Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 166: Nord-Süd-Konflikt oder Eine Welt? Facetten der Entwicklungspolitik

Eine Nord-Süd-Al­lianz für erneuerbare Energien?

Strategien für eine nachhaltige Energieversorgung in Entwicklungsländern

aus: Vorgänge Nr. 166 ( Heft 2/2004 ), S.14-23

Für die Länder des Südens eröffnen sich durch die Nutzung von erneuerbaren Energien, also von Solar- und Windenergie, Biomasse, (kleiner) Wasserkraft und Erdwärme, neue Entwicklungsmöglichkeiten — so lautet die Ausgangshypothese dieses Beitrags. Ohne erneuerbare Energien, so die weitere Zuspitzung dieser Annahme, ist eine nachhaltige Entwicklung der Länder des Südens nicht möglich; ihre verstärkte Nutzung ist für die zukünftige soziale, ökonomische und ökologische Situation dieser Nationen von entscheidender Bedeutung. Um diese These zu stützen, werden eingangs die Vorteile von erneuerbaren Energien für Entwicklungsländer beschrieben. Anschließend soll analysiert werden, welche Hemmnisse einer stärkeren Anwendung regenerativer Erzeugungstechnologien in Ländern des Südens bislang entgegen stehen und wie diese Restriktionen überwunden werden können. Schließlich wird deutlich gemacht, dass erneuerbare Energien kein Thema eines Nord-Süd Konflikts sind, sondern ihre verstärkte Nutzung auch im Interesse der Industrieländer liegen kann.

Nutzung erneu­er­barer Energien im Nord-Süd-­Ver­gleich

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur hatten erneuerbare Energien im Jahr 2001 einen Anteil von 13,5 Prozent am gesamten Weltenergieverbrauch. Dabei dominierte die Nutzung von Biomasse (10,8 Prozent), gefolgt von der Wasserkraft (2,2 Prozent). Der Anteil der anderen erneuerbaren Energien am Weltenergieverbrauch, also von Wind- und Solarenergie sowie Erdwärme, lag gerade einmal bei 0,5 Prozent. Bei diesen so genannten neuen erneuerbaren Energien sticht zudem ins Auge, dass sie vor-wiegend in Ländern des Nordens genutzt werden; so verfügt Europa über 74,39 Prozent der weltweit installierten Windenergieleistung.

Die entstehenden Massenmärkte speziell für Wind- und Solarenergie im Norden und die damit verbundenen Quantensprünge in Bezug auf technische Effizienz und Kosten können die Grundlage für die Diffusion dieser Technologien in den Süden schaffen. Die Entwicklungsländer stützen sich bislang vorwiegend auf alte erneuerbare Energien, also traditionelle Biomasse und Groß-Wasserkraft. Nur 13 Prozent des weltweiten Biomasse-Verbrauchs findet in der OECD statt, während in den nicht der OECD angehörenden Ländern drei Viertel der weltweiten Nutzung erneuerbarer Energien erfolgt. In der OECD liegt der Anteil erneuerbarer Energien bei 5,7 Prozent, in den nicht der OECD angehörenden Ländern beträgt der Anteil 22,3 Prozent (IEA 2003: 3ff.).

Vorteile von erneu­er­baren Energien für Entwick­lungs­länder

Um die Vorteile zu erkennen, die sich aus einem stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern ergeben, muss man sich zuerst die Nachteile vergegenwärtigen, die aus der derzeitigen Struktur der Energieversorgung in diesen Ländern resultieren. Diese Nachteile entstehen zum einen aus einem hohen Anteil von (traditioneller) Biomasse, zum anderen aus einer dominanten Position fossiler Energien im kommerziellen Energiesektor.

In vielen Entwicklungsländern wird Biomasse heute in Formen genutzt, die weder „erneuerbar” noch „nachhaltig” sind. Besonders in den ariden und semiariden Regionen dieser Erde, wie zum Beispiel in der Sahel-Zone, führt der starke und steigende Bedarf an Brennholz beziehungsweise Holzkohle zu einer fortschreitenden Zerstörung von Wäldern und anderen Ökosystemen.

