Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 167: Politik und Lüge

Die Ehrlichkeit politischer Kommu­ni­ka­tion

Kognitive Hygiene und strategischer Umgang mit der Wahrheit

aus: Vorgänge Nr.167 ( Heft 3/2004 ), S. 28-38

Eine eben so alte wie einfache Einsicht besagt, dass „Politik” das Gegenteil von einer „Privatangelegenheit” ist. Politisches Handeln kann nicht von einzelnen Personen allein vollzogen werden, sondern ist immer auf die Mitwirkung anderer angewiesen: Seine politischen Ziele erreicht man nur, wenn man Unterstutzer und Mitstreiter für sie gewinnt. Das gilt nicht nur für das Handeln in demokratischen politischen Systemen, sondern auch und gerade für „totalitäre” Diktaturen. Sie stehen und fallen mit der Fähigkeit des Diktators oder der herrschenden Partei, andere durch Einsatz der strategischen Mittel von Erpressung, Bestechung, Drohung, Zwang, von Versprechung und Einschüchterung zur Kooperation zu bringen – oder jedenfalls zum Verzicht auf Opposition. Der Erfolg politischen Handelns hängt vom Handeln einer mehr oder minder großen Zahl von anderen Akteuren ab; denn niemand ist allein mächtig genug, um politische Ziele gegen alle anderen durchzusetzen.

Wie kann man in liberalen Demokratien andere Akteure zur Unterstützung eigener politischer Ziele veranlassen? Indem man Einfluss entweder auf ihre Wünsche oder auf ihr Wissen (beliefs) nimmt. Politische Präferenzen und die Wahrnehmungen bzw. Wirklichkeitsdeutungen der Menschen sind die beiden Stellgrößen, aus denen ihr Handeln und ihre Unterstützungsbereitschaft resultieren. Dabei sind die Zielsetzungen selbst noch davon abhängig, was sich aufgrund unseres Wissens über die Wirklichkeit als möglicher-weise erreichbar darstellt und was umgekehrt als „unrealistische” Wunschvorstellung aus dem Bereich vernünftiger Ziele ausscheidet. Aber nicht nur unsere Wünsche können von unserer Kenntnis der Wirklichkeit gesteuert sein, sondern umgekehrt, wie im Falle des „Wunschdenkens”, auch unser Bild von der Wirklichkeit durch unsere Präferenzen.

Die Wirklich­keit der Politik ist eine Politik mit der „Wirk­lich­keit”

Mit gewissem Recht hat man unser Zeitalter als ein „nachideologisches” bezeichnet. In unserem Zusammenhang bedeutet das, dass auf der Ebene der Wünsche, Präferenzen und Wertvorstellungen keine scharfen Gegensätze zu erwarten sind. In den 1970er Jahren richteten die beiden großen Volksparteien in der Bundesrepublik sogenannte „Grundwerte-Kommissionen” ein; es war wenig überraschend zu sehen, dass sich das jeweilige Ergebnis dieser Suche nach obersten politischen Zielen aufs Haar glich. Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, dazu Wohlstand, Umweltschutz und Frieden sind – wenn auch in nuancierten Ausdeutungen – als Bezugswerte politischen Handelns so selbstverständlich und so unbestreitbar, dass es in diesem Feld kaum Gelegenheit zur Profilierung und Polarisierung gegenüber dem politischen Gegner gibt.

Wenn insofern, zugespitzt formuliert, alle sowieso dasselbe wollen, dann konzentriert sich die politische Auseinandersetzung auf die zweite unserer beiden Stellgrößen – auf das Wissen und die Wirklichkeitsdeutungen der Bürger. Je weniger „ideologisch” die Politik wird, desto mehr wird sie „kognitiv”. Jeder Funktionär einer politischen Partei weiß instinktiv, worauf es im politischen Geschäft ankommt: auf die Vermittlung von Bildern, Gewissheiten und sachlichen Entscheidungsprämissen, die, wenn sie einmal im Bewusstsein der Bürger verankert sind, deren Handeln und deren Unterstützungsbereitschaft wie von selbst in die erwünschte Richtung lenken. Wenn es der Bürger zum Beispiel für gewisslich erwiesen hält, dass eine Senkung der Unternehmenssteuer zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen wird, dann ergibt sich aus diesem „Wissen” – zusammen mit dem Allerweltsziel „Wachstum und Vollbeschäftigung” – seine rationale Unterstützung für eine Partei, die solche Steuersenkungen befürwortet.

