Klimarecht: Stand, Kritik und Perspektiven
Grundbegriffe: Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Klimarecht
Denkt man grundlegend über das Klimaschutzrecht oder auch Klimarecht nach, wirft das die Frage auf, was Recht ist – und speziell, was es im Verhältnis zur Politik ist. Recht ist ein soziales Ordnungssystem, das im Vergleich zu Konzepten moralisch-ethischer Art konkreter und überdies mit Sanktionen seitens der öffentlichen Gewalt bewehrt ist. Recht ist dabei Instrument und zugleich Grenze der Politik – es macht politische Maßnahmen erst verbindlich, und zugleich setzt es den jeweils adressierten politischen Handelnden Grenzen. Das Klimarecht stellt auf globaler, EU-, Staaten- und Regionalebene Regeln zur Bewältigung des Problems Klimawandel bereit. Das Klimarecht leistet dabei einen Ausgleich von ökologischen Zielen und den dabei einzuhaltenden Grenzen und Interessenausgleiche mit anderen Belangen – beispielsweise der Unternehmen und der Konsumierenden auf.
Das Klimarecht weist dabei eine große Vielgestaltigkeit auf. Jedoch verweist es, ähnlich wie andere Umweltprobleme wie etwa der Biodiversitätsverlust, die gestörten Nährstoffkreisläufe oder die Schadstoffkrise, letztlich auf zwei zentrale Problemtreiber: zum einen die Nutzung der fossilen Energien bei Strom, Wärme, Mobilität, Landwirtschaft, Zement und Kunststoffen, zum anderen die Nutztierhaltung. Dies sind sowohl die wesentlichen Quellen diverser Schadstoffemissionen in Industrie, Verkehr, Strom- und Wärmeerzeugung als auch der allergrößte Teil der Treibhausgasemissionen. Ferner hängt auch die Naturzerstörung und damit der Biodiversitätsverlust – vermittelt durch Zersiedlung, immer weiteren Infrastrukturausbau und intensive Landwirtschaft – zentral an diesen zwei Faktoren. Da für die Erzeugung tierischer Nahrungsmittel vorher das Sieben-, Zehn- oder Fünfzehnfache an pflanzlicher Nahrung verfüttert werden muss, geht die Umwelt- und auch die Klimabelastung der Landwirtschaft weitgehend von der Intensivtierhaltung aus (die Weidehaltung weist dabei allerdings die deutlich günstigere Bilanz auf). Das bedeutet freilich nicht, dass das Klimarecht zwangsläufig bei den Problemtreibern ansetzt; häufig finden sich stattdessen Versuche, allein die Folgen wie etwa Schadstoffbelastungen zu regulieren.
Das Klimarecht ist in allen Staaten nur punktuell Zivilrecht, also nur punktuell auf wechselseitige Ansprüche der Menschen ohne Beteiligung einer Verwaltungsbehörde hin angelegt. Der allergrößte Teil des Klimarechts ist öffentliches Recht und besteht somit aus Instrumenten, die auf einer gesetzlichen Grundlage ein Tätigwerden einer Behörde vorsehen. Ein häufiges Beispiel ist, dass bestimmte klimarelevante Handlungen nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgenommen werden können und eine Behörde dafür dann eine Genehmigung bei Vorliegen jener Voraussetzungen aussprechen muss. Das öffentliche Klimarecht hat dabei keine klare Grenze; häufig wird auch von Energierecht, Agrarrecht, Forstrecht und Verkehrsrecht gesprochen, um wesentliche Teile davon zu benennen.
Klimarecht wird auch als Teil eines Nachhaltigkeitsrechts verstanden. Letztlich haben all diese definitorischen Zuordnungen keine rechtliche Bedeutung. Doch zutreffend ist, dass letztlich die Gesamtheit der benannten Rechtsgebiete dem übergreifenden Ziel der Nachhaltigkeit dient. Nachhaltigkeit meint das übergreifende Politikziel, so zu leben und zu wirtschaften, dass dies dauerhaft und global gut geht. Im Kontrast dazu verstehen viele unter Nachhaltigkeit einfach ein diffuses Gebot, ökologische, ökonomische und soziale Belange irgendwie in Einklang zu bringen. Doch erstens wäre dies eine triviale Aussage, dass Politik verschiedener Belange in einen Ausgleich bringen muss – dafür hätte nicht in den vergangenen 30 Jahren der Begriff Nachhaltigkeit neu geschöpft werden müssen. Zweitens erscheint dann letztlich jeglicher Zustand als irgendwie nachhaltig. Drittens geht die eigentliche Fragestellung, wie dauerhaft und global durchhaltbare Lebens- und Wirtschaftsweisen erreicht werden können, dann weitgehend verloren. Wie gesagt sind all dies rein definitorische Anmerkungen. Versuche, eine Art Rechtsprinzip Nachhaltigkeit herzuleiten, müssen schon deshalb scheitern, weil das Konzept dafür zu allgemein gehalten ist.
