Beitragsbild Wohnungslosigkeit: Unterbringung Wohnungsloser durch die Kommunen Auszüge aus dem Bericht an den Deutschen Bundestag
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Wohnungs­lo­sig­keit: Unter­brin­gung Wohnungs­loser durch die Kommunen Auszüge aus dem Bericht an den Deutschen Bundestag

vorgänge Nr. 228 (4/2019), S. 3-16

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) ist die unabhängige, gesetzlich beauftragte Einrichtung zur Beobachtung und Kontrolle der menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Als solche erstattet es dem Deutschen Bundestag jährlich Bericht. Im letzten Arbeitsbericht (für den Zeitraum Juni 2018 bis Juli 2019), der dem Bundestag im Dezember 2019 vorgelegt wurde, war die Wohnungslosigkeit einer von drei Themenschwerpunkten. Der Bericht geht auf das vermutete Ausmaß der Wohnungslosigkeit, die Probleme der sogenannten ordnungsrechtlichen Unterbringung Obdachloser sowie die menschenrechtlichen Anforderungen des „Rechts auf Wohnen“ ein. Wir drucken hier Auszüge aus dem Berichtsteil.

2.1 Einleitung

Die genaue Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland ist unbekannt. Es gibt zwei aktuelle Schätzungen zu jeweils einem Stichtag in 2018. Die eine geht von zwischen 313.000 und 337.000 wohnungslosen Menschen aus, die andere von 542.000.[1] Diese Menschen lebten auf der Straße, in Behelfsunterkünften wie Baracken oder Wohnwagen oder sind vorübergehend bei Freund_innen oder Verwandten untergekommen. Ein Großteil der Wohnungslosen lebte allerdings übergangsweise in kommunalen Wohnungslosenunterkünften oder wurde vorübergehend durch freie Träger untergebracht. […]

Die steigende Zahl der Wohnungslosen[2] in den letzten Jahren hat – auch im Kontext von Armut, Wohnraumverknappung und Zuwanderung (aus EU-Ländern und Drittstaaten) – zur Erkenntnis geführt, dass das Wissen über Ausmaß und Lebensbedingungen wohnungsloser Menschen in Deutschland nur sehr begrenzt ist. Die wenigen verfügbaren Daten weisen auf eine steigende Zahl von Wohnungslosen hin – und insbesondere auf eine steigende Zahl von Wohnungslosen, die durch die Kommunen untergebracht werden müssen: In Niedersachsen ist die Zahl von 4505 Personen im Jahr 2013 auf 6588 Personen im Jahr 2016 angestiegen.[3] Der Anteil der kommunal untergebrachten Personen am Gesamtanteil der Wohnungslosen ist sehr hoch: In NRW waren zum Stichtag 30. Juni 2018 knapp 70 Prozent der Wohnungslosen (30.736 Personen) durch die Kommunen untergebracht.[4]

Die Kommunen sind aus den Ordnungs- und Polizeigesetzen der Länder verpflichtet, unfreiwillig obdachlosen Menschen eine Unterbringung zu gewähren, die sogenannte ordnungsrechtliche Unterbringung. Weitergehende Anforderungen an das Wo und Wie der Unterbringung sind nicht gesetzlich geregelt, sondern werden von der Rechtsprechung entwickelt. In der Praxis sieht die Unterbringung von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich aus: Wohnungslose können in „Normalwohnraum“ (Wohnungen) untergebracht werden oder aber in Mehrbettzimmern in Sammelunterkünften; hygienisch einwandfrei oder an der Grenze zur Verwahrlosung; am Rande der Stadt oder nah zur ärztlichen und sozialen Versorgung; mit Anknüpfung an das Hilfesystem und damit der Möglichkeit, wieder eine Wohnung zu erlangen, oder völlig auf sich gestellt.

Über das Ausmaß, die Bedingungen und Dauer der ordnungsrechtlichen Unterbringung Wohnungsloser liegen bundesweit keine verlässlichen Daten vor. Dies ist umso erstaunlicher, als die Zahl der ordnungsrechtlich untergebrachten Personen in den letzten Jahren gestiegen ist.[5] Die ordnungsrechtliche Unterbringung findet nicht mehr – wie eigentlich vom Gesetzgeber vorgesehen – für eine sehr kurze Zeit statt, sondern dauert in vielen Fällen mehrere Monate bis Jahre, teilweise bis an das Lebensende der Betroffenen. Dieser Entwicklung vom Notversorgungssystem hin zu einer mittel- bis längerfristigen Unterbringungsform ist bis heute keine entsprechende Entwicklung von Standards gefolgt.

Dieser Situation stehen grund- und menschenrechtliche Verpflichtungen Deutschlands gegenüber – in erster Linie das Recht auf Wohnen als Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard (Artikel 11 UN-Sozialpakt). Dabei zielt das Recht auf Wohnen nicht auf die Bereitstellung einer spezifischen Wohnung durch den Staat ab. Der Staat muss aber in einer Gesamtstrategie durch gesetzliche und politische Maßnahmen darauf hinwirken, dass alle Menschen ihr Recht auf angemessenes Wohnen wahrnehmen können. Das Recht auf menschenwürdiges Wohnen ergibt sich auch aus dem Grundgesetz (Artikel 1 iVm Artikel 20 GG) beziehungsweise der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. […]

Daher hat sich das Deutsche Institut für Menschenrechte mit der Situation in diesen (Not-)Unterkünften – konkret der ordnungsrechtlichen Unterbringung Wohnungsloser durch die Kommunen – beschäftigt. Ein Überblick über den Erkenntnisstand (Kapitel 2.2) verdeutlicht, dass es bisher kaum verlässliche Daten zum Ausmaß von Wohnungslosigkeit und nur begrenzt Erkenntnisse zu den Lebenslagen wohnungsloser Menschen gibt. In einer rechtlichen Analyse (Kapitel 2.3) wird untersucht, welche Anforderungen sich aus dem Grund- und Menschenrechtsschutz für die ordnungsrechtliche Unterbringung ergeben. Die empirische Analyse (Kapitel 2.4) fokussiert auf die Praxis der ordnungsrechtlichen Unterbringung. Dafür hat das Institut insgesamt 28 Interviews mit Expert_innen (wohnungslose Menschen, Behörden, freie Träger) geführt sowie Studien und Informationen der Länder beziehungsweise Kommunen ausgewertet. Insgesamt erlaubt die Analyse keine repräsentativen Aussagen zur Unterbringungssituation wohnungsloser Menschen in Deutschland. Sie wirft exemplarisch Schlaglichter auf zentrale Problemlagen.

