Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 204: (Un)Kontrollierbar? Probleme der Steuerung von Polizeihandeln

Gesetz­ent­wurf zur Insti­tu­ti­o­na­li­sie­rung eines Polizei­be­auf­tragten

aus: vorgänge Nr. 204 (4/2013), S. 51-58

Die Humanistische Union beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wie eine unabhängige Kontrollstelle für die Polizei ausgestaltet werden könnte. Aus dieser Arbeit ging der nachfolgend dokumentierte Gesetzentwurf für einen Polizeibeauftragten hervor, der vom Parlament zu berufen ist und über eine weitgehende Unabhängigkeit verfügt. Er ist in weiten Teilen dem Wehrbeauftragten nachgebildet und verfolgt den Ansatz, dass ein solcher Beauftragter für Polizeibedienstete wie externe Bürger_innen gleichermaßen ansprechbar sein soll.
Der Gesetzentwurf wurde 2007 bis 2009 auf Initiative des früheren Hamburger Innensenators Hartmuth H. Wrocklages von einer Expertengruppe der Humanistischen Union erarbeitet. Er versteht sich als Diskussionsgrundlage, nicht als fertige Patentlösung.

Art. 45c Grund­ge­setz* [Polizei­be­auf­tragter des Bundestages]

Zum Schutze der Grundrechte, als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle über das Polizeiwesen des Bundes sowie als Eingabe- und Beschwerdestelle für Bürger und Polizeibedienstete des Bundes wird ein Polizeibeauftragter berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

§ 1  Verfas­sungs­recht­liche Aufga­ben­stel­lung

(1) Zum Schutze der Grundrechte und zur Wahrung der die Polizei betreffenden Gesetze[1] erfüllt der Polizeibeauftragte seine Aufgaben als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle über das Polizeiwesen des Bundes. Zugleich dient er dem Bundestag in diesem Bereich als Stelle für Eingaben und Beschwerden sowohl von Bürgern als auch von Polizeibediensteten.

(2) Der Polizeibeauftragte wird auf Weisung des Bundestages oder des Innenausschusses zur Prüfung bestimmter Vorgänge tätig.

(3) Der Polizeibeauftragte wird nach pflichtgemäßem Ermessen auf Grund eigener Entscheidung tätig, wenn ihm Umstände bekannt werden, die auf eine Verletzung der Grundrechte oder Gesetze schließen lassen. Dasselbe gilt für die Missachtung oder Nichtbeachtung der polizeilichen Führungsgrundsätze, die sich an den Grundrechten zu orientieren haben.

§ 2  Berichts­pflichten

(1) Der Polizeibeauftragte erstattet für das Kalenderjahr dem Bundestag einen schriftlichen Gesamtbericht (Jahresbericht). Der Jahresbericht umfasst über exemplarische Einzelfälle hinaus die Darstellung polizeiinterner, insbesondere struktureller Entwicklungen und daraus folgende Wirkungen für das rechtsstaatliche Verhalten der Polizeien des Bundes. Der Bundesminister des Inneren hat innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Berichts gegenüber dem Bundestag eine Stellungnahme abzugeben.

(2) Der Polizeibeauftragte kann jederzeit dem Bundestag oder dem Innenausschuss Einzelberichte vorlegen.

(3) Wird der Polizeibeauftragte auf Weisung tätig, so hat er über das Ergebnis seiner Prüfung auf Verlangen einen Einzelbericht zu erstatten.

§ 3  Sonstige Pflichten des Polizei­be­auf­tragten

(1) Auf Ersuchen des Bundestags, seiner zuständigen Ausschüsse, einer Fraktion oder der Bundesregierung hat der Polizeibeauftragte Gutachten zu erstellen und Berichte zu erstatten. Ferner hat er auf Ersuchen der genannten Stellen Angelegenheiten von besonderer Bedeutung im Verhältnis zwischen Bürgern und Polizei zu untersuchen und über die Ergebnisse zu berichten. Er hat in bedeutsamen Fällen alsbald dem Bundestag schriftlich oder in den Sitzungen seiner Ausschüsse mündlich zu berichten.

(2) Schriftliche Äußerungen gegenüber dem Bundestag sind gleichzeitig der Bundesregierung vorzulegen.

(3) Der Bundestag und die zuständigen Ausschüsse können jederzeit die Anwesenheit des Polizeibeauftragten verlangen.

