Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 192: Wandel der Öffentlichkeit

Ökono­mi­scher und staatlicher Einfluss auf die Medien in Europa

Drei Länderbeispiele;

aus: vorgänge Nr. 192, Heft 4/2010. S. 46-54

Einleitung

Welche Medienstrukturen existieren in anderen europäischen Ländern, welche Vergleiche lassen sich mit der Medienlandschaft in Deutschland ziehen und was können wir daraus für unser System ableiten? Diese Fragen stehen hier im Vordergrund und sollen mit Blick auf die demokratische Funktion der Medien behandelt werden. Die einfache Eingangsthese lautet: Eine freie und unabhängige Meinungsbildung ist ein wesentliches Merkmal des demokratischen Miteinanders, und es gibt verschiedene Wege, eine solche Meinungsbildung zu ermöglichen. Im Einzelnen gehören dazu die Pluralität der Medienangebote, qualitative Anforderungen an die Rundfunkprogramme, Transparenz der Medienstrukturen und Verantwortlichkeit der Journalisten, sowie eine inhaltliche Pluralität. So einfach diese Erkenntnis ist, so schwer scheint es mit Blick auf staatliche und wirtschaftliche Interessen zu sein, diese Merkmale umzusetzen.

Als Vergleichsländer mit anderen Medienstrukturen in Europa bieten sich das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden Großbritannien) sowie die Republik Kroatien an. Großbritannien, weil es mit der British Broadcasting Corporation, der BBC, eine starke öffentliche Rundfunkorganisation hat, die in der Tradition des Public Service Broadcasting (im Folgenden auch PSB) steht. Ferner, weil es mit dem Konzern von Rupert Murdoch auch einen sehr einflussreichen privaten Medienanbieter besitzt (The Sun, Times London, BSkyB, nur um einige zu nennen). Demgegenüber zeigt Kroatien einzelne Besonderheiten auf, die ebenfalls interessant und lehrreich sind. Neben den beiden genannten europäischen Staaten ist es zudem sinnvoll, in aller Kürze auf das Mediensystem in Deutschland einzugehen und die Aspekte, die interessant sind, weiter zu vertiefen.

Die Ergebnisse des von der Europäischen Kommission geförderten unabhängigen Forschungsprojekts „MEDIADEM” bilden die Grundlage für die hier gemachten Aussagen.[1] In dem Projekt arbeiten Teams aus 14 europäischen Ländern zusammen, um die jeweiligen Mediensysteme fair einen Zeitraum von drei Jahren zu erforschen. Dabei gehen die Forscherinnen und Forscher der Frage nach, welche gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen freie und unabhängige Medien prägen, die für einen demokratischen Diskurs erforderlich sind[2]

Vergleichbare Medienstrukturen

Deutschland
In Deutschland ist die Bedeutung der Medien für den demokratischen Diskurs grundsätzlich unbestritten. In den Worten des Bundesverfassungsgerichts sind sie dafür konstitutiv.[3] Die Grundstrukturen des bundesrepublikanischen Mediensystems lassen sich recht gut wie folgt zusammenfassen. Der Rundfunk, darunter werden hier Radio-, Fernsehen, und die Internetangebote der Rundfunkveranstalter verstanden, wird hierzulande in einem dualen System bereitgestellt. Dem durch Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht ein privater Rundfunk gegenüber. Interessant ist dabei die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass Meinungsvielfalt nicht durch einen rein privaten Rundfunk gewährleistet werden kann .[4] Man kann insofern auch von einem Marktversagen sprechen (Kiefer 2004: 558). Um den Anforderungen aus Artikel 5 (Kommunikationsfreiheiten) Grundgesetz gerecht zu werden, muss der Gesetzgeber eine Rundfunkordnung schaffen, in der ein freier und unabhängiger Meinungsaustausch möglich ist. Ob dies geglückt ist, kann manchmal in Frage gestellt werden. Zwar ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk staatsfern als unabhängige Einrichtung konzipiert. Der Direktor ist für das Programm verantwortlich, die Rundfunkräte sind mehrheitlich mit gesellschaftlichen Vertretern besetzt und die Landesregierungen üben nur eine Rechtsaufsicht aus. Dennoch sind immer wieder unangemessene Einflussnahmen festzustellen.

