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Gegen Durch­su­chungen ohne richter­li­chen Befehl

Brief der Humanistischen Union an den Justizminister Vogel

aus: vorgänge Nr. 16 (Heft 4/2007), S. 110-11

Sehr geehrter Herr Minister!                                      13. Juni 1975

Aus gutem Grund ist in der Strafprozeßordnung festgelegt worden, daß im Falle staatsanwaltlicher, beziehungsweise polizeilicher Ermittlungen Hausdurchsuchungen eines richterlichen Durchsuchungsbefehls bedürfen. Lediglich dann, wenn „Gefahr im Verzuge” ist, kann von dieser Regel abgewichen werden.

Mit großer Besorgnis hat der Bundesvorstand der Humanistischen Union festgestellt, daß sich in der letzten Zeit immer häufiger die Tendenz durchsetzt, die Ausnahme zur Regel zu machen und Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl durchzuführen. Eine weitere Ausweitung einer solchen Praxis, die für den Betroffenen häufig empfindliche Nachteile mit sich bringen kann, würde das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung sowie die richterliche Kontrolle der Strafverfolgungsbehörden empfindlich antasten. Die lediglich nachträgliche Anfechtung eines eigenmächtigen Vorgehens der Exekutive läuft — wie die Erfahrung zeigt — in diesem Falle nahezu leer.

Der Bundesvorstand der Humanistischen Union ist der Auffassung, daß der dargelegten bedrohlichen Entwicklung nur dadurch entgegengetreten werden kann, indem die fraglichen                     

Z a h l e n  v e r ö f f e n t i i c h t werden und die K o n t r ol l e der ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl vorgenommenen Durchsuchungen i n s t i t u t i o n a l i s i e r t wird.

Erstens sollten die zuständigen Behörden in Zukunft verpflichtet sein, die Zahl der Hausdurchsuchungen zu veröffentlichen, die ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl erfolgt sind und diese Zahlen in ein Verhältnis setzen zu allen durchgeführten Hausdurchsuchungen. Wir bitten Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten eine derartige Erhebung über die Praxis der letzten Jahre zu initiieren und Maßnahmen zu ergreifen, die für die Zukunft diesen dunklen Tatbestand öffentlich werden lassen.

Zweitens sollte in Zukunft jeder, der eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Befehl erleiden muß, die Möglichkeit haben, sich beschwerdeführend an Kontrollinstanzen (Ombudsman, Parlamentsausschüsse etc) zu wenden. Wir bitten Sie, zu prüfen, welche Institutionen eine solche Überprüfung mit dem größtmöglichen Erfolg vornehmen könnten.

Wir haben unsere Initiative mit Rechtsexperten aus dem Bundestag erörtert. Wir schicken Kopien dieses Briefes an die Fraktionen des Bundestages und an den Rechtsausschuß.

Wir wären dankbar, wenn Sie unserem Anliegen Ihre Aufmerksamkeit schenken und in absehbarer Zeit unsere Anfrage und Initiative inhaltlich beantworten könnten.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Dr. Charlotte Maack

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