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vorgängevorgänge 13806/1997Seite 29-34

Der Abschlußbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Hamburger Polizei“

Aus: vorgänge Nr. 138 (Heft 2/1997), S. 29-34

Mit dem Hamburger Polizeiskandal von 1994 wurden schwere Vorwürfe gegen die Hamburger Polizei öffentlich, die nur diejenigen erschrecken konnten, die bisher die Augen vor Realitäten verschlossen hatten nach dem Motto, „daß nicht sein kann, was nicht sein darf!“ Derartige Vorwürfe hatte es in der Vergangenheit nicht nur in der Hansestadt immer wieder gegeben; sie haben aber alle keine durchgreifenden Konsequenzen nach sich gezogen.

Noch im Januar 1994 hatte die Mehrheit von CDU, SPD und STATT-Partei im Innenausschuß der Bürgerschaft einen diesbezüglichen Antrag der GAL-Fraktion auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses abgelehnt. Jetzt war das anders. Ein sichtlich angeschlagener Innensenator Hackmann trat zurück, weil diesmal der Hinweisgeber nicht der schmuddeligen linken Szene, nicht anmesty, der GAL oder der bürgerrechtlich orientierten, linksliberalen Presse angehörte. Diesmal war ein Polizeibeamter ausgebrochen und hatte aufgeschrieben, was ihm von einem anderen, eingeschüchterten Kollegen zu Ohren gekommen war.

Ich bin in der letzten Zeit mehrfach gefragt worden, ob sich der Einsatz gelohnt habe, ob der Untersuchungsausschuß denn aus Sicht der Kritischen Polizistinnen und der GAL-Fraktion, als deren innen- und rechtspolitischer Sprecher ich seit 1993 in der Hamburgischen Bürgerschaft Abgeordneter bin, ein politischer Erfolg war. Wenn auch die Mehrheit von SPD, CDU und STATT-Partei sich mit ihrer Abschlußbewertung schwer taten: Immerhin wurden Schweigemauern, strukturell bedingter Korpsgeist, die systematischen Mißhandlungen von Menschen mit geringer Beschwerdemacht durch bestimmte Dienstschichten und die Ausgrenzung mißliebiger Kritiker aus den eigenen Reihen bei der Polizei eingeräumt. Und was besonders wichtig ist: Dies seien nicht etwa nur spezielle Erscheinungsweisen der Hamburger Polizei. Die Ergebnisse lassen sich nach Überzeugung auch der Ausschußmehrheit auf jede Großstadtpolizei der Bundesrepublik übertragen. So gesehen könnte dieser Untersuchungsbericht tatsächlich bundesweite Bedeutung entfalten.

Aber dieses Ergebnis greift leider meiner Ansicht nach zu kurz. Die Auswertung des gesamten Aktenmaterials und die Vernehmung von über 100 Zeugen haben nach Bewertung der GAL-Abgeordneten im Untersuchungsausschuß außerdem noch einen ganz anderen Zusammenhang aufgezeigt. Mit Verschärfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen seit Anfang der 90er Jahre und den parallel ausgegebenen politischen Vorgaben nach hartem Durchgreifen etablierte sich im Polizeialltag eine Praxis, die der Konflikttrainer und Mitglied der BAG-Kritischer Polizistinnen Holger Jänicke-Petersen als Polizeizeuge vor dem

Die im folgenden diskutierten Untersuchungsergebnisse stellen nur die nach meiner Bewertung wichtigsten Punkte dar. Wer sich näher mit der Problematik beschäftigen will, sollte den 1200 Seiten starken Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses studieren (Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Hamburger Polizei“, Drucksache 15/6200, vom 13.11.1996)

Fremden­feind­liche, rassistisch motivierte Polizei­über­griffe in St.Georg

Das im August 1991 in Kraft getretene novellierte Hamburger Polizeigesetz, die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 9. April 1991(„Betreungskonzept für die Gesamtverkehrsanlage Hamburger Hauptbahnhof‘) und das Einsatzkonzept „KORA“ (Koordinationsstelle zur Bekämpfung der offenen Drogenszene: der Auftragsbefehl von Landespolizeidirektor Heinz Krappen erging am 30. August 1991) sind nicht zufällig parallel umgesetzt worden und stehen nach meiner Überzeugung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den untersuchten Vorwürfen. Das Elend sollte unsichtbar gemacht werden. Diese Rahmenbedingungen begünstigten letztlich die Nischen, in denen sich Hardliner unter dem Deckmantel der Rechtsstaatlichkeit unwidersprochen an Minderheiten abreagieren konnten. Die Asyldebatte jener Tage und die sich anschließende Demontage des Grundrechts auf Asyl heizte die Stimmung zusätzlich auf.