Der Pressemarkt ist in Deutschland ohne umfangreiche staatliche Regulierung im Sinne von inhaltlichen Programmvorgaben bzw. Lizenzverfahren organisiert. Im Jahr 2009 produzierten 134 publizistische Einheiten insgesamt 1.511 Ausgaben mit einer Auflage je Veröffentlichung von durchschnittlich 25 Millionen Exemplaren (Bundesverband Zeitungsverleger 2009: 364). 10 Abo-Zeitungen teilen sich neben der Bild-Zeitung den Markt auf landesweiter Ebene. Insgesamt dominieren aus wirtschaftlicher Sicht einzelne große Verlage, ohne jedoch von einer Monopolstellung in ganz Deutschland sprechen zu können. Etwas anders ist die Situation jedoch auf dem regionalen Zeitungsmarkt, auf dem sich Oligopole erkennen lassen. Neben dem Rundfunk und den Printmedien spielt das Internet als Kommunikationsplattform medialer Produkte eine wichtige Rolle.

Wirtschaftlich gesehen ist Deutschland einer der stärksten Märkte weltweit. Die Zeitungsverlage erwirtschafteten im Jahr 2009 beispielsweise Werbeeinnahmen von 3.6 Milliarden Euro. In 2008 konnten die privaten Rundfunkveranstalter geschätzte Gesamterträge von 7,4 Milliarden Euro (ALM 2009: 56) erzielen und die öffentlich-rechtlichen Sender (Landesrundfunkanstalten und ZDF) hatten Einnahmen aus den Rundfunkgebühren von 6,88 Milliarden Euro (Media Perspektiven 2009: 7). Schließlich agieren von Deutschland aus mit der Bertelsmann AG, der ProSieben.Satl Media AG und der Axel Springer AG drei Medienkonzerne, die weltweit zu den 50 größten Konzernen gehören.

Großbritannien
Großbritannien (dazu Craufurd Sinith; Stolte 2010) ist politisch wie auch medial sehr zentralistisch auf London fokussiert. Als konstitutionelle Monarchie ausgestaltet, wird das Land im Wege eines parlamentarischen Systems regiert. 1998 wurde die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) als innerstaatliches Recht inkorporiert, das Journalisten jetzt einen gewissen rechtlichen Schutz einräumt, gleichzeitig ihren Handlungsspielraum mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte anderer aber auch einschränkt. Wegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) EMRK ist rechtlich gesehen die Dogmatik jedoch weit davon entfernt, eine Auslegung wie die des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 5 (Kommunikationsfreiheiten) Grundgesetz zu schaffen (dazu Kübler 2008: 89).

Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass die BBC durch eine königliche Gründungsurkunde (Charter) geschaffen wurde, die in regelmäßigen Abständen erneuert werden muss. Es ist wiederum das Parlament, das mit dem „Communications Act” aus dem Jahr 2003 die Rahmenbedingungen für die gesamte (private und öffentliche) Rundfunkordnung gelegt hat. Die wichtigste organisatorische Einrichtung ist dabei OFCOM (The Office of Communications). Abgesehen von der BBC werden alle privaten Anbieter einem Lizenzierungsverfahren unterzogen, das von der OFCOM durchgeführt wird. Ferner unterhält OFCOM einen Programmausschuss, der die inhaltlichen Anforderungen an die Rundfunkveranstalter überwacht.

