Protest gegen Putun-Ehrendoktorwürde
Professoren und Professorinnen der Universität Hamburg protestieren gegen die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den russischen Präsidenten Putin
Der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg hat beschlossen, dem russischen Präsidenten Putin im September 2004 in einer feierlichen Zeremonie im Rahmen des deutsch-russischen zivilgesellschaftlichen Dialogs“ die Ehrendoktorwürde zu verleihen.
Die Verleihung dieser akademischen Ehrendoktorwürde setzt nach der Promotionsordnung herausragende wissenschaftliche Leistungen voraus. Mit solchen ist der als Jurist ausgebildete derzeitige Präsident Russlands weder vor noch während seiner Amtszeit hervorgetreten.
Aber selbst wenn man im Rahmen des allerorts Üblichen bei der Ehrung von aktiven Politikern von einer strengen Handhabung des Wortlauts der Promotionsordnung absehen möchte, halten die Unterzeichnenden diese besondere Ehrung im Fall von Präsident Putin für unangebracht.
Gerade die nicht auf eine besondere wissenschaftliche Leistung abzielende akademische Ehrung kann angemessen nur die ganzheitliche Gesamtwürdigung der Aktivitäten und Wirkungen einer Persönlichkeit zum Ausdruck bringen und legt an die auszuzeichnende Persönlichkeit besonders hohe Maßstäbe an.
Für eine solche Würdigung des jetzigen russischen Präsidenten besteht deshalb kein Anlass, weil er den entsprechenden Maßstäben nicht genügt.
Unter seiner Führung und Verantwortung bleibt Russland fortlaufend in einen in völkerrechtswidriger Weise geführten Krieg in Tschetschenien verwickelt, der täglich Opfer fordert und nicht geeignet ist, zur regionalen Stabilisierung beizutragen.
Unter seiner Führung und Verantwortung nimmt die junge russische Demokratie nach einhelligem Urteil von Experten zunehmend autoritäre Züge an und ist dabei, in einem schleichenden Regimewechsel sich immer mehr einem plebiszitär nur scheinbar legitimierten persönlichen Regiment des Präsidenten anzuverwandeln.
Unübersehbare Indizien dafür sind u.a.
- die auch von internationalen Menschenrechtsorganisationen, dem Europarat und Gremien des Europäischen Parlaments offen kritisierten Einschränkungen und Behinderungen von oppositionellen Parteien und Kandidaturen bei den zurückliegenden Präsidenten- wie Parlamentswahlen;
- die weithin beobachtbare Schikanierung und offene Verfolgung von unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Institutionen, in- wie ausländischen Stiftungen, Menschenrechtsorganisationen und Vereinen mit administrativen und justiziellen Mitteln, die dadurch in ihren verfassungsmäßigen Entfaltungsmöglichkeiten behindert werden;
- die Art und Weise, wie erkennbar direkt aus dem Präsidentenbüro gesteuert die Entwicklung einer vielfältigen und unabhängigen Medienlandschaft unterdrückt und vor allem im Fernsehen zugunsten eines staats- und präsidentenfrommen antipluralistischen Programms behindert wird – beispielhaft erkennbar in der Verstaatlichung des letzten noch übrig gebliebenen Privatsenders NTW;
- die Instrumentalisierung und damit Unterhöhlung der Unabhängigkeit der Justiz bei der Verfolgung oppositioneller oder einfach den Interessen der Staatsführung entgegenstehender Personen und Organisationen – wie sie sich zuletzt in der Yukos-Affäre gezeigt haben.
Die unterzeichnenden Professoren und Professorinnen der Universität Hamburg finden es angesichts dieser Umstände besonders makaber, dass die akademische Würdigung ausgerechnet im Rahmen der Veranstaltung eines deutsch-russischen zivilgesellschaftlichen Dialogs“ vorgesehen ist. Angesichts der Unabwendbarkeit des Ereignisses selbst erwarten sie zumindest, dass in diesem Dialog“ über die tatsächliche Situation der Zivilgesellschaft nach wissenschaftlichen Maßstäben diskutiert und geurteilt werden kann.
Verantwortlich: Prof. Dr. Michael Th. Greven Unterzeichnende Professorinnen und Professoren (Stand: 10. August 2004):
Fred van den Anker, Eva Bamberg, Hans-Jürgen Bandelt, Ulrich Bismayer, Theo Bungarten, Rainer Carle, Günter Dammann, Hans Daduna, Helene Decke-Cornill, Werner Diederich, Holger Drees, Willis J. Edmonson, Christiane Floyd, Hartmut Freytag, Bettina Friedl, Frank Golczewski, Wolfgang Grünberg, Hans-Martin Guttmann, Klaus Hartenstein, Eugen Helimski, Jörg Hennig, Wiebke Hirdes, Knut Hickethier, Manfred Holler, Katharina Holzinger, Peter Hühn, Hans J. Kleinsteuber, Hans-Christoph Koller, Franklin Kopitzsch, Wolfgang Künne, Christine Landfried, Ingrid Lohmann, Rolf von Lüde, Wolfgang Meyer, Dieter Möhn, Hans-Harald Müller, Lydia Murmann, Ursula Neumann, Irene Neverla, Karl Josef Pazzini, Birgit Pfau-Effinger, Marianne Pieper, Peter Reichel, Bruno Reudenbach, Friedbert Rüb, Jürgen Sarnowsky, Christoph Schäfer, Angelika Schaser, Barbara Schenk (emer.), Sebastian Scheerer, Helmut Schreier, Ingrid Schröder, Karl Dieter Schuck, Helmut Sienknecht (emer.), Hartwig Spitzer, Ulrich Steinvorth, Klaus Struve, Rainer Tetzlaff, Joachim Thiem, Stefan Timm, Ralph Tuchtenhagen, Barbara Vogel, Siegfried Weischenberg, Wolfram Weiße, Harald Witt, Harald Wohlrapp, Gudrun Wolfschmidt