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Wie fördert man am besten erneuerbare Energien?

Anmerkungen zur Auseinandersetzung zwischen Hermann Scheer und dem Öko-Institut

aus: Vorgänge Nr.169 ( Heft 1/2005 ), S-100-103

Ein für Außenstehende kaum nachvollziehbarer Streit wurde Ende Dezember 2004 in der taz ausgetragen: Der auch in seiner Schärfe ungewöhnliche Disput zwischen Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter und als Eurosolar-Präsident gleichsam der deutsche „Solar-Papst”, und Christoph Timpe vom aus der Anti-Atom-Bewegung hervorgegangenen Öko-Institut kreiste um die Frage nach dem besten Fördersystem für erneuerbare Energien (taz vom 10., 13. u. 20. Dezember). Auf der einen Seite standen Einspeisevergütungssysteme wie etwa das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), auf der anderen Seite Quotensystem in Verbindung mit Ökostromzertifikaten.

Zwei unter­schied­liche Förder­mo­delle

Das Ziel der Erhöhung des Anteils regenerativer Energien (REG) am Primärenergieverbrauch und an der Stromproduktion der EU-Mitgliedsstaaten wird meist mit einem Mix aus verschiedenen Förderinstrumenten zu erreichen versucht. Die beiden wichtigsten Instrumente sind hier so genannte Einspeisevergütungsmodelle (EVM) sowie so genannte Quotenmodelle. Einspeisevergütungsmodelle (auch als Fest-preis- oder Mindestpreissystem bezeichnet)verpflichten Energieversorgungsunternehmen nicht nur, den Regenerativ-Strom abzunehmen und in ihr Netz einzuspeisen, sondern auch einen festen Preis dafür zu zahlen, oftmals über einen bestimmten Zeitraum hinweg, in Deutschland beispielsweise 20 Jahre lang. Die konkreten Bestimmungen etwa zu den einzelnen Technologien, zur Vergütungshöhe oder zu Fragen des Netzzugangs sind meist per Gesetz geregelt oder über eine eigene Verordnung.

Bei Quotenmodellen schreibt der Staat eine Menge oder einen fixen Anteil erneuerbarer Energien am nationalen Strommarkt fest. Diese Menge muss eine Gruppe von Akteuren – Produzenten, Zwischenhändler, Netzbetreiber oder Verbraucher – innerhalb eines bestimmten Zeitraums produzieren, verkaufen oder abnehmen. Um die Einhaltung der Mengenverpflichtung zu kontrollieren, wird der Strom aus regenerativen Quellen zertifiziert. Anhand der Zertifikate muss jeder an einem festgelegten Stichtag nachweisen, dass er seine Verpflichtungen erfüllt hat; die zugehörigen Zertifikate werden dann eingezogen. Wer seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, muss mit Sanktionen rechnen. Die konkreten Bestimmungen wie die Festlegung von Einzelquoten für verschiedene Technologien oder die Höhe der Strafgebühren sind meist Bestandteil eines eigenen Gesetzes oder einer Verordnung. Quotenmodelle werden in der Regel in Verbindung mit einem Zertifikatshandel eingeführt.

Scheer vs. Öko-In­stitut – Nationaler Widerhall einer europä­i­schen Debatte

Die Auseinandersetzung zwischen Hermann Scheer und dem Öko-Institut, vertreten durch Christoph Timpe, um das vermeintlich beste Fördermodell für erneuerbare Energien im Strommarkt ist für Außenstehende nur verständlich, wenn man weiß, dass auch auf europäischer Ebene bereits seit Jahren ein ähnlicher Kampf ausgetragen wird. Als im Herbst 2001 nach langem Ringen eine Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien im Strombinnenmarkt der EU in Kraft trat, wurde darin – aufgrund der (damals) noch geringen Erfahrung mit den unterschiedlichen Förderinstrumenten – bewusst auf die Festlegung eines einheitlichen Fördermodells verzichtet. Da es jedoch zuvor so aussah, als sollte die entsprechende Richtlinie ein europaweites Quotenmodell zur Förderung der Regenerativenergien festschreiben und dies nur durch heftigen Widerstand insbesondere der deutschen und spanischen REG-Verbände verhindert wurde, legte die Richtlinie als eine Art Entgegen-kommen der Quotenbefürworter einen Erfahrungsbericht zur Umsetzung der Förderrichtlinie fest. Darin sollen die nationalstaatlichen Förderinstrumente hinsichtlich ihrer Effektivität und Kosteneffizienz überprüft und gegebenenfalls ein einheitliches europäisches Förderinstrumentarium vorgeschlagen werden. Dieser Bericht muss im Oktober 2005 von der EU-Komission vorgelegt werden und schon seit Monaten versuchen die unterschiedlichen Lager, Einfluss auf das endgültige Meinungsbild der Kommission zu nehmen.