Es gibt fünf terrestrische, analoge Sender, die Landesweit ausstrahlen (BBC 1, BBC 2, ITV (auch als Channel 3 bekannt), Channel 4, und Channel 5). Als wichtigster Bezahlsender, der über Satellit empfangen werden kann, gilt BSkyB, der dem Murdoch-Haus zuzuordnen ist. Insgesamt können in Großbritannien 490 Fernsehprogramme empfangen werden. Eine Besonderheit des britischen Rundfunkrechts besteht darin, dass die fünf hier genannten analogen Sender alle mit einem PSB-Auftrag in die Pflicht genommen werden. Das bedeutet, dass der öffentliche Sender, die BBC, und auch die drei privaten, kommerziellen Veranstalter einen gesetzlich vorgeschriebenen Programmauftrag zu erfüllen haben. Dieser Auftrag ergibt sich entweder aus der BBC Charter selbst oder aus dem Communications Act. Die Anforderungen an die kommerziellen Programmanbieter sind teilweise höher, als sie etwa im deutschen Rundfunkstaatsvertrag für die privaten Sender normiert sind. Als Zwischenergebnis kann somit gesagt werden: Es gibt einen rein kommerziellen Sektor, wie BSkyB und einen öffentlichen Sektor, der wiederum untergliedert ist in die BBC und private Rundfunkanbieter. Die ökonomische Situation der Sender lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die BBC hatte 2009 Einnahmen aus den Gebühren in Höhe von rund 3.5 Milliarden britischen Pfund. Zusätzlich nahm sie 1.1 Milliarden britische Pfund aus kommerziellen und anderen Tätigkeiten ein (BBC 2010: F10). Die kommerziellen PSB-Sender mussten in 2009 einen Einbruch der Werbeeinnahmen von 14 Prozent hinnehmen und kommen auf 1,9 Milliarden britische Pfund. Insgesamt nahmen in Großbritannien alle Fernseh- und Radioanbieter rund 11 Milliarden britische Pfund in den öffentlich ausgestalteten und rein kommerziellen Tätigkeiten ein (OFCOM 2010: 97-98).

Wie in Deutschland ist der Zeitungsmarkt privat organisiert. Es gibt 14 landesweit erscheinende Titel und rund 1.200 lokale bzw. regionale Blätter. Dieser Markt unterliegt jedoch einer zunehmenden Konzentration. So ist er sowohl von der Rezession in Großbritannien als auch der Entwicklung im Internetbereich betroffen.

Kroatien
Anders als bei anderen postkommunistischen Staaten, wie der tschechischen Republik, verzögerte sich der Demokratisierungsprozess wegen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien und anschließend wegen des präsidial ausgerichteten politischen Systems. Die Verfassung Kroatiens hält zwar als ein Strukturprinzip die Demokratie fest. Es gelang der Politik jedoch erst nach den Wahlen im Jahre 2000, in deren Folge das präsidial ausgerichtete System in eine parlamentarisch ausgerichtete Demokratie umgewandelt wurde, die Medienlandschaft demokratischer auszugestalten. Die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union spielen hier ebenfalls eine Rolle. Kroatien hat seit 2004 einen offiziellen Beitritts-Kandidatenstatus.

Kroatien (dazu Popovic et al. 2010) verfügt wie Deutschland über ein duales Rundfunksystem. Neben dem öffentlichen Sender HRT (Hrvatska radiotelevizija) mit zwei landesweiten Programmen existieren noch zwei weitere private Sender (RTL Television und Nova TV), die landesweit ausstrahlen. 13 lokale und 8 regionale Veranstalter bedienen kleinere Segmente. HTV 1 und 2 sowie RTL erreichen die größten Zuschaueranteile. Der öffentliche Sender HRT wird durch Gebühren finanziert, die wie in Deutschland (noch) daran geknüpft sind, ob ein Empfangsgerät vorhanden ist. Ein Problem für die Medienforschung liegt allerdings darin, belastbares Zahlenmaterial zusammenzustellen. Das gilt beispielsweise auch für die finanzielle Situation des öffentlichen Senders HRT. Nach der Einschätzung des Forscherteams des MEDIADEM-Projekts lässt sich beim öffentlichen Rundfunk allerdings eine finanzielle und organisatorische Krise ausmachen. Die Gründe dafür sind vielfältig und hängen mit einzelnen Ausgabenposten zusammen, mit internen Unstimmigkeiten, Formen der Zensur und Managementfehlern.

Die Presselandschaft ist recht umfangreich und Aussagen über die Anzahl der erwerbbaren Titel variieren sehr zwischen 850 und 2.500 je nach Zählweise. Unter den populären Tageszeitungen hat „24 sata” die höchste Auflage. Die Zeitungslandschaft zeichnet sich trotz der Vielzahl der Titel durch einen hohen Grad an Konzentration aus. Die Europapress Holding, an der zu 50 Prozent der deutsche WAZ-Konzern beteiligt ist, besitzt rund 60 Prozent der Marktanteile.

