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Nachruf Heinrich Hannover (31.10.1925 - 14.01.2023)

Wir haben einen großen Humanisten verloren, einen politischen Kopf und ein Vorbild für eine ganze Generation von jüngeren Menschen (mit oder ohne juristischer Ausbildung).

Dieser Mann war aus anderen Jahresländern in unser Zeitdorf zugereist. Er stammte aus einer Generation, die noch durch den Nationalsozialismus geprägt war. Aber durch die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges wurde er zum Antimilitaristen und zum demokratischen Sozialisten. In seinem Habitus blieb er jedoch stets ein Gentleman und Charmeur der alten Schule.

Heinrich Hannover gehörte zu den bedeutenden Verteidigern in „politischen“ Strafsachen der Nachkriegszeit. Zu den von ihm Vertretenen gehörten Prominente wie Peter Brückner, Daniel Cohn-Bendit, Hans Modrow, Otto Schily, Günter Wallraff. Er setzte sich mit ganzer Kraft dafür ein, dass Kommunisten, Mitglieder der RAF, Kriegsdienstverweigerer, aber auch Zeugen Jehovas und andere Minderheiten ein rechtsstaatliches Verfahren erhielten. Damit brachte er die Justizobrigkeit gegen sich auf und wurde immer wieder mit Disziplinarverfahren überzogen. Er war aber ein genauso unbequemer Verteidiger von ganz normalen „kleinen Leuten“. In Erinnerung ist der Fall, in dem es ihm gelang in Bremen einen Justizirrtum zu verhindern, indem er, nach der Verurteilung seines Mandanten wegen Mordes, durch detektivische Arbeit ein Wiederaufnahmeverfahren erreichte.

Auch als Schriftsteller hat Heinrich Hannover zum Entstehen einer neuen kritischen Generation beigetragen. Frühzeitig hat er den „Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht“ aufgearbeitet. Sein Buch über die politische Justiz der Zwanzigerjahre ist zum Standardwerk geworden und hat immer wieder neue Auflagen erlebt. Seine kritischen Untersuchungen über die Weimarer Republik hat er jedoch bald auch auf die Gegenwart ausgedehnt („Die unheimliche Republik: Politische Verfolgung in der Bundesrepublik“). Eine Auswahl seiner „Reden vor Gericht“ ist in Text und Ton zugänglich. Und seine Lebenserinnerungen sind in zwei Bänden unter dem Titel „Die Republik vor Gericht. Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts“ erschienen. Im Handel erhältlich sind auch die zahlreichen Kinderbücher, die aus den Gutenachtgeschichten für seine Kinder hervorgegangen sind.

Heinrich Hannover war nicht zuletzt auch im Rahmen der Humanistischen Union aktiv. Zunächst als Aktivist in Bremen, dann durch Beiträge in den VORGÄNGEN und durch seine Mitarbeit im Beirat. 1973 wurde er mit dem Fritz-Bauer-Preis ausgezeichnet. Zu seinem 70. Geburtstag hat Jürgen Seifert ihn in den VORGÄNGEN als „Anwalt mit aufrechtem Gang“ gefeiert. Nun ist er mit 97 Jahren verstorben.

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