Die polizeiliche Praxis im Hamburger Stadtteil St. Georg hat alle bösen Vorahnungen weit übertroffen. In der Folgezeit wurde regelrecht Jagd auf die „Szene“ gemacht. Der Abschlußbericht läßt nur erahnen, was sich im Polizeialltag abgespielt haben muß. Afrikaner wurden von Einsatzkräften umzingelt, aneinandergefesselt und nach Sklavenhaltermanier zur Wache geführt. Die Aussagen weniger Polizeizeugen sprechen von provozierten Widerständen, Stoßen gegen Mauervorspünge, Einsprühen mit Tränengas und Desinfekti onsmitteln bis hin zu Scheinhinrichtungen, die zwar nicht bewiesen werden konnten, weil mutmaßliche Zeugen vor der Staatsanwaltschaft und dem Untersuchungsausschuß die Aussage zur Sache verweigerten, um sich nicht selbst der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen, die vom Ausschuß aber nicht für unwahrscheinlich gehalten werden.

E-Schicht im Schan­zen­viertel

Ähnlich negative Auswirkungen auf die polizeiliche Praxis hatte eine politische Entscheidung Ende der 80er Jahre, die die die Unterdrückung politischen Protestes im Hamburger Schanzenviertel und St. Pauli zum Ziel hatte. Bewohnern des Schanzenviertels war es gemeinsam mit der linksautonomen Szene gelungen, Bürgerprotest zu organisieren und den Bau eines Musicaltheaters im Viertel zu verhindern. Um das Gelände und die Reste eines vormaligen Kinos und Theaters und vorübergehend als Haushaltsgeschäft genutzten Gebäudes kam es in der Folgezeit zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Der Senat entschloß sich, hart durchzugreifen. Innensenator Hackmann gab die Parole aus: „Es ging auch darum, klarzumachen, wer in diesem Stadtteil das Sagen hat.“ (Hamburger Morgenpost, 24.7.1991) Die berüchtigte sogenannte 16 E-Schicht wurde mit dem klaren Auftrag, das sogenannte „RAF-Umfeld“ auf Trab zu halten, ins Leben gerufen. (vgl. Senatsdrucksache 1476 aus dem Jahr 1988)

Die politisch abgesegnete Feindbildfixierung führte zu einem Eigenleben dieser neuen Einsatzgruppe, das nach kurzer Zeit ein gefährliches Ausmaß annahm. Es kam zu Mißhandlungen von Festgenommenen aus der „Szene“, die regelmäßig dementiert oder als Widerstandshandlungen deklariert wurden. Wie sich herausgestellt hat, bestimmten ausgesuchte Hardliner in bestimmten Bereichen der Hamburger Polizei weitgehend unwidersprochen die polizeiliche Vorgehensweise. Polizeiliche Schläger konnten sich ziemlich sicher fühlen – entscheidend war allein ein äußerst fragwürdiger polizeilicher Erfolg. Maximal konnte sich hin und wieder der Senat dazu durchringen, „bedauerliche Einzelfälle“ zu beklagen. Grundsätzlich wurden die politischen Vorgaben und ihre polizeiliche Umsetzung aber bis heute nicht infrage gestellt. Die E-Schichten wurden entgegen ursprünglicher Ankündigungen nicht aufgelöst, sondern lediglich umbenannt. Jetzt heißen sie „P-Schichten“ (Präsenz-Schichten), und ein Großteil der bisherigen Beamten soll dort gleichwohl noch Dienst verrichten.

Erleichtert wurde das weitgehend ungestörte Vorgehen von Hardlinern im Polizeialltag durch eine Personalpolitik der Polizeiführung, die offenkundig nur den (zweifelhaften) „Erfolg“ sah, nicht aber die Gefährlichkeit der eingesetzten Polizeiführer wahrhaben wollte. So wurde Christoph St. als der Leiter der 16E-Schicht, die von amnesty international 1994 in ihrem Januar-Index erwähnt wurde, von der Polizeiführung nur kurzfristig aus dem Verkehr gezogen; nach einer Zwischenstation beim Einsatzstab der Polizeidirektion Mitte wurde er ausgerechnet am berüchtigten Polizeirevier 11 am Hauptbahnhof als Dienstgruppenleiter eingesetzt. Obwohl die Vorwürfe hinsichtlich seiner Dienstführung erdrückend waren, wurde Christoph St. bis zuletzt von seinem ehemaligen Revierführer vor dem PUA als äußerst kompetenter Beamter verteidigt und gelobt.