2.2 Wohnungs­lo­sig­keit in Deutschland – Überblick zum Erkennt­niss­tand

2.2.1 Zahl der Wohnungs­losen

Es gibt in Deutschland bisher keine bundesweite Statistik zur Zahl der wohnungslosen Menschen. Somit ist aktuell nicht umfassend bekannt, wie viele Menschen wohnungslos sind, wer diese Menschen sind, wo sie untergebracht sind, wie lange sie auf der Straße leben oder in Notunterkünften bleiben. Es gibt zwei aktuelle Schätzungen zu jeweils einem Stichtag in 2018: Die Gesellschaft für innovative Sozialforschung e.V. schätzt zwischen 313.000 und 337.000 wohnungslose Menschen (31.05.2018).[6] Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. schätzt 542.000 wohnungslose Menschen (30.06.2018).[7] Die beiden Schätzungen lassen sich nicht miteinander vergleichen, da sie auf unterschiedlichen Erhebungsmethoden beruhen und nicht die gleichen Personengruppen umfassen. Die Unterschiede lassen sich insbesondere darauf zurückführen, dass die zweite Schätzung im Gegensatz zur ersten eine Dunkelziffer miteinberechnet und die Zahl der anerkannten wohnungslosen Geflüchteten grundlegend anders geschätzt wird. Die Schätzungen werden voraussichtlich ab 2022 durch eine bundesweite Wohnungslosenstatistik ergänzt.[8]

Genauere Aussagen dazu, wer diese Personen sind, können somit nur sehr grob erfolgen: Ein großer Anteil der Wohnungslosen in Deutschland sind Geflüchtete mit Schutzstatus, die nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahrens nicht mehr verpflichtet sind, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen.[9] Die Mehrheit der Wohnungslosen ist alleinstehend. Der Frauenanteil an der Gesamtzahl der Wohnungslosen wird auf zwischen 27 und 37 Prozent geschätzt; der Anteil der Kinder zwischen acht und 25 Prozent. Bei den wohnungslosen Geflüchteten mit Anerkennungsstatus wird der Kinderanteil auf rund 37 Prozent geschätzt.[10]

Einige Bundesländer erheben Daten zum Ausmaß von Wohnungslosigkeit (siehe Tabelle), die allerdings nicht miteinander vergleichbar sind.[11] Nordrhein-Westfalen (NRW) ist bisher das einzige Bundesland, welches auf eine jahrzehntelange statistische Erfassung von Daten zu wohnungslosen Personen zurückgreifen kann. Dort waren zum Stichtag 30. Juni 2018 insgesamt 44.434 Personen wohnungslos gemeldet. Dies ist ein deutlicher Anstieg zu den Vorjahren (2017: 32.286; 2016: 25.045; 2015: 20.996).[12] Von den erfassten Wohnungslosen waren 14,3 Prozent unter 18 Jahre, mehr als zwei Drittel männlich (69,7 Prozent) und mehr als ein Drittel (37 Prozent) hatten eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Vergleichbare amtliche Statistiken werden beispielsweise auch in Bayern und seit 2017 auch in Rheinland-Pfalz geführt.[13] In Hamburg wird außerdem die Zahl der Personen erhoben, die auf der Straße leben.[14] […]

Aus den wenigen verfügbaren Zahlen lassen sich einige Entwicklungen ablesen: So ist die Zahl der Wohnungslosen in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Dies zeigt sich sowohl in den Schätzungen zur Gesamtzahl der Wohnungslosen in Deutschland[15] als auch in den verfügbaren amtlichen Statistiken der Länder[16]. Ein Grund für den Anstieg ist die große Zahl der Geflüchteten mit Schutzstatus, die – weil sie keine Wohnung finden – nach wie vor in den Gemeinschaftsunterkünften leben müssen.[17] Deutlich angestiegen ist auch – gemessen an der Gesamtzahl der Wohnungslosen – der Anteil der wohnungslosen Frauen[18] sowie derjenigen Wohnungslosen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit[19]. Einen deutlichen Anstieg gibt es auch bei den von Wohnungslosigkeit betroffenen Kindern.[20] Zahlen aus Hamburg verdeutlichen, dass sich dort in den letzten zehn Jahren die Zahl der Personen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben, fast verdoppelt hat.[21] […]

2.2.2 Forschungs­stand: Wie geht es wohnungs­losen Menschen?

Es liegen keine umfassenden Erkenntnisse zur Situation wohnungsloser Menschen vor. Quantitative Studien zum Umfang und Ausmaß von Wohnungslosigkeit sind überwiegend regional begrenzt; wenige Erkenntnisse gibt es zum ländlichen Raum[22] sowie zu den neuen Bundesländern[23].

Darüber hinaus liegt eine Reihe von Evaluationen konkreter Modellprojekte vor. Bestehende qualitative Studien befassen sich mit den Lebenslagen wohnungsloser Menschen. Dabei beziehen sich die Erkenntnisse überwiegend auf alleinstehende Männer. Es gibt kaum partizipative Forschungsansätze und wenige Studien, die die Betroffenenperspektive systematisch erfassen[24]. Es fehlt an Wissen, wie Wohnungslosigkeit überwunden werden kann.[25]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wohnungslosigkeit überwiegend in der materiellen Situation (unter anderem Mietschulden) begründet ist – oft in Kombination mit weiteren Risikofaktoren wie geringem Einkommen beziehungsweise Mischeinkommen, Konflikten im familiären Umfeld, Entlassungen aus institutionellen Einrichtungen (zum Beispiel Gefängnissen, der Psychiatrie oder der Jugendhilfe) oder gesundheitliche Einschränkungen.[26] Von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen sind häufig langzeitarbeitslos und haben geringe Bildungsqualifikationen.[27] Sie leben überwiegend von Transferleistungen.[28] Viele Wohnungslose sind mit sogenannten multiplen Problemlagen konfrontiert, beispielsweise wenn zu einer Suchterkrankung noch eine weitere chronische Erkrankung oder eine psychische Beeinträchtigung kommt. Es fehlt ihnen an ausreichendem Zugang zu medizinischer Versorgung.[29] Wohnungslose sind – in unterschiedlicher Ausprägung – sozial isoliert und erfahren Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt im öffentlichen Raum.[30]