(4) Um auch in Eilfällen für Beschwerdeführer ansprechbar zu sein, ist die Geschäftsstelle der/des Polizeibeauftragten Tag und Nacht zu besetzen.

§ 4  Befugnisse des Polizei­be­auf­tragten

(1) Der Polizeibeauftragte ist befugt, in der Aussprache des Bundestages über den Jahresbericht oder über die Stellungnahme der Bundesregierung bzw. des Innenministeriums das Wort zu ergreifen. Der Polizeibeauftragte kann sich innerhalb seiner Aufgabenstellung auch sonst in den zuständigen Ausschüssen sowie in den Plenarsitzungen des Bundestages äußern.

(2) Im Übrigen kann er sich jederzeit sowohl im Plenum als auch in den zuständigen Ausschüssen an den Bundestag wenden und an den Sitzungen teilnehmen. Er kann verlangen, dass ein bestimmter Beratungsgegenstand auf die Tagesordnung der Sitzungen gesetzt wird.

(3) Dem Polizeibeauftragten ist in parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren auf dessen Antrag oder auf Antrag einer Fraktion Gelegenheit zur Stellungnahme über alle die Polizei betreffenden Fragen zu geben; darüber hinaus hat er das Recht, an Sitzungen der Fachausschüsse des Bundestags (Innen- und Rechtsausschuss) teilzunehmen und Stellungnahmen abzugeben.

(4) Der Polizeibeauftragte informiert den Präsidenten des Bundestages über festgestellte Gesetzesverstöße und Grundrechtsverletzungen sowie sonstige festgestellte Mängel. Er beanstandet die Verstöße gegenüber dem Bundesminister des Inneren mit der Aufforderung, innerhalb einer zu bestimmenden Frist Stellung zu nehmen. Ist die Stellungnahme unvollständig oder ungenügend, kann der Polizeibeauftragte eine weitere Überprüfung beantragen oder eigene Untersuchungen anstellen. Die Stellungnahme soll auch die Maßnahmen darstellen, die der Beanstandung abhelfen sollen oder die zur Aufklärung der konkreten Umstände beitragen. Der Polizeibeauftragte ist nach pflichtgemäßem Ermessen befugt, Betroffene über Beanstandungen und die hierauf erfolgten Maßnahmen zu unterrichten. Der Polizeibeauftragte kann von einer förmlichen Beanstandung absehen oder auf eine Stellungnahme der betroffenen Stelle verzichten, wenn es sich um unerhebliche Mängel handelt oder wenn ihre Behebung sichergestellt ist.

(5) Der Polizeibeauftragte hat das Recht, dem Bundestag und der Bundesregierung/dem Innenministerium Vorschläge/Empfehlungen zur Beseitigung der von ihm festgestellten Mängel zu unterbreiten, darüber hinaus ist er berechtigt, Vorschläge für eine bürgernahe und demokratisch strukturierte Polizei sowie für eine effiziente Kontrolle der Polizei zu machen. Er kann den Bundestag, dessen Fachausschüsse, die Bundesregierung und die Polizeibehörden über Verbesserungen im Polizeibereich und beim Bürgerrechtsschutz beraten.[2]

(6) Der Polizeibeauftragte beobachtet die Auswirkungen der gesetzlichen Bestimmungen und der tatsächlichen Entwicklung der Polizei insgesamt auf die Arbeitsweise und die Entscheidungsstrukturen der Polizeibehörden mit der spezifischen Fragestellung, ob sie zu einer Beschränkung der Kontrollmöglichkeiten durch den Bundestag und die Gerichte oder zu einer unzulässigen Aufgabenausweitung und Kompetenzzuweisung oder zu einer Vermengung mit Aufgaben und Befugnissen der Geheimdienste führen und damit das Trennungsgebot unterlaufen. Er kann Maßnahmen zum Schutz gegen derartige Auswirkungen vorschlagen.

(7) Der Polizeibeauftragte ist befugt, selbständige Medienarbeit zu betreiben und sich direkt an die Öffentlichkeit zu wenden. Darüber hinaus kann er Publikationen zur Information der Bevölkerung fertigen und herausgeben.