Der Hamburger Senat – und nicht nur er – neigt zunehmend dazu, sozialen und gesellschaftspolitischen Problemen mit einem ausgeklügelten System gesetzlicher Verschärfungen und politischer „Handlungskonzepte“, die polizeiliches Vorgehen in den Mittelpunkt stellen, zu begegnen. Da die erklärten Adressaten polizeilichen Handelns weitgehend marginalisierten Bevölkerungsschichten angehören oder über eine nur geringe Beschwerdemacht verfügen, fühlt sich die Öffentlichkeit kaum berührt, bringt zum Teil sogar Verständnis für das inkriminierte polizeiliche Vorgehen auf. Ein klassischer Fall von Sündenbockpolitik! Beamte wie Christoph St. haben hier eine Schlüsselfunktion. Nur wenn menschenverachtendes Verhalten wie in Hamburg ins Hellfeld befördert werden kann, macht sich kurzfristig Empörung breit, die aber nicht lange vorhält. Dann soll wieder Ruhe einkehren in die Polizei. Da von den Regierungsverantwortlichen niemand bereit ist, etwas an den politischen Vorgaben und gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ändern, wird die alleinige Verantwortung zurück in die Polizei gegeben. Es ist bedauerlich, daß die Ausschußmehrheit sich dieser Analyse verschlossen hat – sie konnte und wollte es wahrscheinlich auch nicht wahrhaben, weil damit nicht nur die Polizei, sondern ihre eigene Politik auf dem Prüfstand gestanden hätte.

Bei Licht betrachtet: Die Abteilung Staats­schutz (LKA 3)

Eher widerwillig hat der Ausschuß die Hintergründe des sogenannten „Plattenlegerprozesses“ untersucht. Zwei junge Männer aus dem Hamburger Schanzenviertel standen aufgrund dubioser Staatsschutzaktionen unter Verdacht, im Juli 1991 in Pinneberg bei Hamburg Betonplatten auf den Gleiskörper der Bundesbahnstrecke „Hamburg-Kiel“ gelegt zu haben. Die Vorwürfe haben sich am Ende als haltlos erwiesen. Wie bereits erwähnt, hatten die Fraktionen von SPD, CDU und Statt-Partei einen Antrag der GAL-Fraktion auf Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Januar 1994 im Innenausschuß zunächst abgelehnt. Schon damals hatten sich Senats- und Polizeivertreter schwergetan, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, daß zwei unschuldige junge Menschen aufgrund von Vernebelungs- und Vertuschungsaktionen des LKA 3 wegen Mordverdachts 6 Monate in Untersuchungshaft zubringen mußten. So konnten die Untersuchung dieses Komplexes im zweiten Anlauf genauso wie die Vorfälle am PR 16 und noch anderer kleinerer Komplexe nur aufgrund des von der GAL entwickelten enormen politischen Drucks erzwungen werden. Ursprünglich wollten die anderen Fraktionen diese Punkte nur „statistisch ohne öffentliche Verhandlungen“ abarbeiten.

Den GAL-Abgeordneten gelang es dann im PUA, die von ihr benannten Zeugen des Staatsschutzes in ernsthafte Erklärungsnöte zu bringen. Es taten sich förmlich Abgründe auf. Der damalige Leiter des Staatsschutzes hatte sich nichts dabei gedacht, die Beamten, die Ralf G. und Knud A. festgenommen hatten, anzuweisen, den Anlaß der Observation, ein Auftrag des BKA, aus dem Bericht herauszulassen. Bei der Festnahme hatten die Beamten festgestellt, daß sie die falschen Personen ins Visier genommen hatten. Damit fühlten sich die Beamten gezwungen, einen Anlaß auszudenken: Die beiden jungen Männer seien ihnen von „früheren Aktionen“ aus dem Umfeld der „Roten Flora“ bekannt gewesen. Die damit produzierte „Verdachtsdunstwolke“ (Richter Selbmann) dürfte auch die Haftrichterin bei ihrem Beschluß beeinflußt haben, gegen Ralf G. und Knud A. wegen Mordversuchs U-Haft anzuordnen.

