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Herrscher der Räume

Handlungslogiken von Imperien am Beispiel der USA

aus: Vorgänge Nr.170 ( Heft 2/2005 ), S.105-116

Irgendwann im vergangenen Jahrhundert scheinen der Wissenschaft von der Politik Fähigkeit und Bereitschaft, die Funktionsweise von Imperien zu durchdenken, verloren gegangen zu sein. Die Frage nach der sozialpolitischen Ordnung wird fast durchweg auf die Alternative reduziert, vom Staat oder von der Gesellschaft her zu denken; dass beide Ordnungsmodelle durch imperiale Strukturen überlagert sein können, wird entweder übersehen oder entschieden negiert. Lässt man die normativen Politikentwürfe des 20. Jahrhunderts Revue passieren, so kommen in ihnen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Imperien nicht vor. Und wo von Imperien die Rede ist, da in normativ ablehnender Form oder als einer politischen Ordnung, die prinzipiell der Vergangenheit angehöre. Das Ende der europäischen Kolonialreiche und schließlich der Zusammenbruch der Sowjetunion stehen für das Ende imperialer Ordnung. Angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen dürfte es freilich nahe liegend sein, das „Denken des Imperiums” neu zu erfinden. Dies ist um so dringlicher, als vermutlich eine ganze Reihe von Missverständnissen und Dissensen zwischen den USA und einer Reihe europäischer Staaten aus eben diesem Nicht-Denken imperialer Handlungslogiken und Selbsterhaltungsimperative resultiert. Die Wiederaneignung eines „Denkens des Imperiums”, vor allem auf Seiten der Europäer, ist darum nicht bloß eine innerakademische Herausforderung, sondern sie trägt auch zur Klärung politischer Fragen und zur politischen Orientierung bei. Die „Imperiumsvergessenheit” des politischen Denkens dürfte vielerlei Gründe haben: Entscheidend ist wohl, dass imperiale Strukturen durchweg unter dem Verdacht stehen, individuelle Freiheit und kollektive Selbstbestimmung zu blockieren, also eine mehr oder minder stark ausgeprägte Form der Repression darzustellen, die politisch wie intellektuell zu bekämpfen ist. Dementsprechend werden Imperien, wenn sie denn überhaupt in den Blick kommen, von vornherein unter anti imperialen Vorzeichen betrachtet. Die Ära imperialer Machtentfaltung hinter sich gelassen zu haben, gehört zu den positiven Entwicklungen im Selbstverständnis der Europäer. Aber auch die USA haben ihren Gründungsakt, die Unabhängigkeitserklärung gegenüber Großbritannien und die Gründung einer republikanischen Föderation, als einen anti imperialen Akt in ihr politisches Selbstverständnis eingeschrieben. Die politische Ordnung der Staaten galt als das verbindliche Modell, zumal dies auch durch die UNO so festgeschrieben wurde. Aber dann kam der Kraft- und Bedeutungsverlust der Staaten dazwischen, der etwa Mitte der 1970er Jahre begann und sich in den 1990ern Jahren erheblich beschleunigte. Befinden wir uns also am Anfang einer neuen Ära imperialer Ordnung? Die Vermutung, dass dem so sein könne, ist in jüngster Zeit vermehrt zu hören: zumeist besorgt, gelegentlich auch erleichtert. Sehen wir uns also zunächst die Struktur imperialer Macht und Ordnung an.

Die Differenz zwischen staatlicher und imperialer Macht

Imperien folgen in Aufbau und Funktionsweise anderen Prinzipien als Staaten; demgemäß unterliegen sie auch anderen politischen Gesetzmäßigkeiten. Der wohl wichtigste Unterschied zwischen staatlicher und imperialer Macht besteht darin, dass sich Staaten gegenüber anderen Staaten in einem reziproken Verhältnis der Gleichheit befinden. Das ist bei Imperien nicht der Fall. Die Idee des Staates und der staatlichen Souveränität, wie sie im Europa der Frühen Neuzeit entstand, ist grundsätzlich mit der Vorstellung einer Vielzahl von Staaten verbunden, die sich wechselseitig als gleichberechtigt anerkennen, auch wenn sie sich über die Ziehung von Grenzen und die Zugehörigkeit von Gebieten streiten und deswegen sogar Kriege führen mögen. Dem Selbstverständnis von Imperien dagegen ist diese Reziprozitätsannahme fremd: Auch wenn im globalen Maßstab mehrere Imperien nebeneinander bestehen und womöglich sogar friedlich koexistieren, so erkennen sie sich doch nicht als Gleiche an, sondern begründen sich auf einander ausschließenden Ordnungsvorstellungen. In ihnen ist die soziopolitische Welt auf ein einziges Zentrum hin geordnet, und dieses Zentrum erkennt keine anderen gleichberechtigten Zentren neben sich an. Von daher tendieren Imperien grundsätzlich zum Unilateralismus, während das Konzept der Multilateralität seiner Grundidee nach mit der pluriversen Staatenwelt verbunden ist.