Daneben stellt die Verwendung von Biomasse zum Kochen oder Heizen auch eine Gesundheitsgefahr dar: Eine Milliarde Menschen, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, werden durch die Nutzung traditioneller Biomasse regelmäßig innerhalb ihrer Wohnung einer Luftverschmutzung ausgesetzt, die bis zu hundertmal höher ist als die entsprechenden Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (G8 Renewable Energy Task Force 2001: 20).

Die Einführung und Verbreitung verbesserter Herde bietet eine Lösungsmöglichkeit für diese Probleme: Die neuen Herde verbrauchen weniger Biomasse und haben einen geringeren Schadstoffausstoß vorzuweisen. Noch besser geeignet sind erneuerbare Energien, die Wärme für Koch- und Heizzwecke produzieren können, wie zum Beispiel Biogasanlagen oder Solarkocher. Die Einführung dieser Technologien leistet somit einen Beitrag zum Schutz natürlicher Ressourcen und zur Verbesserung der Lebensqualität und der Gesundheit ihrer Nutzer.

Ein anderes Problem, welches durch erneuerbare Energien gelöst werden kann, ist die unzureichende Stromversorgung in vielen Entwicklungsländern. Durch die hohen Kosten für den Ausbau des Stromnetzes haben viele ländliche und periphere Regionen so gut wie keine Chance, in absehbarer Zeit elektrifiziert zu werden.

Erneuerbare Energien wie kleine Solaranlagen (Solar Home Systems), Kleinwasserkraftwerke oder kleine Windkraftanlagen können zur dezentralen Stromversorgung ein-gesetzt werden. Sie stellen damit eine sichere, umweltfreundliche und oft auch kosten-günstigere Option für den Aufbau einer modernen Energieinfrastruktur in ländlichen Regionen dar. Mit ihrer Hilfe wird die wirtschaftliche Entwicklung dieser Regionen gefördert, und die Abwanderung vom Land in die Städte abgeschwächt.

In vielen Städten in Entwicklungsländern wiederum führt der hohe Verbrauch an fossilen Energieträgern zu einer starken Luftverschmutzung, verbunden mit den entsprechenden Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung. Die Luftqualität in den lateinamerikanischen und asiatischen Megastädten nimmt schon jetzt bedrohliche Ausmaße an. Neben der Luftverschmutzung durch Schwefeldioxid, Staub, Kohlenmonoxid und Stickstoffoxide führt der Verbrauch fossiler Energien auch zu Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid.

Erneuerbare Energien haben in diesem Bereich den Vorteil, dass sie zum Großteil emissionsneutral funktionieren. Der Betrieb von Solar- und Windkraftanlagen verursacht keine Luftverschmutzung oder Treibhausgasemissionen. Diese Technologien leisten somit einen Beitrag zum Schutz von Umwelt und Gesundheit.

Nicht zuletzt hat der Verbrauch von fossilen Energieträgern auch negative makroökonomische Effekte. Die meisten Länder des „Südens” sind in hohem Maße von Energieimporten abhängig. Die Entwicklungsländer importieren zum Beispiel fast 40 Prozent des weltweit gehandelten Erdöls (Wieczorek-Zeul 2001: 13.). Durch die Verschlechterung der terms of trade in vielen Ländern der Dritten Welt verschlingt der Energieimport immer größere Teile des Volkseinkommens; die Leistungsbilanzen verschlechtern sich zunehmend, oft mit der Folge einer weiter anwachsenden Auslandsverschuldung. Und schließlich sind die Reserven der fossilen Energien endlich, was in Zukunft zu Verknappungserscheinungen und weiter ansteigenden Preisen führen wird.

Mit Hilfe von erneuerbaren Energien können Entwicklungsländer sich aus der Abhängigkeit von Energieimporten lösen und ihre Energieversorgung auf eine sichere, stabile und nachhaltige Grundlage stellen. Neben den ökologischen und sozialen Vorteilen haben erneuerbare Energien somit auch wirtschaftliche Vorteile für Entwicklungsländer. Woran liegt es nun, dass viele Länder des „Südens” erneuerbare Energien bei ihrer Energieversorgung bisher dennoch nicht oder nur wenig berücksichtigen?