Klimaziele, Menschenrechte, Freiheit und Klimarecht
Klimarecht auf nationaler und transnationaler Ebene bietet sowohl allgemeine Ziele als auch konkrete Mittel (Instrumente) wie etwa Ordnungsrecht oder Emissionshandel zur Verwirklichung der Ziele. Die Ziele bieten einen Maßstab, ob die Instrumente effektiv sind. Übergreifende Ziele lassen sich zum einen dem Umweltvölkerrecht entnehmen, allerdings nicht für alle Bereiche. Zum anderen kann dem Verfassungsrecht auf nationaler, EU- und internationaler Ebene ein Zielmaßstab entnommen werden.
Es ist dabei die Intention des Klimarechts, menschliche Lebensgrundlagen zu schützen. Inwieweit generell das Umweltrecht auch Pflanzen, Tiere, Flüsse, Berge oder die Natur als Ganzes auch um ihrer selbst willen geschützt werden sollen, ist immer wieder umstritten, auch wenn sich dies bislang jenseits von Einzelfällen nie durchsetzen konnte. Je nach genauer Schutzrichtung firmieren derartige Ansätze in der Umweltethik als pathozentrisch, ökozentrisch, biozentrisch oder gar holistisch (letzteres schließt dann auch unbelebte Entitäten bis hin zu Steinen ein). Verglichen mit einem angemessen weit verstandenen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Freiheitsvoraussetzung (dazu sogleich) würden solche Ansätze jedoch praktisch wenig ändern. Zudem führen sie zu kaum lösbaren Anwendungsproblemen, weil „die Natur” höchst heterogen, über die Zeit veränderlich und wettbewerblich geprägt ist, so dass sich ihre Belange ohne Bezug zu einem Orientierungspunkt wie dem Menschen nur schwer gewichten lassen. Für derartige Ansätze wäre beispielsweise kaum beantwortbar, ob nun die Natur auf dem heutigen Stand, dem vor 20 Jahren, dem vor 100 Jahren, dem vor 1000 Jahren oder auf dem Stand nach der letzten Eiszeit das anzustrebende Ideal darstellt.
Im Umweltvölkerrecht stechen besonders zwei Ziele ins Auge: jenes zum Klima und jenes zur Biodiversität. In Artikel 2 des Pariser Klima-Abkommens von 2015 werden die Staaten verpflichtet, die globale Erwärmung auf weit unter zwei Grad Celsius, und zwar möglichst auf 1,5 Grad, zu begrenzen. Dieses Ziel ist – weithin übersehen – für die Staaten dieser Welt rechtsverbindlich, wie sich mittelbar aus Artikel 3 und 4 des Paris-Abkommens ergibt, auch wenn die Staaten ihre konkreten Emissionsreduktionspfade selbst bestimmen können. Will man dieses Ziel mit 83 Prozent Wahrscheinlichkeit einhalten, bliebe der Welt nach Berechnungen des IPCC ab dem 1. Januar 2020 ein globales Restbudget von 300 Gigatonne CO2-Äquivalent (GtCO2). Teilt man dieses Budget pro Kopf auf die Weltbevölkerung auf, hätten die meisten Industriestaaten ihr Budget zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Heftes bereits überschritten. Dabei gibt es sogar naturwissenschaftliche und rechtliche Argumente dafür, dass das IPCC-Budget nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt und eher noch geringer ausfallen müsste. So verwendet der IPCC ein Basisjahr der Berechnungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, obwohl das Paris-Abkommen eher eine Berechnung ab 1750 nahelegt. Selbst wenn man sich einen Kauf von Emissionsrechten seitens der Industriestaaten bei Ländern des Globalen Südens vorstellt, muss die Klima-Transformation damit weit schneller bei null fossilen Brennstoffen, einer stark reduzierten Tierhaltung und – zur Kompensation verbleibender Restemissionen – einem gestärkten Moor- und Forstmanagement anlangen, als dies die übliche Rede von „2050“ suggeriert. Davon sind die politisch-rechtlichen Maßnahmen bislang – soweit erkennbar – in allen Staaten der Welt mehr oder minder weit entfernt.
In ähnlicher Weise lässt sich Artikel 1 der Biodiversitätskonvention ein rechtsverbindliches Ziel entnehmen: nämlich den Biodiversitätsverlust zu stoppen. Diese Verpflichtung besteht spätestens seit Inkrafttreten der Konvention im Jahr 1993. Und auch insoweit ist zu konstatieren, dass das Artensterben ungebremst anhält, so dass mehr oder minder alle Staaten weltweit dieser Verpflichtung nicht gerecht werden dürften.