Einige qualitative Studien enthalten Ergebnisse zur Lage betroffener Gruppen. So stehen bei wohnungslosen Frauen nicht selten Gewalterfahrungen wie sexueller Missbrauch und häusliche Gewalt in direktem Zusammenhang mit ihrer Wohnungslosigkeit. Frauen sind häufig verdeckt wohnungslos und begeben sich damit in (auch sexuelle) Abhängigkeiten. Sie meiden gemischtgeschlechtliche Unterbringungsformen und suchen seltener Hilfe. Das bestehende Hilfesystem ist nur sehr bedingt auf wohnungslose Frauen ausgerichtet.[31]

Zu anderen Gruppen gibt es nur vereinzelt Erkenntnisse: So tritt Wohnungslosigkeit gehäuft im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen auf. Die Erkrankungen bestehen teilweise vermutlich bereits vor der Wohnungslosigkeit, können sich aber auch erst währenddessen entwickeln oder chronifizieren.[32] Bei jungen wohnungslosen Menschen unter 25 Jahre tritt Wohnungslosigkeit in vielen Fällen unmittelbar vor oder nach dem Erreichen der Volljährigkeit ein, wobei ein zentraler Aspekt für diese Lebenssituation die familiären Umstände sind.[33] Ganz vereinzelt gibt es auch Erkenntnisse zu wohnungslosen Menschen mit Migrationshintergrund,[34] älteren Wohnungslosen[35] oder wohnungslosen Familien[36], nicht aber beispielsweise zu LGBTI-Personen[37].

2.2.3 Kontext­be­din­gun­gen: Armut, Wohnungsnot, Zuwanderung

Das aktuelle Ausmaß von Wohnungslosigkeit ist eng verknüpft mit den steigenden Mieten und dem zunehmenden Wohnungsmangel einerseits sowie Zuwanderungen und der Zunahme von Armut andererseits.

Die Armutsquote[38] in Deutschland ist unverändert hoch,[39] mit weiter steigenden Tendenzen: Jede sechste Person ist durchschnittlich von Armut betroffen, das sind circa 13,7 Millionen Menschen. Dabei ist die Armutsquote regional sehr unterschiedlich verteilt: in den Stadtstaaten Berlin und Bremen sowie in den neuen Bundesländern ist sie am höchsten.[40] Besonders betroffen sind Arbeitslose, Alleinerziehende, Menschen mit geringem Qualifikationsniveau und Migrant_innen.[41] Schaut man nach dem „Wohnstatus“, so wird deutlich, dass Armut auch ein „Mieterproblem“ ist: 28,9 Prozent der zur Miete wohnenden Personen sind arm, aber nur 4,1 Prozent derjenigen, die Eigentum besitzen.[42]

Gleichzeitig gibt es einen großen Mangel an bezahlbarem und diskriminierungsfrei zugänglichem Wohnraum, vor allem in den Großstädten, aber auch in anderen Regionen Deutschlands. Angebots- und Bestandsmieten sind, insbesondere in den Großstädten und Ballungszentren, in den letzten Jahren stark angestiegen, Tendenz steigend.[43] Der soziale Wohnungsbau, ursprünglich gedacht für Personen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen und somit auf dem freien Wohnungsmarkt benachteiligt sind, ist seit Jahren rückläufig: Gab es 2006 deutschlandweit noch 2,01 Millionen, Sozialwohnungen lag die Anzahl Ende 2018 nur noch bei 1,18 Millionen. Zwar werden in vielen Kommunen aktuell wieder neue Sozialwohnungen geschaffen, diese Zahl ist aber weitaus geringer als die Zahl jener Wohnungen, die jährlich aus der Sozialbindung herausfallen.[44]

Besonders von der Situation am Wohnungsmarkt betroffen sind Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen. Nicht nur gibt es für sie zu wenig bezahlbaren Wohnraum, sie müssen auch überproportional viel Geld für Miete ausgeben: Im Jahr 2014 zahlten 40 Prozent aller Haushalte mehr Miete, als sie sich nach ihrem Einkommen leisten könnten, bei knapp 19 Prozent betrug die Miete sogar mehr als 40 Prozent ihres Einkommens.[45] Sozialverbände bemängeln seit Langem, dass die Höhe des Betrags, den Leistungsbezieher_innen nach SGB II für Unterkunft und Heizung erstattet bekommen (sogenannte Kosten der Unterkunft), nicht ausreiche, um die tatsächlichen Mietkosten zu decken.[46] In der Folge wohnen Menschen in Haushalten mit unterdurchschnittlichem Einkommen qualitativ schlechter, das heißt auf zu wenig Raum und mit unterdurchschnittlichen Ausstattungsstandards.[47] Dabei ist die Anzahl und Ausstattung der verfügbaren (Sozial-)Wohnungen das Eine – selbst wenn diese Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt existieren, sind sie für bestimmte Gruppen, beispielsweise Migrant_innen oder Geflüchtete,[48] nicht oder nur sehr schwer zugänglich.