§ 5  Kontrol­l­in­stru­men­ta­rien des Polizei­be­auf­tragten

Dem Polizeibeauftragten stehen zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben die folgenden Kontrollinstrumente zu Gebote:
(1) Der Polizeibeauftragte hat ein Einsichtsrecht in Akten, Unterlagen, Datensysteme und Dateien der Polizei. Die Befugnisse des Bundesdatenschutzbeauftragten bleiben unberührt. Der Polizeibeauftragte hat das Recht auf Auskunft durch die verantwortlichen Stellen, auf Ladung und Einvernehmung von Polizeibediensteten sowie auf Anhörung von Beschwerdeführern, Zeugen und Sachverständigen. Zeugnisverweigerungsrechte und -pflichten bleiben bestehen. Beschwerdeführer, Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(2) Der Polizeibeauftragte hat im gleichen Umfang wie die Anklagebehörde und der Vertreter der Einleitungsbehörde das Recht, die Akten der Strafverfahren und Disziplinarverfahren gegen Polizeibedienstete einzusehen; dies gilt entsprechend auch für verwaltungsgerichtliche Verfahren, die mit seinem Aufgabenbereich zusammenhängen; in diesen Verfahren hat er das Recht zur Akteneinsicht wie ein Verfahrensbeteiligter.

(3) Der Polizeibeauftragte kontrolliert die Einrichtungen der Polizeien des Bundes; dazu gehören sämtliche polizeiliche Dienststellen (insbesondere auch stationäre oder mobile Einrichtungen des Polizeigewahrsams, Sammelunterkünfte, Schieß(trainings-)anlagen, Abhör-Einrichtungen und Einrichtungen der polizeilichen Aus- und Fortbildung). Er hat jederzeit, auch ohne vorherige Anmeldung, ein Zutrittsrecht zu den jeweiligen Einsatzräumen und zu Zentren von Polizeiaktionen (z.B. zu den Leitungsstäben der Polizei bei Demonstrationen). Dies gilt auch für seine Bediensteten.

(4) Das Innenministerium, das Bundespolizeipräsidium, das Bundeskriminalamt sowie die sonstigen Behörden und öffentlichen Stellen des Bundes sind verpflichtet, den Polizeibeauftragten und seine Beauftragten bei der Erfüllung der Aufgaben zu unterstützen und in allen Angelegenheiten, die seinen Aufgabenbereich betreffen, rechtzeitig zu unterrichten. Dazu haben sie insbesondere

* Auskunft zu seinen Fragen zu erteilen sowie Einsicht in alle Vorgänge und Aufzeichnungen, Unterlagen, Akten, gespeicherte Daten, Dateien und Datenverarbeitungsprogramme zu gewähren, die der Polizeibeauftragte zur Erfüllung der Aufgaben für erforderlich hält,

* die in Nr. 1 genannten Unterlagen auf Verlangen innerhalb einer bestimmten Frist herauszugeben,

* jederzeit unangemeldet Zutritt in alle Polizeidiensträume zu gewähren,

* Mitteilung über die Einleitung und den Ausgang eines Straf- oder Disziplinarverfahrens zu machen, soweit Polizeibedienstete betroffen sind und das Verfahren im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Dienstes steht, sowie

*zusammenfassende Berichte über die Einleitung von Disziplinar- und Strafverfahren und deren Ausgang zu erstellen und zu übergeben.

Stellt der Innenminister im Einzelfall fest, dass die Sicherheit des Bundes oder eines Landes besondere Vertraulichkeit erfordert, so kann er verlangen, dass der Polizeibeauftragte oder der von ihm schriftlich besonders Beauftragte die entsprechenden Befugnisse persönlich ausübt. Gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften können einem Auskunfts- oder Einsichtsverlangen nicht entgegengehalten werden. Im Übrigen können sämtliche Rechte auch durch den Stellvertreter oder durch besonders beauftragte Bedienstete des Polizeibeauftragten ausgeübt werden.