Vergleich­bare Struk­tur­merk­male und Probleme

Qualität der Rundfunkprogramme
Beide Vergleichsländer verfügen in ihren medienrechtlichen Bestimmungen zum Rundfunk über umfangreiche inhaltliche Programmregelungen. Diesen Regelungen ist gemein, dass sie eine unabhängige und ausgewogene Berichterstattung fordern. Nach der BBC Charter muss insbesondere bei kontroversen Themen eine gut recherchierte und ausgewogene Berichterstattung erfolgen. Die BBC Charter normiert ferner, dass die Rundfunkanstalt unabhängig arbeiten soll. Vergleichbare Vorgaben sieht das kroatische Rundfunkgesetz vor.

Typisch für den Rundfunk sind auch die umfangreichen Vorgaben in Form von inhaltlichen Programmgrundsätzen. In der BBC Charter steht, die BBC müsse dem öffentlichen Interesse dienen. Darunter sei neben anderen Punkten die Aufrechterhaltung der Bürgergesellschaft, die Förderung der Bildung, die Anregung der Kreativität und der kulturellen Exzellenz zu verstehen. Der öffentliche kroatische Rundfunk wiederum soll die öffentlichen Interessen auf nationaler und lokaler Ebene berücksichtigen, und zwar durch Informations-, Kultur-, Bildungs- und Unterhaltungsprogramme. Im Einzelnen gehören dazu auch Sendungen, die die Öffentlichkeit über politische, wirtschaftliche und kulturelle Ereignisse richtig und unparteiisch informieren. Vergleichbare Bestimmungen finden sich auch im deutschen Rundfunkstaatsvertrag für die öffentlich-rechtlichen und in abgeschwächter Form für die privaten Rundfunkbetreiber.

Staatsferne
Das wichtige Thema der Staatsferne beim privaten und insbesondere beim öffentlichen Rundfunk kann an drei Merkmalen festgemacht werden: der Besetzung und Zusammensetzung der Überwachungsgremien, dem Einfluss auf die Programmgestaltung sowie den Finanzierungsregelungen. Es ist nur selten ein direkter und auch offener staatlicher Einfluss feststellbar. Daher ist es wichtig, potentielle Einflussbereiche aufzuzeigen und die möglichen, indirekten Wege zu skizzieren (dazu Hahn 2010: 164ff.). Als ein Beispiel lässt sich der BBC-Trust nennen, der dem Modell der regulierten Selbstregulierung entspricht und der mit unabhängigen Expertinnen und Experten besetzt ist. Dieses Gremium soll aus 12 Mitgliedern bestehen, die für die Einhaltung der Programmgrundsätze verantwortlich sind. Der Trust hat zudem die Aufgabe, die Unabhängigkeit der BBC zu gewährleisten. An dem Auswahlverfahren der Mitglieder des Trusts lässt sich erkennen, ob und wie der Staat unangemessenen Einfluss ausüben kann. Beim Auswahlverfahren fällt auf, dass die Bestimmungen umfangreiche Anforderungen an die Kandidaten stellen. Die Mitglieder des Trusts werden nach einem öffentlichen Auswahlverfahren von der britischen Regierung vorgeschlagen und anschließend durch die Krone bestimmt. Obwohl die britische Regierung ein Vorschlagsrecht hat, scheint es in der Praxis noch nicht zu parteiischen Einflussnahmen gekommen zu sein.

Interessant ist hier der Vergleich mit dem kroatischen System. Der öffentliche Sender HRT wird durch einen Programmrat mit 11 Mitgliedern überwacht. Sie repräsentieren zivilgesellschaftliche Gruppen und werden vom kroatischen Parlament bestimmt. Auch für den Programmrat existieren umfangreiche Regelungen, die eine Wahl auf der Grundlage von Sachentscheidungskompetenz ermöglichen sollen. Es scheint aber an der tatsächlichen Umsetzung des gesetzlichen Auftrages zu mangeln und immer wieder zu erheblichen internen Unstimmigkeiten zu kommen. Die Europäische Union äußerte sich ganz grundsätzlich zum Einfluss auf die Medien in ihrem Fortschrittsbericht aus dem Jahr 2008 wie folgt: „Nevertheless, some interference in the media landscape by mainly economic and partly political interest groups has continued.“[5]