Der konkrete Streit zwischen Scheer und Öko-Institut bezog sich auf das so genannte Renewable Energy Certificate System (RECS)– eine Art europäisches Verrechnungssystem für Grünstromzertifikate –, das das Freiburger Öko-Institut zusammen mit konventionellen Energieunternehmen wie etwa EdF, E.ON oder RWE initiiert hat, die sich für ein europaweites Quotenmodell mit Zertifikatshandel stark machen. Scheer warf dem Öko-Institut vor, nicht nur mit eben jenen Stromkonzernen gemeinsame Sache zu machen, die sich so-wohl mit RECS gegen die bisher etwa in Deutschland oder Spanien sehr erfolgreichen Einspeisevergütungsregelungen positionieren, als auch mit jenen, die wie etwa EdF – dem weltgrößten Atomstromkonzern – die europaweite Bewegung für eine Renaissance der Kernkraft anführen. Bezogen auf RECS unter-stellte Scheer dem Öko-Institut zudem, dass dieses sich, da es die deutschen RECSMitglieder vertritt, davon einen „enormen Geschäftsbereich” verspreche. Durch ihre Mitarbeit am RECS-System versetze das Öko-Institut dem deutschen EEG „den Todesstoß” und die Ersetzung des EEG durch einen Zertifikatshandel wäre laut Scheer „der größte denkbare Rückschlag für erneuerbare Energien, weit über Deutschland hinaus.”

Christoph Timpe vom Öko-Institut wies die Kritik von Scheer zurück und unterstellte seinerseits, dass Scheer „an verschiedenen Stellen Unkenntnis in der Sache erkennen [..,] lässt”. Auch er zähle sich „zu den Freunden des EEG” und finde zudem, dass „zu den heutigen Rahmenbedingungen ein Quotenmodell eine schlechte Lösung” sei. Würden aber die Preisunterschiede zwischen Kohle- und Windkraft kleiner, könne ein Quotenmodell besser sein. „Es geht auch darum, wie man das EEG zukunftsfähig macht.” „Es wäre jedoch ein Fehler, sich auf den bisherigen Erfolgen auszuruhen und eine Weiterentwicklung des Fördermodells zu verweigern. Denn es ist erforderlich, die Förderung mit den künftigen Herausforderungen auf europäischer Ebene besser kompatibel zu machen.”

Energie­po­litik Weitere Bedingungen für eine erfolg­reiche REG-För­de­rung

Die Diskussion zwischen Scheer und Öko-Institut übersieht dabei aber, dass Erfolg oder Misserfolg bei der Nutzung erneuerbarer Energien keineswegs nur von der Wahl eines bestimmten Förderinstruments abhängen, ebenso wenig wie es eine „natürliche” Überlegenheit eines bestimmten Ansatzes gibt. Zwar ist der Erfolg von Ländern wie Deutschland, Spanien oder auch Dänemark bei der Förderung der Windenergie unbestritten und die installierten Kapazitäten ein eindrucksvoller Beweis für ein solches Förderinstrument: Bis Ende 2004 waren in den drei Ländern zusammen 28.009 MW bzw. rund 82 Prozent der gesamten Windkraftkapazität der EU installiert, wobei jeweils EVM zum Einsatz kamen. Andererseits haben jedoch Länder wie Griechenland oder Frankreich, die ebenfalls ein EVM eingeführt haben, bisher keine vergleichbaren Erfolge bei der Windenergie erzielt.

Damit wird erkennbar, dass eine Reihe weiterer Faktoren die Effektivität des REG-Ausbaus in einem Land beeinflussen. In ihren jüngsten Forschungsarbeiten haben die Autoren diesbezüglich folgende Kriterien identifiziert: Neben dem spezifischen Design des jeweiligen Förderinstruments sind dies die geografischen, politischen, ökonomischen, technischen und kognitiven Rahmenbedingungen..

