Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 239/240: Keine Chance für den Frieden?

Editorial

Der Krieg gehört zu den existenziellen Erfahrung der Menschheit. Sein existenzieller Charakter zeigt sich unter anderem darin, dass sich unser Handeln innerhalb kürzester Zeit seiner Logik unterwirft und dass aus seiner Logik kaum ein Entrinnen möglich scheint, weil sich so viele Entscheidungen im Krieg als unausweichlich darstellen. Das gilt auch für den aktuellen Krieg in der Ukraine. Als am 24. Februar vergangenen Jahres die russische Armee in die Ukraine einmarschierte, sprach der deutsche Bundeskanzler drei Tage später im Bundestag von einer Zeitenwende, in deren Folge mit atemberaubender Geschwindigkeit außen-, friedens- und finanzpolitische Grundsätze außer Kraft gesetzt wurden. Damit sollte der russischen Aggression ein militärpolitisches Signal entgegengesetzt werden. Dass die Bundesregierung und der Westen auf das imperiale Agieren Russlands nicht nur mit schönen Worten, sondern mit robusten Gegenmaßnahmen reagierten, ist nachzuvollziehen: Wenn diese Entscheidung des russischen Präsidenten hingenommen würde, wären weitere „Rückeroberungen“ zu befürchten. Gleichwohl stellt sich die Frage: Gab es eine realistische Chance, diesen Krieg zu vermeiden – und wenn ja: wann und worin hätte sie bestanden? Eine abschließende Antwort auf diese Frage werden wir mit der vorliegenden Ausgabe der vorgänge nicht liefern können. Zumindest wollen wir aber Ansatzpunkte dafür suchen, wie ein Ausbruch aus der scheinbar zwingenden Kriegslogik gelingen könnte. Die Beiträge des vorliegenden Themenschwerpunkts konzentrieren sich dabei auf vier verschiedene Bereiche: die Vorgeschichte und Eskalationsgründe, die zum Krieg führten (soweit sie heute schon erkennbar sind); die innere Dynamik des Krieges und dessen unmittelbare Auswirkungen; die Möglichkeiten für eine Beendigung des Konflikts und Perspektiven einer Nachkriegsordnung sowie die deutschen (friedens-)politischen Kontroversen über den Krieg.

Wir eröffnen den Schwerpunkt mit einem Beitrag von Günter Verheugen, ehemaliger Erweiterungskommissar der Europäischen Union. Verheugen beschreibt das wechselvolle Verhältnis zwischen der Ukraine und der EU quasi als Zeitzeuge. Er stellt die zentrale Frage, wie das Verhängnis seinen Lauf nahm, wann und wodurch aus dem einstigen Partner Russland ein Gegner und schließlich ein Feind wurde. Seine Analyse der Versäumnisse, Aggressionen und Fehler der USA und ihrer Verbündeten ist lang. So sieht er auch die Einmischung des Westens in die Umbrüche der Ukraine, etwa beim Maidan 2014, rückblickend als schweren Fehler. Zugleich kritisiert er die aktuelle Politik, etwa in ihrer hastigen Abkehr von der früheren Russlandpolitik der SPD, die die einzig denkbare für eine Nachkriegsordnung sein könne.

Eine europäische Perspektive auf den Konflikt nimmt auch Hans Misselwitz ein, der als Parlamentarischer Staatssekretär des Außenministeriums und Leiter der DDR-Delegation bei den „Zwei-plus-Vier“-Verhandlungen ebenso zu den Zeitzeugen für die Phase der europäischen Neuordnung nach 1990 gehört. Er verweist auf die Idee einer europäischen Friedensordnung, die sich in der Praxis jedoch als bloße Erweiterung der NATO bei gleichzeitigem Ausschluss Russlands darstellte. Diese „Friedensordnung“ ist spätestens mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine gescheitert. Misselwitz sieht sie auch als schwere Hypothek für die Zukunft Europas, die durch eine länger anhaltende Konfrontation mit Russland belastet sein dürfte.