Intensive Recherchen seitens der GAL-Abgeordneten förderten darüberhinaus Akten zu Tage, die alltägliches Handeln der Hamburger Staatsschutzabteilung deutlich machten. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Itzehoe wurden Solidaritätsveranstaltungen von Eltern, Lehrern und Mitschülern der Angeklagten beobachtet und der Tenor der Gespräche und Verlautbarungen protokolliert.

Von sämtlichen Kraftfahrzeugen der Prozeßbesucher wurden die Halter ermittelt und die Personalien mit dem Polizeilichen Auskunftssytem abgeglichen. Auf Vorhalt konnten die Zeugen des Staatsschutzes keine Rechtsgrundlage nennen, nur daß das normale Praxis des LKA 3 sei. Von der Ausschußmehrheit werden diese Zustände im Abschlußbericht leider nur zurückhaltend kritisiert und bei den geforderten Konsequenzen stillschweigend vernachlässigt. Auch die Staatsanwaltschaft wird von der Ausschußmehrheit weitgehend ungeschoren gelassen – zu Unrecht, wie die Analysen der GAL ergeben haben.

Staats­an­walt­schaft und polizei­in­terne Ermitt­lungen

In verschiedenen Untersuchungskomplexen wurde deutlich, daß die Bezeichnung „PUA Hamburger Polizei“ irreführend“ war. Der Hamburger Polizeiskandal war auch ein Skandal der Hamburger Staatsanwaltschaft! Das Zusammenwirken der Staatsanwaltschaft mit der damaligen Ermittlungsstelle der Polizei für Beamtendelikte (PS3) zeichnete in weiten Zügen durch mangelndes Aufklärungsinteresse, Inkompetenz und Überforderung aus. Besonders deutlich wurde dies bei der presseöffentlichen Mißhandlung des Jounalisten Oliver Neß, wo Beweismittel verschwanden und wieder auftauchten, einseitige Vernehmungen stattfanden und notwendige Durchsuchungen und Recherchen bei betroffenen Dienststellen der Polizei unterblieben, während unverblümt eine von der Polizeiführung über den Innensenator lancierte absurde Rädelsführertheorie zunächst unwidersprochen im Raum stehen blieb. Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß durch die Ermittlungsmethoden dieser Dienststellen beschuldigten Beamten Absprachen erleichtert und Ermittlungschancen regelmäßig nicht genutzt wurden. PS3 und Staatsanwaltsschaft haben so gemeinsam – ob gewollt oder nicht gewollt -mit dazu beigetragen, daß die „Mauer des Schweigens“ hielt: Sie waren Steine dieser Mauer. Hier dürfte wie bei der Polizeiführung das politische Interesse am Erhalt des guten Rufes der Stadt Hamburg und ihrer Polizei handlungsleitend gewesen sein.

Rechts­ex­tre­mis­ti­sche Tendenzen

Entgegen der eher verharmlosenden Feststellung von SPD und STATT-Partei, die Hamburger Polizei sei insgesamt nicht rechtsextremistisch (was übrigens niemand behauptet hatte) es habe aber „verschiedene Belege für eine verrohte Sprache“ gegeben, „die nicht nur wenige Einzelpersonen betrafen und die eine Abgrenzung zwischen Sprache und Gesinnung nur schwer möglich machen“ (siehe S. 1084 des Abschlußberichts), ist das Thema Rechtsextremismus nach Überzeugung der GAL-Fraktion viel zu kurz abgehandelt und zu den Akten gelegt worden. Es hat Hinweise auf rechtsextremistische Tendenzen bei einigen Beamten des PR 11 und des Einsatzzugs Mitte gegeben, denen nicht ausreichend und zum Teil dilletantisch nachgegangen worden ist. So fand ein Beamter, der Vorgesetzte auf rechtsextremistische Denkmuster und Vorgehensweisen hingewiesen hatte, praktisch kaum Gehör. Dieser Beamte hat später den Polizeidienst quittiert.

Verfahren im PUA

Wirklich ärgerlich war das Bemühen der Ausschußmehrheit, die Aufklärungsbereitschaft dem ohne Not selbst verordneten Termindruck unterzuordnen. Zahlreiche, nach meiner Ansicht zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages notwendige Beweisanträge der GAL-Abgeordneten, wurden leider abgelehnt. Wichtige Zeugen sind deshalb vom Ausschuß nicht gehört worden. Ihre Einvernahme hätte möglicherweise einige unverbesserliche Stimmen innerhalb der polizeilichen Berufsvertretungen verstummen lassen. So sollte es nachdenklich stimmen, daß die GDP, wie in der Dezemberausgabe von 1996 nachzulesen ist, die Hamburger Polizei durch die Untersuchungsergebnisse „eindeutig entlastet“ sah und nicht müde wird, immer noch vom „sogenannten Polizeiskandal“ zu sprechen. Das ist ein Schlag ins Gesicht jener Beamten, die den Mut gehabt haben, vor Gericht und vor dem Untersuchungsausschuß Farbe zu bekennen.