Die ausreichende Finanzierung ist ein weiteres Merkmal der Sicherung der Unabhängigkeit. Bei der BBC ist das Verfahren sehr politisch ausgestaltet. Es ist die BBC, die einen Vorschlag über die Höhe der Gebühren vorlegt, der dann wiederum von der Regierung angenommen werden muss. Wegen der allgemeinen Tendenz in Großbritannien, öffentliche Ausgaben zu senken, ist sie der Regierung zuvorgekommen und hat eine geplante Erhöhung nicht eingereicht. Inwieweit sich das auf die Programmqualität auswirkt, kann erst in einigen Jahren mit Sicherheit gesagt werden. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass eine nachteilige Gebührenentwicklung sich auch entsprechend auf die Programmqualität auswirken wird (Craufurd Smith; Stolte 2010: 41f). Beim kroatischen Sender HRT wiederum setzt das Parlament die Finanzierung dazu ein, Einfluss auf die organisatorischen Entwicklungen zu nehmen (Popovic et al. 2010: 30).

Wie sieht die Situation in Deutschland aus? Die öffentlich-rechtlichen Sender verfügen alle über einen Rundfunk- bzw. Fernsehrat (beim ZDF). Dieses Gremium ist dafür verantwortlich, dass die Rundfunkanstalten die allgemeinen Gesetze beachten sowie die rundfunkrechtlichen Programmgrundsätze. Nach den anwendbaren rechtlichen Bestimmungen bestehen die Kontrollgremien mehrheitlich aus Vertretern gesellschaftlicher Gruppen. Allerdings können die jeweiligen Landesregierungen und Landesparlamente bei den meisten Landesrundfunkanstalten Vertreter entsenden. Die gesellschaftlichen Gruppen halten jedoch immer eine Stimmmehrheit in den Rundfunkräten. Diese Konstruktion schließt eine parteipolitische Einflussnahme nicht aus, wie die Wahl des derzeitigen Intendanten des Bayerischen Rundfunks veranschaulicht. Dazu ist ein kurzer Exkurs zum Europarat aufschlussreich. Die Parlamentarische Versammlung hat 2008 eine Empfehlung an die nationalen Parlamente des Europarats angenommen, in der sie Indrkatoren für Medle,n:~n einer Demokratie aufstellt.[6] Ein Indikator (Punkt 8.20) lautet: „[…] public service broadcasters must be protected against political interference in their daily management and their editorial work. Senior managementpositions should be refused to peopae with clear party Political affihations.”

Es stellt sich hier schön die Frage, ob der jetzige Intendant des Bayerischen Rundfunks durch seine Funktion als ehemaliger Sprecher der konservativ-liberalen Bundesregierung nicht eine klare politische Nähe im Sinne des Europaratsindikators besitzt und damit seine Wahl dem Postulat unabhängiger Medien widerspricht.

Zeitungskrise
Die Verkaufszahlen der Printmedien gehen in Deutschland wie auch in Großbritannien zurück. Gerade auf regionaler Ebene lässt sich eine Konzentration der Presselandschaft feststellen. In Großbritannien wird das zum einen auf die Kostenlosangebote einzelner Zeitungen und zum anderen auf die sehr umfangreiche Webseite der BBC zurückgeführt. Gleichzeitig lässt sich in Großbritannien ein Rückgang gut recherchierter Zeitungsinhalte erkennen, da die verbleibenden Journalisten nicht mehr die erforderliche Zeit dazu aufbringen können. Das Problem für eine unabhängige Meinungsbildung ist daher in beiden Ländern dasselbe. Wenn kein äußerer Meinungspluralismus in Form mehrerer, politisch anders ausgerichteter Zeitungen vorhanden ist, kann dies nur durch einen internen Meinungspluralismus ausgeglichen werden. Dies ist jedoch in der Regel wegen der damit verbundenen Kosten, dem Mehraufwand und ggf. aus Gründen der Überzeugung der verantwortlichen Redakteure gar nicht gewollt.