Wolfram Wette knüpft in seinem Beitrag zur Vorgeschichte des Ukraine-Krieges an eine Forderung Gustav Heinemanns an, der einst forderte, mehr Aufmerksamkeit auf die Frage zu richten, wie Kriege zu vermeiden wären. Der Konflikt um die Ukraine bezieht nach Wette seine Energie aus der „Glut“ des untergegangenen sowjetischen Imperiums, dessen gewaltsame Wiederherstellung Putin betreibe. Deshalb steht für Wette fest: „Putin ist der Aggressor …“, um zugleich mit Klaus von Dohnanyi zu ergänzen: „… aber die Möglichkeit, den Krieg zu verhindern, lag beim Westen.1

Die Vorstellung, dass dieser Krieg durch den Westen vermeidbar gewesen wäre – trotz des aggressiven russischen Vorgehens u.a. in Georgien, auf der Krim sowie in Teilen der Ost-Ukraine – erschüttert umso mehr, als das Grauen dieses Krieges alles bislang im Nachkriegs-Europa Vorstellbare übertrifft: mit seinen hunderttausenden Toten und Verletzten, Millionen Flüchtigen, zahllosen Kriegsverbrechen und den ungeheuren Zerstörungen und Verwüstungen von Infrastruktur und Natur.

Mit den nächsten Beiträgen wenden wir uns dem aktuellen Kriegsgeschehen, seiner Dynamik und seinen Auswirkungen zu. Bei dem russischen Einmarsch geht es vordergründig zunächst um die abtrünnigen Regionen der Ostukraine und den territorialen Bestand der Ukraine. Norman Paech geht in seinem Beitrag auf die historischen Wurzeln des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts sowie dessen Außen- und Binnenwirkung ein. Besonderes Augenmerk richtet er dabei auf Sezessionsbestrebungen, die eine radikale Form des Selbstbestimmungsrechts darstellen, aber in der Geschichte der UN lange Zeit kaum anerkannt wurden. Völkerrechtlich wären solche Bestrebungen nach Paech allenfalls bei extremer Diskriminierung nationaler Minderheiten oder innerstaatlicher Desintegration akzeptiert – wobei die Reaktionen der Staatengemeinschaft auf Unabhängigkeitsbestrebungen sehr unterschiedlich ausfallen, wie er am Beispiel des Jugoslawien-Konflikts verdeutlicht.

Die Eskalationsdynamik, die zum Krieg in der Ukraine führte, hat auch damit zu tun, dass der Westen den Konflikt ohne Zögern zu „seinem“ Konflikt gemacht hat. Deshalb reagierte er nach Kriegsausbruch nicht nur mit Sanktionen gegen Russland, sondern unterstützte mit massiven zivilen wie militärischen Leistungen den ukrainischen Widerstand. Dass der Krieg ohne diese Unterstützung der westlichen Staaten ganz anders verlaufen wäre, ist kaum zu bezweifeln. Inwiefern Deutschland und seine Verbündeten damit völkerrechtliche Regeln verletzt haben oder gar zur Konfliktpartei geworden sind, ist jedoch umstritten. Amalia Skiljan erläutert in ihrem Beitrag die völkerrechtlichen Grenzen des Neutralitätsrechts, das bei der Beantwortung dieser Fragen ausschlaggebend ist.

Einen Schritt weiter geht Ute Finckh-Kämer, die nicht nur Neutralität, sondern aktive diplomatische Bemühungen für eine Beendigung des Krieges einfordert. In ihrem Plädoyer für „Diplomatie auch in Kriegszeiten“ verweist sie auf jene Beispiele, wo diplomatische Aktivitäten erfolgreich waren, nicht zuletzt beim Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine, aber auch bei den Bemühungen um eine UN-Resolution, mit der Russland zum Rückzug aus der Ukraine aufgefordert werden sollte. Diese Resolution wurde von der UN-Generalversammlung schließlich mit einer Mehrheit von 141 Stimmen verabschiedet. Dieser diplomatische Erfolg weist bei näherer Betrachtung einen deutlichen Makel auf: 32 derjenigen Staaten, die sich der Stimme enthielten (darunter: China, Indien, Pakistan und Südafrika), repräsentieren allein 40 Prozent der Weltbevölkerung. Auch den westlichen Sanktionen gegen Russland haben sich nur 33 Länder angeschlossen. Die Versuche des Westens, den Konflikt mithilfe internationaler Partner zu „globalisieren“, lassen Verschiebungen der internationalen Machtordnung in Richtung Multipolarität sichtbar werden, die am Ende anstelle Russlands vielleicht sogar die westlichen Staaten isolierter dastehen lassen als zuvor.