Der Ausschließlichkeitsanspruch imperialer Mächte gilt selbst für die Zeit des Ost-West-Gegensatzes, als sich die USA und die Sowjetunion mitsamt den um sie gelagerten Bündnissystemen in einer bipolaren Weltordnung gegenüberstanden. Von einigen Ausnahmen abgesehen, haben sie zwar ihre jeweiligen Einflusssphären machtpolitisch respektiert, sich gegenseitig aber niemals gleiche Legitimität zugestanden. Die klassenideologische Aufladung dieses Gegensatzes, die aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammt, aber in der Hoch-Zeit des Ost-West-Gegensatzes nur noch eine untergeordnete Rolle spielte, hat zahllose Beobachter dieser Konfliktlage in die Irre geführt und sie von einem „Weltbürgerkrieg” sprechen lassen. Tatsächlich ging es um die konkurrierenden Legitimationsansprüche zweier Imperien. Eine wechselseitige Anerkennung in Analogie zu den zwischenstaatlichen Anerkennungsverhältnissen war hier nicht möglich. Sie scheiterte nicht am fehlenden Willen der politischen Akteure, sondern an den strukturellen Selbsterhaltungserfordernissen imperialer Ordnungen: Hätte der „Westen” den „Osten” als gleichberechtigt anerkannt, so hätte er sich als politische Ordnung selbst aufgegeben,was in umgekehrter Hinsicht im übrigen genauso gilt. Imperien haben, im Unterschied zu Staaten, eine mission, und die duldet keine gleichberechtigte Alternative neben sich.

Aber die Bipolarität der internationalen Ordnung bis 1991 hat dazu geführt, dass die Kennzeichen und Leistungsanforderungen von Imperien im Hintergrund blieben und nicht offen zutage traten. Das änderte sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als die Vereinigten Staaten als einzige verbliebene Weltmacht immer deutlicher als imperialer oder quasi-imperialer Akteur auftraten und dabei als das sichtbar wurden, was sie zuvor immer auch schon waren, jedoch nie so deutlich nach außen gekehrt hatten: als imperiale Macht. Über vier Jahrzehnte nämlich war die NATO für die USA eine Instanz der politisch-militärischen Selbstbindung und hatte deren Möglichkeiten imperialen Agierens Grenzen gesetzt. Zwar übten die USA den bei weitem größten Einfluss innerhalb des Bündnisses aus, etwa indem sie grundsätzlich den Oberkommandierenden der Bündnisstreitkräfte stellten, aber andere wichtige Positionen, wie die des Generalsekretärs, wurden von den Verbündeten besetzt, die so einen ihre Größe und militärische Stärke weit überwiegenden Einfluss erlangten. Dies war der Preis, den die USA über lange Zeit für die Stabilität und Handlungsfähigkeit des Bündnisses zu zahlen bereit waren. Es war dies eine Selbstbeschränkung unter den Bedingungen der Konkurrenz zweier Imperien, aus der die USA einen erheblichen politischen Mehrwert zogen, weil die Sowjetunion als konkurrierende imperiale Macht zu vergleichbaren Selbstbeschränkungen weder bereit noch in der Lage war. Eine den USA vergleichbare Selbstbeschränkung der Sowjetunion hätte mit großer Wahrscheinlichkeit zum Zerfall des Warschauer Paktes geführt – und dadurch verwandelte sich die Selbstbeschränkung der USA in einen überzeugenden Beweis ihrer politischen Überlegenheit.

Hegemonie oder Imperium?

Die Selbstbeschränkungen der USA im Gegensatz zu den unbeschränkten Herrschaftsansprüchen der Sowjetunion wurde häufig als der Unterschied zwischen Hegemonie und Imperium bezeichnet. Auch im Vorfeld des jüngsten Golfkrieges wurde diese Unterscheidung immer wieder bemüht, um den USA die Rolle eines „wohlwollenden Hegemon” schmackhaft zu machen. Aber die Grenzziehung zwischen Hegemonie und Imperium ist schwierig, weil die Übergänge fließend sind. Im Anschluss an Heinrich Triepel, dessen Buch Die Hegemonie nach wie vor die beste Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist, kann man sagen, dass sich der Hegemon an die Regeln, die er gegeben hat, auch selber hält, während das Imperium dazu tendiert, die Regeln seiner Machtausübung je nach den eigenen Erfordernissen zu ändern (Triepel 1938). Man kann dies auch als den Unterschied zwischen Vor-Herrschaft und Herrschaft bezeichnen. Ebenfalls im Anschluss an Triepel kann man sagen, der Hegemon behandele seine Gefolgschaft formell als Gleiche, wenn er auch bei allen wesentlichen inhaltlichen Fragen erwarte, dass man seinen Vorgaben folge, wohingegen das Imperium nie von einer formellen Gleichheit zwischen der zentralen Macht und den Gefolgschaftsstaaten ausgehe. Tatsächlich konnte man den Unterschied zwischen NATO und Warschauer Pakt in der Zeit des Ost-West-Gegensatzes so beschreiben.