(5) Über folgende Maßnahmen und Planungen ist der Polizeibeauftragte von den zuständigen Stellen rechtzeitig zu unterrichten: Entwürfe zum Polizeirecht, Gefahrenabwehrrecht und Strafprozessrecht, geplante Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie strukturelle Planungen im Polizeibereich, Einrichtung von Spezialeinheiten, Polizeiliche Großlagen (Einsatz von mehr als einhundert Beamten), Entsendung von geschlossenen Einheiten in andere Bundesländer, Einsatz von verdeckten Ermittlern, Einrichtung von polizeilichen Kontrollstellen; des weiteren Einleitung von Disziplinarmaßnahmen gegen Polizeibedienstete. Dem Polizeibeauftragten ist die Gelegenheit zur Beobachtung von Polizeieinsätzen und -maßnahmen einzuräumen. Er kann in Strafverfahren und disziplinarrechtlichen Verfahren den Verhandlungen beiwohnen, auch soweit die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Die Justiz- und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, den Polizeibeauftragten über die Einleitung eines Verfahrens, die Erhebung der öffentlichen Klage, die Anordnung der Untersuchung im Disziplinarverfahren und den Ausgang des Verfahrens zu unterrichten, wenn einer dieser Behörden die entsprechenden Vorgänge von dem Polizeibeauftragten zugeleitet worden sind. Der Polizeibeauftragte hat das Recht, zu allen genannten Maßnahmen, Planungen und Verfahren eigene Stellungnahmen abzugeben und Beanstandungen auszusprechen.

(6) Der Polizeibeauftragte ist befugt, personenbezogene Daten, die ihm durch Beschwerden, Anfragen, Hinweise und Beratungsersuchen bekannt werden, zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. Er darf im Rahmen von Kontrollmaßnahmen im Einzelfall personenbezogene Daten auch ohne Kenntnis der/des Betroffenen erheben, wenn nur auf diese Weise festgestellt werden kann, ob ein Verstoß oder Mangel in der Polizeiarbeit gegeben ist. Die nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen und verarbeiteten Daten dürfen nicht zu anderen Zwecken weiterverarbeitet werden. Soweit der Polizeibeauftragte von seinem Strafantragsrecht nach § 7 Abs. 1 Gebrauch macht, ist er befugt, der Staatsanwaltschaft personenbezogene Daten zu übermitteln, soweit dies zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens erforderlich ist und seine Pflicht zur Verschwiegenheit dem im Einzelfall nicht entgegensteht. [3]

§ 6  Allgemeine Richtlinien, Weisungs­frei­heit

(1) Der Bundestag und der Innenausschuss können allgemeine Richtlinien für die Arbeit des Polizeibeauftragten erlassen.
(2) Der Polizeibeauftragte ist – unbeschadet des § 1 Abs. 2 – von Weisungen frei.

§ 7  Anwesen­heits­pflicht

Der Bundestag und der Innenausschuss können jederzeit die Anwesenheit des Polizeibeauftragten verlangen.

§ 8  Stellung des Polizei­be­auf­tragten bei Eingaben und Beschwerden

(1) Der Polizeibeauftragte wird von sich aus oder aufgrund von Eingaben oder Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über das Verhalten von Polizeibediensteten des Bundes tätig. Jeder Bürger kann sich kostenlos an den Polizeibeauftragten wenden, wenn er der Ansicht ist, dass er durch polizeiliche Maßnahmen in seinen Rechten verletzt worden ist oder dass durch polizeiliche Maßnahmen gegen das Grundgesetz oder gegen Gesetzesbestimmungen verstoßen worden ist oder ein solcher Verstoß bevorsteht. Niemand darf benachteiligt oder gemaßregelt werden, weil er von seinem Eingabe- und Beschwerderecht Gebrauch gemacht hat. Die Eingaben und Beschwerden sind vertraulich zu behandeln. Die Tatsache der Eingabe bzw. Beschwerde und der Name des Einsenders dürfen nur mit dessen Einwilligung bekannt gegeben werden. Im Fall eines Straftatverdachtes bleibt die Ermittlungskompetenz der Staatsanwaltschaft unberührt. Dem Polizeibeauftragten steht ein Strafantragsrecht zu, das im Einzelfall an die Einwilligung des Beschwerdeführers oder des Zeugen gebunden ist. Der Polizeibeauftragte kann mit Einwilligung des Beschwerdeführers oder des von der polizeilichen Maßnahme Betroffenen einen Vorgang der für die Einleitung des Straf- oder Disziplinarverfahrens zuständigen Stelle zuleiten. Er unterstützt sie in ihren rechtlichen Bemühungen.