Die Bedrohlichkeit des Krieges in der Ukraine rührt nicht nur aus dessen geopolitischer Bedeutung, sondern auch daher, dass mit Russland eine Nuklearmacht involviert ist, die in diesem Krieg viel zu verlieren hat. Ist es vorstellbar, dass eine Atommacht auf dem Schlachtfeld eine Niederlage erleidet und dies hinnimmt, ohne von der nuklearen Option Gebrauch zu machen? Nachdem die nukleare Bedrohung weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden war, rückt das Szenario eines Nuklearwaffeneinsatzes nicht nur aufgrund der russischen Drohungen wieder in den Bereich des Möglichen. Maren Vieluf setzt sich mit diesem Aspekt des Krieges auseinander. In ihrem Beitrag geht sie darauf ein, welche Rolle das Prinzip nuklearer Abschreckung in diesem Krieg spielt, welche völkerrechtlichen Verträge es zur Eindämmung der nuklearen Gefahren gibt und wie sich der Konflikt jetzt schon auf die ohnehin stockenden Abrüstungsbemühungen auswirkt.

Auf eine ganz andere Auswirkung des Kriegs macht Astrid Sahm aufmerksam: Sie sieht das Klima bzw. die klimapolitischen Bemühungen als Verlierer dieses Konflikts. Über die jetzt schon vor Ort sichtbaren Umweltschäden hinaus verstärke der Krieg durch seine weltweiten ökonomischen Auswirkungen und die verstärkte Nutzung von Öl, Kohle und Kernkraft in den westlichen Staaten die globalen Umwelt- und Klima­risiken. Zugleich weist Sahm darauf hin, dass klimapolitische Aspekte auch zur Vorgeschichte dieses Krieges gehören. Deshalb plädiert sie für mehr Kohärenz im Klimaschutz, damit dieser nicht als Protektionismus zum globalen Sicherheitsrisiko wird, sondern sein friedenspolitisches Potenzial entfalten könne.

Im folgenden Abschnitt wagen wir einen Ausblick auf das Ende des Krieges. Während sich das öffentliche politische Handeln vor allem auf die organisatorische Bewältigung der „Zeitenwende“, etwa die militärische Unterstützung der Ukraine und die Aufrüstung der Bundeswehr, konzentriert, wird die Frage, wann und wie ein Ausweg aus dem Kriegsgeschehen gefunden werden kann, viel seltener und weitaus weniger ergebnisoffen diskutiert. Nach anderthalb Jahren Krieg wird aber deutlich, dass der Glaube an ein militärisches Ende – egal ob als Kapitulation oder Rückeroberung der Ostukraine – in weiter Ferne ist. Die für beide Seiten immer wieder kolportierten Kriegsziele einer Eroberung bzw. Rückeroberung bestimmter Gebiete werden sich militärisch dauerhaft kaum erreichen lassen. Doch wie könnte ein Kompromiss – etwa für die Krim – und eine tragfähige, europäische Nachkriegsordnung aussehen? Die drei Beiträge vertreten dazu unterschiedliche Positionen – sie eint jedoch die Überzeugung, dass dies perspektivisch nicht ohne die gleichberechtigte Einbindung Russland in ein solches Friedensmodell funktionieren wird.

Paul Schäfer sieht den Schlüssel zum Frieden darin, dass Putin „nicht durchkommen darf“. Für die Ukraine dürfe es weder einen Diktat- noch einen Unterwerfungsfrieden geben. Der Frieden müsse gerecht sein. Eine vollständige Niederlage einer der beiden Kriegsparteien biete nur wenig Perspektiven für eine stabile Nachkriegsordnung. Das heiße aber auch: Mit dem törichten Gerede vom totalen Sieg über Russland müsse Schluss sein.