Hilfreicher wäre es auch gewesen, wenn Abgeordnete der anderen Fraktionen besser vorbereitet in die Sitzungen gekommen wären. SPD, CDU und STATT-Partei beschränkten sich darauf, sich mit den Vorlagen und den Recherchen des dem PUA beigeordneten Arbeitsstabes zu begnügen. Zwangsläufig kam es zu ärgerlichen Auseinandersetzungen im PUA, wenn die GAL-Abgeordneten Zeugen und Ausschußmehrheit mit brisanten Aktenmaterial konfrontierten, mit dem diese sich bisher nicht beschäftigt hatten. Das gipfelte mitunter in dem Vorwurf, der Autor würde ihm dienstlich bekanntgewordene Fakten nutzen, um den Ausschuß vorzuführen. Dabei war alles schwarz auf weiß in den Akten nachzulesen. Aber jeder blamiert sich halt, so gut er kann.

Ausblick

In zwei Jahren hat der Hamburger Untersuchungsausschuß eine Fülle von Material zusammengetragen, das bundesweit wohl einmalig sein dürfte und nach Überzeugung von Experten nicht allein spezifisch hamburgische Probleme beleuchtet. Daran werden auch die Gerichtsurteile nichts ändern, die in den meisten Fällen zu Freisprüchen im Einzelfall geführt haben und noch führen werden, weil letztlich im Strafprozeß das Postulat „in dubio pro reo“ zu gelten hat. An den festgestellten Mißständen ändern diese Urteile aber nichts! Die Untersuchungsergebnisse werden sich ohne Zweifel auf die Gestaltung und Ausbildung bundesdeutscher Polizeien auswirken müssen).

Deshalb möchte ich abschließend zu den Konsequenzen kommen, die aus den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses zu ziehen sind. Es ist sicher gut, wenn die Dienstaufsicht verbessert, mehr in die Aus- und Fortbildung investiert und die Arbeitsbedingungen der Beamten menschlicher gestaltet werden. Da war sich der Gesamtausschuß in vielen Punkten einig. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die vorgesehenen Kontrollinstanzen versagt haben und auch nicht gesundgebetet werden können.

Überraschend war am Ende des PUA die Kehrtwende der SPD-Fraktion in der Beurteilung der Frage zur Kontrolle der Polizei. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Die Überschriften, unter denen die von SPD und STATT-Partei vorgeschlagene „Kontrollkommission“ arbeiten soll, decken sich weitgehend mit den Kernforderungen meiner Fraktion zur Einführung eines Polizeibeauftragten. (vgl. Gesetzentwurf der GAL-Fraktion zur Einsetzung eines Polizeibeauftragten, Abschlußbericht S. 1012ff, der u.a. ein Akteneinsichtsrecht und ein jederzeitiges Zutrittsrecht zu Polizeidienststellen für den Polizeibeauftragten vorsieht, ihn als Hilfsorgan der Bürgerschaft beschreibt, eine Berichtspflicht vorsieht und klarstellt, daß er Ansprechpartner für Bürgerinnen und Polizistinnen sein soll, die sich über Mißstände und Fehlverhalten bei der Polizei beschweren wollen).

Wie man das Kind nennt, ist letztlich egal. Entscheidend wird am Ende die Ausgestaltung und das Ansehen dieser neuen Einrichtung in der Öffentlichkeit sein. Eine allein auf ehrenamtlicher Basis tätige Kontrollkommission wird die in sie gesetzten Erwartungen aber kaum erfüllen können. Trotzdem dürfte dieser Beschluß dazu beitragen, daß bundesweit die Debatte über die Kontrolle der Polizei neu eröffnet werden kann. Insofern könnte hier Hamburg wirklich Vorreiter sein. Polizeipräsident, Senator und Polizeigewerkschaften werden in Hamburg umdenken müssen. Aber ich bin mir ziemlich sicher: Wenn das Projekt gelingt, wird auch die Akzeptanz bei der Polizei steigen. Das zeigen alle Erfahrungen mit vergleichbaren Institutionen im Ausland. Der Erfolg wird nicht zuletzt von unserem politischen Beharrungsvermögen abhängig sein.

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