Ferner lassen sich übergreifende Klimaziele auf der konstitutionellen Ebene von Rechtssystemen finden. Dabei geht es juristisch um eine Neuinterpretation vor allem der Begriffe Freiheit und jeder in den nationalen und internationalen Menschenrechtskatalogen. Die Prinzipien der Menschenwürde und der Unparteilichkeit – als Fundament liberaler Demokratien – fungieren dabei als Basis. Insoweit kann man letztlich den Grundsatzdiskurs in modernen Gesellschaften über Klimaschutz in geschärfter Form aufrollen. Freiheit und Klimaschutz, speziell Klimaschutz, sind Feinde: In dieser verblüffend zugespitzten Sicht sind sich einige ambitionierte Klimaschützende und -bremsende verblüffend einig. Klimaschutz gelingt vorgeblich nur mit Verboten, etwa von Gasheizungen, und das sei wenig freiheitlich und führe uns zurück in den autoritären Staat, meinen die Einen. Die Anderen meinen, dass das heutige Verständnis individueller Freiheit als schrankenlose, ressourcenintensive Selbstentfaltung die Umwelt ruiniere – durch Fernreisen, tägliche Autofahrten oder immer größere Wohnungen. Daher solle die Gemeinschaft Vorrang vor der Freiheit haben.i
Dabei wird die Komplexität des Problems übersehen: Sowohl eine Art Ökodiktatur, die den globalen Trend zu Autokratien weiter verschärfen würde, als auch schrankenlose Selbstverwirklichung können die Freiheit ruinieren. Das war ein zentraler Aspekt etwa der erfolgreichsten Klimaklage weltweit vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht, die der Autor dieses Beitrags 20 Jahre wissenschaftlich vorbereitet und seit 2018 anwaltlich vertreten hatii. Umgekehrt heißt das freilich auch – und dieser Kernpunkt wird meist nicht klar benannt: Freiheit könnte das zentrale und in einer selbstbestimmungsorientierten Welt auch besonders einleuchtende Argument für eine ambitionierte Klimapolitik sein, die die physischen Grundlagen der Freiheit erhält – und die die nötigen Maßnahmen nicht so lange verschläft, bis irgendwann die Umweltsituation so verzweifelt ist, dass vermeintlich nur noch diktatorische Lösungen denkbar sind.
Warum ist Freiheitsschutz Klimaschutz? Das war auch vor dem Bundesverfassungsgericht die Kernfrage, und sie ist aktuell abermals relevant in einer Reihe von Klimaklagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen über 30 europäische Staaten, die im April 2024 teilweise erfolgreich waren. Der Kern der Antwort lautet: Die menschenrechtliche Freiheit garantiert nicht nur die Selbstentfaltung als Ausdruck unserer Autonomie, sondern auch die elementaren Freiheitsvoraussetzungen. Denn ohne Leben, Gesundheit und Existenzminimum liefe die Freiheit leer. Genau diese Freiheitsvoraussetzungen sind durch den Klimawandel massiv bedroht, und zwar besonders zu Lasten künftiger Generationen und ihrer Freiheit. Weil auch Unternehmen und Verbrauchende sich für den bisherigen Lebensstil auf ihre Freiheit berufen können, gibt es beim Klimawandel eigentlich keinen Konflikt Freiheit contra Klimaschutz: Der Konflikt lautet eigentlich Freiheit contra Freiheit.
Die Kritik der schrankenlosen Selbstverwirklichung mag jetzt einzuwenden, das stimme nicht. Waldspaziergänge und Zeit mit der Familie seien wahre Freiheit, der Wunsch nach immer mehr Konsum, SUVs und immer weiteren Urlaubsflügen sei dagegen falsche Freiheit und würden einen nur unglücklich machen. Also gäbe es gar keinen Freiheitskonflikt. Doch das stimmt nicht. In liberalen Demokratien werden seit der Aufklärung aus guten Gründen nur Gesetze zu Gerechtigkeitsfragen gemacht, also zum äußeren Verhalten verschiedener Menschen, wo die Autonomie des Einen und der Anderen in Konflikt gerät. Nicht staatlich normiert werden dagegen Fragen des guten, glücklichen Lebens. Denn objektive (juristische oder ethische) Maßstäbe für vermeintlich richtiges und falsches Glück gibt es nicht. Im Prinzip darf deshalb niemandem gesetzlich verboten werden, den Ferrari, Fernreisen und sonstige Formen ressourcenintensiver Selbstentfaltung für sich als Glück zu begreifen.
Sehr wohl zulässig und in keiner Weise diktatorisch ist jedoch, das äußere Verhalten von Menschen zu regulieren, wenn es anderen Menschen schadet, also ihre Freiheiten und Freiheitsvoraussetzungen beeinträchtigt. Dieses Abwägen Freiheit contra Freiheit ist das, wofür Staaten und auch die EU mit ihren Parlamenten und Regierungen da sind. Und liberale Demokratien beruhen auf einer zwingenden Verknüpfung von Freiheit und Folgenverantwortung: Wer in einer bestimmten Weise lebt und wirtschaftet, muss für die Folgen und Schäden, die so entstehen, geradestehen. Man kann nicht darauf bestehen, nach Belieben weiter kostenlos andere – auch die Nachkommen und Menschen im globalen Süden, die selbst oft geringe Emissionen pro Kopf haben – durch den eigenen Lebensstil schädigen zu dürfen, zum Beispiel durch fortgesetzten Verbrauch fossiler Brennstoffe für Urlaube und Alltagsmobilität. Uns alle durch Maßnahmen, die die fossilen Brennstoffe verteuern, an unserer Folgenverantwortung festzuhalten, ist also gerade freiheitlich und nicht etwa diktatorisch.