(2) Jeder Polizeibedienstete kann sich mit Eingaben oder Beschwerden über das Verhalten von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen sowie von Dienstvorgesetzten, insbesondere auch im Falle der Remonstration, direkt, ohne Einhaltung des Dienstweges, an den Polizeibeauftragten wenden. Hieraus darf ihm/ ihr kein dienstlicher oder persönlicher Nachteil entstehen (Maßregelungs- und Benachteiligungsverbot). Satz 1 und 2 gelten auch dann, wenn die Eingaben oder Beschwerden der Bediensteten nicht ihre eigene Person betreffen, sondern den Dienstbetrieb oder polizeiliches Verhalten gegen Personen außerhalb des Polizeidienstes.

§ 9  Anonyme Eingaben

Anonyme Eingaben behandelt der Polizeibeauftragte nach eigenem Ermessen. [4]

§ 10  Verschwie­gen­heits­pflicht, Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­recht

[5](1) Der Polizeibeauftragte ist auch nach Beendigung seines Amtsverhältnisses verpflichtet, über die ihm amtlich bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Er hat insoweit gegenüber Gerichten und Behörden ein Zeugnisverweigerungsrecht. Sätze 1 und 2 gelten nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

(2) Der Polizeibeauftragte entscheidet nach eigenem Ermessen und in eigener Verantwortung, ob und wie er unter Berücksichtigung seiner Verschwiegenheitspflichten die Staatsanwaltschaften und Gerichte informiert. Über die Erteilung von Aussagegenehmigungen seine Bediensteten entscheidet der Beauftragte nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen und in eigener Verantwortung.

(3) Der Polizeibeauftragte darf, auch wenn er nicht mehr im Amt ist, über dienstliche Angelegenheiten ohne Genehmigung weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Die Genehmigung erteilt sein Nachfolger im Amt. [6]

§ 11  Unter­rich­tungs­pflichten durch Bundes- und Länder­be­hörden

Die Justiz- und Verwaltungsbehörden des Bundes und der Länder sind verpflichtet, den Polizeibeauftragten über die Einleitung des Verfahrens, die Erhebung der öffentlichen Klage, die Anordnung der Untersuchung im Disziplinarverfahren und den Ausgang des Verfahrens zu unterrichten, wenn einer dieser Behörden die Vorgänge vom Polizeibeauftragten zugeleitet worden sind.

§ 12  Wahl des Polizei­be­auf­tragten

Der Bundestag wählt den Polizeibeauftragten in geheimer Wahl mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Vorschlagsberechtigt sind der Innenausschuss, die Fraktionen und so viele Abgeordnete, wie nach der Geschäftsordnung der Stärke einer Fraktion entsprechen. [7]

§ 13  Wählbarkeit, Amtsdauer, Verbot einer anderen Berufs­aus­übung, Eid, Befreiung vom Wehrdienst

(1) Zum Polizeibeauftragten ist jeder /jede Deutsche wählbar, der/die das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und das 35. Lebensjahr vollendet hat und über die zur Erfüllung der Aufgaben erforderliche Fachkunde verfügt.

(2) Die Amtszeit des Polizeibeauftragten beträgt sechs Jahre. Die einmalige Wiederwahl ist zulässig. Das Amt ist im übrigen bis zum Eintritt der Nachfolge weiterzuführen.

(3) Der Polizeibeauftragte darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens noch auch einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören.

(4) Der Polizeibeauftragte leistet bei der Amtsübernahme vor dem Bundestag den in Artikel 56 des Grundgesetzes vorgesehenen Eid.

§ 14  Rechts­stel­lung des Polizei­be­auf­tragten, Beginn und Beendigung des Amtsver­hält­nisses

(1) Der Polizeibeauftragte steht nach Maßgabe dieses Gesetzes in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Der Präsident des Bundestages ernennt den Gewählten.

(2) Das Amtsverhältnis beginnt mit der Aushändigung der Urkunde über die Ernennung durch den Präsidenten des Bundestages oder, falls der Eid vorher geleistet worden ist (§ 14 Abs. 4), mit der Vereidigung.

(3) Das Amtsverhältnis endet außer durch Ablauf der Amtszeit nach § 14 Abs. 2 oder durch den Tod
1. mit der Abberufung,
2. mit der Entlassung auf Verlangen.