Politische Erfolge hängen deshalb zunehmend davon ab, was „alle anderen” wissen oder nicht wissen, also davon, welches Bild sie sich von der Realität machen. Aus der Perspektive politischer Führungsgruppen bedeutet das: Erfolg hängt davon ab, was man „alle anderen” glauben machen kann – unter Umständen auch durch die hemmungslose Verbreitung von schwer überprüfbaren Lügen. Die Wirklichkeit der Politik ist eine Politik mit der „Wirklichkeit” – der fortlaufende Streit darüber, welche Sachverhalte und Kausalketten als erwartbar, gewiss und vertrauenswürdig gegeben sind und welche nicht. Gleichzeitig ist der einzelne Bürger in einer geradezu lächerlichen Weise – und ebenso zunehmend – unfähig, verlässliche Urteile über die Wirklichkeit mit eigenen Denk- und Beobachtungsmitteln, gleichsam mit unbewaffnetem Auge, zu fällen. Er ist laufend auf „Erkenntnis-” oder „Deutungshilfe” angewiesen, und die wird von Regierungen und Parteien nur allzu gern gespendet. Denn diese wissen, dass ihre politischen Erfolge entscheidend davon abhängen, welche Realitätsbilder sich im Bewusstsein der Bürger festsetzen. Darauf reagieren sie mit der strategischen Inszenierung der Wirklichkeit. Dieser strategischen Inszenierung sind wir als Bürger jedoch keineswegs wehrlos ausgeliefert: Zum einen gibt es die Parteienkonkurrenz, in deren Rahmen die meisten seitens politischer Eliten angebotenen Fehldarstellungen eine Chance haben, aufgedeckt und unschädlich gemacht zu werden. Zum anderen gibt es alternative Wissensquellen wie Medien, Wissenschaft, Vereinigungen, und die Schul- und Erwachsenenbildung. Dennoch bleiben vor allem die zeitlichen Aufwendungen, die erforderlich sind, wenn sich der Bürger durch Nutzung dieser Ressourcen einigermaßen täuschungs immun machen möchte, so abschreckend hoch, dass es gerade das Übermaß verfügbarer Information („information pollution“) ist, das die unabhängige Urteilsbildung erschwert.

Somit haben wir es mit einer Situation zu tun, die sich genau umgekehrt zu der in den untergegangenen staatssozialistischen Gesellschaften verhält. Sie waren gekennzeichnet durch das Fehlen unabhängiger Medien der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung. Es fehlten dort nicht nur unabhängige Medien, Literatur, Wissenschaft und Rechtsprechung: es fehlte sogar ein professionelles Buchhaltungswesen, das auch nur den Leitungskadern erlaubt hätte, ökonomische Erfolge und Misserfolge unzweideutig als solche zu identifizieren. Das Bild, das die Bürger von ihrer Gesellschaft gewannen, war deshalb – jenseits des schmalen Ausschnittes der Wirklichkeit, der durch eigene Anschauung zugänglich ist – ein staatlich gefiltertes und strategisch beschönigtes Bild. Der ungarische Soziologe Elemer Hankiss, nach 1990 zeitweilig Direktor des öffentlichen Fernsehens, hat die Situation des Zuschauers staatssozialistischer Fernsehprogramme sarkastisch beschrieben. „Wir wissen”, sagt sich dieser Zuschauer, „dass die Leute, die wir da reden sehen, fortwährend lügen. Wir wissen auch, dass das auch alle anderen Zuschauer wissen. Und wir wissen, dass dies auch die Leute wissen, die da im Fernsehen reden.” Dies wird, so Hankiss, von allen Beteiligten als ein geradezu gemütlicher Gleichgewichts-zustand des vollendeten Zynismus erfahren. Wenn hingegen – nach 1990 – der Zuschauer nicht mehr sicher sein kann, dass seine gewohnte Sichtweise noch zutrifft, weil zumindest hin und wieder der eine oder andere durchaus die Wahrheit zu sagen scheint und über diese Frage zumindest z.B. mit Nachbarn und Kollegen Uneinigkeit ausbricht, dann kommt es zu nagenden Zweifeln und der durchaus belastenden und verstörenden Erfahrung, dass man sich zu einer eigenen Urteilsbildung herausgefordert sieht.

Grauzonen im Feld der politischen Lügen

Politisch-strategisch erzeugtes falsches Wissen tritt in verschiedenen Erscheinungsformen auf. Eine Lüge ist eine soziale Tatsache erst dann, wenn sie entdeckt ist – d.h., wenn sie nicht mehr nur ein inneres Erlebnis des Lügners ist, der allein – ggf. auch noch sein Beichtvater – weiß, dass er gelogen hat. Die entdeckte Lüge ist aber zunächst einmal ein Beleg dafür, dass der Lügner sich selbst belogen – oder doch getäuscht – hat, insofern er u. U. fahrlässig, jedenfalls irrtümlich davon ausgegangen war, bei seiner Lüge nicht entdeckt zu werden. Manchmal hat diese Fehleinschätzung der Chancen der Lüge etwas für den Belogenen Beleidigendes; dann handelt es sich um eine „freche” Lüge, bei der der Belogene sich empört fragt, für wie dumm, naiv, vertrauensselig, täuschbar usw. er eigentlich vom Lügner eingeschätzt worden ist, z.B. bei der Geschichte von den jüdischen Erbschaften im Zuge der Parteispendenaffäre der hessischen CDU.