Missachten Parlamente und Regierungen bestimmte Grenzen ihrer politischen Spielräume, die sich aus den verschiedenen Freiheiten ableiten lassen, kann man sie vor dem Verfassungsgericht verklagen: wegen zu viel oder auch zu wenig Klimaschutz. 2021 wurde beispielsweise vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht die Feststellung erreicht, dass nicht stark einseitig die Freiheit künftiger Generationen zurückgesetzt werden darf durch einen verschlafenen Klimaschutz – der dann irgendwann nur noch überstürzt und letztlich autoritär zu korrigieren ist. Deshalb hat der Deutsche Bundestag das Ambitionsniveau der deutschen Klimapolitik deutlich angehoben.
Ein ambitionierteres Klimarecht begreift sich im Lichte all dessen nicht als ein Kontrapunkt zu einem wie auch immer verstandenen Individualismus, sondern stärkt einen Individualismus, der daran denkt, dass alle anderen – auch generationenübergreifend und global – auch ein Recht auf Freiheit haben. Klimaschutzrecht ist damit Freiheitsschutz, so wie auch niemand das ebenfalls der Konfliktlösung zwischen freien Menschen dienende Straf- oder Baurecht als vermeintliche Verbotspolitik für unnötig erklären würde. Regeln sind allerdings, weil es letztlich um Freiheitsschutz geht, nur zulässig, wenn sich Probleme nicht auch durch freiwilliges Handeln der Menschen lösen. Dass reine Freiwilligkeit beim Klimaschutz nicht ausreicht, sieht man indes seit Jahrzehnten. Verwunderlich ist das nicht, wenn man (dazu im übernächsten Abschnitt) berücksichtigt, vor welchen Hindernissen die Transformation zur Nachhaltigkeit geprägt ist.
Regeln, auch wenn sie unser aller Freiheitsvoraussetzungen schützen sollen, müssen aber so freiheitlich wie möglich sein, also uns allen so viel Handlungsspielraum wie möglich belassen. Deshalb ist eine Steuerung etwa der fossilen Brennstoffe über Gesamtmengen wie beim Emissionshandel, der bei allen als Preisdruck ankommt, freiheitlicher, als allein auf Verbote für Gebäude, Verkehr, Strom und weitere Sektoren zu setzen. Dass die ökologische Effektivität der Instrumente (und ihre ökonomische Kosteneffizienz) in eine ähnliche Richtung weisen könnte, wird am Ende des Beitrags aufgegriffen.
Strategien: Technikwandel oder Verhaltenswandel durch Klimarecht – und führt Klimarecht in die Postwachstumsgesellschaft?
Klimarechtliche Instrumente zielen – orientiert an den Zielen – auf Technikwandel und/oder Verhaltenswandel ab. Die EU ist beim Klimaschutz – wie letztlich alle Industriestaaten – von zeitnahen Nullemissionen weit entfernt. Und auch die vermeintlich positive relative Entwicklungsrichtung in vielen Staaten seit 1990 beruht auf Verzerrungen. So sind die eingesparten ökologischen Belastungen in Wirklichkeit größtenteils bloße Emissions- und Produktionsverlagerungen in die Schwellenländer. Saldiert man europäische Im- und Exporte, zeigt sich zum Beispiel, dass die heutigen Klimaemissionen nicht sehr verschieden von jenen von 1990 sind. Technikwandel zielt insoweit darauf ab, die fossilen Energien etwa durch erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff und Power-to-X-Technologien, mehr Energieeffizienz, Stromspeicher und weitere Innovationen zu ersetzen. Verhaltenswandel zielt anders als Technikwandel nicht auf smarteres Produzieren und Konsumieren, sondern auf weniger Konsumieren und Produzieren. Technik- und Verhaltenswandel können freiwillig stattfinden, sie können aber auch durch klimarechtliche Steuerungsinstrumente herbeigeführt werden.
Größtenteils zielt das Klimarecht praktisch weltweit bislang auf Technikwandel ab. Beispielsweise der Emissionshandel kann bei ambitionierten Mengenzielen aber auch Verhaltenswandel auslösen (dazu unten). Gehandelt werden muss jedenfalls sofort, wie die am Zielmaßstab des Klima- und Biodiversitätsschutzes ausgerichtete Betrachtung gezeigt hat. Ein bloßer Wechsel der Importquellen für fossile Gas-, Kohle-, Öl- oder auch (mittelbar fossile) Dünger- und Tierfutterimporte kann dabei aus Umweltsicht sogar kontraproduktiv sein, weil beispielsweise Flüssiggas gegenüber konventionellem Gas ökologisch noch ineffizienter ist. Nebenbei bemerkt sind auch am friedens- und freiheitssichernden Charakter eines Importquellenwechsels deutliche Zweifel angebracht, denn erstens sind alternative Rohstoffquellen etwa zu Russland häufig selbst Diktaturen, und eine anhaltend hohe fossile Brennstoffnachfrage hält außerdem die fossilen Brennstoffpreise am Weltmarkt hoch, lässt autoritäre Rohstoffexportstaaten also weiter verdienen.
Vor dem Hintergrund der bisher eher unzureichenden ökologischen Bilanz reichen rein technische Lösungen allein voraussichtlich noch nicht für eine gelingende Energie- und Klimawende aus. Um den vielfältigen Problemen, die mit der aktuellen Energieversorgung verknüpft sind, zu begegnen, bedarf es vielleicht auch der Suffizienz. Zwar erscheint es zunächst attraktiv, Umweltprobleme wie den Klimawandel rein technisch lösen zu wollen. Dennoch sprechen verschiedene Aspekte eher dagegen, dass die Transformation ohne Suffizienz gelingen kann. Dies gilt schon beim Klimawandel, erst recht aber bei Einbeziehung anderer Umweltprobleme.