Die Unterscheidung zwischen Imperium und Hegemonie zeigt aber auch, dass die Art der Herrschaftsausübung nicht allein vom Zentrum abhängt, wie die meisten Imperialismustheorien unterstellt haben, sondern ebenso auch von der Peripherie: ob die expandierende Macht hier auf Akteure trifft, die ihr eher gleich oder gänzlich verschieden sind, ob diese Akteure die Hegemonie des Stärkeren anerkennen, gar ihn um Schutz ersuchen oder ob sie sich ihm notorisch widersetzen usw. So kann man denn auch sagen, dass es die zurückhaltende Form imperialer Machtausübung war, die Washington in Europa die kommode Position eines Hegemon ermöglicht hat.

Das ameri­ka­ni­sche Imperium nach 1989

Das hat sich mit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes geändert. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion schwand das Interesse der US-Administration an Selbstbindung, da der aus ihr gewonnene politische Mehrwert keine Rolle mehr spielte. So wurde die freiwillige Selbstbindung zunehmend als eine lästige Fesselung durch die Verbündeten erfahren, wodurch die eigene Handlungsfähigkeit über Gebühr eingeschränkt wurde. Die Möglichkeit zu einer zunächst unbemerkten Lösung dieser Fesseln stellte sich für die USA im Zusammenhang mit der NATO-Osterweiterung Ende der 1990er Jahre, in deren Verlauf sie die NATO aus einem Militärbündnis in eine politische Allianz verwandelten, mit der sie West- und Mitteleuropa mit starken Ausstrahlungen auf Osteuropa unter ihrer Kontrolle halten können, ohne sich dabei größeren Selbstbindungen und Selbstverpflichtungen unterwerfen zu müssen.

Die Folgen dieser Veränderung wurden deutlich, als nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die NATO zwar erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall erklärte, sie in dem anschließenden Krieg gegen das afghanische Talibanregime aber keinerlei Rolle spielte, sondern durch eine Koalition der Willigen abgelöst wurde, in der die USA aufgrund fehlender formaler Strukturen eine uneingeschränkt dominierende Rolle spielten. Das Machtungleichgewicht zwischen den europäischen Staaten auf der einen und den USA auf der anderen Seite trat nunmehr offen zutage und wurde seitens der Amerikaner als Basis ihrer Entscheidungsdominanz in Anspruch genommen. Robert Kagan hat das in seinem Essay Macht und Ohnmacht ganz offen ausgesprochen: Die US-Amerikaner bestellen das Essen, die Europäer waschen das Geschirr ab (Kagan 2003). Die Dramatik der Veränderungen, die sich hier innerhalb kürzester Zeit vollzogen haben, wurde durch zwei Entwicklungen noch verschärft: 1. durch den Umstand, dass die Amerikaner das Rüstungsniveau des Ost-West-Gegensatzes tendenziell aufrechterhielten, während die Europäer die Friedensdividende einstrichen und ihre Rüstungsausgaben absenkten; 2. durch den Wechsel von der Clinton- zur Bush-Administration, die sich in ihrer politischen Grundausrichtung nicht einmal so sehr unterschieden, diese aber auf eine völlig verschiedene Art kommunizierten. Vor allem Verteidigungsminister Donald Rumsfeld führte dies den Europäern im Vorfeld des dritten Golfkrieges einige Male drastisch vor Augen.

Imperiale Mission — anti imperialer Hass

Die reziproken Anerkennungsverhältnisse der Staatenwelt, wie sie sich in Europa seit Mitte des 17. Jahrhunderts herausgebildet hat, erlauben den einzelnen Staaten den Verzicht auf eine weltgeschichtliche Legitimationsideologie, ja sie erzwingen ihn geradezu. Bei den Imperien ist das anders: Sie müssen eine Ideologie entwickeln, die der soziopolitischen Ordnung des Imperiums eine herausgehobene Bedeutung für das Wohlergehen und den Fortbestand der Welt zuweist. Wir können dies die Mission des Imperiums nennen. Dabei kann es sich um die Sicherung des Friedens handeln, oder den zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit oder die Durchsetzung von Marktwirtschaft, Demokratie und Menschenrechten, oder das Aufhalten des Weltendes und dergleichen mehr. Imperien rechtfertigen sich in ihrer machtpolitischen Singularität, ihrem Anspruch, den Gang der Dinge tendenziell für die ganze Menschheit zu entscheiden, durch ihr besonderes Verhältnis zur Geschichte, zu Gott, zur Vorsehung usw. Imperien schreiben sich so eine besondere Aufgabe zu, durch die sie zum Garanten und Aufseher des Wohls der gesamten Menschheit werden.