Nicht zuletzt spielt die Zuwanderung – aus EU-Ländern und Drittstaaten – eine nicht unbedeutende Rolle bei der Entwicklung von Wohnungslosigkeit: Schätzungen gehen davon aus, dass ein großer Teil der wohnungslosen Menschen in Deutschland Geflüchtete sind, die – trotz Anerkennung eines Schutzstatus – nach wie vor in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen.[49] […]

2.3 Rechtliche Analyse: Das Recht auf Wohnen und Mindest­an­for­de­rungen an die ordnungs­recht­liche Unter­brin­gung

Deutschland hat sich durch menschenrechtliche Verträge verpflichtet, allen Menschen das Recht auf Wohnen als Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Auch aus dem Grundgesetz ergibt sich das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, zu dem auch eine Unterkunft gehört. Das Menschenrecht auf Wohnen zielt darauf ab, allen Menschen im Hoheitsbereich des Staates eine angemessene Unterkunft zu ermöglichen; es bedeutet jedoch nicht etwa das Recht des Einzelnen auf staatliche Bereitstellung einer spezifischen Wohnung. Vielmehr ist der Staat verpflichtet, in einer Gesamtstrategie durch gesetzliche und politische Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass alle Menschen ihr Recht auf angemessenes Wohnen wahrnehmen können.[50] Zu diesen Umsetzungselementen zählen etwa die Wohnungsbaupolitik und das Bau- und Bauplanungsrecht ebenso wie der gesetzliche Mieterschutz, Antidiskriminierungsgesetze, Sozialleistungsansprüche und das Recht auf kurzfristige Notunterbringung im Fall von Wohnungslosigkeit.

Diesem breiten Ansatz entsprechend hat der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpaktausschuss) 2018 Empfehlungen an Deutschland zu unterschiedlichen Aspekten des Rechts auf Wohnen ausgesprochen. Das Thema Wohnungslosigkeit war erneut Schwerpunkt: Der Ausschuss empfiehlt Deutschland, mehr bezahlbaren Wohnraum insbesondere für die am stärksten benachteiligten Gruppen, dazu zählen Wohnungslose, bereitzustellen. Außerdem empfiehlt er, die öffentlichen Ausgaben für Wohnen zu erhöhen, Wohnungslosigkeit zu verringern und ausreichend Unterkünfte einschließlich Notaufnahmen sowie soziale Rehabilitationszentren bereitzustellen. Nicht zuletzt empfiehlt der Ausschuss die Einführung einer Wohnungslosenstatistik nach Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und anderen relevanten Kriterien. Der Ausschuss regt an, dass Deutschland Maßnahmen ergreift, um die Auswirkungen von Spekulationen auf Zugang zu bezahlbarem Wohnen auf dem städtischen Wohnungsmarkt einzudämmen.[51] […]

2.3.1 Das Recht auf Wohnen im nationalen und inter­na­ti­o­nalen Recht

2.3.1.1 Das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen

Das Recht auf Wohnen findet sich bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und wurde in Folge mit dem Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) in Artikel 11 als Teilaspekt des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard in einen verbindlichen Vertrag überführt. Auch in anderen Menschenrechtsverträgen finden sich Aspekte des Rechts auf Wohnen, etwa in Artikel 5 lit e) iii) Anti-Rassismus-Konvention, Artikel 27 Absatz 3 UN-Kinderrechtskonvention und Artikel 19 lit. a) UN-Behindertenrechtskonvention. Mit der Ratifikation eines menschenrechtlichen Vertrages übernimmt der Staat die Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht für die dort verankerten Rechte. Die Rechte aus den Menschenrechtsverträgen sind in Deutschland unmittelbar geltendes Recht und auch bei der Auslegung der nationalen Gesetze heranzuziehen (Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung).

Der UN-Sozialpaktausschuss betont, dass das Recht auf Wohnen mehr als „ein Dach über dem Kopf“ bedeutet; der Wohnraum muss angemessen sein. Die Angemessenheit ist zunächst länderspezifisch zu beurteilen, nämlich in Bezug zur wirtschaftlichen Situation eines Landes und zum allgemeinen Lebensstandard. Zudem hat der Ausschuss aber mit Geltung für alle Staaten sieben Kriterien herausgearbeitet, um die Angemessenheit einer Unterkunft zu beurteilen: der gesetzliche Schutz der Unterkunft, die Verfügbarkeit von Diensten, die Bezahlbarkeit des Wohnraums, seine Bewohnbarkeit, der diskriminierungsfreie Zugang zu Wohnraum, ein geeigneter Standort und die kulturelle Angemessenheit.[52] Auch in Entscheidungen zu Individualbeschwerden hat sich der Ausschuss bereits mit einzelnen Verpflichtungen aus dem Recht auf Wohnen befasst.[53]

Das Recht auf Wohnen ist auch für die Ausübung weiterer Menschenrechte von zentraler Bedeutung, etwa für das Wahlrecht oder die Rechte auf Privatsphäre, soziale Sicherheit, Arbeit oder Bildung.[54] Als angemessen kann eine Unterkunft zudem nur gelten, wenn sie in Übereinstimmung mit anderen menschenrechtlichen Verpflichtungen steht.[55] Besonders relevant sind dabei das Recht auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt aus der Istanbul-Konvention des Europarats und das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Leben in der Gemeinschaft aus der UN-Behindertenrechtskonvention.

Das Menschenrecht auf Wohnen umfasst auch die staatliche Verpflichtung, Menschen im Falle von Wohnungslosigkeit unterzubringen.[56] Für die kurzfristige Unterbringung in Notsituationen können dabei auch niedrigere Standards als angemessen angesehen werden als für eine dauerhafte Unterkunft. Allerdings weist die UN-Sonderberichterstatterin zum Recht auf angemessenes Wohnen darauf hin, dass die Staaten die Standards verbessern müssen, sobald abzusehen ist, dass Notunterkünfte nicht mehr nur vorübergehend, sondern als längerfristige Lösung dienen werden.[57]

2.3.1.2 Verankerung und Umsetzung des Rechts auf Wohnen im deutschen Recht

In Deutschland ist ein Recht auf angemessenen Wohnraum in zehn Landesverfassungen verankert.[58] In drei Landesverfassungen wird es durch ein Recht auf „Sicherung von Obdach im Notfall“ ergänzt.[59] Die Regelungen werden allerdings überwiegend als Staatszielbestimmungen angesehen, nicht als durchsetzbare individuelle Rechte und haben daher kaum praktische Bedeutung.[60]

Im Grundgesetz hingegen findet sich kein explizites Recht auf Wohnen. Allerdings ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20) das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, zu dem auch die Unterkunft gehört.[61] Dieses Recht wird einfachgesetzlich durch die sozialrechtlichen Ansprüche umgesetzt, etwa auf Wohngeld[62] (§ 3 WoGG) beziehungsweise auf die Kosten der Unterkunft (§ 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII) oder durch die Hilfen in besonderen sozialen Schwierigkeiten (§§ 67 ff. SGB XII). Zur Abwehr unmittelbarer Gefahren und zur Überbrückung zeitlicher Lücken tritt neben das Sozialrecht die hier untersuchte Unterbringung nach Polizei- und Ordnungsrecht.

