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Bekenntnis zur Bürger­lich­keit

Selbstbehauptungsmotive in der politischen Philosophie der Bundesrepublik

aus: Vorgänge Nr. 170 ( Heft 2/2005 ), S.33-44

Bürgerlichkeit ist ein Schwammbegriff, der vielfältige Bedeutungen aufgesogen hat und dessen Vorverständnis von Fall zu Fall variiert. Je nachdem, ob man vom Bildungsbürger, vom „Spießbürger” oder aber normativ vom Bürgersinn spricht – es sind sehr unterschiedliche Wertungen, die bei der Verwendung des Begriffs mitschwingen. Auf die Unbestimmtheit, ja eine zuweilen spezifisch deutsch wirkende Unsicherheit im Umgang mit dem Begriff Bürgerlichkeit stößt man auch dort, wo man sie heute am wenigsten vermutet: bei den Meinungsführern dezidiert liberaler Provenienz. Gunter Hofmann, langjähriger linksliberaler Redakteur mit Präferenzen für das rot-grüne Projekt bei der „bürgerlichen” Hamburger Wochenzeitung Die Zeit, äußert den Verdacht, dass sich in der Bundesrepublik beizeiten „die Bürgerlichkeit in Kohls diffuser Gestalt wiedererkannt” hätte. Das Knäuel dieser verschiedenen (und ihm durchweg verdächtigen) Bürgerlichkeiten entwirrt er in einzelne Fäden: „die Vernunft und Elite Bürgerlichkeit Weizsäckers”, „die staatskonservative Bürgerlichkeit eines Friedrich Karl Fromme [einstiger FAZ-Leitartikler – J.H.]”, „die republikanische Bürgerlichkeit Reiner Geißlers”, „die brave deutsche Mitte-Bürgerlichkeit der CDU” – all diese Strömungen konnte der „biedermeierliche” Kohl als vorgeblicher Repräsentant einer „Bürgerlichen Moderne” zeitweise vereinen, war er doch als Modernisierer und Reformer angetreten. Kohl verkörperte, so Hofmann, „durchaus etwas von der Mitte der Bundesrepublik, die sich noch suchte” (Hofmann 2002: 210).

Erst mit der Abwahl des Einheitskanzlers ging die Zeit einer überholten Bürgerlichkeit – oder aber eines gescheiterten Bürgerlichkeitsversprechens – zu Ende. Schröder und Fischer personifizierten schließlich, auch nach eigenem Bekunden, auf moderne Weise und gegen eine passiv unpolitische Bürgerlichkeit den „Bürgersinn” und die „Zivilcourage” der Achtundsechziger. Hofmanns Sicht (aber auch das rot-grüne Selbstverständnis) lässt zweierlei erkennen: Zum einen scheint hier noch die pejorativ-disqualifizierende Komponente durch, die „Bürgerlichkeit” lange Zeit zu einem geeigneten politischen Kampfbegriff machte. Zum anderen erfreuen sich aber bestimmte Aspekte des Bürgerlichen heute großer Attraktivität und signalisieren im Sinne der Zivilgesellschaft die „Ankunft im Westen” (Axel Schildt).

Ende der Bürger­lich­keit?

Niemand hat das Bürgertum, hat die Kultur einer Bürgerlichkeit so scharf bekämpft wie Bürgerliche selbst. Es gab von jeher eine spezifisch „antibürgerliche Bürgerlichkeit” (Krockow 1990 [1958]: 28ff.); die Verachtung der Gebildeten für die Klasse ihrer Herkunft kennt zahllose Beispiele. Von Karl Marx bis zu Georg Lukäcs und der Frankfurter Schule, von Carl Schmitt bis Botho Strauß – eine beachtliche Zahl derjenigen Intellektuellen, die nach Originalitätsprämien strebten, rechnete zunächst einmal mit Liberalismus und Kapitalismus, mit dem bürgerlich geprägten parlamentarischen „System” ab. Die Unentschiedenheit, der Kompromiss, das Öffentlichkeitsprinzip und die „Massenkultur”, die die liberale bürgerliche Gesellschaft hervorbrachte, schienen angesichts des totalitären Zeitalters jede Tragfähigkeit und Legitimation einzubüßen. „Entzweit” und „entfremdet” verlor das Individuum Stabilisierung und Halt; das „System” – ob nun in der Weimarer oder in der Bonner Republik – privilegierte einseitig die herrschenden Eliten, besaß keinen Kontakt zur gesellschaftlichen Realität und war unfähig zu politischen Neuerungen.

Nach der Katastrophe des Nationalsozialismus stellte man in der frühen Bundesre-publik dem Bürgertum als Klasse den Totenschein aus. In der Endphase Weimars war es als liberale Kraft zwischen den Radikalismen des sogenannten Massenzeitalters zerrieben worden. Seine moralischen Fundamente und auch die klassische Bürgerlichkeit als Lebensform waren untergegangen, so dachte man. Habituell, politisch und kulturell schienen die Werte einer liberalen Bildungsbürgerlichkeit und die vielfältigen Traditionen des Liberalismus von der Paulskirche über Theodor Mommsen, Friedrich Naumann, Max Weber bis hin zu Thomas Mann nicht nur als Relikte einer vergangenen Zeit, sondern gründlich diskreditiert, weil sie dem ideologischen Zeitalter nicht stand-gehalten hätten.