Entgegen der aktuellen Handlungslogik, die scheinbar nur das „Weiterkämpfen“ kennt, verweist Erhard Crome in seinem Beitrag nachdrücklich darauf, dass es „eine Nachkriegsordnung geben müsse“. Um zu verstehen, wie diese zustande kommen könnte, schaut Crome zurück auf das 20. Jahrhundert, in dem die Welt dreimal „neu geordnet“ wurde: mit den Versailler Friedensverträgen und der Errichtung des Völkerbundes 1920; mit dem Potsdamer Abkommen und den Vereinten Nationen 1945; sowie nach dem Ende des Kalten Krieges mit der „Charta von Paris“ 1990 und der Schaffung der OSZE. Den Ukraine-Krieg sieht er als bisher folgenreichsten Kampf um die Weltordnung des 21. Jahrhunderts. Seine Prognose, wie dieser Krieg zu beenden wäre, ist keine einfache: Nur wenn es Europa gelinge, eigene frie­denspolitische Initiativen zu entwickeln (die sich von den globalen Interes­sen der USA frei machen), könnten Frieden und Sicherheit in Europa wiederherge­stellt werden – unter Berücksichtigung der russischen Sicherheits­interessen.

Auch Daniela Dahn blickt für die Frage, wie der Einstieg in die Friedensordnung funktionieren kann, in die Vergangenheit zurück. Sie weist auf eine fundamentale Einsicht Egon Bahrs hin, des seinerzeitigen Architekten der Aussöhnungspolitik mit den östlichen Nachbarn: Demnach seien alle erkennbaren Probleme, denen sich die Welt gegenüber sieht, nicht militärisch lösbar. Die europäische Emanzipation von Amerika hielt Bahr für ein zentrales Anliegen, denn die Nato sei Instrument im Interesse der hegemonialen Strategie der USA geworden.

Ein weiterer Beitrag von Jörg Arnold zu den notwendigen Umstellungen, die nötig sind, um von der Logik des Krieges zu einer Logik des Friedens zu gelangen, war bereits in der letzten Ausgabe der vorgänge erschienen.2 Arnolds Lektüre von Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ ergänzt die hier versammelten Gedanken in hervorragender Weise, weshalb wir an dieser Stelle an den Aufsatz erinnern möchten.

Im letzten Abschnitt gehen wir auf verschiedene Debatten ein, die den Ukraine-Krieg in der deutschen Öffentlichkeit begleiten: Den Auftakt bildet ein Essay des Schriftstellers Eugen Ruge, der unter anderem durch seinen Roman „Metropol“ bekannt wurde, eine literarische Aufarbeitung des stalinistischen Terrors. Ruge zeigt sich bestürzt über die allseits zu beobachtenden antirussischen Ressentiments, die sich unter anderem im grenzenlosen Boykott alles „Russischen“ äußerten – von der Wissenschaft über die Literatur bis zu Speisekarten.

Neben der Russland-Politik sind seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine auch der Pazifismus und die (in der heutigen Logik zu zahme und vertrauensselige) Entspannungspolitik der vergangenen Jahre medial unter Druck geraten. Mit diesen Vorwürfen setzt sich der Beitrag von Corinna Hauswedell auseinander. Sie befürchtet, dass unter Berufung auf die „Zeitenwende“ wichtige Lehren aus der Konfliktgeschichte ignoriert und die Weichen insgesamt wieder mehr in Richtung militärisches Handeln gestellt werden.

Ulrich Frey schließlich zeichnet in seinem Beitrag die friedensethischen Kontroversen nach, welche die evangelischen Kirchen nicht erst seit dem Ausbruch des Krieges beschäftigen – aber dadurch eine andere Aktualität gewonnen haben. Die Diskussion bewege sich im Spannungsfeld zwischen der messianischen Ethik der Gewaltlosigkeit einerseits und einer politischen Ethik des staatlichen Gewaltmonopols andererseits. Friedenslogisches Denken ist für ihn eine säkulare Anwendung der biblischen Bergpredigt.

Die öffentliche Diskussion über den Krieg in der Ukraine hat in Deutschland tiefe Gräben aufgerissen, in denen beispielsweise die Befürworter*innen von Waffenlieferungen an die Ukraine jenen gegenüber stehen, die durch einen Stopp der Waffenlieferungen, durch einen Waffenstillstand und die sofortige Aufnahme von Verhandlungen ein Ende von Tod und Zerstörung erreichen wollen. Exemplarisch für diese Kontroverse steht die geradezu hasserfüllte Kritik an dem von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht veröffentlichten Aufruf und der anschließenden Demonstration am Brandenburger Tor. Zum Abschluss des Schwerpunkts dokumentieren wir diesen und weitere Aufrufe aus den Reihen der Zivilgesellschaft, die exemplarisch für die unterschiedlichen Positionen in dieser Debatte stehen.