Die weltpolitische Legitimationsideologie der Imperien provoziert freilich starke Reaktionen, vor allem an der Peripherie und jenseits der imperialen Grenzen. In ganz anderer Weise als Staaten sind Imperien das Objekt von Bewunderung wie Feindschaft. Die Staatenwelt kennt vergleichbares nicht, da sie durch die Konstruktion reziproker Anerkennung starke Zustimmungs- und Ablehnungsgefühle neutralisiert hat. Dagegen scheiden sich an den Imperien in aller Welt die Geister: in Freunde und Unterstützer auf der einen sowie Hasser und Feinde auf der anderen Seite. Dass die USA weltweit pro-amerikanische wie antiamerikanische Stellungnahmen provozieren, ist nichts neues, sondern ein die Geschichte sämtlicher Imperien begleitendes Phänomen. Im Prinzip handelt es sich dabei um Stellungnahmen zur imperialen Legitimationsideologie, die im einen Fall akzeptiert, womöglich gar emphatisch unterstützt und im anderen verworfen und bekämpft wird. Imperien und viele ihrer Bürger haben darum ein anderes Verhältnis zu ihrer politischen Umgebung als die Bürger von Staaten: Sie fragen sich, warum sie nicht noch mehr bewundert und geliebt werden und sie fühlen sich gleichzeitig in hohem Maße angefeindet und bedroht.

Zentrum und Peripherie, Grenzen und Raum

Eine weitere Quelle für die notorischen Missverständnisse zwischen US-Amerikanern und Kontinentaleuropäern ist die unterschiedliche Wahrnehmung politischer Grenzziehungen und darauf begründet der unterschiedliche Umgang mit Grenzen. In der Welt der Staaten markieren politische Grenzen immer auch die Differenz zwischen Krieg und Frieden: Die Überschreitung einer solchen Grenze mit bewaffneter Macht ist hier mit einer Kriegserklärung gleichbedeutend, unabhängig davon, ob diese nun formell ausgesprochen wird oder nicht. Das ist bei Imperien keineswegs der Fall. Grenzen sind für Imperien fast immer semipermeabel: Von außen nach innen darf sie keiner mit bewaffneter Gewalt überschreiten, ohne mit massiver Gegenreaktion rechnen zu müssen. Für sich selber freilich nehmen Imperien sehr wohl in Anspruch, die Grenzen anderer Staaten zu überschreiten und sich in deren innere Angelegenheiten einzumischen, ohne dass dies als ein Krieg im völkerrechtlichen Sinne anzusehen wäre. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts sind Mittelamerika und die Karibik der Hinterhof der USA. Das ist die zwingende Folge des imperialen Selbstverständnisses als globaler Ordnungsgarant und Friedensstifter. Schon Caesar begründete seine Militärintervention in Gallien damit, dass dort Streitigkeiten zwischen verschiedenen Stämmen ausgebrochen seien und die unterdrückte Seite ihn zur Hilfe gerufen habe. Er ging davon aus, dass der Senat in Rom diese Erklärung als Rechtfertigung einer weitreichenden Eroberungspolitik akzeptieren würde. Es steht außer Frage, dass dieser Senat eine gallische Militärintervention in die römischen Bürgerkriege keinesfalls als gerechtfertigt angesehen hätte.

Imperien und Staaten unterscheiden sich nicht nur im Umgang mit Grenzen, sondern auch hinsichtlich der einheitlichen politischen Gestaltung des je eigenen Raumes. In Staaten hat die Machtausübung überall und jederzeit auf die gleiche Weise und nach denselben Prinzipien zu erfolgen, und das um so mehr, je stärker sich ein Staat zum Rechts- und Verfassungsstaat entwickelt hat. Imperiale Machtausübung ist dagegen nach einem System von Kreisen und Ellipsen geordnet, die vom Zentrum zur Peripherie auseinander laufen. Mit diesen Kreisen und Ellipsen verändert sich auch die Art und das Maß der Selbstbindung imperialer Macht. Im Zentrum, im eigentlichen Kernland des Imperiums, ist sie am stärksten, und hier gleicht sie dem, was für die Selbstbindung der Macht in Staaten gilt. Zur Peripherie hingegen nimmt sie immer weiter ab, ohne dass damit gegen die Funktionsprinzipien der imperialen Ordnung verstoßen würde. Das zeigt sich nicht nur an der Frage, ob US-Recht auch in Guantänamo gilt. Während Staaten ihre Stabilität und Funktionsfähigkeit aus der Herstellung einheitlicher Rechtsräume gewinnen, ist dies bei Imperien gerade nicht der Fall. Sie gewinnen Flexibilität und Handlungsfähigkeit aus dem Wechsel von Rechts- und Machtzonen. Probleme und Herausforderungen werden nach Möglichkeit in die Zone verlagert, wo sie am besten und effektivsten bearbeitet wer-den können. Für Staaten wäre dies ein Prozess der Selbstauflösung, bei Imperien ist dies ein Flexibilitätsgewinn. Aber bevor aus diesem Unterschied vorschnell antiimperiale Schlussfolgerungen gezogen werden, ist hinzuzufügen, dass imperiale Ordnungen auch eine Problembearbeitungskapazität besitzen, die die von Staaten weit übersteigt.