Der wesentliche Grund dafür ist das Problemausmaß, etwa beim Klimawandel. Gemessen an bisher bekannten Innovationsgeschwindigkeiten erscheint praktisch ausgeschlossen, allein mit erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und weiteren Ansätzen wie vermehrte Stromspeicherung oder Power-to-X innerhalb weniger Jahre – man denke an obiges Budget – zu Nullemissionen zu gelangen. Unklar ist auch, ob die Potenziale der erneuerbaren Energien von den Befürwortenden wirklich immer realistisch imaginiert werden. Wohlgemerkt geht es beim Problemausmaß um eine globale Betrachtung, also darum, inwieweit die Konsumwünsche einer auf Wirtschaftswachstum und steigenden Wohlstand eingestellten Weltgesellschaft rein technisch befriedigt werden können.
Wesentlich ist zudem die nach heutigem Stand fehlende technische Lösbarkeit bestimmter Probleme, etwa im Bereich Ernährung. Die Masse der dort erzeugten Emissionen geht auf das Konto tierischer Nahrungsmittel, da wie gesehen die Umwandlung pflanzlicher in tierische Kalorien extrem ineffizient ist und daher rund vier Fünftel – oder mehr – der Weltagrarfläche für die tierische Nahrungsmittelproduktion eingesetzt wird und ergo die Hauptquelle dortiger Treibhausgasemissionen, Biodiversitätsverluste usw. ist. Dem kann man begegnen, indem der Konsum tierischer Nahrungsmittel reduziert wird. Das wäre jedoch keine technische Maßnahme, sondern eine Verhaltensänderung. Auch Erneuerbare-Energie- und Effizienzoptionen stehen nicht unendlich zur Verfügung. Erst recht ist es bei Umweltproblemen jenseits des Klimawandels (die mit ihm jedoch oft die Getriebenheit durch fossile Brennstoffe und Tierhaltung teilen und sich mit ihm auch gegenseitig verstärken) oft schlechter bestellt. Zentrale Beispiele hierfür sind die geschädigten Ökosysteme mit dem Biodiversitätsschwund, die gestörten Stickstoffkreisläufe und die Bodendegradation. Lösungen bedeuten hier zentral, dass der Mensch sich stärker aus der Fläche zurückzieht und die agrarische Produktion drosselt. Auch wird kaum die stoffliche Basis etwa der Kunststoffe vollständig auf nachwachsende (zudem mit der Nahrungsmittelerzeugung konkurrierende und an weiteren Problemen leidende) oder quasi unerschöpfliche Ressourcen umgestellt werden können.
Die Notwendigkeit von Suffizienz setzt die Nachhaltigkeit in ein Spannungsverhältnis zum heute alles beherrschenden Wachstumsgedanken, denn neue Technologien sind (möglicherweise) wachstumsverträglich, während eine Reduzierung der Nachfrage nach Dienstleistungen und Produkten eine große Herausforderung darstellt. Die Hoffnung, dass eine bloße „Entkopplung“ von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch ausreicht, impliziert – angesichts der unzureichenden Reichweite denkbarer technischer Maßnahmen – die Inkaufnahme weitreichender Bedrohungen der Menschheit. Ein „qualitatives Wachstum“ scheinbar immaterieller Natur ist nicht geeignet, diese Probleme zu lösen. Nach aller Erfahrung ist ein solches vermeintlich nichtmaterielles Wachstum teilweise selbst materiell geprägt. Darüber hinaus erscheint die Vorstellung einer ständigen (und damit exponentiellen) Verbesserung von Musikkenntnissen, Naturgenuss, Gesundheit, Kunstgenuss und so weiter äußerst schwierig. In jedem Fall wirft der schrittweise Übergang zu einer Postwachstumsgesellschaft – nicht gewollt, sondern induziert durch einen wirksamen Umweltschutz – eine Reihe von Fragen für das Rentensystem, den Staatshaushalt, die Unternehmen, das Bankensystem und insbesondere für den Arbeitsmarkt auf. Die Konzepte hierfür stecken noch in den Kinderschuhen, noch mehr aber die Konzepte für den Prozess des Übergangs in eine Postwachstumsgesellschaft. Ob eine solche Wirtschaftsform noch als „kapitalistisch“ bezeichnet werden kann, ist fraglich, das ist letztlich aber eine mehr definitorische Frage. Notabene: Selbst wenn Suffizienz im Klimarecht wirklich notwendig ist, ist ein konsequenter Wandel in Richtung Nachhaltigkeit vermutlich immer noch wirtschaftlicher als eine Business-as-usual-Strategie, die letztlich zu katastrophalen Verwerfungen führen würde.