Von zwei ganz unterschiedlichen Seiten wurde der Begriff der Bürgerlichkeit in Frage gestellt. Auf der einen Seite diagnostizierten konservativrevolutionär geprägte und anfänglich mit dem „Dritten Reich” sympathisierende Denker wie die Soziologen der Leipziger Schule – Hans Freyer, Helmut Schelsky oder Arnold Gehlen – nach der tabula rasa des Nationalsozialismus die Zerstörung aller bisherigen Klassen- und Milieuschranken. In der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft” (Schelsky) mussten sich die Gegensätze zwischen Proletariat, Kleinbürger-, Bildungs- und Großbürgertum weitgehend auflösen. Der rationalisierten Industriegesellschaft fielen die „feinen Unterschiede” zum Opfer, denn eine uniforme Kultur des Konsums, des Profitdenkens und des marktgesteuerten bzw, staatlich abgefederten Wohlfahrtsstrebens schritt unaufhaltsam voran. Der „außengeleitete Mensch” (David Riesman) hatte kein Verlangen mehr nach bürgerlicher Innerlichkeit und den lange kultivierten Distinktionsmodi der Status- und Bildungsrepräsentation. Posthistoire nannten die konservativen Technokraten – mitten im Kalten Krieg – diese Phase, in der die Menschheit „mit ihren Beständen” rechnete und auch ideell nichts Neues mehr zu erwarten war. Das „Image des Bürgerlichen” hatte sich – wieder Soziologe M. Rainer Lepsius resümierte – „in kleinbürgerliche Durchschnittlichkeit aufgelöst” (Lepsius 1962: 449). Es besaß in der mobilen Aufsteigergesellschaft der frühen Bundesrepublik kein Differenzierungspotential mehr und schien normativ entleert. Die wenigen Versuche, den Bürger in aristotelischer Tradition zu einem politischen Integrationsbegriff zu machen, blieben weitgehend ohne Echo. Dolf Sternbergers bereits 1948 zaghaft gestellte Frage, ob denn „die Bürgerlichkeit nicht das Bürgertum überleben” sollte (Sternberger 1948: 199), verhallte ebenso ungehört wie Wilhelm Hennis‘ verschiedene Appelle an das „Modell des Bürgers” (Hennis 1999 [1957]) und die „Motive des Bürgersinns” (Hennis 2000 [1962]). Aus einer aufgelösten Sozialformation konnte somit auch kein moralisches Kapital mehr geschlagen werden.

Die Neue Linke und die „bürger­liche Ideologie”

Gegen die Auflösungsthese etablierte sich seit den 1960er Jahren umgekehrt eine von Neomarxismus und „Kritischer Theorie” inspirierte Aktualisierung des Spätkapitalismus-Theorems aus den 1920er Jahren. Darin gewann das Antibürgerliche an ungeahnter Aktualität. Es musste erstaunen, mit welcher Vehemenz die Neue Linke gegen all das Bürgerliche ankämpfte, das ja eigentlich schon zu Grabe getragen worden war. Die APO, ihre Vordenker und Mentoren interessierten sich weniger für die klassenspezifische Struktur des Bürgertums, sondern stellten unabhängig davon die Persistenz der „bürgerlichen Ideologie” in den Mittelpunkt ihrer Gegenwartsanalyse: „Bürgerliche Ideologie” – das war, wie heute fast vergessen wird, auch für die bundesrepublikanische Linke der Sammelbegriff für die rückwärtsgewandten, retardierenden und nur noch notdürftig herrschaftstabilisierenden Begründungsstrategien im „Spätkapitalismus”. Mit dem Attribut „bürgerlich” beschrieben keineswegs nur entflammte SDS Aktivisten, sondern auch bedeutende Sozialtheoretiker die Charakteristika einer Übergangsepoche, die geschichtlich bald erledigt schien. „Die affirmative, von der Lebenspraxis abgetrennte, die Transzendenz des schönen Scheins beanspruchende bürgerliche Kultur ist in Auflösung begriffen”, wusste Jürgen Habermas noch im Jahr 1971 (Habermas 1971: 32) – und variierte damit nur den gängigen „Gemeinplatz”, „die bürgerliche Gesellschaft sei Schein und ihre Idee ein uneinlösbares Emanzipationsversprechen” (Kraushaar 2005: 377).

