsrechtlichen Sachverstand, der manchmal auch dem Gesetzgeber zu wünschen wäre.“ In der anlässlich der Preisverleihung überreichten Festschrift („Mit Recht für Menschenwür-de und Verfassungsstaat“) würdigen zahlreiche Weggefährten Hirschs dessen Engagement für Freiheit und Recht.

Wer in unserer von der Reaktion auf die Corona-Krise extrem reduzierten Bürgerfreiheit zumindest zeitweise eine geistige Befreiung erleben möchte, lese nach, was Hirsch in seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Fritz Bauer-Preises an ihn im Jahr 2006 erklärt hat. Mit der ihm eigenen intellektuellen Schärfe und Kantigkeit durchmisst Hirsch die damaligen bürgerrechtlichen Defizite einer auf unverhältnismäßige Sicherheit setzenden Politik. Dort bietet ein linksliberaler Verteidiger des Rechtsstaats einen unvergleichlichen Einblick in sein Koordinatensystem und die Quellen seiner bürgerrechtlichen Radikalität.

Burkhard Hirsch starb kurz vor seinem 90. Geburtstag, den er im Mai 2020 hätte feiern können. Er musste nicht erleben, welch ungeahnte Zumutungen an unsere Freiheitsrechte in der Corona-Krise möglich geworden sind.

Eine ausführliche Würdigung Burkhard Hirschs wird in den vorgängen „Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik“ erscheinen.

Werner Koep-Kerstin

Zur Dankesrede Burkhard Hirschs an-lässlich der Fritz Bauer-Preisverleihung am 16. September 2006:

www.humanistische-union.de/veranstaltungen/buergerrechtspreise/fritz_bauer_preis/2006/rede_hirsch/

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