Restrik­ti­onen für erneuerbare Energien in Entwick­lungs­län­dern

Ein zentrales Hindernis für den Einsatz von Photovoltaik-Anlagen und andere erneuerbare Energien in Entwicklungsländern sind die hohen Investitionskosten, die bei der Anschaffung einer solchen Anlage anfallen. In Kenia beispielsweise kostet ein kleines Solar Home System (SHS) mit 12 Watt Leistung rund 150 US-Dollar – gegenüber einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 360 US-Dollar, das in ländlichen Regionen noch niedriger ist. Kreditprogramme für SHS gab es bis vor kurzem in Kenia nicht. Das erklärt, weshalb es immer noch hauptsächlich die wohlhabenden Haushalte sind, die sich ein SHS anschaffen (Hankins 2000: 92).

Ein anderes Problem, das die Verbreitung von SHS in Kenia (und in vielen anderen Entwicklungsländern) behindert, ist ihre oft unbefriedigende Qualität. Hinzu kommt,dass sie in der Regel unzureichend gewartet werden – auch aufgrund eines Mangels an qualifizierten Technikern in den ländlichen Gebieten. Das hat zur Folge, dass an die 40 Prozent der SHS in Kenia momentan nicht oder nur teilweise funktionieren. Nachteilig für die Diffusion von SHS in Kenia ist auch das so genannte false labelling: SHS werden mit Aufklebern versehen, auf denen eine höhere als die tatsächliche Leistung vermerkt ist (Otieno 2003: 40). Der Kauf solcher Systeme untergräbt das Vertrauen der Verbraucher in erneuerbare Energietechnologien und kann mittelfristig einen Markt zerstören. Um dem entgegenzuwirken, könnten zum Beispiel Qualitätsstandards eingeführt, Qualitätskontrollen intensiviert und die Verbraucher mit Hilfe von Informationskampagnen aufgeklärt werden.

Auf der anderen Seite sind es auch häufig die politischen Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern, die eine Verbreitung erneuerbarer Energien behindern. Die politische und wirtschaftliche Instabilität in vielen Ländern erschwert private Investitionen in Projekte im Bereich erneuerbare Energien. Die Lizenzvergabe für die Produktion von Strom ist sehr häufig mit Unmengen an Bürokratie verbunden und damit kosten- und zeitintensiv. Unklare oder nicht vorhandene politische Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien (zum Beispiel hinsichtlich der Einspeisung von Strom und des Verkaufs an die Netzbetreiber) verhindern Planungs- und Investitionssicherheit.

Hinzu kommt, dass erneuerbare Energien in den Energiepolitiken der meisten Entwicklungsländer eine relativ geringe Rolle spielen. Die Energiesysteme von Entwicklungsländern sind überdurchschnittlich stark auf Erdöl ausgerichtet; andere mögliche Energieträger werden nur wenig berücksichtigt. Das liegt zum Teil auch an einflussreichen Lobbys im Bereich der fossilen Energien, während der Einfluss von Protagonisten erneuerbarer Energien sich zumeist noch in Grenzen hält. Das wiederum hat zur Folge, dass fossile Energieträger in vielen Entwicklungsländern stark von der Regierung subventioniert werden und demzufolge eine stärkere Wettbewerbsposition als erneuerbare Energien einnehmen.

Zu den Entwicklungsländern mit den höchsten Subventionen für fossile Energien zählen Algerien, Indonesien, Nigeria, Iran und Venezuela – also Länder, die in hohem Maße von der Produktion und dem Export fossiler Energien abhängig sind. Der Iran beispielsweise erzielt 80 Prozent seiner Deviseneinnahmen durch den Verkauf von Erdöl und Erdgas. Die Kosten für Energie liegen hier mehr als 80 Prozent unter dem weltweiten Durchschnitt. Damit sind Strom, Öl und Gas im Iran so billig wie fast nirgendwo sonst und werden deshalb von Industrie und Bevölkerung in großen Mengen konsumiert. Die wirtschaftlichen Kosten, die aus dieser Verschwendung von Ressourcen resultieren, belaufen sich auf ungefähr 2,2 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die Streichung der Subventionen würde den Energieverbrauch um schätzungsweise 47,5 Prozent reduzieren und die Kohlendioxid-Emissionen Trans um die Hälfte verringern (IEA 1999: 162).