Die real-existierende parlamentarische Demokratie stand unter dem ideologischen Verschleierungsverdacht, mit Hilfe des ausgebauten, abgefederten Wohlfahrtsstaates die Beteiligung und die Mitsprache der Bürger einschränken zu wollen. Rechte und Linke teilten denselben Befund: Der planende Vorsorgestaat nahm dem Bürger nicht nur persönliche Verantwortung ab, er machte dem Individuum auch zusehends unmöglich, noch auf technische Abläufe Einfluss zu nehmen. Während die konservativen Technokraten dies als „Entlastung” guthießen bzw. sich mit der industriellen Moderne aus-söhnten, ohne übertriebene Sympathien für den liberalen Staat entwickeln zu müssen, sah die Linke diese Entwicklung als bedrohliche Entmündigung des Einzelnen. Die Demokratie im „Spätkapitalismus” meinte jetzt nur noch einen „Verteilerschlüssel für systemkonforme Entschädigungen, also einen Regulator für die Befriedigung von Privatinteressen”, wie Habermas in seinem Buch Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus schrieb – also „Wohlstand ohne Freiheit” (Habermas 1973: 170).

Rein semantisch lohnt es sich, hier noch einmal ganz genau hinzuhören, wenn es um die Konnotationen von Bürgerlichkeit geht. „Faktisch verlangen aber die bürgerlichen Demokratien alten wie neuen Typs zu ihrer Ergänzung eine politische Kultur, die die partizipatorischen Verhaltenserwartungen aus den bürgerlichen Ideologien ausblendet und durch autoritäre Muster aus dem vor bürgerlichen Traditionsbestand ersetzt.” (ebd.: 108) „Bürgerlich” – darunter verstand Habermas „die spezifisch bürgerlichen Wertorientierungen von Besitzindividualismus und Benthamschen Universalismus”, „das leistungsorientierte Berufsethos der Mittelschicht”, aber auch das Bedürfnis nach einer „Absicherung in religiösen Überlieferungen”. Die bürgerliche Kultur, so Habermas‘ Diagnose, hat sich zu ihrem Nachteil „niemals aus ihrem eigenen Bestand reproduzieren können”, sondern „war stets auf die motivationswirksame Ergänzung durch traditionalistische Weltbilder angewiesen”. In Zeiten der spätkapitalistischen Krise erodierten nun die Traditionen und Werte, die die liberal-bürgerlichen Gesellschaften getragen hätten. Wie allerdings eine Kultur beschaffen sei, die sich unabhängig von „traditionalistischen Weltbildern” selbst – und am besten herrschaftsfrei – reproduzieren könne, das hätte man auch damals schon gern gewusst.

Die Defizite der „bürgerlichen Ideologien” reihte Habermas gewohnt schonungslos auf: 1. Bürgerliche Ideologien böten keine Hilfe „gegenüber den Grundrisiken der persönlichen Existenz (Schuld, Krankheit, Tod)” und „sind angesichts individueller Heilsbedürfnisse trostlos”. 2. Sie bewerkstelligten keinen humanen Umgang mit der Natur (auch nicht mit der leiblich-menschlichen). 3. Sie sind nicht in der Lage, solidarische Beziehungen zwischen Gruppen und Individuen zu schaffen. 4. Sie erlauben aus Habermas‘ Sicht „keine eigentlich politische Ethik” und beförderten den verhängnisvollen Rückzug ins Private (ebd.: 109f.).

Habermas‘ Streben ist es zu dieser Zeit noch, das falsche Bewusstsein im „spätkapitalistischen Gesellschaftssystem” zu enttarnen, um „die bürgerliche Ideologie zu durchschauen”. Wie Carl Schmitt knapp ein halbes Jahrhundert zuvor kommt er zu der „realistischen Deutung” der bundesrepublikanischen Gegenwart, „dass der politische Diskurs in der Öffentlichkeit, in den Parteien und Verbänden und im Parlament ohnehin bloß Schein ist und unter allen denkbaren Umständen auch Schein bleiben wird” (Schmitt 1996 [1923]; Habermas 1971: 32f.) Mit Adorno macht sich Habermas „keine Illusionen über den Tod des bürgerlichen Individuums” (Habermas 1973: 174f.).

Zur Vollendung der Moderne, so die Einsicht avancierter kritischer Gesellschaftstheorien, sei es nötig, gegen antiquierte Formen des „liberalen Bourgeois”, der sich mit „negativer Freiheit” zufrieden gibt, für einen partizipierenden Staatsbürger in einem (wie auch immer) gezähmten Kapitalismus zu plädieren. Das Anwachsen der politischen Apathie und Indifferenz – so verläuft die Argumentationslinie von Habermas und Claus Offe – ist nämlich auf Dauer dysfunktional, weil für die ständig anfallenden Systemreparaturen Sachverstand, aber auch das politische Engagement breiter Schichten notwendig sind (Offe 1972). Obwohl Habermas die „bürgerliche Öffentlichkeit” als Raum des politisch gesellschaftlichen Diskurses im ursprünglichen Sinne etablieren wollte, blieb die Diktion der beiden bedeutendsten Frankfurter Theoretiker zwiespältig und vom zeitgenössischen Jargon durchzogen. Nicht nur verurteilte Offe die „bürgerliche Ideologie” im Allgemeinen, auch beschrieb er die erforderliche „verständige Involviertheit des Bürgers” im „Spätkapitalismus” als „aktive Angepasstheit” – Ralf Dahrendorfs „demokratische Tugenden” oder Konzepte einer civic culture konnte er deshalb nur als Verhüllungsvokabeln begreifen (ebd.: 116). Es war also noch ein weiter Weg zur bürgerlichen Selbstakzeptanz der bundesrepublikanischen Linken. Sie stand dem Begriff der Bürgerlichkeit in zweierlei Hinsicht skeptisch gegenüber: Zum einen miss-traute sie der materiell begründeten, sozial integrierenden Bürgerlichkeit. Zum anderen konnte sie im politischen System und in der sozialen Realität der frühen Bundesrepublik das Ideal einer liberalen Staatsbürgergesellschaft nicht erkennen. Je mehr Wert der junge Staat in seiner Selbstdarstellung auf „ Gutbürgerlichkeit” und auf die Verallgemeinerung von bürgerlich-liberalen Wertvorstellungen legte, um so mehr geriet der Liberalismus als „Klassenideologie des Bürgertums” in die Kritik.