2.3.1.3 Polizei- und ordnungsrechtliche Unterbringung unfreiwillig obdachloser Menschen

Die polizei- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen zur Unterbringung von unfreiwillig obdachlosen Menschen werden nach den jeweiligen landesrechtlichen Polizei-, Ordnungs-, Sicherheits- oder Verwaltungsgesetzen vollzogen. Es geht dabei um die Beseitigung einer akuten Gefahrenlage der unfreiwilligen Obdachlosigkeit, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Dabei hat sich das Verständnis, welche Schutzgüter durch Obdachlosigkeit gefährdet sind, mit der Zeit fundamental gewandelt: Während früher die obdachlose Person als Störer für Rechtsgüter der Allgemeinheit angesehen wurde, wird nun auf die Gefährdung der Grundrechte des obdachlosen Menschen (sein Recht auf Leben, auf Gesundheit, auf körperliche Unversehrtheit und die Garantie der Menschenwürde) abgestellt. Diese Gefahr müssen die Behörden durch die Unterbringung abwenden.[63]

Trotz dieses Bedeutungswandels hin zu den Grund- und Menschenrechten als Schutzgut fand aber keinerlei ausdrückliche gesetzliche Regelung der Unterbringungspflicht statt. Noch immer werden die Maßnahmen unter die allgemeine polizei- und ordnungsrechtliche Gefahrenabwehrklausel (sogenannte polizeiliche Generalklausel) gefasst. In der Rechtsprechung wird die Rechtmäßigkeit der Art und Weise der Unterbringung im Einzelfall anhand des Menschenwürdemaßstabs geprüft.[64] Die ordnungsrechtliche Unterbringung ist ein Mittel zur kurzfristigen Gefahrenabwehr. Es soll sich nicht um reguläres Wohnen handeln, sondern um eine vorübergehende Unterbringung.[65] Daher ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass geringere Standards zur Anwendung kommen, als dies für eine dauerhafte Wohnung der Fall wäre.[66]

Eine grund- und menschenrechtliche Herausforderung stellt der Befund dar, dass die ordnungsrechtliche Unterbringung, die rechtlich in Deutschland als Mittel der kurzfristigen Gefahrenabwehr mit entsprechend niedrigen Standards konstruiert ist, in der Realität für nicht wenige Menschen über lange Zeiträume ihr Wohnen darstellt und sie wenig Chancen haben, aus der ordnungsrechtlichen Unterbringung wieder herauszukommen.[67]

2.3.2 Grund- und menschen­recht­liche Kriterien für die vorüber­ge­hende Unter­brin­gung

Die menschenrechtlichen Anforderungen an angemessenes Wohnen gelten auch für die ordnungsrechtliche Unterbringung wohnungsloser Menschen in Deutschland. Als Analyserahmen werden in der Folge die vom UN-Sozialpaktausschuss 1991 entwickelten Kriterien für angemessenes Wohnen (Abbildung) zugrunde gelegt. Diese werden um die Anforderungen aus den jüngeren Menschenrechtskonventionen, insbesondere der Istanbul-Konvention gegen Gewalt gegen Frauen und der UN-Behindertenrechtskonvention ergänzt.

Wie der Abgleich der internationalen Kriterien mit der nationalen Rechtsprechung im Folgenden zeigt, werden überwiegend die gleichen Aspekte berücksichtigt, um die Angemessenheit beziehungsweise Menschenwürdigkeit der Unterbringung zu beurteilen. In einigen Bereichen, und zwar beim diskriminierungsfreien Zugang, insbesondere der Barrierefreiheit und der Berücksichtigung weiterer besonderer Bedarfe, sowie beim Gewaltschutz ergeben sich aus den Menschenrechten weitergehende Anforderungen. Andere Aspekte, etwa bezüglich des Standorts, scheinen bislang kaum zum Gegenstand von Gerichtsverfahren gemacht worden zu sein.

Abbildung 1: Grund- und menschenrechtliche Kriterien für die vorübergehende Unterbringung Wohnungsloser

Die Gerichte entscheiden jeweils nur die im Einzelfall aufgeworfenen Fragen. Häufig wird im Eilrechtsschutz entschieden, in dem die Rechtsfragen nur summarisch geprüft werden. Deshalb kann sich aus der Rechtsprechung kein systematisches Gesamtkonzept für die ordnungsrechtliche Unterbringung ergeben. Die vom UN-Sozialpaktausschuss entwickelten Kriterien für das Recht auf angemessene Unterbringung werden bislang von den deutschen Gerichten nicht als Auslegungshilfe herangezogen. Bei der Analyse der Rechtsprechung ist auch zu berücksichtigen, dass wohnungslose Menschen über eine geringe Beschwerdemacht verfügen und ihre Rechte selten ohne Unterstützung vor Gericht einklagen werden. […]

2.5 Fazit

Wohnungslosigkeit in Deutschland ist kein Randphänomen. Wie viele und welche Menschen davon betroffen sind, ist unklar. Offizielle Zahlen gibt es bisher nicht. Nach einer Schätzung waren am 31.05.2018 zwischen 313.000 und 337.000 Menschen wohnungslos. Eine weitere Schätzung geht von 542.000 Wohnungslosen zum Stichtag 30.06.2018 aus.[68] Wohnungslosigkeit ist eng verknüpft mit einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Es sind die Menschen mit geringem Einkommen, die unter der steigenden Verknappung von Wohnraum am meisten leiden – und somit zunehmend von Wohnungslosigkeit bedroht und betroffen sind.