Kann Klimarecht steuern? Bedingungen von Wandel und Steuerungsprobleme
Will man konkrete klimarechtliche Steuerungsinstrumente (nicht nur für die Postwachstumsfolgen) von Suffizienz betrachten, muss ferner die verhaltenswissenschaftliche respektive gesellschaftstheoretische Frage nach den Transformationsbedingungen erörtert werden. Denn nur wer die Verhaltensmotive der Normadressierten in Gesellschaft und Unternehmen, aber auch der Handelnden in der Politik kennt, kann ein effektives Steuerungsinstrumentarium und den vorhandenen Steuerungsbedarf benennen. Auf einer pluralistischen Methodenbasis wurde andernorts in Zusammenführung diverser Disziplinen und Schulen dokumentiert, dass die mangelnde Geschwindigkeit der Transformation respektive des Technikwandels und Verhaltenswandels bei diversen Handelnden vielfältige Ursachen hat. Reines Faktenwissen erwies sich dabei als für menschliches Verhalten nur sehr bedingt ursächlich. Als vor allem wichtig erwies sich, die wechselseitige, teufelskreisartige Abhängigkeit der Handelnden in Politik, Zivilgesellschaft, Unternehmen und Konsumgesellschaft zu begreifen. Die Transformation zur Nachhaltigkeit strauchelt bislang oft an der menschlichen Motivationslage der Handelnden in Gesellschaft, Politik und Unternehmen.
Faktenwissen und Werthaltungen spielen für menschliche Motivation nur eine begrenzte Rolle. Bei allen Handelnden wirken sich Eigennutzenkalküle, emotionale Aspekte (wie Bequemlichkeit, Gewohnheit, Verdrängung, die Neigung zu Ausreden, Sich-nicht-Vorstellen-Können komplexer Zusammenhänge, Auseinanderfallen von Einstellung und Verhalten), Normalitätsvorstellungen, Kollektivgutprobleme und Pfadabhängigkeiten oftmals stärker. Deshalb wird sich Nachhaltigkeit nicht von selbst ergeben, ohne dass entsprechende klimarechtliche Steuerungsinstrumente geschaffen werden – wobei die geschilderte Motivationslage zugleich erklärt, warum sich allerorten in Gesellschaft und Politik der Elan zur Schaffung wirksamer Steuerungsinstrumente eher in Grenzen hält.
Wesentlich für ein wirksames politisch-rechtliches Steuerungsinstrumentarium wird damit angesichts wechselseitiger Abhängigkeiten sein, dass verschiedene Handelnde sich gleichzeitig bewegen – und die Faktoren adressiert werden, die bewegt werden können, etwa Eigennutzenkalküle oder Pfadabhängigkeiten, die über neue klimarechtliche Rahmensetzung wie eine fossile Brennstoffbepreisung beeinflussbar sind. Eine Bepreisung könnte auch das Verschieben von Normalitätsvorstellungen erleichtern. Rein durch klimarechtliche Instrumente ist ein Wandel wegen der Interdependenzen der Handelnden indes kaum zu schaffen; insbesondere muss auch jemand da sein, der die neue Politik einfordert, und es müssen Menschen beginnen, bereits anders zu leben und zu wirtschaften, weil ansonsten auch die Politik bei eher symbolischen Aktivitäten verweilen wird. Jedenfalls geht es dabei aber nicht allein um Diskurse, sondern um das Einüben neuer, stärker suffizienter Normalitäten.
Aus empirischen Beobachtungen und aus den eben geschilderten verhaltenswissenschaftlichen Befunden kann man einige zentrale Steuerungsprobleme ableiten, die im Klimarecht auftauchen. Zu den Stichworten für schwerwiegende Governance-Probleme gehören Rebound-Effekte (zu denen auch Wohlstandseffekte gehören), ressourcenbezogene, sektorale und räumliche Verlagerungseffekte, mangelndes Ambitionsniveau, Durchsetzungsprobleme und Abbildbarkeitsprobleme. Diese Governance-Probleme können nur gelöst werden, wenn Nachhaltigkeitsfragen konsequent als (meist) Mengenprobleme verstanden werden, die ehrgeizige Mengenbegrenzungen erfordern. Diese müssen daher als zentrales Instrument auch des Klimarechts etabliert werden.
Klimarechtliche Steuerungsinstrumente: Ordnungsrecht, ökonomische Instrumente, Information und weitere Steuerungsansätze
Klimarechtliche Steuerungsinstrumente müssen der menschlichen Motivationslage und den genannten Steuerungsproblemen gerecht werden. Drohende Verlagerungseffekte und die menschlichen Grundmotive sowie der globale Charakter etwa des Klimawandels und des Artensterbens legen dabei nahe, dass rein nationale Lösungsansätze unzureichend bleiben, zumal ökologische Verlagerungseffekte begleitet sein können von ökonomischen Wettbewerbsfähigkeitsproblemen und, darauf basierend, sinkender faktischer Akzeptanz für einen anspruchsvollen Klimaschutz. Sofern eine begrenzte Gruppe von Staaten mit ihrem Klimarecht in puncto Ambitionsniveau voranschreitet, bietet es sich an, zur Vermeidung all dessen das regional begrenzte Klimarecht mit Maßnahmen wie Border Adjustments zu kombinieren, die auch das Welthandelsrecht unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärt.