In ihrer Überzeichnung hatte diese Kritik der Bürgerlichkeit trotzdem produktive Folgen. Die nachhaltigste Wirkung der Achtundsechziger bestand wohl darin, dass sich liberale Intellektuelle durch sie zur bürgerlichen Sinngebung der Bundesrepublik erst genötigt sahen. Ein defensiver Impuls gegenüber den Ideen der Studentenrevolution ließ die oft beschriebene lange Generation der Bundesrepublik – die Jahrgänge der Flakhelfer – ihr „bürgerliches Selbstbewusstsein” entdecken und artikulieren (vgl. Bude 2005: 128). Dieser Selbstverständigungsprozess über die bürgerlichen Grundlagen der Bundesrepublik verlief bald schon unabhängig vom jugendlichen Protest und führte unter den Intellektuellen zur Herausbildung eines sozialliberalen und eines liberalkonservativen Lagers. Letztere waren es, die sich die Bürgerlichkeitssemantik entschlossen aneigneten. Dieser intellektuelle Prozess reflektierte nachträglich – und dies scheint für die Stabilität der Bundesrepublik als „bürgerlicher Staat” zu sprechen – das in der politischen Rhetorik schon Übliche: die Anerkennung der Bürgerlichkeit als Kultur der Mitte. Ein Großteil der Intellektuellen hinkte hier also der politischen Realität hinterher. Denn schon 1961 hatte Herbert Wehner für die Sozialdemokratie bekannt: „Wir sind alle Bürger dieser Bundesrepublik; die müssen schon einen besonderen Begriff von Bürgerlichkeit konstruieren, um uns auszuschließen.” (zit, n. Hettling 2005: 18) Was sich in der Parteipolitik schon früh abzeichnete, nämlich die Entwicklung hin „zu Liberalität und Bürgerlichkeit” (Herbert 2002: 11), das war in den Selbstverständigungsdebatten der Bundesrepublik viel schwerer zu begründen. Sternbergers früh artikulierter Wunsch, „ein Bürger zu sein”, hatte es im Klima der 1960/70er Jahre schwer. Eine Generation jüngerer liberalkonservativ ausgerichteter Intellektueller unternahm es jedoch, den westdeutschen Staat als ein Projekt wohlverstandener Bürgerlichkeit zu beschreiben. Damit trugen sie nicht unwesentlich zur Identitätsfindung der alten Bundesrepublik bei.

Joachim Ritter: Das bürgerliche Leben

Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik: Angeregt durch diesen provokanten Titel der verdienstvollen Studie über die Frankfurter Schule (Albrecht u.a. 1999) ist die Frage in den Mittelpunkt gerückt, wer denn nun die hervorragenden geistigen Vertreter der Bonner Republik waren. In den Kritikern des „ Verblendungszusammenhanges” (Adorno), der „repressiven Toleranz” (Marcuse) und der „instrumentellen Vernunft” (Horkheimer) kann man ebenso wenig Repräsentationswillen der bürgerlichen Demokratie erkennen wie im Frühwerk des späten Verfassungspatrioten Jürgen Habermas. Das würde auch der Theoretiker des herrschaftsfreien Diskurses selbst kaum anders sehen: Die „alten Frankfurter”, so Habermas‘ nüchternes Urteil, hätten auf politischer Ebene „die bürgerliche Demokratie nie so recht ernst genommen” (Habermas 1985: 172f.). Anders war dies im Fall eines lange vergessenen Philosophen der frühen Bundesrepublik, dem Cassirer – Schüler Joachim Ritter (vgl. Dierse 2004). Als es noch nicht en vogue war, entfaltete er in seinen Studien zu Aristoteles und Hegel einen normativ-politischen Begriff von Bürgerlichkeit, der von seinen Münsteraner Schülern Hermann Lübbe, Odo Marquard und Robert Spaemann auf die Bundesrepublik (die Ritter in seinen philosophischen Studien gar nicht direkt thematisiert) angewendet und ausgearbeitet worden ist. Der Kreis um Ritter zählt mittlerweile zu den wichtigsten Geburtsstätten einer staatstragenden bundesrepublikanischen Elite (vgl. dazu insgesamt Hacke 2001; 2004). Aus ihm gingen nicht nur eine große Anzahl bedeutender Lehrstuhlinhaber hervor, auch einflussreiche Juristen wie die Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde und Martin Kriele sind wesentlich von Ritters Gedanken geprägt worden. Eben weil die Ritter-Schule einen eigenen Weg eingeschlagen hat, liberale Bürgerlichkeit ideengeschichtlich und philosophisch zu begründen, ist es notwendig, sich die in den 1950er Jahren entwickelten Grundlinien Ritters erneut zu vergegenwärtigen.