In Deutschland sind die Kommunen rechtlich verpflichtet, unfreiwillig obdachlose Menschen vorübergehend unterzubringen (sogenannte ordnungsrechtliche Unterbringung). Statistiken machen deutlich: Mehrere zehntausend Menschen in Deutschland waren im Jahr 2018 gezwungen, diese Form der Unterbringung in Anspruch zu nehmen. Ursprünglich nur als Notlösung konzipiert und für kurze Zeit gedacht, wird diese zunehmend zur längerfristigen Unterbringungsform: Rund ein Drittel der untergebrachten Personen lebt länger als zwei Jahre dort. Es erfolgt derzeit eher ein Ausbau als ein Abbau der ordnungsrechtlichen Unterbringung durch die Kommunen.

Inwieweit die Kommunen ihrer Unterbringungsverpflichtung von wohnungslosen Menschen nachkommen können, ist deutschlandweit sehr verschieden. Die empirische Analyse fokussiert auf ausgewählte Praxis in den Kommunen. Dafür hat das Institut 28 Expert_innen (Wohnungslose Menschen, Behörden, freie Träger) interviewt sowie Studien und Informationen der Länder beziehungsweise Kommunen ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen große Unterschiede bezüglich des Zugangs, der Ausstattung und der Überwindung der ordnungsrechtlichen Unterbringung: Der Zugang zu einer Unterkunft hängt maßgeblich davon ab, ob die Kommune ausreichend Unterbringungsplätze zur Verfügung hat; aber auch davon, wie die Kommune ihre Unterbringungsverpflichtung versteht (welche Personen müssen wie lange und unter welchen Bedingungen untergebracht werden). Die Bandbreite der Unterkünfte ist groß und reicht von „Normalwohnraum“ (Wohnungen) bis zu Mehrbettzimmern in Sammelunterkünften, von hygienisch einwandfrei bis an die Grenze zur Verwahrlosung.

Kommunal große Unterschiede gibt es auch bei der Frage, ob und in welchem Umfang bedarfsgerechte Hilfen und Unterstützung beim Wiedererlangen von Wohnraum angeboten werden. Somit verbleiben wohnungslose Menschen teilweise jahrelang in der ordnungsrechtlichen Unterbringung – oder auch in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe nach §§ 67ff. SGB XII, in den Notunterkünften, in verdeckter Wohnungslosigkeit oder gänzlich auf der Straße. Deutlich wird auch, dass viele Menschen in der ordnungsrechtlichen Unterbringung landen, die eigentlich Anspruch auf eine (umfassendere) Versorgung in einem anderen Bereich des Hilfesystems – beispielsweise dem Versorgungssystem für psychisch Kranke, der Suchtkrankenhilfe oder dem Pflegesystem – hätten.

Mit der teilweise jahrelangen Wohndauer verändern sich die grund- und menschenrechtlichen Anforderungen an die ordnungsrechtliche Unterbringung. Bisher haben der Bund und die meisten Länder lediglich auf die Umsetzungsverpflichtung der Kommunen verwiesen. Aus den grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen entsteht aber auch ein Gestaltungsauftrag an Bund und Länder, die ordnungsrechtliche Unterbringung weiterzuentwickeln. Denkbar wäre beispielsweise ein Modellprojekt des Bundes, das dazu beitragen könnte, Mindestanforderungen an die ordnungsrechtliche Unterbringung zu entwickeln. Vorschläge für Mindeststandards liegen vonseiten der Fachverbände aus der Wohnungslosenhilfe vor.[69]

Neben räumlichen und personellen Standards, braucht es aber eine weitergehende Diskussion: Wie kann ein sicheres Miteinander in den Unterkünften gewährleistet werden? Was können Betroffene tun, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt fühlen? Wie kann ein effektives Monitoring beziehungsweise eine Rolle der Aufsichtsbehörden aussehen? Wie können Menschen mit weitergehenden Schutzbedarfen identifiziert werden? Hier lohnt der Blick in andere Regelungssysteme, in denen viele Menschen auf wenig Raum untergebracht sind, zum Beispiel die Unterbringung Geflüchteter. Die hier ausgearbeiteten Konzepte zu Gewaltschutz, Beschwerde, Identifikation von Schutzbedarfen etc. sollten auch in die Standard-Diskussion zur ordnungsrechtlichen Unterbringung eingehen.

Nicht zuletzt braucht es eine rechtliche Klarstellung für die Kommunen, dass die Verpflichtung zur ordnungsrechtlichen Unterbringung für wohnungslose Menschen aller Herkunft gilt. Diese Klarstellung könnte sowohl durch die Innenbehörden der Länder erfolgen[70], aber auch durch eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung.

Eine Verbesserung innerhalb der ordnungsrechtlichen Unterbringung kann aber nur ein Baustein von vielen sein, um die Lebensbedingungen wohnungsloser Menschen menschenrechtskonform auszugestalten. Ziel staatlichen Handelns sollte es in erster Linie sein, Wohnungslosigkeit zu vermeiden beziehungsweise zu überwinden. Dies hängt neben einer effektiven Organisation aller Hilfe vor Ort maßgeblich davon ab, ob es in den Kommunen genügend Wohnraum – insbesondere auch für Haushalte mit wenig oder keinem Einkommen – gibt, und ob Betroffene auch vorrangigen Zugang zu diesen Wohnungen bekommen.

Der Bericht des DIMR wurde unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht (CC BY-NC-ND 4.0). Der vollständige Bericht (mit den im Text erwähnten Literaturangaben) liegt als BT-Drucksache 19/15829 vom 10.12.2019 vor bzw. kann über die Webseite des Instituts heruntergeladen werden: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/.

Anmerkungen

1 313.000 – 337.000 (Stichtag 31.05.2018): Schätzung der Gesellschaft für innovative Sozialforschung e.V. im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019), S. 203); 542.000 (Stichtag 30.06.2018): Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W (2019c)).

2 Die Steigerung wird aus den Schätzungen der BAG W deutlich (2019c) sowie aus den Zahlen der Bundesländer (Kapitel 2.2.1 und 2.4.2).