Des weiteren ist für eine Lüge begriffsnotwendig, dass dem Lügner bewusst war, etwas Unwahres zu sagen – anderenfalls handelt es sich um einen Irrtum. Zudem muss der Belogene davon ausgehen und vielleicht in vorwerfbarer Naivität unterstellen, dass der Lügner die Wahrheit zu sagen beabsichtigt – sonst handelt es sich um eine fiktionale Kommunikation. Lügen kann man über feststehende Tatsachen in der Welt, nicht über in künstlerischen Zusammenhängen oder zur spielerischen Unterhaltung bloß Ausgedachten. Dabei gibt es zum einen den harten und ggf. leicht überprüfbaren Fall der retrospektiven Lüge, die durch den Zeugeneid ausgeschlossen oder doch schwer sanktioniert werden soll.

 Davon zu unterscheiden ist der weiche und weniger leicht nachweisbare Fall der prospektiven Lüge, welcher der Amtseid vorbeugen soll; sie bezieht sich entweder auf Versprechungen und die Beteuerung eigener Absichten oder aber auf Aussagen über erwartbare Entwicklungen und Trends. Ob solche Beteuerungen und Prognosen „wahr” sind bzw. entsprechende Aussagen im Geist der Wahrhaftigkeit gemacht worden sind, stellt sich erst später heraus, wenn das Publikum sie vielleicht bereits vergessen hat, während sie schon jetzt ihren werbenden Erfolg erzielen können (wie es z.B. der Fall war, als Herr Hartz im Sommer 2002 die Halbierung der Arbeitslosigkeit als Ergebnis der nach ihm benannten Gesetzgebung für das Jahr 2005 in Aussicht stellte). Insofern gibt es eine breite Grauzone im Feld politischer Lügen. Viele Versprechen können, selbst wenn sie in lauterster Absicht abgegeben worden sind, einfach deshalb nicht erfüllt werden, weil unvorhersehbare Ereignisse die Rangfolge der Prioritäten umstürzen. Immerhin könnte man eine Unehrlichkeit darin sehen, dass Politiker die einschränkende Bedingung solcher Unvorhersehbarkeiten regelmäßig zu nennen versäumen oder sie herunterspielen.

Drittens wird man von einer Lüge in einem politisch und moralisch erheblichen Sinne nur sprechen können, wenn es eine seitens des Belogenen an gesonnene oder seitens des Lügners – im Extremfall: durch Eid – sogar akzeptierte Pflicht gibt, die Wahrheit zu sagen. Im Falle von Bill Clinton/Monica Lewinsky war es so, dass dem Präsidenten diese Pflicht zwar qua gerichtlicher Befragung angesonnen war, er aber (gute) Gründe hatte, die Pflicht qua der privaten Natur des Befragungsgegenstandes nicht zu akzeptieren und die Befragung durch das Gericht als „vorwitzig” (Schopenhauer) zurückzuweisen, d.h. durch eine Falschaussage zu unterlaufen. Wenn – wie im Normalfall und im Gegensatz zu pathologischen Lügnern – der Zweck der Lüge ist, Vorteile zu erlangen oder Nachteile zu vermeiden, dann wird man, um eine Lüge skandalisieren zu können, auf eine Pflicht des Lügners verweisen, in der Lage sein zu müssen, den durch Aussprechen der Wahrheit ggf. eintretenden Nachteil in Kauf zu nehmen. Eine solche Pflicht besteht indes nach der ungemein rigorosen Auffassung Immanuel Kants stets und ohne Ausnahme: „Es ist also ein heiliges, unbedingt gebietendes, durch keine Konvenienzen einzuschränkendes Vernunft gebot; in allen Erklärungen wahrhaft (ehrlich) zu sein.” (Kant 1968 [1797]: 639f.)

Licht, Schatten und Dunkel: die politische Beleuch­tungs­technik

Diese dramaturgische Dimension moderner Politik hat der amerikanische Politikwissenschaftler Murray Edelman mit dem Begriff der „symbolischen Politik” bezeichnet. Sie findet immer dann statt, wenn politische Akteure nicht Rechte und materielle Güter verteilen und „reelle” Leistungen zustande bringen, sondern sich statt dessen die Inneneinrichtung der Köpfe der Leute zum Betätigungsfeld wählen – ohne dies allerdings zu deklarieren. Symbolische Politik ist das, was man tatsächlich und in berechneter Weise tut, wenn man nur so tut, als ob man etwas täte. Man weckt Vertrauen, nährt Illusionen,beschwichtigt Ängste, besetzt Begriffe, erregt Sympathien, kultiviert Feindschaften und Wir-Gefühle, vermittelt Sinn und lässt doch alles beim alten.