Schon bei Aristoteles erkennt Ritter den Sinn für die Vielfalt und die Interdependenz der bürgerlichen Lebenswelten zwischen oikos und polis. Die politische „Teilnahme des Bürgers am staatlichen Leben” ist durch die „verfassungsmäßige rechtliche Ordnung der Stadt” zu sichern: „Aber dieser politische Sinn der Freiheit ist selbst nicht wieder politisch begründet. Er folgt vielmehr daraus, daß es in der Stadt darum geht, das Frei-sein der Bürger in seinem eigenen Leben zu ermöglichen und zu sichern.” Die politische Freiheit ist also kein Selbstzweck, sondern Bedingung für das private Glück eines gelingenden Lebens, denn „in der bürgerlichen, durch die ,Hypothesis` der Freiheit definierten Gesellschaft weisen die politischen Begriffe über sich selbst hinaus; sie haben die Freiheit der Freien zum Inhalt; diese Freiheit besteht im Selbsteinkönnen derjenigen, die frei sind” (Ritter 2003: 73f.).

Es geht Ritter um die Balancierung von Zweck und Selbstbegrenzung der Politik in der Bürgergesellschaft. „Die Politik kann nicht selbst das Glück schaffen, das sie herbeiführen und sichern soll; dies bleibt die Sache der Einzelnen und ihres persönlichen Lebens.” Insofern ist es im klassisch liberalen Sinne die anspruchsvolle Ordnungsfunktion der Politik, die „rationale Gesellschaft” durch das Recht zu schaffen, um „die sittli-che Tugend des Einzelnen” und dessen Glücksstreben freizusetzen (ebd.: 101f.). Die Politik und die politische Freiheit sind darum kein Selbstzweck, sondern dienen den vor-politischen persönlichen Interessen der Bürger. Damit beschreibt Ritter aus der Antike heraus die Raison des bürgerlich-liberalen Staates, der kein anderes Ziel hat, als das individuelle Wohl seiner Bürger zu ermöglichen, ohne es aber garantieren zu können; da-für sind Ethos und Tugend des Einzelnen selbst gefragt. Der bürgerliche Staat besteht (auch schon nach Aristoteles) als „Einheit der Vielheit”; „er birgt die positive Fülle und den Reichtum des individuellen Lebens in sich”: Damit wird das bürgerliche Leben in der Stadt der Antike zum Modell für die Weltzivilisation (ebd.: 98f.).

Ergänzend zu Aristoteles liest Ritter Hegels Werk als „Philosophie der sich konstituierenden bürgerlichen Gesellschaft”, die durch wenige leitende Prinzipien charakterisiert werden kann: 1. Freiheit und Recht: Durch das Christentum ist der Gedanke vermittelt worden, dass der Mensch als Mensch frei sei und dass das Subjekt unendlichen Wert habe. „Daher”, so Ritter, „gehört für Hegel die Freiheit der bürgerlichen Gesellschaft als Freiheit aller positiv in den Zusammenhang der Geschichte christlicher Freiheit.” In der bürgerlichen Gesellschaft findet sie schließlich ihren rechtlichen und politischen Ausdruck (Ritter 1974: 19f.). 2. Person und Eigentum: Das Rechtsprinzip von Person und Eigentum verwirklicht die individuellen Freiheitsrechte, denn durch die da-mit vollzogene „Versachlichung” werden „alle Einzelnen als Persönlichkeit zum Subjekt der menschlich geistigen Welt” und haben teil an ihrer Vielfalt (Ritter 2003: 278). 3. Entzweiung: Die Erfahrung der Entzweiung ist für die bürgerliche Gesellschaft auf mehreren Ebenen prägend, denn nicht nur das Auseinandertreten von Herkunft und Zukunft, sondern auch die durch Naturbeherrschung, Arbeitsteilung und Industrialisierung bedingte „Abstraktheit” der Erfahrungswelt zeigt die neuartige „emanzipative Konstitution”. Den „positiven und vernünftigen Grund der Entzweiung” sieht Ritter mit Hegel „in der Befreiung des Menschen aus der Macht der Natur”, aus den herkunfts- und standesbedingten Formen der Unfreiheit und in der Freisetzung seiner Subjektivität (Ritter 1974: 27-29).