Die Leistungs­an­for­de­rungen an Imperien

Die vergleichende Betrachtung imperialer Machtordnungen zeigt, dass diese fünf Imperativen genügen müssen, wenn sie über einen längeren Zeitraum Bestand haben wollen. Das heißt sicherlich nicht, dass sie dies immer in gleichem Maße tun müssen, aber das Scheitern an einer dieser Anforderungen bzw. auch nur ein sich über längere Zeit hin-ziehendes Bearbeitungsdefizit führt zu wachsendem Problemdruck in den anderen Bereichen. In der Regel ist dann der Prozess des Verfalls einer imperialen Ordnung in eine irreversible Etappe eingetreten und der endgültige Zusammenbruch des Systems lässt nicht mehr lange auf sich warten. Es gibt freilich auch Beispiele dafür, dass es entschlossenen und durchsetzungsfähigen Reformern gelungen ist, solche Krisen der imperialen Ordnung zu bewältigen und in einen neuen Zyklus imperialer Machtentfaltung einzutreten. In der römischen Geschichte sind die Kaiser Augustus, Diocletian und Konstantin Beispiele dafür; in der britischen Geschichte wird man ähnliches von William Pitt d.J. (1759-1806) und William Gladstone (1809-1898) sagen können. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die Voraussetzungen für die Erfüllung der fünf Leistungsimperative wiederhergestellt haben. Geht man davon aus, dass die USA nach einer langen, fast das gesamte 19. Jahrhundert andauernden Anlaufphase erst im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert zu einer imperialen Macht aufgestiegen sind, die Dauer des amerikanischen Imperiums also eher kurz ist und es sich noch auf dem Weg zum Zenit seiner Machtentfaltung befindet, so hat es bislang noch keine vergleichbare Krisenetappe durchschritten. Es könnte freilich sein, dass die US-Administration die Terroranschläge vom 11. September und die darin zu Tage getretene Verletzlichkeit ihrer Macht als Anbeginn einer solchen Krisenetappe begriffen und dementsprechend radikal darauf reagiert hat. Die Auflösung bisheriger Selbstbindungen könnte als ein starkes Indiz dafür angesehen werden.

Drei der Leistungsanforderungen an Imperien beziehen sich auf die Modi der Integration des beherrschten Raumes. Es handelt sich dabei um die wirtschaftliche, die kulturell-zivilisatorische und schließlich die administrative Integration, die man sich jedoch nicht nach dem Prinzip der Vereinheitlichung, wie es für Staaten Geltung hat, vorstellen darf. Vielmehr geht es um die Herstellung eines sicheren Raumes, in dem Waren, Dienstleistungen und Informationen vom einen Ende bis zum anderen problemlos ausgetauscht werden können und der sich durch sein gesteigertes Sicherheitsniveau von den Zonen wachsender Unsicherheit an seinen Rändern abgrenzt. Es sind vor allem die erhöhten Sicherheitsgarantien innerhalb dieses Raumes, durch die die imperiale Ordnung sich gegenüber der angrenzenden „Unordnung” als überlegen erweist. Auf der Basis dieser Sicherheitsgarantien entstehen verdichtete Austauschbeziehungen, die den Wohlstand fördern, zivilisatorischen Fortschritt ermöglichen und eine kulturelle Blüte hervorbringen, wie sie zuvor unvorstellbar gewesen ist. Fast zwangsläufig sind die Grenzen solch imperialer Machtordnungen darum „Barbarengrenzen”, an denen sich ein sozial differenzierter, wirtschaftlich fortgeschrittener und zivilisatorisch entwickelter Raum von seiner zurückgebliebenen Umgebung abhebt. Genau dies macht die Attraktivität imperial beherrschter Räume aus: Sie eröffnen Möglichkeiten der Lebensführung, wie sie außerhalb ihrer nicht vorhanden sind. Diese Möglichkeiten fußen durchweg auf dem höheren Wohlstandsniveau, der größeren Sicherheit und der differenzierteren Betätigungsmöglichkeiten innerhalb des imperialen Raumes.