Vollendete Tatsachen, festgezurrte Einflussbeziehungen, defizitäre Haushalte, bestehende Verträge und schlichte Trägheit begrenzen das Handlungsfeld und die Gestaltungsspielräume moderner Politik. Die Hypothese hat viel für sich, dass, je mehr dies alles der Fall ist, die Politik desto stärker von der Droge symbolischer Ersatzhandlungen abhängig wird. Die Wirklichkeit, die sie verändert, ist weniger die äußere Welt als das Bild, das wir uns von ihr machen, und die Erwartungen, die wir an sie richten.

Politik hat zu tun mit der Erzeugung von Wissen bei relevanten Anderen. Dieses Wissen bezieht sich nicht nur auf das, was jetzt schon der Fall ist, sondern auch auf das, was zu erwarten ist, welche Absichten wer verfolgt, wem zu trauen ist, welche Gefahren lauern, welche Hoffnungen berechtigt erscheinen, und welche Mittel für welche Ziele mit Aussicht auf Erfolg eingesetzt werden können. Die hohe Kunst der politischen Beleuchtungstechnik besteht – wie im Theater – darin, nicht nur Licht zu werfen, sondern auch Schatten und Dunkel. Beides, Wissen und Unwissen, Hervorhebung und Bagatellisierung dient dem dramaturgischen Zweck. Es sind keine vollständigen und voll ausgeleuchteten Bilder, welche die Politik vermittelt, sondern perspektivisch interessierte, die eben soviel bereden wie sie verschweigen.

Diese politische Produktion von Wirklichkeitsbildern ist immer interessiert, nicht authentisch und in einem gar nicht einmal besonders strengen Sinne „unehrlich”. Unehrlich handelt jemand, der in einer von mindestens drei möglichen Weisen gegen die Wahrheit verstößt: er sagt etwas, was nicht wahr ist; er verschweigt pflichtwidrig etwas, das wahr ist und dessen Bekanntwerden den Erfolg seines Handelns beeinträchtigen würde; oder er verstößt in seinem Handeln gegen Normen, an die er gebunden ist oder zu denen er sich bekennt. Wenn wir die begrifflichen Messinstrumente für politische Unehrlichkeit noch etwas feiner einstellen, dann kommt auch jene Lüge in den Blick, die darin besteht, dass ich mich zu dem Ziel A (zum Beispiel Steuersenkung) und zugleich zu dem Ziel B (zum Beispiel die Steigerung bestimmter Ausgabenpositionen) bekenne, obwohl ich weiß, dass beide sich gegenseitig ausschließen können. Noch ein Stück schwieriger wird die Diagnose von Lügen, wenn wir auch solche Fälle einrechnen wollen, in denen mir der Widerspruch zwischen A und B zwar nicht bewusst ist, ich mir die einschlägigen Informationen aber leicht beschaffen könnte. Dann besteht die Lüge also in der vorwerfbaren Verletzung der Pflicht des Bürgers oder Politikers, sich zureichend zu informieren. Sicher gibt es eine „Pflicht zu wissen”. Aber wer wollte eine solche Pflicht zur Norm erheben, und wer ihre Verletzung jeweils nachweisen? Je anspruchsvoller man das Kriterium der Wahrhaftigkeit im Kommunikationsverhalten von Politikers zuspitzt, desto schwerer wird man der Auffassung widersprechen können, dass manche Unwahrhaftigkeiten ein zumindest normaler, wenn nicht gar ein legitimer Bestandteil politischen Handelns sind.

Kein Kassenwart eines Vereins, kein Schatzmeister einer politischen Partei und kein Finanzminister wird unklug genug sein, eine günstige Entwicklung der Einnahmen an die große Glocke zu hängen. Denn er kann wissen, dass das nur Begehrlichkeiten wachriefe, unter deren Ansturm sich die günstige Lage alsbald in ihr Gegenteil verkehren würde. Hier haben wir es mit der mildesten Form von Unehrlichkeit, nämlich mit dem Verschweigen, dem Auslassen, dem Herunterspielen zu tun.

Viele Vereinbarungen, und keineswegs nur im Felde der internationalen Diplomatie, machen nur dann Sinn, wenn sich die Beteiligten darauf verlassen können, dass nicht nur ihr Inhalt, sondern sogar ihr Vorhandensein geheim bleibt. Hier kommt es also auf das Geheimhalten der Tatsache an, dass es überhaupt etwas Geheimzuhalten gibt; denn wenn jeder wüsste, dass es ein geheimes Zusatzabkommen zu einem internationalen Vertrag gibt, dann hätte sich der Zweck dieses Vertrages schon erledigt.

Das Herunterspielen von Schwierigkeiten, absehbaren Engpässen, Konflikten und Haushaltsdefiziten kann sogar eine notwendige Voraussetzung für erfolgreiche politische Initiativen sein. Wenn alle Beteiligten tatsächlich immer alles wüssten, was sie wissen könnten, dann hätte diese komplette Kenntnis einen vielleicht so niederdrücken-den Entmutigungseffekt, dass politisches Handeln vollends in Lethargie und Fatalismus unterginge.