Klima-, Biodiversitäts- und auch andere Klimaziele wie geschlossene Stoffkreisläufe oder sauberere Umweltmedien implizieren jedenfalls zwei Kernstrategien: einen zeitnahen vollständigen Ausstieg aus den fossilen Energien bei Strom, Wärme, Mobilität, Landwirtschaft, Zement und Kunststoffen, also ihre Ersetzung durch erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz, mehr Suffizienz und weitere flankierende Schritte – und eine drastische Reduktion der Tierhaltung. Während der Technikwandel durchaus im Gang kommt, kann von einem Klimarecht der Suffizienz bislang noch kaum gesprochen werden. Denn in der Summe zielen die verschiedenen Regelungen des Energie-, Agrar- und Klimarechts auf eine Aufrechterhaltung bisheriger Lebens- und Wirtschaftsweisen bei gleichzeitiger technischer Optimierung, also auf technische Effizienz- und Konsistenzsteigerung.
Strukturell gibt es – jenseits von Zielbestimmungen – verschiedene klimarechtliche Instrumente. Untauglich ist dabei eine häufig zu hörende Unterscheidung von „rechtlichen“ und „nicht-rechtlichen“ Instrumenten, denn mindestens in liberalen Demokratien hat jedes Instrument in irgendeinem Sinne eine rechtliche Form. Zu nennen sind beispielsweise informationelle Instrumente, die durch Vermittlung insbesondere von Faktenwissen zu wirken versuchen (und die durchaus eine rechtliche Grundlage im Sinne einer Befugnis zur Aufklärung seitens Ministerien oder Behörden haben). Ein weiteres Instrument sind finanzielle Förderungen im weitesten Sinne respektive Subventionen; darunter kann auch der Bereich der öffentlichen Beschaffung gefasst werden. Ferner kann – dies macht einen großen Teil des Klimarechts aus – durch Ge- und Verbote gesteuert werden. Oder es kann durch ökonomische Anreize gesteuert werden, insbesondere durch Abgaben (Preissteuerung) oder durch Cap-and-Trade-Systeme (Mengensteuerung), wobei sich im einen Fall Preise indirekt in Mengen und im anderen Fall Mengen indirekt in Preise übersetzen, wenn eine Ressource oder eine schädliche Substanz gezielt verknappt respektive verteuert wird. Die gegensätzlichen Steuerungsansätze lauten allerdings bei genauer Betrachtung weniger ökonomische versus ordnungsrechtliche Instrumente als vielmehr Mengensteuerung versus Detailsteuerung. Denn ein Cap and Trade könnte, weil es ein – absolutes und gerade nicht auf einzelne Produkte, Anlagen oder Tätigkeiten fokussiertes – Verbot in Gestalt des Cap enthält, letztlich auch als eine Art von „Ordnungsrecht“ empfunden werden.
Dass die bisherige klimarechtliche Steuerung, gemessen an den genannten Zielen, nicht übermäßig erfolgreich ist, wurde bereits angesprochen. Dies deutet darauf hin, dass der bisher meist dominierende, stark auf Ordnungsrecht, Subventionen und Information setzende Steuerungsansatz an Schwächen leidet. Besonders aussichtsreich zur effektiven Durchsetzung von Nachhaltigkeitszielen wie der 1,5-Grad-Grenze könnten stattdessen Ansätze der Mengensteuerung erscheinen. Cap-and-Trade-Systeme als Mengensteuerungs-Instrumente weisen für die wirksame Erreichung von Klimazielen wie der 1,5-Grad-Grenze oder des Stopps des Biodiversitätsverlusts besondere Vorteile auf:
Cap-and-Trade-Ansätze können umfassend die Motivationslage der Normadressierten im oben beschriebenen aufgreifen. Sie adressieren keinesfalls nur den monetären Eigennutzen, sondern etwa auch Normalitätsvorstellungen und emotionale Faktoren wie Verdrängung.
Setzen Mengensteuerungsansätze ambitionierte Caps, adressieren sie leicht fassbare Steuerungsfaktoren (wie fossile Brennstoffe oder auch tierische Produkte auf der Ebene von Schlachthöfen und Molkereien) auf einer sektoral und geographisch breiten Basis (also beispielsweise auf EU-Ebene plus Klimaclubs mit anderen Ländern plus Border Adjustments), können sie Steuerungsprobleme wie Vollzugs-, Rebound-, Verlagerungs- und Abbildbarkeitsprobleme am besten von allen Steuerungsinstrumenten vermeiden. Die Orientierung an absoluten Mengen verhindert den Rebound; die wenig kleinteilige Perspektive verhindert Vollzugsprobleme; der sachlich-räumlich breite Ansatz verhindert Verlagerungseffekte; das Ansetzen an gut fassbaren Größen verhindert Abbildbarkeitsprobleme, mit denen etwa ein Gebäude-energierecht oder ein Biodiversitäts-Ordnungsrecht kämpft. Versucht man wie bislang primär mit Hilfe von Ordnungsrecht in Richtung Nachhaltigkeit zu steuern, setzt man – der ordnungsrechtlichen Detailsteuerung inhärent – an einzelnen Produkten, Tätigkeiten oder Anlagen an und ist damit insbesondere Rebound- und (sektoralen und räumlichen) Verlagerungseffekten und häufig auch Vollzugsproblemen ausgesetzt, die die erstrebte Konsumverringerung unterlaufen oder schlimmstenfalls in ihr Gegenteil verkehren können.