Zudem würden erneuerbare Energien sich besser gegen fossile Energien durchsetzen können. Momentan haben erneuerbare Energien, einschließlich Wasserkraft, einen An-teil von unter 0,04 Prozent am iranischen Energieverbrauch. In der politischen Diskussion im Iran spielen erneuerbare Energien so gut wie keine Rolle. Im Gegenteil: Es gibt eine starke Lobby gegen den Abbau der Subventionen und für fossile Energien. Ein Grund hierfür sind auch die starken Verflechtungen zwischen Politik und Erdöl- beziehungsweise Erdgaswirtschaft. Somit gibt es auf politischer Ebene wenige Anreize für eine Umorientierung in Richtung erneuerbarer Energien.

Erfolgs­be­din­gungen für erneuerbare Energien in Entwick­lungs­län­dern

Mit Ausnahme von natürlichen, unveränderlichen Faktoren wie zum Beispiel dem Vorhandensein geothermischer Ressourcen, können Erfolgsbedingungen in der Regel durch geeignete politische Maßnahmen oder im Zuge sozialer Lernprozesse hergestellt und verbessert werden. Hier sollen exemplarisch zwei wichtige Erfolgsbedingungen für die Verbreitung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern vorgestellt werden, zusammen mit den Maßnahmen, die zu ihrer Entstehung geführt haben.

Der bereits geschilderte Kapitalmangel in den Entwicklungsländern stellt ein wesentliches Hemmnis für den Ausbau erneuerbarer Energien dar. Die Schaffung einer sicheren finanziellen Grundlage sollte somit ein wesentlicher Bestandteil jeder Strategie zur Förderung erneuerbarer Energien sein. In Marokko wird die Verbreitung erneuerbarer Energien mit finanzieller Unterstützung externer Akteure vorangetrieben. Im Bereich der Windkraft wurden im Laufe der 1990er Jahre mit finanzieller und technischer Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) eine Reihe von Studien durchgeführt, die das Windkraftpotenzial Marokkos ermittelten. Ende 2000 entstand ein Demonstrationswindpark mit 3,5 MW Leistung, für den die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) einen zinsgünstigen Kredit zur Verfügung stellte. Gleichzeitig wurde mit einem Kredit der Europäischen Investitionsbank (EIB) und dem Kapital eines französischen Konsortiums mit Beteiligung der Electricite de France (EdF) ein Windpark über 50 MW errichtet. Ein weiterer Windpark mit 60 MW Leistung, bei dem die KfW sich erneut an der Finanzierung beteiligen wird, ist bereits in Planung (Wiekert 2003).

Auch die Verbreitung von Solaranlagen wird in Marokko von externen Akteuren finanziert. Die International Finance Corporation (IFC) beispielsweise stellt im Rahmen ihrer Photovoltaic Market Transformation Initiative (PVMTI) marokkanischen Unter-nehmen und Organisationen insgesamt 5 Millionen US-Dollar für die Finanzierung photovoltaischer Anlagen zur Verfügung. Bis jetzt sind bereits 1,7 Millionen US-Dollar an zwei Projekte gegangen, in deren Rahmen (Klein-)Kredite für die Anschaffung von PV-Systemen vergeben werden (PVMTI Webseite).

Zum anderen versucht die marokkanische Regierung, ausländische Unternehmen in ihr ländliches Elektrifizierungsprogramm einzubinden. Momentan werden im Rahmen von internationalen Ausschreibungen Aufträge für die Elektrifizierung einzelner ländlicher Regionen mit Hilfe von Solar Home Systems vergeben. Auch die ländliche Elektrifizierung Marokkos wird von der KfW finanziell unterstützt. Ein anderes Projekt im Bereich der Solarenergie ist das geplante solarthermische Kraftwerk in Afn Beni Mathar(200 MW), welches mit Hilfe eines Kredits der Global Environmental Facility (GEF) finanziert werden soll.