Die Authen­ti­zi­täts­lüge in der Politik

Strategisch motivierte Unehrlichkeit ist kein Privileg der Politiker, sondern kennzeichnet ebenso das Verhalten der Bürger in ihrer Beziehung zu Staat und Politik. Wer zivilrechtlich die Kompensation eines Schadens einklagt, wird diesen eher wahrheitswidrig vergrößern als verkleinern. Wer Anträge auf öffentliche Förderung stellt, wird die benötigten Mittel in Antizipation der allfälligen Kürzungen eher übertrieben hoch ansetzen. Und wer im öffentlichen Dienst verbesserte Arbeitsbedingungen und höhere Einkommen fordert, der wird als Begründung tunlichst nicht allein die eigenen Einkommensinteressen, sondern vielleicht wahrheitswidrig das selbstlose Motiv eines besseren Dienstes an Schülern, Patienten und anderen Empfängern von Diensten geltend zu machen versuchen.

In allen diesen Fällen wäre eine strikte Befolgung von Ehrlichkeits- und Aufrichtigkeitsnormen schon deswegen schwer zumutbar, weil immer das Argument zur Verfügung steht, „die anderen”, d.h. die politischen Konkurrenten, verhielten sich ja auch nicht besser und es sei unzumutbar, dem einzelnen anzusinnen, auf den handfesten wirtschaftlichen bzw. politischen Kosten seiner Ehrlichkeit sitzenzubleiben. Strikte Wahrhaftigkeit kann man sich nur leisten, wenn man sehr privilegiert und unabhängig ist, wenn man sicher sein kann, dass alle anderen dieser Norm ebenfalls folgen bzw. wenn das Publikum auf die Aufdeckung von Unehrlichkeiten mit einem abschreckenden Ausmaß an Empörung und entsprechend scharfen Sanktionen reagiert.

Die Leugnung des genuin strategischen und insofern „unehrlichen” Charakters politischen Handelns ist selbst unehrlich. Die größten Lügner sind die Saubermänner, die die Politik als das sprichwörtlich schmutzige Geschäft verleumden. Es ist ein untrügliches Kennzeichen populistischer Politiker, sich selbst als nicht-strategische Akteure darzustellen – d.h. so zu tun, als ob sie nichts als „das allgemeine Gute” im Auge hätten und unablässig darauf bedacht wären, dem Volk „reinen Wein einzuschenken”, gesinnungsethisch ihren innersten Überzeugungen folgten und diese stets mit Aufrichtigkeit verträten. Es gibt so etwas wie eine populistische Lüge der Authentizität.

Ohne ein unangemessenes Ausmaß an Mitgefühl für die Angehörigen unserer politischen Eliten aufkommen zu lassen, wird man auch folgenden Gedanken berücksichtigen müssen. Berufspolitiker – andere gibt es praktisch nicht – in Demokratien unterscheiden sich von ebenfalls hart arbeitenden sonstigen Angehörigen ihrer typischen Qualifikations- und Einkommensgruppe, also etwa von Leitern einer Sparkassen-Zweigstelle, dadurch, dass sie dem für diese ganz untypischen Dauerrisiko einer Diskontinuität ihrer Berufstätigkeit ausgesetzt sind. Schließlich kennt niemand den Ausgang des nächsten Nominierungsparteitages, gar der nächsten Wahlen. Kaum jemand kann sich leisten, nur „für” die Politik zu leben und nicht auch „von” der Politik. Um trotz dieses demokrati ebedingten und abschreckenden Berufsrisikos der Politiker das notorisch knappe Personalangebot anwerben zu können, müssen politische Parteien ihnen etwas bieten: die materielle Sicherheit einer verlässlichen „Amtspatronage”.

Politische Parteien und ihre Mandatsträger stecken deshalb in einem Zwiespalt. Sie müssen kollektiv und individuell Vorsorge treffen für die Eventualität eines wahlpolitischen Misserfolges, zugleich müssen sie das aber in einer so verdeckten Weise tun, dass diese Vorsorge nicht öffentlich sichtbar wird, sonst gefährden sie ihre Chancen beim wählenden Publikum erst recht. So erklärt sich einerseits die unersättliche finanzielle Begehrlichkeit der Parteien, trotz aller öffentlichen Parteienfinanzierung; andererseits ihre Tendenz, die Praxis dieser Begehrlichkeit und deren Erfolge durch Lügen oder pflichtwidrige Wahrheitsverweigerung zu bemänteln.

Die politische Lüge erzeugt heilsamen Argwohn

Die Tatsache, dass Politiker mit der Wahrheit strategisch umgehen müssen, ist nicht nur nicht zu leugnen; sie ist vielleicht nicht einmal ernstlich zu bedauern. Vielmehr wird die nüchterne Anerkennung der Tatsache, dass dies so ist, durch zwei ihrer eher tröstlichen Wirkungen erleichtert.