Odo Marquards Apologie der Bürger­lich­keit

Als Treuhänder dieser Motive einer Philosophie der Bürgerlichkeit in der Tradition Ritters hat sich vor allem Odo Marquard zu erkennen gegeben. „Philosophie der bürgerlichen Welt” oder auch „philosophischen Mut zur Bürgerlichkeit” nennt Marquard seine Haltung. Zwar sollte man in Marquards „Apologie der Bürgerlichkeit” durchaus ein politisch engagiertes Statement für die Staatsordnung der Bundesrepublik sehen, die für ihn „mehr Nichtkrise als Krise” ist und auf deren Seite er sich mit seiner „Verweigerung der Bürgerlichkeitsverweigerung” stellt. Allerdings verbirgt sich hinter seinen ironischen Wortspielen auch eine semantisch reflektierte Anstrengung, den Begriff des Bürgers kulturell und moralisch zu rehabilitieren.

Marquard setzt einen „weiten Begriff des Bürgerlichen” voraus und löst sich von den historisch-soziologischen Konnotationen des Bürgerbegriffs: Der Bürger – verstanden „als freies gleiches Mitglied der Bürgerwelt der ,polis” – steht „selbstbestimmt für sich und seine Mitbürger” ein. Dabei sei „absichtlich die Unterscheidung zwischen ,citoyen` und ,bourgeois” zu vernachlässigen, da der Bürger stets beides sein müsse: der Erwirtschafter von Subsistenzmitteln und der mündige Teilnehmer am Gemeinwesen (Marquard 2004: 93). Marquard interpretiert die Ausweitung der klassischen Staatsbürgerstandards aus dem 19. Jahrhundert in der Mittelstandsgesellschaft als notwendige Universalwerdung bürgerlicher Lebensform und Werte. Das ist – liberalkonservativer Eigenart entsprechend – eine optimistische Lesart der gesellschaftlichen Entwicklung, die nicht ein Wohlstandsgefälle, wohl aber eine Verbreiterung der „Kultur der Mitte” erkennt und weiterhin prognostiziert.

Sein Bekenntnis zur Bürgerlichkeit bezieht seine Eindringlichkeit aus der scharfen Opposition gegen die Neue Linke. Deren Engagement begreift er als absurden Protest gegen eine bürgerliche Welt, die in ihrer zivilisatorischen Fortschrittlichkeit nicht verstanden wird. Nach Marquard greift hier das Schema des Freudschen Angsttraumes: „Wenn die Kultur immer mehr Bedrohliches besiegt, wird – als Bedrohlichkeitsersatz – die Kultur selber zum Bedrohlichen ernannt, das man – etwa durch alternatives Leben – glaubt besiegen zu müssen […]. Dann – und das ist einer der großen Angstgründe unserer Zeit – bekommt man vor demjenigen Angst, das einem die Ängste erspart, just weil es einem die Ängste erspart.” Je effektiver Kapitalismus und Markt Wohlstand produzieren und Probleme lösen, desto eher werden sie zum Übelstand erklärt. Gegen die Neue Linke heißt es bei Marquard: „Je sicherer der Staat Bürgerkriege verhindert, desto hemmungsloser gilt er selber als Bürgerkriegsgrund, je mehr die parlamentarische Demokratie den Menschen Repressionen erspart, um so leichter proklamiert man sie selber zu Repression […].” (Marquard 1986: 91) Angesichts der so wahrgenommenen neomarxistischen „herrschenden Lehre” plädiert Marquard für  Revolutionspflichtverweigerung”. Notwendig sei nämlich eine allgemeine „Umwertung der V.[erweigerungs]-Verhältnisse, in denen diejenigen, die sich vom großen Revolutionspathos trennen, nun nicht mehr tadelnswerte ,Renegaten` sind, sondern lobenswerte ,Dissidenten” (Marquard 2001: 1002f.).

Marquard wirbt für die Normalität der bürgerlichen Welt, gerade „weil die Lebensvorteile, die sie bringt, als selbstverständlich gelten – nicht sehr aufregend, ein wenig langweilig und reichlich allzumenschlich” (Marquard 2000: 106). Die Sympathie für den Common sensegeleiteten Durchschnittsbürger, der in seiner heimatlichen Lebenswelt eingebettet ist und sich in ihr auf vielfältige Weise engagiert, steht im Vordergrund dieser liberalkonservativen Bürgerlichkeit. Ideell sind Marquards Leitlinien auf einfache Formeln zu bringen. „Bürgerlichkeit” bedeutet für ihn: erstens das Festhalten an der Aufklärung als jener Modernitätstradition, „die als Wille zur Mündigkeit […] den Mut zur Nüchternheit zur Routine macht” (Marquard 1986: 94); zweitens der Abschied von ideologischer Verblendung; drittens die freiheitsbedingende Wirkung der Gewaltenteilung; viertens Pluralismus, der aus Skepsis vor absoluten Wahrheiten und aus Respekt vor vielfältigen Herkunftsgeschichten resultiert; fünftens der Schutz der individuellen Freiheitsräume des Bürgers.