(4) Der Bundestag kann auf Antrag des Innenausschusses seinen Präsidenten beauftragen, den Polizeibeauftragten abzuberufen. Voraussetzung für einen solchen Antrag ist, dass der Polizeibeauftragte seinen Pflichten im Wesentlichen nicht nachgekommen ist oder dass Gründe vorliegen, die bei einem Richterverhältnis auf Lebenszeit die Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen. Der Beschluss des Bundestages bedarf der Zustimmung der Mehrheit seiner Mitglieder.

(5) Der Polizeibeauftragte kann jederzeit seine Entlassung verlangen. Der Präsident des Bundestages spricht die Entlassung aus.

§ 15  Sitz des Polizei­be­auf­tragten, Leitender Beamter, Beschäf­tigte, Haushalt

(1) Der Polizeibeauftragte hat seinen Sitz beim Bundestag.

(2) Den Polizeibeauftragten unterstützt ein Leitender Beamter. Weitere Beschäftigte werden dem Polizeibeauftragten für die Erfüllung seiner Aufgaben beigegeben. Die Beamten beim Polizeibeauftragten sind Bundestagsbeamte nach § 176 des Bundesbeamtengesetzes. Der Polizeibeauftragte ist Vorgesetzter der ihm beigegebenen Beschäftigten.

(3) Die dem Polizeibeauftragten für die Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung zu stellende notwendige Personal- und Sachausstattung ist im Einzelplan des Bundestages in einem eigenen Kapitel auszuweisen. Für bestimmte Einzelfragen kann der Polizeibeauftragte auch Dritte zur Mitarbeit heranziehen. Hierfür sind ausreichende Mittel im Haushalt bereitzustellen.

§ 16  Vertretung des Polizei­be­auf­tragten

Der Leitende Beamte nimmt die Rechte des Polizeibeauftragten bei Verhinderung und nach Beendigung des Amtsverhältnisses des Polizeibeauftragten bis zum Beginn des Amtsverhältnisses eines Nachfolgers wahr. § 5 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

§ 17  Amtsbezüge, Versorgung

(1) Der Polizeibeauftragte erhält vom Beginn des Kalendermonats an, in dem das Amtsverhältnis beginnt, bis zum Schluss des Kalendermonats, in dem das Amtsverhältnis endet, Amtsbezüge. § 11 Abs. 1 Buchstaben a und b des Bundesministergesetzes ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass das Amtsgehalt und der Ortszuschlag 75 vom Hundert des Amtsgehaltes und des Ortszuschlages eines Bundesministers betragen. Die Amtsbezüge werden monatlich im Voraus gezahlt.

(2) Im Übrigen werden § 11 Abs. 2 und 4 und die §§ 13 bis 20 und 21a des Bundesministergesetzes entsprechend angewandt mit der Maßgabe, dass an die Stelle der zweijährigen Amtszeit (§ 15 Abs. 1 des Bundesministergesetzes) eine fünfjährige Amtszeit tritt.

(3) Die Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1973 (BGBl. I S. 1621), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 31. Mai 1979 (BGBl. I S. 618), der höchsten Reisekostenstufe und des Bundesumzugskostengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1973 (BGBl. I S. 1628), zuletzt geändert durch Artikel VII des Gesetzes vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3716), für die infolge der Ernennung und Beendigung des Amtsverhältnisses erforderlich werdenden Umzüge sind entsprechend anzuwenden.

§ 18  Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am … in Kraft.

Aktualisierte Fassungen und weitere Informationen zum Thema auf der HU-Webseite unter
https://www.humanistische-union.de/shortcuts/polizeikontrolle/.

Anmerkungen

[1] Der Bezugsrahmen wurde im Text einheitlich auf Grund- und Menschenrechte abgestellt. Umstritten war, ob der Bezug auf die Gesetze nötig sei oder ob nicht jeder unverhältnismäßige Polizeieinsatz / Polizeiübergriff eine Verletzung von Grund- und Menschenrechten darstelle.

[2] Doppelung mit § 4 Absatz 3.

[3] Dopplung mit § 5 Absatz 4.

[4] Die Vertraulichkeit der Beschwerde wurde in § 8 Abs. 1 zugesichert.

[5] Überarbeitungsbedarf wird gesehen, insbesondere da Regelungen in § 10 Abs. 1 und § 10 Abs. 2 und 3 als in sich widersprüchlich angesehen werden.

[6] Wird als instrumentalisierbarer „Maulkorb“ abgelehnt.

[7] Eine Aussprache über Kandidierende wird ausdrücklich befürwortet.

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