Erstens sind dem Verschweigen, der Lüge, der Täuschung und der Korruption der Politiker gewisse Grenzen gesetzt. Sie können die Realität nicht beliebig manipulieren – dagegen bestehen in einigermaßen funktionstüchtigen demokratischen Verfassungsstaaten Schranken in Gestalt parlamentarischer Untersuchungs- und Kontrollrechte, der Medien, der Parteienkonkurrenz, der Gerichte und letztlich des politischen Wissens und des guten Gedächtnisses der Bürger.

Zweitens aber dürfte die Anerkennung des innigen Zusammenhanges von Politik und Lüge bei den Bürgern einen ebenso realistischen wie heilsamen Argwohn kultivieren. Dieser Argwohn, der das Gegenteil von Zynismus und selbst ein produktives Element einer demokratischen politischen Kultur ist, veranlasst die Bürger, ihren Vertrauensvorschuss für die Politik oder einzelne Politiker und deren Deutungsangebote knapp zu halten. Weit davon entfernt, dem populistischen Trugbild einer „ehrlichen” Politik nachzujagen und sich im Falle der Enttäuschung dieses Trugbildes moralisch indigniert vom schmutzigen Geschäft der Politik abzuwenden, wird der mit heilsamem Argwohn die Politik beobachtende Bürger gegen den Bann und die Verführung einer als durch und durch ehrlich, aufrichtig, authentisch oder gar wissenschaftlich abgesegnet daherkommenden Politik immun sein. So hat es mir immer als ein Vorzug der amerikanischen politischen Kultur eingeleuchtet, dass dort Politiker immer in erster Linie als Akteure gelten, die ihren eigenen Vorteil, ihre Machterhaltungs- und Bereicherungsinteressen im Auge haben — und denen man deshalb entsprechend gründlich auf die Finger schauen muss.

In Grenzen gehören also „falsche Aussagen”, d.h. Irreführungen, Vereinfachungen, Geheimhaltung, Beschönigung, Verschweigen und wahrheitswidrige polemische Unterstellung ganz unverzichtbar zum Handeln von Politikern. Ebenso gehört dazu die Sicherung von Vorteilen für Personen und für Organisationen, die, würden sie bekannt, auf öffentliche Missbilligung stoßen müssten und deshalb am Bekanntwerden gehindert oder, falls dies nicht gelingt, nach Kräften dementiert werden.

Insti­tu­ti­onen für die Wahrheit?

Aus diesen Überlegungen ließe sich lernen, dass politische Ehrlichkeit keine moralische Kategorie von Bürgern und Politikern ist, sondern eine Eigenschaft institutioneller Systeme. Die Politik ist nur so ehrlich wie die Institutionen wirksam sind, die Unehrlichkeit jenseits bestimmter Bagatellschwellen riskant machen und die Wahrscheinlichkeit steigern, dass die Urheber strategischer Täuschungen mit einem abschreckenden Maße von Wahrscheinlichkeit eine Enttäuschung erleben und ihre unehrlichen Wirklichkeitsinszenierungen korrigiert werden. Die Norm politischer Ehrlichkeit wird dann eingelöst, wenn im Rahmen hinreichend sensibler und fairer Institutionen falsche Aussagen schlechte Chancen haben. Falsche Aussagen kommen dann zwar unvermeidlich vor, aber institutionelle Mechanismen der Aufdeckung und Korrektur sorgen dafür, dass sie keinen gravierenden Schaden anrichten.

Was beispielsweise den Parteifinanzierungsskandal der CDU im Jahr 2000 betrifft, so gab es verschiedentlich ein erleichtertes Aufatmen über die Tatsache, dass die Angelegenheit „jedenfalls herausgekommen ist”. Wenn ich mich nicht täusche, war dieses Aufatmen vornehmlich in Ostdeutschland zu vernehmen. Hier gab es, zumindest bei denen, die nicht mit Häme auf die Defekte der vor kurzem eingeführten westdeutschen Musterdemokratie deuten wollten, das freudige Staunen darüber, dass politischen Eliten eine Aufdeckung ihrer Machenschaften überhaupt widerfahren kann. Das wäre in der DDR geradezu definitionsgemäß unmöglich gewesen. Freilich können wir nicht sicher sein über das Maß von Zuverlässigkeit, mit der das geschieht. Weil es keine direkten Opfer gibt (wie bei Raub-und Tötungsdelikten), liegt die Dunkelziffer hier besonders tief im Dunkeln.

Gleichwohl haben sich institutionalisierte Kontroll-, Prüf- und Beaufsichtigungsverfahren in diesem Fall in begrenztem Umfang bewährt. Gegenwärtig wird hierzulande vielfältig darüber nachgedacht, durch welche institutionelle Innovationen man das Niveau der Ehrlichkeit politischer Kommunikation steigern und so die institutionellen Wahrheitsverbürgungen im politischen Prozess aufrüsten kann.