Viele dieser Projekte wären ohne die finanzielle Unterstützung ausländischer Geber nicht möglich gewesen. Seit den 1990er Jahren werden von Seiten bilateraler und multilateraler Akteure zunehmend Mittel für erneuerbare Energien bereit gestellt. Gerade die internationalen Entwicklungsbanken konzentrieren ihre Förderung allerdings weiterhin noch auf konventionelle Energieprojekte. Zum Beispiel haben erneuerbare Energien momentan einen Anteil von lediglich 6 Prozent am Energieportfolio der Weltbank (EIR Webseite).

Neben der finanziellen Seite mangelt es in Entwicklungsländern oft an politischer Unterstützung für erneuerbare Energien. Neben der Aufklärung politischer Entscheidungsträger über die Vorteile erneuerbarer Energien ist es deshalb wichtig, institutionelle Strukturen aufzubauen, welche die Förderung erneuerbarer Energien weiter vor-antreiben. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Institutionalisierung erneuerbarer Energien ist Indien. Bereits 1981, als Konsequenz aus den Ölkrisen der 1970er Jahre, wurde im Ministerium für Wissenschaft und Technologie eine Commission for Additional Sources of Energy (CASE) eingerichtet. Ein Jahr später wurde im Energieministerium ein Department of Non-Conventional Energy Sources (DNES) gegründet. Seit 1992 gibt es sogar ein eigenes Ministry for None-Conventional Energy Sources (MNES) — weltweit das einzige Ministerium, welches sich ausschließlich mit erneuerbaren Energien beschäftigt.

Das MNES hat in der Vergangenheit eine Reihe wichtiger politischer Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien initiiert, unter anderem die beschleunigte Abschreibung beziehungsweise Steuerbefreiung für Projekte im Bereich erneuerbarer Energien, sowie verschiedene Subventionen für die Installation von erneuerbaren Energietechnologien. Gleichzeitig wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der die Produktion, Einspeisung, Übertragung und den Verkauf von Strom aus erneuerbaren Energien regelt. Bei diesen Aktivitäten erhält das MNES Unterstützung von insgesamt neun regionalen Büros und drei eigenen Forschungseinrichtungen: dem Solar Energy Centre (SEC), dem Centre for Wind Energy Technology (C-WET) und dem National Institute of Renewable Energy (NIRE). Die 1987 gegründete India Renewable Energy Development Agency (IREDA) fördert die Verbreitung erneuerbarer Energien durch zinsgünstige Kredite (MNES 2003).

Diese starke institutionelle Verankerung erneuerbarer Energien hat mit dazu beige-tragen, dass die Bedeutung von Wind, Sonne und Wasser für die Energieversorgung Indiens in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Indien ist unter den Entwicklungsländern mit der größten Windkraftindustrie (Produktionskapazität von über 500 MW pro Jahr) und rund 2.100 MW an installierter Windkraftleistung ein Pionier. Auch bei der Nutzung von Biomasse, Biogas (3 Millionen Biogasanlagen), Solarkochern (500.000 Einheiten), Kleinwasserkraft (über 1.400 MW) sowie solarthermischen und photovoltaischen Anlagen (450.000 Solar Home Systems) gehört Indien zu den führenden Ländern. Mit dem existierenden institutionellen Netzwerk und der relativ sicheren
politischen Unterstützung gibt es auch für die kommenden Jahre eine gute Grundlage für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien in Indien – auch in Form von neuen Technologien wie zum Beispiel solarthermischen Kraftwerken.

Sowohl externe als auch interne Akteure spielen demnach eine Rolle bei der Verbreitung erneuerbarer Energien in der Dritten Welt. Interne Akteure – Regierungsvertreter, Nichtregierungsorganisationen und Privatwirtschaft – sind die zentralen Akteure bei der Umstellung nationaler Energiesysteme auf erneuerbare Energien. Gerade Entwicklungsländer sind aber häufig auf die Unterstützung externer Akteure angewiesen. Externe Akteure, meist in Form von bilateralen oder multilateralen Gebern, können die Finanzierung von Projekten im Bereich erneuerbarer Energien übernehmen oder Technologietransfer und Beratung leisten. Welche Interessen aber haben diese externen Akteure an der Verbreitung erneuerbarer Energien im Süden neben hehren Motiven wie Umweltschutz und Armutsbekämpfung?