Als moralische Leitlinie gilt für Marquard „in eminenter Weise der Grundrechteteil des Grundgesetzes” (Marquard 1984: 43). Dessen normative Geltung sowie der Rekurs auf konventionelle Üblichkeiten und Traditionen erübrigen umständliche moralphilosophische oder metaphysische Begründungsbemühungen. Damit kann kein Anspruch auf Originalität erhoben werden. Doch darum geht es den Ritter-Schülern nicht. Sie knüpfen an lange unpopuläre Befürworter der bürgerlichen Distanzkultur wie Helmuth Plessner an, um „die ganze Pflichtenlast der Zivilisation” zu bejahen (Plessner 2002 [1924]: 38). Ganz im Sinne Plessners und Joachim Ritters gilt es, die Entzweiungen und Antagonismen der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur auszuhalten; sie garantieren vielmehr die Wahrung persönlicher Freiheit. Die Bedrohung der Freiheit ist die „Politisierung des Privatesten und Innerlichsten”, der Tugend und der Gesinnung. Deshalb ist die „Nichtidentität individueller und kollektiver Interessen” entscheidend, wie Hermann Lübbe konstatiert (Lübbe 1971: 107f.). Die Bezeichnung, die Marquard für Ritters Philosophie der modernen Welt verwendet –„Philosophie der positivierten Entzweiung“ –, ist auch auf die Ritter-Schüler insgesamt anwendbar. „Entzweiung ist […] das Problem, das zugleich die Lösung ist: Entzweiung ist das letzte Wort über die moderne Welt, ein positives Wort. Das ist weniger als die Weltverbesserer fordern, es ist mehr, als die Kassandren fürchten: die moderne – die bürgerliche – Welt ist weder Paradies noch Inferno, sondern geschichtliche Wirklichkeit. […] Indem sie das – diesseits der Illusionen – sichtbar werden läßt, ist die Philosophie – die auch dadurch offiziell Geächtetes positiv geltend macht, d.h. offiziell Ausgeschlossenes hereinholt (,einholt‘) – die nötigste aller Friedensbewegungen: die für den Frieden mit der eigenen Wirklichkeit, der vorhandenen Vernunft, dem ,bürgerlichen Leben‘ in der bürgerlichen Welt auch und gerade der Bundesrepublik.” (Marquard 1994: 26f.)

Der Sieg der Zivil­ge­sell­schaft

Diese Haltung galt als rückwärtsgewandt und unkritisch – und es ist ja wahr: Die Haltung einer liberalkonservativen Bürgerlichkeit hat lange einseitig von der Abwehr neomarxistischer Glaubenssätze gelebt sowie den Selbstheilungskräften der liberalen Ideen von Markt und Freiheit vertraut. Die Rückzugsräume des Bürgers in familiäre, kulturelle und ganz unpolitische Nischen waren den Liberalkonservativen ein hohes Gut, sahen sie doch von jeher ihre Aufgabe darin, vor übersteigerten Erwartungen eines allzu inklusiven Politikbegriffs zu warnen. Freiheit liegt für sie in der Trennung von Öffentlichem und Privatem. In der Erfahrungswelt der „skeptischen Generation” wird die Bundesrepublik als ein erfolgreiches Projekt der Normalitätsetablierung verständlich. „Vernünftig ist”, so persifliert Marquard Schmitts vielzitierte Souveränitätsformel, „wer den Ausnahmezustand vermeidet” (Marquard 2000: 107). Diese Überzeugung geht von einem geordneten Staatswesen aus, das konsensuell getragen wird und funktionierende Modi zur Bewältigung von Krisen- und Konfliktsituationen eingeübt hat. Zu den Ironien der politischen Kultur der Bundesrepublik gehört, dass einerseits die ökonomisch und sozial stabilen 1960er und 1970er Jahre von ernsthaften Akzeptanzkrisen auf Seiten der Intellektuellen begleitet waren. Die Achtundsechziger und die Neue Linke wollten eine „andere Republik”. So sind die Jahre 1968/69 zwar als Zäsur in der westdeutschen Geschichte zu begreifen. Von einer „Umgründung der Republik” (Manfred Görtemaker) zu sprechen, wertet dann die kulturell „weichen” Faktoren eines liberalisierenden Mentalitätenwandels auf, während institutionell doch alles beim alten blieb. Andererseits haben die nun schon einige Jahre andauernden und sich zuspitzenden wirklich krisenhaften Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sowie die dramatische Veränderung der Bevölkerungsstruktur keine vergleichbaren Infragestellungen der „bürgerlichen” Ordnung nach sich ziehen können. Die gegenwärtige Sozialphilosophie scheint sich dem affirmativen Standpunkt der Liberalkonservativen angenähert zu haben. Anstatt die gesellschaftlichen Verhältnisse einer umfassenden Kritik zu unterziehen – wie noch in den 1970er Jahren – wird nunmehr Wert darauf gelegt, die stabilisierenden Elemente der bürgerlich-liberalen Gesellschaft ausfindig zu machen. Fragen der Bürgerkompetenz, die Möglichkeiten des Bürgers, sich mit dem Gemeinwesen zu identifizieren und zum Gemeinwohl beizutragen, werden mittlerweile nur noch unter den Voraussetzungen der im liberaldemokratischen Verfassungsstaat organisierten Marktgesellschaft diskutiert. Dazu hat auch die Internationalisierung der Debatte beigetragen. Ob man Gerechtigkeit durch Diskurs und Demokratisierung anstrebt (Rawls, Habermas), ob man eine integrative Formung von Gemeinschaften favorisiert (Kommunitarismus) oder ob man sich einer Ethisierung des Sozialismus als drittem Weg verschreibt (Giddens) – diese Konzepte werden allesamt unter dem Leitbegriff der Zivilgesellschaft verhandelt.