Hierfür kommen im Prinzip vier Ansatzpunkte in Betracht, insofern es um den Standardfall geht, dass Politiker und ihre Parteiorganisationen die Herkunft und Verwendung von Geldmitteln verschleiern oder falsch deklarieren. Zwei Fallgruppen unehrlicher Machenschaften sind dabei zu unterscheiden. Im einen Fall werden öffentliche Mittel für private Zwecke verwendet, also z.B, öffentlich bezahlte Flüge für Urlaubsreisen oder Geburtstagsbesuche. Das mag moralisch anstößig und für den Steuerzahler ärgerlich sein, hat aber nur marginalen Einfluss auf die laufende politische Entscheidungsproduktion – so lange jedenfalls, wie sich die Nutznießer nicht erpressbar machen. Zum anderen geht es um den spiegelbildlichen Fall, dass privates Geld für politische Zwecke verwendet wird, z.B. für Wahlkämpfe oder den „Kauf” von Stimmen von Abgeordneten oder die Entscheidungen von Regierungsmitgliedern. Der letztere Fall ist nicht nur moralisch, sondern auch politisch beunruhigend, weil er dazu geeignet ist, das Prinzip demokratischer Legitimität auszuhöhlen und in Verruf zu bringen. Welche Abhilfen sind für diese beiden Fallgruppen vorstellbar, um die Mängel auf der Ebene der persönlichen Wahrhaftigkeit durch institutionelle Vorkehrungen zu kompensieren und gleichsam das Versagen des Piloten durch das Umschalten auf einen Autopiloten folgenlos zu machen?

  1. Zunächst kann man bei den Gelegenheiten zu illegalen Vorteilsnahmen beiderlei Natur ansetzen, die dann verschwiegen oder durch Lügen verdeckt werden. Solche Gelegenheiten wachsen, so ist argumentiert worden, mit der Amtsdauer von Amtsinhabern. Je länger die erwartete Amtsdauer eines Amtsinhabers ist, desto stärker der rationale Anreiz für Spender, in die Dankbarkeit des Begünstigten gleichsam zu investieren. Außerdem wächst mit der tatsächlichen Amtsdauer die Chance, potenziell disloyale organisationsinterne Mitarbeiter und Mitwisser auszuschalten oder unter Kontrolle zu bringen. Aus beiden Gründen könnte es eine gute Idee sein, wenn man Amtszeiten qua Gesetz begrenzt. Dieser Vorschlag hat allerdings den Nachteil, dass zugleich auch die Entscheidungsfreiheit von Parteiorganisationen und letztlich auch Wählern beeinträchtigt würde, wiederholt vom Amtsbonus bewährter Spitzenpolitiker zu profitieren. Gelegenheiten zur Abzweigung öffentlicher Mittel für private Zwecke können durch Verschärfung haushaltsrechtlicher Rechenschaftspflichten vermindert werden.

  2. Man könnte die Anreize zu vermindern suchen, von sich bietenden Gelegenheiten zur Konversion privater Mittel in politische Ressourcen tatsächlich Gebrauch zu machen. Das ist die bereits in großem Umfang eingesetzte Grundidee der öffentlichen Parteienfinanzierung, die den Zusatzbedarf an ggf. verschleierungsbedürftigen weiteren Zuwendungen begrenzen soll. Da es aber trivialerweise keine Sättigungsgrenze für den Geldbedarf von Parteien gibt, zumal wenn die öffentlichen Zuwendungen sämtlichen Parteien zugutekommen, ist das wohl kein weiterführender Gedanke.

  3. Man könnte drittens das Entdeckungsrisiko unerlaubter und deshalb mit Lügen zu verschleiernder Handlungen steigern. Das würde dann geschehen, wenn die gesetzlichen Transparenz- und Publizitätspflichten verschärft würden. Zwei Gesichtspunkte lassen uns jedoch zögern, allzu große Hoffnungen in diesen Typ von Lösungen zu setzen. Zum einen müssten die verschärften gesetzlichen Vorschriften ja solche sein, die die Parteien (oder jedenfalls die Parteien einer parlamentarischen Mehrheit) sich selbst auferlegen; sie werden vermutlich zögern, dies in rigoroser Weise zu tun, weil sie dann unvermeidlich auch den politischen Konkurrenten Ein-blick in ihre finanzielle Intimsphäre gewähren würden. Zum anderen würde vermutlich, wie bereits in der Vergangenheit beobachtbar, eine Spirale vorbeugender Abwehr gegen unerwünschte Einsichtnahme in Gang gesetzt. Wenn das Entdeckungsrisiko durch den Gesetzgeber verschärft wird, weicht man auf Kommunikations- und Zahlungswege aus, die außerhalb des Zugriffs der nationalen Behörden liegen. Es ist zumindest offen, wer hier am längeren Hebel sitzt.