Die Macht des Meeres

In der Geschichte haben seezentrierte Imperien durchweg eine größere wirtschaftliche Integration zustandegebracht als landzentrierte. Auf See nämlich waren die Transportkosten um ein Vielfaches niedriger als auf dem Landweg. Das um das Mittelmeer zentrierte Imperium Romanum und das zunächst auf den Nordatlantik und später dann auf den Seeweg nach Indien gestützte britische Empire waren wirtschaftlich viel stärker integriert als das chinesische Reich oder das Reich der Zaren. Pointiert wird man sagen können: Seereiche wie die USA betreiben wirtschaftliche Integration über Warenzirkulation, die sie besteuern; Landimperien konzentrieren sich dagegen auf Mehrproduktabschöpfung durch administrative Besteuerung. Das erklärt, warum seegestützte Imperien in der Regel erheblich liberaler sind und in geringerem Maße Einschränkungen der Freiheit vornehmen müssen als landgestützte Imperien. Großreiche, die über Handel und Wandel integriert sind, können nicht nur liberaler sein als administrativ zusammengehaltene Reichsbildungen, sondern sie besitzen auch Flexibilitätsvorteile, die in Krisensituationen von größter Bedeutung sind. Seezentrierte Imperien können Krisen darum besser meistern als große Landreiche, die von außen erobert werden oder an Revolutionen im Innern zerbrechen. Das gilt für Seereiche so nicht: Sie werden nicht erobert oder durch innere Revolutionen zerstört, sondern schwinden langsam dahin. Der Ost-West-Gegensatz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat diese Grundregel der Weltgeschichte für landgestützte Imperien einmal mehr bestätigt.

Natürlich heißt dies nicht, dass seegestützte Imperien allein durch wirtschaftlichen Austausch und nicht auch durch Verwaltungsstrukturen integriert sind. Aber wie das Beispiel der USA zeigt, haben die Verwaltungsstrukturen hier eine geringere Bedeutung. Man könnte auch sagen, dass durch eine stärkere Inanspruchnahme wirtschaftlicher Faktoren das Anforderungsgefüge seegestützter Imperien so beschaffen ist, dass die Verwaltungsstrukturen nicht als erste überlastet werden. Stärker wirtschaftliche als administrative Integration des imperialen Raumes hat zudem den Vorteil, dass die herrschaftlich repressive Seite der imperialen Ordnung weniger in den Vordergrund tritt. Und die Wohlstandgewinne fördern die Zustimmung zur imperialen Ordnung auch bei den nicht im Zentrum lebenden Imperiumsbürgern. Wohlstandversprechen, gar Wohlstandssteigerung senkt die Beherrschungskosten. Wirtschaftliche Integration ist einer der „weichen” Faktoren der Macht im Sinne von Joseph Nye. Imperien funktionieren um so besser, je stärker sie sich auf solche weichen Machtfaktoren stützen können (Nye 2003). Das Umstellen auf die „harten” Faktoren der Macht, also auf die Beherrschungs- und Repressionsapparate wie Polizei und Militär, ist immer gleichbedeutend mit einem Flexibilitätsverlust. Und vor allem führt es zu einem dramatischen Anstieg der Beherrschungskosten. Das wiederum führt zu wachsender Repression an der Peripherie und erhöhten Lasten im Zentrum.

Stabilität und Sicherheit als Sinn des Imperiums

Dass diese kostengünstige Variante imperialer Integration zum Tragen gebracht werden kann, hat jedoch eine unverzichtbare Voraussetzung: die Garantie eines hohen Niveaus an Sicherheit innerhalb des imperialen Raumes. Nur unter dieser Voraussetzung kann es zu einer langfristig angelegten, robusten wirtschaftlichen Integration kommen. Händler und Großkaufleute, Unternehmer und Bankiers können nur dann langfristig angelegte Entscheidungen treffen, wenn ihnen solche Sicherheit gewährt wird. Freilich ist Sicherheit ein komplexer Begriff, und in ihm ist die Sicherung der Handelswege ebenso erfasst wie die Zuverlässigkeit der Informationen, die Rechtssicherung ebenso wie die Sicherung gegen äußere Bedrohungen. Sicherheit ist der Inbegriff des Friedens. Es kommt darum nicht von ungefähr, dass fast jedes Imperium sich als Friedensordnung begriffen und gefeiert hat: pax romana, pax britannica, pax sovjetica, pax americana…

Strategisch versierte Gegner zielen darum auf diesen zentralen Funktionsimperativ imperialer Macht: ihre Sicherheitsgarantien. Sie können auf diese Weise den Imperien einen größeren und langfristig folgenreicheren Schaden zufügen, als wenn sie deren Herrschaftsapparat, vor allem das Militär, direkt angreifen würden. Als den germanischen Wandervölkern der Einbruch in die Tiefe des Römischen Reiches gelungen war, hatte dies den Zusammenbruch der imperialen Infrastruktur zur Folge und die römische Militärmaschine, der diese Wandervölker in einer offenen Feldschlacht kaum gewachsen waren, kollabierte von selbst infolge des Zusammenbruchs ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen. Der rasche Zusammenbruch der europäischen Kolonialreiche in dey Mitte des 20. Jahrhunderts, von den Briten über die Franzosen bis zuletzt zu den Portugiesen, folgte einem ähnlichen Muster: Zwar zielten die Partisanenkriege an der Peripherie nicht auf die wirtschaftlichen Verbindungslinien, aber sie erhöhten die Beherrschungskosten des imperialen Raumes und raubten den proimperialen Eliten in den Randgebieten die Überzeugung, dass sie sich auch in Zukunft auf die Sicherheitsgarantien des Imperiums verlassen konnten. Die Briten, die am stärksten auf die wirtschaftliche Integration ihres Empire gesetzt hatten, erkannten als erste, dass sie dieser Herausforderung auf Dauer nicht gewachsen waren und gaben ihr Reich auf.