Interessen der Indus­tri­e­länder an der Diffusion Erneu­er­barer Energien in Entwick­lungs­län­dern

Zunächst sind hier die Klimaschutzverpflichtungen der Industrieländer zu nennen, die diese im Rahmen des Kyoto-Protokolls eingegangen sind. Demnach muss etwa die EU ihre Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 bis 2008/2012 um 8 Prozent senken. Neben Reduktionsmaßnahmen innerhalb der einzelnen Staaten besteht durch die so genannten Kyoto-Mechanismen (Clean Development Mechanism (CDM), Joint Implementation, Emission-Trading) die Möglichkeit für (Investoren aus den) Industrieländer(n), durch Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern einen Teil ihrer eigenen Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung möglichst kostengünstig zu realisieren. Die Funktionsweise des CDM ist noch nicht ausgereift; im Vertrauen auf eine kommende Regelung agieren insbesondere die Niederlande bei der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in der Dritten Welt aber bereits als Vorreiter. Anfang 2002 hat die niederländische Regierung der Weltbank 40 Millionen US-Dollar bereit gestellt. Mit diesem Geld sollen verschiedene Projekte im Bereich „saubere Energie” in Entwicklungsländern gefördert werden. Im Gegenzug erhalten die Niederlande einen Kredit über zehn Megatonnen Kohlendioxid, den sie sich auf ihre inländische Reduktionsverpflichtung von 250 Megatonnen anrechnen lassen können (Reiche 2002: 101).

Das eindeutige Hauptinteresse der Industrieländer an einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern ist jedoch der Export entsprechender Erneuerbarer-Energie-Technologie (EET). Gerade die deutsche EET-Industrie konzentriert sich noch relativ stark auf den nationalen Markt. Obwohl Deutschland mit 14.645 MW installierter Windkraftleistung Ende 2003 weltweit an erster Stelle rangiert, lag der Exportanteil der deutschen Windbranche 2002 erst bei rund 16 Prozent. Im Gegensatz dazu erreichte etwa Dänemark, das bereits frühzeitig auf eine Exportförderung im Bereich der Windenergie setzte, eine Exportquote von rund 80 Prozent im selben Jahr (Dewi 2003: 23f.).

Angesichts der Wachstumsperspektiven der globalen Märkte für regenerative Technologien birgt die Erschließung von Auslandsmärkten gerade auch in Entwicklungsländern für die Zukunftsfähigkeit der nationalen Erneuerbare-Energie-Branchen in Industrieländern jedoch enorme Potenziale. Im Falle Deutschlands ist eine Steigerung des Exportanteils insbesondere im Bereich der Windenergie zudem unerlässlich, sind die Wachstumspotenziale auf dem Inlandsmarkt geographisch und wirtschaftlich doch begrenzt und besteht außerdem eine starke Abhängigkeit von der Binnenkonjunktur (Deutscher Bundestag 2003: 2).

Laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) haben heute rund 1,6 Mrd. Menschen auf der Welt nach wie vor keinen Zugang zu Strom. 99 Prozent dieser Menschen leben in Entwicklungsländern. Gleichzeitig wird sich das Wachstum des Energieverbrauchs in den nächsten Jahren vor allem auf den Süden konzentrieren (WBGU 2003: 24 f.). In Zukunft werden sich die Entwicklungsländer somit zu wichtigen Absatzmärkten für EET aus Industrieländern entwickeln.

Resümee und Ausblick

Sowohl in Industrie- als auch Entwicklungsländern besteht – wie dargestellt – Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien. Insofern kann hier nicht von einem „Nord-Süd-Konflikt” gesprochen werden. Die eigentliche Trennlinie verläuft nicht zwischen „Nord” und „Süd”, sondern zwischen den Protagonisten erneuerbarer und den Lobbys fossiler Energien, deren Einfluss sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern immer noch stark ist.

In den Industrieländern hat das Entstehen eines ökologischen Bewusstseins in breiten Teilen der Bevölkerung sehr viel zur Verbreitung erneuerbarer Energien bei-getragen. Erfahrungen in Entwicklungsländern dagegen zeigen, dass Umweltaspekte in der Regel eine geringere Rolle bei Kaufentscheidungen für EET spielen. Andere Faktoren wie die fehlende Angebundenheit an ein Stromnetz, die Ersparnis von Brennstoffkosten sowie der geringe Wartungsaufwand z.B. von Solarmodulen sind hier eher ausschlaggebend für die Beschaffung einer regenerativen Technologie und werden von zivilgesellschaftlichen Akteuren ins Zentrum ihrer Argumentation gerückt.