3 Zentrale Beratungsstelle Niedersachsen (2018b), S. 5. Siehe auch Kapitel 2.4.2.

4 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (2019), S. 3.

5 Kapitel 2.4.2.

6 Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019), S. 203. Die Schätzung wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführt. Zur Schätzmethode: ebd., S. 192ff.

7 Geschätzt wird außerdem eine Jahresgesamtzahl für 2018 von 678.000 Wohnungslosen (BAG W (2019c)). Zur Schätzmethode: Specht / Neupert (2019).

8 Deutsche Bundesregierung (2019).

9 Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019) gehen von einem Anteil von 50 Prozent aller Wohnungslosen aus (S. 111). Die BAG W schätzt den Anteil der wohnungslosen Geflüchteten dreimal höher als den der anderen Wohnungslosen (2019c, S. 1).

10 Schätzungen Haushaltstyp (alleinstehend): BAG W (2019c), Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019), S. 112; Schätzungen Frauen/Kinderanteil: BAG W (2019c), Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019), S. 114 ff. Die BAG W-Zahlen beziehen sich lediglich auf die Wohnungslosen, die nicht zu den Geflüchteten mit Anerkennungsstatus gehören.

11 Die Unterschiede beziehen sich unter anderem auf den Kreis der erfassten Personen und den Erfassungszeitraum.

12 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (2019), S. 4. Die Zahl umfasst zwei Personengruppen: die kommunal ordnungsrechtlich untergebrachten Wohnungslosen und die durch freie Träger der Wohnungslosenhilfe untergebrachten beziehungsweise betreuten Wohnungslosen.

13 Bayern: https://www.stmas.bayern.de/wohnungslosenhilfe/ (abgerufen am 13.08.2019); Rheinland-Pfalz: https://msagd.rlp.de/de/service/presse/detail/news/detail/News/einfuehrung-einer-wohnungsnotfallstatistik-in-rheinland-pfalz/ (abgerufen am 13.08.2019).

14 Zuletzt im Jahr 2018: Ratzka / Kämper (2018).

15 BAG W (2019c).

16 Zum Beispiel ist in NRW die Anzahl an wohnungslosen Personen, die in den kommunalen Einrichtungen sowie denen der freien Träger untergebracht bzw. betreut wurden, zwischen 2014 und 2018 von 20.468 auf 44.434 Personen gestiegen. (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (2019), S. 4).

17 Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019) gehen von einem Anteil von 50 Prozent aller Wohnungslosen aus (S. 111). Die BAG W schätzt den Anteil der wohnungslosen Geflüchteten dreimal höher als den der anderen Wohnungslosen (2019c, S. 1). In Hamburg ist ihre Zahl drei Mal so hoch wie die aller anderen Wohnungslosen, die ordnungsrechtlich untergebracht sind: Freie und Hansestadt Hamburg (2019), S. 32.

18 Von 22,2 Prozent im Jahr 2011 auf 27,0 Prozent aller Wohnungslosen im Jahr 2017, laut Auskunft der freien Träger der Wohnungslosenhilfe (vgl. Neupert (2018), S. 124).

19 Von 9,1 Prozent im Jahr 2007 auf 29,7 Prozent aller Wohnungslosen im Jahr 2016, laut Auskunft der freien Träger der Wohnungslosenhilfe (vgl. Neupert (2018), S. 125).

20 Laut Schätzung der BAG W sind im Jahr 2016 rund doppelt so viele Kinder wohnungslos gewesen als im Jahr 2008 (Kinder mit einem Elternteil: 4,7 Prozent (2016), 2,8 Prozent (2008); Kinder mit einem Paar: 5,1 Prozent (2016), 2,5 Prozent (2008); vgl. BAG W (2008b), S. 7, BAG W (2018), S. 3). In Niedersachsen hat sich die Zahl der minderjährigen Wohnungslosen, die ordnungsrechtlich untergebracht sind, von 2013 (910) auf 2016 (1.805) fast verdoppelt (Zentrale Beratungsstelle Niedersachsen (2018b), S. 7).

21 Von 1.029 Personen im Jahr 2009 auf 1.910 Personen im Jahr 2018 (vgl. Ratzka / Kämper (2018), S. 12).

22 Unter anderem: Evers / Ruhstrat (2015); Evers / Ruhstrat (2010).

23 Ausnahme: Busch-Geertsema / Ruhstrat (1998).

24 Ausnahme zum Beispiel Gerull (2018). Zu den möglichen Gründen für die wenigen partizipativen Studien siehe Gerull (2010).

25 Vereinzelt, siehe zum Beispiel Gerull (2016).

26 Zum Beispiel: Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019), S. 82-85, 149-154; Frietsch / Holbach (2016); BAG W (2018), S. 7; Knopp / Bleck / van Rießen (2014), S. 14 f.; Enders-Dragässer / Sellach (2005), S. 36-49; Busch-Geertsema / Evers / Ruhstrat (2005), S. 17, 44, 102 ff.; Fichtner u.a. (2005). S. 13 ff.

27 Zum Beispiel: Gerull (2016), S. 21 ff.; BAG W (2018), S. 3 ff.; Brem (2012), S. 314 ff.; Enders-Dragässer / Sellach (2005), S. 64-82.

28 Zum Beispiel: BAG W (2018), S. 4 f.; Knopp / Bleck / van Rießen (2014), S. 11; Enders-Dragässer / Sellach (2005), S. 50 ff.; Fichtner u.a. (2005), S. 44 ff.

29 Zum Beispiel: Brem (2012), S. 320 f.; Enders-Dragässer / Sellach (2005), S. 134 ff.; Fichtner u.a. (2005), S. 99 ff.

30 Unter anderem: Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019), S. 162; Gerull (2018); Gerull (2016), S. 21 ff.; Schulte-Scherlebeck / Lange / Kletzin (2015); Brem (2012), S. 322; Pollich (2012); Fichtner u.a. (2005), S. 71 ff.; Rosenke (2005); Breuer (2005).

