vorgänge Nr. 187: 20 Jahre Einheit in Uneinigkeit
20 Jahre Einheit in Uneinigkeit
vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 48. Jahrgang, Heft 3 (September 2009)
Ostdeutschland ist kein politisches Gebilde, gleichwohl markiert die ehemalige innerdeutsche Grenze nach wie vor eine Scheidelinie wirtschaftlicher Entwicklung und gesellschaftlicher Wahrnehmung, kultureller Identität und politischer Artikulation. Über eine Billionen Euro wurden in den Osten transferiert, doch dessen industrielle Entwicklung hinkt hinter der im Westen hinterher, die Einkommensschere hat sich nicht geschlossen, die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau. Das prägt das gesellschaftliche Selbstbild und führt zu Abwanderung, Überalterung und Entvölkerung von Regionen.
Die Politik des Gegensteuerns hat sich erschöpft, eine neue Politik intelligenter Anpassung und gezielter Entwicklung ist gefragt. Wo soll sie ansetzen, woran kann sie anknüpfen und welche Opfer wird sie von wem verlangen? Wie realistisch ist noch das in der Verfassung festgeschriebene Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse? War es womöglich in Ost und West an materielle Voraussetzungen gebunden, die historisch nicht mehr gegeben sind, müssen wir folglich hüben wie drüben lernen, mit einem höheren Maß an Differenz zu leben? Welche politischen Verwerfungen sind damit verbunden? Kann diese Differenz gar eine Quelle einer eigenen gesellschaftlichen und kulturellen Produktivität sein?