vorgänge 196: Was will Europa?

vorgänge 196: Was will Europa?

Was will Europa?

vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 50. Jahrgang, Heft 4 (Dezember 2011)

 

Die Krise ist mittlerweile zu einem Dauerzustand der Europäischen Union ausgewachsen. Das Unvermögen, eine gemeinsame Strategie zu deren Eindämmung zu finden, verweist auf das Gebrechen einer Währungs-Union, der es an einer finanz-, wirtschafts und sozialpolitischen Entsprechung fehlt. In der Medizin ist „Krisis” der Moment einer Krankheit, der über Besserung oder Rückfall entscheidet. Und was zur Bewältigung der Schuldenkrise beraten wird, führt in der Konsequenz entweder zu einem höheren Maß an Integration oder eine Renationalisierung der Union. Während Letzteres von Großbritannien angestrebt wird und, nicht nur dort, der Stimmung der Bevölkerungen zu entsprechen scheint, fehlt es Ersterem an einem attraktiven Leitbild, an einer Zielvorstellung und vor allem an Protagonisten, die sich dafür in die Bresche schmeißen. Die Verve, mit der einst die Vereinigten Staaten von Europa als Konsequenz einer kriegerischen Vergangenheit verfochten wurden, ist verflogen, die Freiheiten, die sich mit dem vereinten Kontinent eröffneten, sind längst auf der Habenseite abgebucht. Mit ihrem wortlosen Pragmatismus der Alternativlosigkeit gibt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den Ton der weiteren Entwicklung vor. Doch wohin wird sie führen? Soll es, wie es sich nach dem jüngsten Gipfel andeutet, ein Europa zweier Geschwindigkeiten geben? Wie müsste ein Finanzregime ausgestaltet werden, das die Schuldenpolitik der Staaten effektiv kontrolliert und zugleich die Haushaltshoheit der Parlamente achtet? Welche politische Dynamik würde die Einführung einer Transferunion in Gang setzen und welche national(istisch)en Rückwirkungen wären zu erwarten? Welche Konsequenzen hätte eine solche Vertiefung auf die Erweiterung der EU? Genug Fragen, um dem Werdegang Europas diese Ausgabe der vorgänge zu widmen.

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