Internet als Alternative
Sowohl in Großbritannien wie auch in Kroatien spielt das Internet eine immer größere Rolle. In Kroatien besitzen laut einzelner Umfragen rund 60 Prozent aller Haushalte einen Internetanschluss. In Großbritannien sind es mehr als 70 Prozent. In beiden Ländern wird das Internet auch mehr und mehr von zivilgesellschaftlichen Gruppen und auch Bloggern für politische Aktivitäten genutzt. Es zeigt sich jedoch, dass das Verhalten der offline-Welt sich auch auf das Verhalten im Internet übertragen kann. Die Internetangebote der bekannten Zeitungen (in Kroatien verfügen fast alle über eine kostenlose Webseite) oder der BBC werden, beispielsweise, wenn es um aktuelle Informationsbeschaffung geht, stark frequentiert.Ebenso ist auch in Deutschland ein Trend zu beobachten, auf die Internetangebote der schon bekannten Rundfunkveranstalter bzw. Zeitungen zurückzugreifen (Neuberger; Lobigs 2010: 53). Wegen der Möglichkeit, sich in sehr kurzer Zeit aus mehreren Quellen zu informieren, gleicht das Internet derzeit den Konzentrationsprozess der Zeitungen aus.

Public-Service-Broadcasting

Aufgaben von privaten Anbietern und ökonomische Einflüsse
In Großbritannien sind laut Gesetz einzelne private Rundfunkanbieter (bekannt unter Channel 3, 4 und 5) an die Grundsätze des PSB gebunden: Wie eingangs erwähnt, mussten die kommerziellen Anbieter im Jahr 2009 einen Werberückgang von 14 Prozent im PSB-Bereich verkraften, weil die Werbeausgaben grundsätzlich sinken und weil die vorhandenen Gelder in einem sich weiter ausdifferenzierenden Markt (analoges und digitales Fernsehen sowie Internet) verteilen. Daher wollen die privaten Betreiber wahrscheinlich keine kostenintensiven PSB-Angebote. Mehr produzieren; zu denen regionale Nachrichtensendungen und Dokumentarfilme gehören. ITV, einer der populärsten Anbieter, kündigte an, dass er nicht mehr im Sinne des PSB-Auftrags regionale Nachrichtensendungen produzieren möchte. Da seine Lizenz im Jahr 2014 wieder erneuert werden soll, stellt sich für den britischen Gesetzgeber und die Regulierungsbehörde konkret die Frage, wie sie mit dieser Forderung umzugehen gedenken. OFCOM verfolgt derzeit die Strategie, ITV entgegen zu kommen. So könnte in Zukunft ein kommerzieller Sender die Aufgabe des PSB im Sinne des Gesetzes übernehmen und gleichzeitig die Anforderungen an die beiden anderen (einschließlich ITV) reduziert werden (Prosser 2007: 111; OFCOM 2009: 113). Es ist derzeit noch nicht absehbar, wie der öffentliche Auftrag der kommerziellen Anbieter in Zukunft aufrechterhalten werden soll. Es wird wohl nicht ausbleiben, dass es zu einer Verbilligung der Produktionen kommen wird. In der Regel wirkt sich das auf die Programmqualität aus und hat zudem Rückwirkungen auf die BBC. Denn Einschnitte bei den Gebühreneinnahmen der BBC, die mit Blick auf einen Einnahmerückgang der privaten Anbieter begründet werden, sind nicht völlig ausgeschlossen.

Ein Vergleich zum kroatischen Fernsehen zeigt, dass hier die privaten Anbieter nicht an dieselben Auflagen gebunden sind. Auch wenn es inhaltliche Anforderungen an beide Betreiber öffentlichen und privaten Rundfunks gibt, scheint es so zu sein, dass insbesondere die privaten Betreiber eher ein niedriges Niveau verfolgen. Nicht zuletzt die Notwendigkeit, die Werbeindustrie zufriedenzustellen, beeinflusst auch den Inhalt der Programme (Popovic et al. 2010: 32).