Für die weitere Verbreitung ist ein stärkeres Engagement der Regierungen von Entwicklungsländern erforderlich, die oftmals die Vorteile, die erneuerbare Energien für die Entwicklung ihrer Länder bieten, noch nicht erkannt haben. Hier ist noch weitere Überzeugungsarbeit sowohl seitens zivilgesellschaftlicher Organisationen als auch von internationalen Gebern erforderlich. Zu den primären Aufgaben der Regierungen von Entwicklungsländern gehören die Schaffung geeigneter politischer Rahmenbedingungen zur Förderung erneuerbarer Energien wie ein System verlässlicher Einspeisetarife im Strommarkt oder Mikro-Kredite etwa für Solar Home Systems und der Abbau von Subventionen wie Steuervergünstigungen für fossile Energien.

Die Regierungen der Industrieländer müssen ihre Entwicklungszusammenarbeit stärker auf die Nutzung erneuerbarer Energien ausrichten. Die deutsche Bundesregierung nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein und unterstützt den Ausbau erneuerbarer Energien in den Entwicklungsländern mit jährlich 100 Millionen Euro. Ein Signal zur weiteren Diffusion von erneuerbaren Energien nicht zuletzt in Entwicklungsländern könnte auch von der internationalen Konferenz für Erneuerbare Energien (renewables2004) ausgehen, zu der die Bundesregierung im Juni 2004 nach Bonn eingeladen hatte und an der die Mehrzahl aller Staaten teilnahm.

Auch multilaterale Geber und Entwicklungsbanken müssen ihre Energieportfolios stärker auf erneuerbare Energien ausrichten. Eine von der Weltbank eingesetzte Kommission hat im Januar 2004 Weltbank-Präsident Wolfensohn einen Bericht übergeben, in der sie die Beendigung der Öl- und Kohleförderung bis 2008 ebenso wie die primäre Ausrichtung auf erneuerbare Energien fordert. Zugleich sollten der Stellungnahme der Kommission zufolge Projekte nur noch nach Zustimmung lokaler und indigener Gemeinschaften weiter verfolgt werden — eine Forderung, die nicht zuletzt wegen umstrittener Umsiedlungsmaßnahmen infolge von Staudammprojekten erhoben wird (EIR Webseite).

Multinationale Unternehmen wie Shell erkennen zunehmend die neuen Absatzmärkte, die sich auf dem Gebiet erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern bieten. So kann die Elektrifizierung des „stromlosen” Drittels der Weltbevölkerung etwa durch Solar Home Systems mit ökonomischen Interessen verknüpft werden. Durch Technologietransfers von Nord nach Süd kann sich auch in Entwicklungsländern eine eigene EET-Industrie entwickeln. Der Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokolls wird in Zukunft hier für eine zusätzliche Dynamik sorgen.

Auch wenn das kognitive Umfeld in Entwicklungs- weniger günstiger als in Industrieländern ist, sind die Durchsetzungschancen für erneuerbare Energien dort gar nicht einmal schlechter. Denn während in vielen Industrieländern der Energieverbrauch stagniert oder nur noch leicht wächst, ist in den meisten Entwicklungsländern für die Zukunft von einem starken Wachstum auszugehen. Einerseits heißt dies, dass regenerative Technologien Kohle, Öl, Gas und Uran zu ersetzen haben und sie sich dabei gegen deren Lobbys durchsetzen müssen. Andererseits geht es um die Schaffung neuer Kapazitäten vor allem außerhalb der urbanen Zentren. Da dabei regenerative Technologien etwa im Rahmen von Elektrifizierungsprogrammen im dünn besiedelten ländlichen Raum fossilen Anwendungen in der Regel auch wirtschaftlich bereits jetzt überlegen sind, stehen sie — bei entsprechender Ausrichtung relevanter nationaler wie internationaler politischer, ökonomischer und zivilgesellschaftlicher Akteure — vor einem lang anhaltenden Wachstumsprozess.

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