31 Unter anderem: Hauprich (2018); Köppen / Krägeloh / Heise (2012); Enders-Dragässer / Sellach (2005); Enders-Dragässer / Huber / Sellach (2004).

32 So auch die Seewolf-Studie (Bäuml u.a. 2017), deren Ergebnisse aber umstritten sind: Busch-Geertsema (2018b); Diakonie/EBET (2017).

33 Hoch (2016a und b); Frietsch / Holbach (2016); Knopp / Bleck / van Rießen (2014). Für einen Überblick über die aktuelle Datenlage zu jungen Wohnungslosen siehe Deutscher Bundestag (2018a).

34 Pries / Tuncer-Zengingül (2012).

35 Brem (2012); Brem / Seeberger (2009).

36 Gerull / Wolf-Ostermann (2012).

37 So auch Hniopek / Thiele (2019).

38 Anteil der Personen an der Gesamtbevölkerung, deren Haushaltsnettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens der Gesamtbevölkerung beträgt.

39 Nach dem Mikrozensus lag sie im Jahr 2017 bei 15,8 Prozent (2005: 14,7), laut Sozio-ökonomischem Panel bei 16,8 Prozent (2005: 13,9); siehe: Aust u.a. (2018), S. 12. Zur öffentlichen Debatte bezüglich der Armutsquote siehe auch: Spiegel Online vom 20.09.2016: https://www.spiegel.de/spiegel/georg -cremer-fordert-mehr-fakten-in-der-debatte-um-armut-a-1112816.html (abgerufen am 17.10.2019).

40 Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/07/PD19_ 282_634.html (abgerufen am 27.09.2019).

41 Ausführlich: Aust u.a. (2018).

42 Ebd., S. 24.

43 Zum Beispiel: Deutscher Bundestag (28.08.2019); Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung): https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/WohnenImmobilien/Immobilienmarktbeobachtung /ProjekteFachbeitraege/mieten/start-node.html (abgerufen am 25.10.2019); Tagesspiegel vom 26.12.2018: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/mieterbund-warnt-mieten-steigen-unaufhaltsam-und-kein-ende-in-sicht/23798760.html (abgerufen am 12.10.2019).

44 Deutscher Bundestag (28.08.2019), S. 4; Tagesschau vom 14.08.2019: https://www.tagesschau.de/ inland/sozialwohnungen-111.html (abgerufen am 12.10.2019).

45 Lebuhn u.a. (2017), S. 69. Eine Mietbelastungsquote von über 30 Prozent gilt als problematisch, da dann nicht genug Geld zur sonstigen Lebensführung bleibt.

46 Sozialverband VdK: https://www.vdk.de/deutschland/pages/presse/presse-statement/77459/vdk _wohnen_ist_ein_menschenrecht_fuer_alle (abgerufen am 16.08.2019); Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege: https://www.bagfw.de/gremien-themen/sozialkommission-ii/detail/position-der-bagfw-zur-ermittlung-angemessener-kosten-der-unterkunft-und-heizung-im-sgb-ii-und-xii-und-weitere-vorschlaege (abgerufen am 16.08.2019).

47 Holm (2019), S. 102.

48 Auspurg u.a. (2019); ADS (2015); BR Data/Spiegel Online (2017): https://www.hanna-und-ismail.de/ (abgerufen am 25.10.2019).

49 Siehe Kapitel 2.2.1.

50 UN, Committee on Economic, Social and Cultural Rights (1991), Ziff. 11; UN, Menschenrechtsrat (2018), Ziff. 7 und 8.

51 UN, Fachausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (2018), Ziff. 55.

52 UN, Committee on Economic, Social and Cultural Rights (1991), Ziff. 7 und 8; Saul / Kinley / Mowbray (2014), S. 929.

53 UN, Fachausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (2017), Mitteilung Nr. 5/2015, Mohamed Ben Djazia and Naouel Bellili v. Spain, Views angenommen am 20. 06 2017, UN Doc. E/C.12/61/D/5/2015. Ausführlich zur Entscheidung siehe Bettzieche (2018).

54 UN, Committee on Economic, Social and Cultural Rights (1991), Ziff. 9.

55 UN, Commission on Human Rights (1995). Ziff. 12 und 13.

56 Ebd., Ziff. 11.

57 UN, Menschenrechtsrat (2018), Ziff. 16.

58 Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Bremen, Bayern, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

59 Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

60 Dreier (2015), Art. 20 Rn. 22, 23, Ziff. 135.

61 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, Rn. 135, 200.

62 Das Wohngeld dient zur Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens. Es kann als Miet- oder Lastenzuschuss gezahlt werden.

63 Denninger (2012), Rn. 151; Gusy (2017), Rn. 342; Steinmeier (1992) übt am Verharren der Praxis an der Konstruktion des Obdachlosen als Störers Kritik, S. 94 ff., 221 ff., 370; Ruder (2015), S. 8.

64 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss. vom 03.08.2012 – 4 CE 12.1509, Rn. 5; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25.06.1991 – 11 UE 3675/88, Leitsatz 1; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2011 – 8 B 217/11, Leitsatz 2 und Rn 28; Huttner (2017), S. 120 ff.; Ruder (2015), S. 20; Rosenke (2017b).

65 Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.07.2013 – 3B 380/13, Rn. 12.

66 Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.02.2017 – B 209/2017, Leitsatz 3; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.07.2013 – 3 B 380/13, Rn. 12; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2008 – 4 CE 08.2647, Rn. 7 (Obdachlosenfürsorge dient nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“, sondern der Beschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art); Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 05.04.2012 – AN 5 K 11.01070, Rn. 17-18; Verwaltungsgericht Oldenburg, Beschluss vom 05.06.2012 – 7 B 3428/12, Rn. 9.

67 Siehe Kapitel 2.4.2 zur Unterbringungsdauer.

68 313.000 – 337.000: Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019), S. 203; 542.000: BAG W (2019c). Zu den Unterschieden der beiden Schätzungen, siehe Kapitel 2.2.1.

69 Qualitätsgemeinschaft Soziale Dienste (2018); BAG W (2013); KAGW (2012).

70 Busch-Geertsema / Henke / Steffen (2019), S. 212.

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