Fazit

Trotz der sehr unterschiedlichen Mediensysteme und der verschiedenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen lassen sich folgende Erkenntnisse zusammenfassen, die thesenhaft formuliert heißen:

  • Wichtig ist die effektive Umsetzung der existierenden medienrechtlichen Normen.
  • Eine nach rein ökonomischen Prinzipien organisierte Medienlandschaft ist nicht in der Lage, die in einer Demokratie erforderlichen Diskurse zu ermöglichen. Hier gilt jedoch: je kostenintensiver das Produkt, desto wichtiger wird eine ergänzende oder vollständige öffentliche Finanzierung.
  • Es bedarf eines ausreichend finanzierten öffentlichen Rundfunks.
  • Es müssen ausreichende Rahmenbedingungen für die Programmgestaltung des Rundfunks vorliegen, die folgende Kriterien erfüllen sollten: Unabhängigkeit von staatlichen Stellen und Programmvorgaben, die einen demokratischen Diskurs fördern. Dazu gehören im Einzelnen eine gut recherchierte und ausgewogene Berichterstattung und eine umfangreiche Bereitstellung von Informationen. Es sollte ein Forum für unterschiedliche Ideen und Ansichten zur Verfügung gestellt werden.
  • Bei privaten Medienunternehmen ist eine transparente Eigentümerstruktur notwendig. Sonst sind die dahinter stehenden Interessen nicht nachvollziehbar.

In diesem kurzen Beitrag konnten nicht alle Aspekte der hier dargestellten Medienlandschaften erörtert werden. Selbstverständlich ließe sich die Thesenliste auch noch mit Blick auf Print- und Internetmedien erweitern. Diese kurze Darstellung versteht sich daher auch mehr als Diskussionsbeitrag in einer sich ständig neu konfigurierenden Medienlandschaft und nicht als endgültige Feststellung.

[1] Für weitere Informationen: www.mediadem.eliamep.gr Das Projekt wird finanziert aus Mitteln des 7. Rahmenprogramms, Vereinbarung FP7-SSH-2009-A, Nr.: 244365.

[2] An dieser Stelle gilt mein besonderer Dank Rachael Craufiird Smith und Yolande Stolte der Universität Edinburgh sowie Nada Svob-Dokic, Helena Popovic, Tomislav Jelic und Pasko Bilic des Instituts für Internationale Beziehungen in Zagreb.

[3] BVerfG, NJW 2007, 1117 (1118).

[4] BVerfG, MMR 2007, 770 (772).

[5] Commission of the European Communities, Croatia 2008 Progress Report, SEC(2008) 2694, S. 37. In ihrem Fortschrittsbericht 2010 hält die Europäische Kommission fest, dass auf Redakteure und Journalisten immer noch unangemessener politischer Einfluss ausgeübt wird. European Commission, Croatia 2010 Progress Report, SEC(2010) 1326, S. 52.

[6] Europarat, Parlamentarische Versammlung, Resolution 1636 (2008) vom 3. Oktober 2008: Indikatoren für Medien in der Demokratie.

Literatur

Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) 2010: Jahrbuch 2009/20 10, Berlin

BBC 2010: Full Financial and Governance Statements, London

Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (Hg.) 2009: Zeitungen 2009, Berlin

Craufurd Smith, Rachael; Stolte, Yolande 2010: Background inforrnation report. Media policies and regulatoiy practices in a selected set of European countries, the EU and the Council of Europe: The case of the UK, MEDIADEM-Projektbericht

Hahn, Caroline 2010: Die Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Frankfurt/Main

Kiefer, Marie L. 2004: 20 Jahre privater Rundfunk in Deutschland, in: Media Perspektiven, H. 12, 558-568

Kübler, Friedrich 2008: Medien, Menschenrechte und Demokratie, Heidelberg

Media Perspektiven 2009: Daten zur Mediensituation in Deutschland 2009, Frankfurt/Main

Neuberger, Christoph; Lobigs, Frank 2010: Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, Berlin

OFCOM 2010: Communications Market Report, London

OFCOM 2009, Ofcom’s Second Public Service Broadcasting Review, London

Popovic, Helena et al. 2010: Background information report. Media policies and regulatory practices in a selected set of European countries, the EU and the Council of Europe: The case of Croatia, MEDIADEM-Projektbericht

Prosser, Tony 2007: United Kingdom, in: European Audiovisual Observatory (Hg.), The Public Service Broadcasting Culture, Straßburg, 103-113

nach oben