Ferner werden durch Mengensteuerung als Strategien sowohl mehr Konsistenz als auch mehr Ressourceneffizienz und mehr Suffizienz angereizt. Denn wenn das Cap als Mengenziel rein technisch nicht erreichbar ist, gehen die Normadressierten zwangsläufig zu Suffizienzmaßnahmen über. Dies ist möglich, ohne dass der Staat wie beim Ordnungsrecht ein umfassendes Steuerungswissen und einen mehr oder minder umfassenden Überwachungsapparat für eine Vielzahl einzelner Handlungen etablieren muss, was zu erwähnten Vollzugsproblemen zu führen droht.
Mengensteuerung ist zudem besonders kompatibel mit Grundprinzipien liberaler Demokratien, weil sie größtmögliche Freiheitsgrade belässt und gleichzeitig die physischen Voraussetzungen der Freiheit wirksam verteidigt.
Darüber hinaus lässt sich Mengensteuerung besonders gut mit – nationalen oder transnationalen – Umverteilungsmaßnahmen (als Kompensation für Verteilungseffekte etwa von Klimawandel einerseits und Klimapolitik andererseits) kombinieren. Denn durch das feste Cap wird vermieden, dass Umverteilung die ökologischen Wirkungen des Systems unterläuft, wie dies etwa bei Umweltabgaben mit Aufkommens-Rückverteilung nicht ausgeschlossen werden kann.
Der bekannteste, ökologisch aber nicht direkt relevante Vorteil von Cap-and-Trade-Systemen ist, dass diese Ansätze volkswirtschaftlich ein Nachhaltigkeitsziel besonders effizient im Sinne von „zu besonders geringen Kosten“ zu erreichen versprechen. Subventionen, die in mancherlei Hinsicht ähnlich wie eine Mengensteuerung wirken, erzeugen demgegenüber wesentlich höhere Kosten.
Werden als Steuerungseinheit des Cap and Trade zentrale Treiber diverser Umweltprobleme (Klimawandel, Biodiversitätsverlust, gestörte Nährstoffkreisläufe, umweltmediale Belastungen) wie fossile Brennstoffe, tierische Produkte oder Pestizide gewählt, könnte es zu einer integrierten Lösung der meisten Umweltprobleme kommen, und zwar in einer – von der öffentlichen Gewalt nicht im Detail vorgegebenen – Kombination verschiedener Strategien einschließlich Suffizienz. Ein solcher Gesamtansatz würde in einzelnen Hinsichten immer noch Ergänzungen etwa durch Subventions- und Ordnungsrecht benötigen, die ergänzend an Stellen eingesetzt werden könnten, wo ihre Stärken zur Geltung kommen. Subventionen beispielsweise können Forschung und Entwicklung befördern und neue – bislang noch nicht kosteneffiziente – Produkte in den Markt bringen. Ordnungsrecht kann bestimmte Handlungen oder Belastungen kategorisch verbieten, sofern eine leichte Vollziehbarkeit und gute Abbildbarkeit des Steuerungsgegenstandes gegeben ist – ein Beispiel wäre ein Wiedervernässungsgebot und ein Drainageverbot für Moore. Der Mengensteuerungs-Ansatz kann als Gesamtansatz zur Lösung moderner Umweltprobleme (die Mengenprobleme sind) jedoch nicht durch jene anderen Instrumente ersetzt werden, die Steuerungs- und Motivationsprobleme nicht vergleichbar adressieren können (sich zum Beispiel also nicht gegen Rebound- und Verlagerungseffekte vergleichbar schützen können), weniger freiheitlich sind, weniger kostengünstig sind, weniger gut mit sozialem Ausgleich kombiniert werden können usw.
Generell muss bei der Wirksamkeit klimarechtlicher Instrumente unterschieden werden zwischen Betrachtung des bestmöglichen Designs eines Instruments und der Betrachtung der realen (bewusst oder versehentlich ökologisch ineffektiven) Konstruktion eines Instruments. Subventionen beispielsweise konzentrieren sich bislang meist nicht auf Forschung und Entwicklung. Ordnungsrecht adressiert häufig schwer vollziehbare und schlecht abbildbare Steuerungsgrößen – etwa im Naturschutzrecht. Und der bisherige EU-Emissionshandel arbeitet mit einem – gemessen an den Klimazielen – nicht ausreichenden Cap, belässt verfälschende Faktoren wie große Mengen an Altzertifikaten im Markt, erfasst die Tierhaltung gar nicht und baut gerade erst langsam einen hinreichenden Schutz gegen Emissionsverlagerungen nach außerhalb der EU auf.
Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Jurist, Philosoph und Soziologe, ist Gründer und Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik (Leipzig/Berlin) und lehrt Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock. Er forscht seit 1997 zu Recht, Ethik, Politik und Transformationsbedingungen der Nachhaltigkeit.
Anmerkungen:
i Vgl. zum Freiheitsbegriff im ökologisch-politischen Diskurs auch den Beitrag von Philip Dingeldey in diesem Heft.
ii Vgl. zu den Klimaklagen vor dem BVerfG auch die Beiträge von Andreas Sanders und Yi Yi Prue in diesem Heft.