Man wird die Bedeutung, die die Anschläge vom 11. September für Stabilität und Zukunftsaussichten des amerikanischen Imperiums gehabt haben, nur richtig ermessen, wenn man sie als den vorläufigen Höhepunkt einer strategischen Offensive gegen die beiden zentralen Leistungsanforderungen liberaler Imperien begreift: das Wohlstands-versprechen und die Sicherheitsgarantien. Auch wenn die Rüstungsausgaben der Amerikaner mehr als doppelt so hoch sind wie die der Europäer, so steht doch außer Frage, dass die Beherrschungskosten des US-dominierten Raumes bislang eher gering und irr Vergleich mit früheren Imperien sehr niedrig gewesen sind – jedenfalls wenn man sie an der Größe des dominierten Raumes und dem in ihm erwirtschafteten Wohlstand misst. Das strategische Ziel der terroristischen Akteure vom 11. September war die Erhöhung der Beherrschungskosten für den US-dominierten Raum. Gleichzeitig zielten die Attacken aber auch auf das Sicherheitsgefühl der in diesem Raum lebenden Menschen: Unter den hochsensiblen Bedingungen eines wesentlich über Börsenkurse und Aktiennotierungen integrierten Wirtschaftsraumes sind es nicht so sehr die physischer.

Verbindungslinien, über deren Bedrohung Sicherheitsgarantien dementiert werden, sondern der Angriff zielt auf die sogenannte Phantasie der Anleger, über die wirtschaftliche Unsicherheit und lange währende Phasen ökonomischer Depression ausgelöst werden. Die anschließenden Terrorangriffe auf Touristeneinrichtungen in Djerba, Bali unc Mombasa sollten diese Unsicherheitserfahrung auf die breite Masse der Touristen ausweiten. Analysen, die unter Hinweis auf die – gemessen an früheren Kriegen – geringe Zahl der Opfer diese Bedrohung zu relativieren versuchten, haben deren strategische Funktion nicht begriffen. Es ist keineswegs Hysterie, sondern die Folge einer kühlen Analyse, wenn die US-Administration davon ausgeht, dass es sich hier um einen Krieg handelt. Ob dieser Krieg Europa erfasst, was mit den Anschlägen von Madrid kurz der Fall zu sein schien, wird sich demnächst zeigen.

Imperiale Eliten

Mit der wirtschaftlichen Integration des imperialen Raumes ist die Entstehung einer „reichsweiten” Ober- und Mittelschicht verbunden, die ein vitales Interesse an der Aufrechterhaltung der durch das Imperium hergestellten und garantierten Friedensordnung hat. Sie ist darum auch bereit, einen Teil der von ihr eingestrichenen Friedensdividende in die Aufrechterhaltung der imperialen Strukturen zu investieren. In der Regel findet dies seinen Niederschlag in der widerstandslosen Bereitschaft zur Abführung von Steuern und Abgaben, aus denen die Beherrschungskosten des imperialen Raumes finanziert werden. Aber diese Belastungen dürfen den Ertrag der Friedensdividende nicht über-schreiten – das ist neben der wirtschaftlichen, administrativen und zivilisatorischen Integration die vierte Leistungsanforderung, der imperiale Ordnungen genügen müssen. Wahrscheinlich dürfen die Beherrschungskosten die Friedensdividende nicht einmal näherungsweise verzehren, da sonst das Interesse dieser Ober- und Mittelschicht an der Aufrechterhaltung der imperialen Ordnung schwindet und man sich von kleinräumigeren Ordnungen ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis verspricht. Auf die USA bezogen stellt sich dies als die mit Finanzknappheit begründete Unterstützungsverweigerung der engsten Verbündeten und als ein Erstarken isolationistischer Grundströmungen innerhalb der amerikanischen Wahlbevölkerung dar. Präsidenten, die Zuviel in die imperiale Ordnung investieren und darüber den Wohlstand im imperialen Zentrum vernachlässigen, laufen Gefahr, bei der nächsten Wahl abgelöst zu werden. Die in ihrem Zentrum demokratisch kontrollierten Imperien sind dadurch gekennzeichnet, dass ein privilegierter Teil der Reichsbevölkerung die Kosten-Nutzen-Relation imperialer Machtentfaltung in regelmäßigem Abstand kontrolliert. Man wird darum davon auszugehen haben, dass beim amerikanischen Imperium die Orientierung an der Kosten-Nutzen-Bilanz eine sehr viel stärkere Rolle spielt, als dies in den klassischen Weltreichen der Fall gewesen ist. Das ist einerseits ein Selbstschutz gegen militärische Abenteuer, die im Falle der USA sehr viel schneller korrigiert werden als bei den vorangegangenen Imperien, aber es ist zugleich auch eine Angriffsmöglichkeit, die von den strategischen Gegnern der USA ausgebeutet werden kann. Die Träger des Widerstands im Irak scheinen dies sehr genau erkannt zu haben.