  4. Schließlich kann man die Entdeckungsfolgen verschärfen, also höhere und deshalb zuverlässiger abschreckende Strafen auf aufgedeckte Finanzierungsverstöße und Lügen aussetzen. Dabei müsste es sich um Freiheitsstrafen für natürliche Personen, nicht nur um Geldstrafen für juristische Personen handeln, weil letztere nicht abschreckend wirken, sondern nur den Bedarf an weiteren Spenden aktualisieren.

Kognitive Hygiene für die Demokratie

So wird man sich auf die bestehenden Instanzen und Mechanismen weiter verlassen müssen, welche mit der Aufdeckung von Unehrlichkeiten beauftragt oder aus strategischen Kalkülen daran interessiert sind. Dazu gehören die Medien, Polizei und Gerichte, vor allem auch die konkurrierenden Parteien, die durch die Mittel der Untersuchungsausschüsse und im Rahmen der thematischen Gestaltung ihrer Wahlkämpfe sich wechselseitig unter kritische Aufsicht stellen. Diese Aufsicht wird allerdings dann versagen, wenn die aufzudeckenden Vorkommnisse und Praktiken nicht die Angelegenheit nur einer Partei sind, sondern Anlässe zu parteiübergreifenden Praktiken des sozusagen kartellierten Lügens und Verschweigens bestehen. Unterhalb der Ebene von manifesten Verletzungen strafrechtlicher Normen („Untreue“) haben auch Polizei und Justiz keine nennenswerten Sanktionspotentiale zu ihrer Verfügung. Insofern könnte es sein, dass wir uns als Bürger täuschen – bzw. gleichsam einer Lüge zweiter Ordnung zum Opfer fallen –, wenn wir daran glauben, dass unser Institutionensystem hinreichend wirksame Abwehrmittel bereithält, um Unehrlichkeiten, Betrug und Lügen seitens der politischen Eliten aufzudecken, zu sanktionieren und für die Zukunft abzuschrecken. Können nicht auch Institutionen ihrerseits lügen, d.h. die Bürger in einer trügerischen Sicherheit hinsichtlich ihrer Fähigkeit wiegen, Lügen aufzudecken? Wir hätten es dann mit Lügen zweiter Ordnung zu tun – mit Täuschungen über die zuverlässige Aufdeckbarkeit von Täuschungen.

Das gilt selbst für die Medien, die in den aktuellen Fällen gravierender politischer Unehrlichkeiten bemerkenswerte Leistungen bei der Aufdeckung derselben zustande gebracht haben. Aber diese Leistungen hängen – in ihren Auswirkungen wie in ihrer Dauerhaftigkeit – letztlich von zwei nicht-institutionellen Voraussetzungen ab. Zum einen darf sich der Kampf der Medien gegen Korruption, Betrug und Lüge in der Politik nicht als ein Kampf gegen Windmühlenflügel darstellen: Die Politiker, deren norm- und pflichtwidrigen Machenschaften aufgedeckt werden, müssen also als Ergebnis medialer Enthüllungen „Wirkung zeigen” wie ein angeschlagener Boxer. Wenn diese Politiker sich hingegen publikumswirksam auf die indignierte Pose dessen zurückziehen können, der sich über eine „Medien-Treibjagd” usw. beschwert, dann ist mit der wahrheitsgemäßen Unterrichtung der Öffentlichkeit wenig auszurichten. Es kommt also für die Funktionsfähigkeit der genannten Kontrollinstitutionen darauf an, dass die Angesprochenen für nicht-institutionelle Kategorien wie die der Reue, der Ehre, der Beschämung, der professionellen Selbstachtung usw. überhaupt ansprechbar sind. Sind sie es nicht, so kann auch die mediale Aufklärung wenig ausrichten; diese Erkenntnis wird die Medien entmutigen, ihr Wächteramt weiterhin energisch wahrzunehmen.

In letzter Instanz hängt es von den Bürgern selbst ab, dass die Institutionen funktionieren — sowohl die Institutionen des politischen Systems selbst wie die Kontroll- und Korrekturmechanismen, die in dasselbe eingebaut sind und hoffentlich nicht nur den fälschlichen Anschein erwecken, diese Funktion der „kognitiven Hygiene” für Politik und Gesellschaft zu erfüllen. Überspitzt könnte man daher sagen, dass jede Gesellschaft die politische Elite hat, die sie verdient. Denn zu jeder Lüge gehören zwei: einer, der lügt und einer, der sich entweder aus Naivität und Mangel an demokratischem Argwohn belügen lässt oder aus Zynismus und Indifferenz selbst erwiesene Lügen für Bagatellangelegenheiten hält.

Literatur

Kant, Immanuel 1968 [1797]: Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen; in: Ders.: Werke in zwölf Bänden, hg. v. Wilhelm Weischedel, Bd. 8, Frankfurt/Main, S. 635-643

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