Der Diskurs über die Zivilgesellschaft geht sicherlich in Teilen über die von den Ritter-Schülern vertretene Philosophie der Bürgerlichkeit hinaus. Im Hinblick auf eine intellektuelle Klimaveränderung hin zu einem bürgerlich-liberalen Selbstverständnis ist aber deren Beitrag durchaus zu würdigen. Der Historiker Eckart Conze hat jüngst in der „Verallgemeinerung von ,Bürgerlichkeit` [,..] ein wichtiges Charakteristikum der gesellschaftlichen Entwicklung in der frühen Bundesrepublik” erkannt (Conze 2004: 527ff.). Dieser Befund mag retrospektiv – verstanden als Prozess politischer und gesellschaftlicher Liberalisierung – ohne Frage gelten, wenn man eine sozialhistorische Perspektive einnimmt. In der intellektuellen Debatte, abseits der offiziösen politischen Selbstdarstellung durch die politische Klasse, hatte es der Begriff der Bürgerlichkeit lange Zeit weitaus schwerer: Gerade der als bürgerlich empfundene Übergang zur Normalität nach 1945 stand in der Kritik, restaurativ zu sein und den eigentlichen Charakter der NS-Verbrechen zu verdecken, die, wie vor allem der Philosoph Karl-Otto Apel argumentiert, aus der Pervertierung konventioneller Moralvorstellungen resultierte. „Postkonventionell” durfte es aus Sicht der Diskursethik keinen Weg zurück in eine derart vorbelastete (deutsche) bürgerliche Moralwelt mehr geben (Apel 1988).

In einer Zeit, als vielfach das „Ende der Bürgerlichkeit” (Siegrist 1994) zur Debatte stand und die westdeutsche Gesellschaft von einem Großteil der neomarxistisch inspirierten Intellektuellen keineswegs unter der Zielnorm einer „bürgerlichen Republik” betrachtet wurde, leisteten die Liberalkonservativen semantische Vorarbeit. Sie trugen frühzeitig dazu bei, „Bürgerlichkeit” als normativen Begriff wiederzubeleben: zum ei-nen weil sich mit ihm habituelle Eigenschaften verbinden, die zu den konstitutiven Lebensformen und Tugenden des Staatsbürgers zählen; zum anderen weil sich mit „Bürgerlichkeit” ein Set von liberalen Werthaltungen beschreiben lässt, die sich, gerade weil sie theoretisch schwer Fixierbar sind, kulturell und lebenspraktisch behaupten.

Literatur

Albrecht, Clemens u.a.: 1999: Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule, Frankfurt/Main/New York
Apel, Karl-Otto 1988: Zurück zur Normalität? Oder könnten wir aus der nationalen Katastrophe etwas Besonderes gelernt haben? Das Problem des (welt-)geschichtlichen Übergangs zur postkonventionellen Moral in spezifisch deutscher Sicht; in: Zerstörung des moralischen Selbstbewußtseins: Chance oder Gefährdung? Praktische Philosophie in Deutschland nach dem Nationalsozialismus, hg, vom Forum für Philosophie Bad Homburg, Frankfurt/Main, S. 91-142
Bude, Heinz 2005: Bürgertumsgenerationen in der Bundesrepublik; in: Manfred Hettling/Bernd Ulrich (Hg.), Bürgertum nach 1945, Hamburg, 5.111-132
Conze, Eckart 2004: Eine bürgerliche Republik? Bürgertum und Bürgerlichkeit in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft; in: Geschichte und Gesellschaft 30. Jg., S. 527-542
Dierse, Ulrich 2004 (Hg.): Joachim Ritter zum Gedenken, Stuttgart
Habermas, Jürgen 1971: Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien, Frankfurt/Main, 4. Aufl. Habermas, Jürgen 1973: Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt/Main
Habermas, Jürgen 1985: Die neue Unübersichtlichkeit. Kleine politische Schriften V, Frankfurt/Main Hacke, Jens 2001: Skepsis und Kompensation. Rückblick auf eine liberalkonservative Intellektuellen-
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Hacke, Jens 2004: Eine Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik, Phil. Diss. Berlin
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