Herrscher der Räume

Als fünfte und letzte Leistungsanforderung an ein Imperium ist schließlich die Fähigkeit zur militärischen Sicherung der Grenzen zu nennen, wobei über die bloße Grenzsicherung hinaus die Bereitschaft zur politischen Kontrolle der um die Peripherien des Reichs angrenzenden Räume gehört. Einmal mehr unterscheidet dies Imperien von Staaten. Selbstverständlich unterliegen auch Staaten den Erfordernissen einer militärischen Grenzsicherung, und sie treffen auch dann dafür Vorkehrungen, wenn sie nur von befreundeten Staaten umgeben sind. Im Unterschied dazu haben Imperien aber auch das Vorfeld dieser Grenzen im Auge und unter Kontrolle zu behalten; imperiale Grenzen sind nämlich, wie oben dargelegt, keine zwischen gleichartigen politischen Gebilden, sondern grenzen den imperial geordneten Raum von der ihn umgebenden Unordnung ab. Damit diese Unordnung den imperial geordneten Raum nicht schrittweise infiltriert, wird sie auf deren eigenem Gebiet durch imperiale Interventionen bekämpft.

Die von Imperien betriebene Art der Grenzsicherung greift demgemäß sehr viel häufiger und auch sehr viel schneller zu militärischen Mitteln, als dies in der Handlungsrationalität von Staaten, zumal von demokratischen Staaten liegt. Freilich bildet hier nicht die Regierungsform der Demokratie, sondern die Organisation der Macht in Form eines Staates oder eines Imperiums den entscheidenden Unterschied. Zwischenstaatliche Kriege waren bereits im 19. Jahrhundert sehr viel seltener als imperiale Militärinterventionen in angrenzende Gebiete. Dafür waren zwischenstaatliche Kriege, selbst wenn sie kurz ausfielen, sehr viel blutiger als imperiale Interventionen, die sich selbst den Charakter von Pazifizierungskriegen gaben. In den Kriegen zwischen Staaten treffen gleich-artige Mächte aufeinander, die zu einer tendenziell gleichen Ressourcenmobilisierung in der Lage sind. Dementsprechend hart wird um den Sieg gerungen. In ihrer ganzen Geschichte haben die USA gegen einen äußeren Feind (der Sezessionskrieg des Südens ist hier also nicht einbezogen) keinen so verlustreichen Krieg geführt wie die europäischen Staaten während des Ersten Weltkriegs. Imperiale Kriege sind in der Regel asymmetrische Kriege, in denen die militärorganisatorisch und waffentechnisch überlegene imperiale Macht auf keinen gleichartigen und demgemäß auch keinen gleichwertigen Gegner trifft. Dadurch gelingt es ihr fast immer, die eigenen Verluste in Grenzen zu halten.

Die von einem Teil der europäischen Staaten an der Irakpolitik der USA geübte Kritik ist aus der Vorstellung erwachsen, hier handele es sich um die Konfrontation zwischen zwei gleichartigen und gleichberechtigten Staaten, was es gemäß den Bestimmungen der UN-Charta ja auch war. In amerikanischer Perspektive hingegen handelte es sich um die Pazifizierung einer Peripheriezone des Imperiums. Nie und nimmer war dies für die Amerikaner ein Konflikt zwischen Gleichen, sondern eine weltpolitische Ordnungsmaßnahme; dementsprechend traten sie im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf. Das Zerwürfnis zwischen einem Teil der europäischen Staaten und den USA resultiert darum, entgegen den Überlegungen Robert Kagans, nicht aus unterschiedlichen strategischen Kulturen, sondern aus einem ordnungspolitischen Missverständnis.

Literatur

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Johnson, Chalmers 2000: Ein Imperium verfällt. Ist die Weltmacht USA am Ende?, München Kagan, Robert 2003: Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung, Berlin Kennedy, Paul 1989: Aufstieg und Fall der großen Mächte. Ökonomischer Wandel und militärischer
Konflikt von 1500 bis 2000, Frankfurt/Main
Münkler, Herfried 2002: Die neuen Kriege, Reinbek
Münkler, Herfried 2005: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft vom alten Rom bis zu den USA, Berlin Nye, Joseph S. 2003: Das Paradox der amerikanischen Macht. Warum die einzige Supermacht der Welt Verbündete braucht, Hamburg
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