Niemand weiß, wie dieser Krieg in der Ukraine sich weiter entwickelt und wann er zu einem Ende kommen wird.3 Eines ist aber jetzt schon sicher: Auch wenn die Waffen (hoffentlich bald) ruhen, werden uns dieser Krieg und die durch ihn vertieften bzw. neu entstandenen Konflikte in Europa noch lange beschäftigen. Wir hoffen, dass Sie in den Beiträgen dieses Schwerpunkts einige Ideen und Anregungen auch für „die Zeit danach“ finden.

Jenseits des Themenschwerpunkts beziehen Johann-Albrecht Haupt und Kirsten Wiese Stellung zu der Frage, ob für öffentlich Bedienstete das Tragen von Kopftüchern (bzw. anderen religiös konnotierten Kleidungsstücken) erlaubt werden sollte. Anlass dieser Pro & Contra-Diskussion ist eine jüngst ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das eine Beschwerde gegen die eingeschränkte Anwendung des Berliner Neutralitätsgesetzes nicht zur Entscheidung angenommen hat.

Ekkehard Strauß kommentiert die aktuellen Debatten und Vorschläge zur Kriminalisierung bzw. Strafverschärfung gegen sogenannte Klimaaktivist*innen. Dabei richtet er sein Augenmerk auf den völkerrechtlichen Status der Klimaverpflichtungen, die der deutsche Staat bisher eingegangen ist, und arbeitet dann heraus, welche Folgen und menschenrechtlichen Anforderungen sich daraus für den staatlichen Umgang mit Protesten ergeben, die auf die Einhaltung genau dieser Verpflichtungen zielen.

Rosemarie Will wertet die kürzlich im Bundestag gescheiterte Gesetzgebung zur Regulierung der Suizidhilfe aus. Dabei standen am Ende zwei konkurrierende Entwürfe zur Abstimmung, die aber beide die erforderliche Mehrheit verfehlten. Vor dem Hintergrund des 2020 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Verbots der Suizidhilfe nach § 217 StGB bewertet sie den einen Entwurf als Versuch einer erneuten Kriminalisierung, während der andere Vorschlag sich um einen grundrechtlichen Schutz der Sterbewilligen, Ärzte und Helfer bemüht. Ihr Beitrag fasst zusammen, welche Lehren aus diesem gescheiterten Verfahren für einen neuen Anlauf zu ziehen sind.

Wir wünschen Ihnen im Namen der gesamten Redaktion eine anregende Lektüre mit der vorliegenden Ausgabe der vorgänge.

Werner Koep-Kerstin und Sven Lüders

Persönliche Notiz

Mit der vorliegenden Ausgabe beende ich nach 10 Jahren und 32 Heften meine Redaktionsarbeit für die vorgänge. Ich danke den Redaktionsmitgliedern wie den Autor*innen für die Zusammenarbeit, die mir trotz mancher Kontroversen und Unzulänglichkeiten viel Freude bereitet hat. Ich nehme daraus viele Erfahrungen und Erinnerungen mit. Die Zeitschrift wird künftig vom neuen Geschäftsführer der Humanistischen Union, Philip Dingeldey, gemeinsam mit der Redaktion gestaltet.

Sven Lüders

Anmerkungen:

1 Klaus von Dohnanyi im Polit-Talk bei Maybritt Illner, ZDF vom 10. März 2022.

2 Jörg Arnold (2023): Gedanken zur Aktualität von Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“, vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik Nr. 237/238 [61(1-2)], S. 203-229.

3  Die Manuskripte für dieses Heft beruhen größtenteils auf dem Informationsstand vom April 2023. Zu möglichen Szenarien für eine Beendigung des Krieges s. Andreas Heinemann-Grüder, Wichtige Fragen vor einem Frieden in der Ukraine, Deutschlandfunk Hörsaal v. 2.6.2023, abrufbar unter
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/konfliktforschung-fragen-vor-einem-frieden-in-der-ukraine.

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