Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 173: Religion und moderne Gesellschaft

Vierzehn Aphorismen

Aus der Sammlung „Unterm Wolfspelz“ (1958)*,

aus: vorgänge Nr. 173 (Heft 1/2006), S. 114-115

Autoren sind nur „überholt“ für den, der niemanden selbst überholte.

Die Dogmatiker haben Marx nur verändert; es kommt aber darauf an, ihn zu interpretieren.

Vom Berge versetzen träumt, wer vor einem Sandkorn versagt.

Rotkäppchen zu Hobbes: „Mußte ich auch zum Wolfe Wolf sein?“

Das Ich trifft auf sich selbst als Objekt.

Bei Verzicht auf den Sinn blüht die Anmaßung zu wissen, was zu tun sei.

Entsagen zum Wert gemacht, spekuliert mit dem Verzicht als Guthaben.

Das Wahre erstickt, wer es zur Wahrheit macht.

Nichtbesitz macht besessen – Besitz besitzt uns.

Furchtsame herrschen durch Furcht.

Etikette können mehr berauschen als der Wein.

Das letzte Bürgerglück: auf kein Glück mehr zu hoffen.

Die letzte Ideologie: keine Ideologie zu haben.

Der bloße Entschluß zu verändern bleibt abstrakt und ohne Folgen: wir ändern nur durch Hingabe – und werden selbst verändert.

* Diese Sammlung umfasst 106 Aphorismen, die Jürgen Seifert 1958 als kleine Broschüre zusammen stellte. Eine jeweils spezifische Auswahl wurde mit Ergänzungen unter folgenden Titeln publiziert: Randbemerkungen, in: Neue Deutsche Hefte, H. 49, August 1958; Die Antithese, in: alternative, Jg. 1, H. 2, Oktober 1958; Schnitzeljagd, in: werkhefte, Jg. 16, H. 5, Mai 1962. Einige Aphorismen wurden von Ernst Jünger und Klaus Ulrich Leistikow ohne Wissen von Jürgen Seifert in Mantrana. Ein Spiel (1964) aufgenommen. Wir danken Mechthild Rumpf für die freundliche Genehmigung der vorliegenden Auswahl zum Abdruck.

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