Bezüglich der Ausgestaltung der Förderinstrumente hat sich etwa bei EVM insbesondere Planungssicherheit als wichtiges Erfolgskriterium gezeigt, die sich bei diesem Förderinstrument sehr einfach durch die Garantie der Stromabnahme über einen bestimmten Zeitraum – etwa 20 Jahre – in Verbindung mit einem festen Vergütungssatz erreichen lässt. Ein zweites sehr wichtiges Kriterium für die Entwicklung erneuerbarer Energien im Strommarkt besteht darin, dass das Mindestpreissystem eine technologie- spezifische Vergütung vorsieht. Auf diese Weise kann den unterschiedlichen Kostenstrukturen der einzelnen regenerativen Technologien Rechnung getragen und ein breiter Mix aller Ökostrom-Produktionsarten erreicht werden. Mit einem einheitlichen Vergütungssatz würde sich die Entwicklung hingegen im wesentlichen auf die zur Zeit wirtschaftlichsten erneuerbaren Energien stützen.

Bei den Ausgangsbedingungen im jeweiligen nationalen Energiesektor hat beispielsweise die Frage nach der Abhängigkeit von Energieimporten einen deutlichen Einfluss auf die Marktchancen erneuerbarer Energien. So können einheimische regenerative Energieträger die Versorgungssicherheit erhöhen und damit die Abhängigkeit vom Mittleren Osten (Öl) und Russland (Gas) verringern.
Auch die politischen Rahmenbedingungen beeinflussen erheblich den Erfolg des Ausbaus der Regenerativenergien. So etwa der Druck durch eine internationale Verpflichtung wie in Form der EU-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien, die eine starke Antriebskraft für die Entwicklung des Ökostrommarktes in den alten wie auch insbesondere in den neuen EU-Ländern darstellt, da sie ambitionierte Ziele vorsieht.

Der Erfolg bei der Marktdurchdringung erneuerbarer Energien hängt zudem sehr stark vom öffentlichen Bewusstsein ab. Das kognitive Umfeld für erneuerbare Energien ist insbesondere in Nordeuropa sehr günstig. In Dänemark werden beispielsweise mehr als 3.000 Windkraftanlagen durch Kooperativen betrieben, die im Eigentum von 100.000 bis 150.000 Bürgern sind. Im Gegensatz dazu ist das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich erneuerbarer Energien in den neuen EU-Staaten noch nicht so stark ausgeprägt.

Schließlich ist die weitere Ausbreitung erneuerbarer Energien auch von technischen Rahmenbedingungen abhängig. So stellt etwa der Zustand der Stromnetze noch in zahlreichen EU-Ländern ein großes Hindernis dar. In Frankreich beispielsweise sind die Netze nicht auf die dezentrale Stromabnahme ausgerichtet. In Schweden wird die Windkraft durch die Tatsache behindert, dass die lokalen Netze noch verstärkt werden müssen, bevor sie größere Mengen an Windstrom aufnehmen können. Dies trifft auch für Spanien, Portugal, Griechenland und Großbritannien zu.

Die Frage, wie es mit der Entwicklung erneuerbarer Energien in der EU weitergeht, ist somit von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig, wobei die sachgerechte Ausgestaltung des jeweiligen Förderinstruments sicherlich“eine sehr prominente Rolle spielt. Deutlichen Einfluss auf das zukünftige Schicksal der Regenerativenergien werden dabei sicherlich auch die Empfehlungen im oben erwähnten Erfahrungsbericht zur Effizienz und Effektivität der nationalen Fördermodelle haben, den die EU-Kommission im Oktober 2005 vorlegen wird. Jedoch wird darin unseres Erachtens kaum ein europaweit einheitliches Fördermodell festgelegt werden, da vor allem die Regulierungstraditionen der EU-Mitglieder sowie die Erfolge mit dem Einsatz von REG Förderinstrumenten noch zu unterschiedlich sind. Diese Einschätzung wird im übrigen auch durch entsprechende aktuelle Äußerungen des neuen EU-Energie-Kommissars Piebalgs bestätigt, der die zukünftige Aufgabe der EU vielmehr in einer besseren Koordination der nationalen REG-Fördersysteme sieht.

Literatur

Bechberger, MischalReiche, Danyel 2004: The
spread of renewable energy feed-in tariffs (refits) in the EU-25, paper presented at the Berlin Conference 2004 „Greening of Policies Interlinkages and Policy Integration”, Berlin 3-4 Dezember 2004
European Commission – Directorate-General for Energy and Transport 2005: European Energy Priorities – An outline of the European Commission’s plans for 2005, Brussels
Scheer, Hermann 2004: Kommerzieller Kurzschluss; in: die tageszeitung, 13. Dezember, 5.11
Timpe, Christof 2004: Kein kommerzieller Kurzschluss; in: die tageszeitung, 20. Dezember, 5.11
Urbach, Matthias 2004: Scharfe Angriffe auf das Öko-Institut, in: die tageszeitung, 10. Dezember, S. 9

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