Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 186: Die Krisen hinter der Krise

Der lange Marsch aus der Tradition

Die Lage der Sozialdemokratie in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise;

aus: vorgänge Nr. 186, Heft 2/2009, S. 72-82

I.

Aus deutscher Sicht fand die Europawahl diesmal vor einer zweifach interessanten Kulisse statt. Zum einen war sie die erste größere Wahl unter den Eindrücken der gegenwärtigen Krise der Weltwirtwirtschaft. So spekulierten die Parteien und Medien seit Wochen darüber, wie die Wähler auf die täglichen Nachrichten von Bank- und Firmenzusammenbrüchen, aber auch auf die unterschiedlichen Versuche in den europäischen Staaten reagieren würden, die Turbulenzen auf den Finanzmärkten und ihre Auswirkungen auf benachbarte wirtschaftliche und gesellschaftliche Felder abzumildern. Zum andern lag die Europawahl am Ende der Zielkurve zur heißen Phase des Bundestagswahlkampfes, und entsprechend war abzusehen, dass die Resultate der Europawahl sowohl von den Parteien als auch in den Medien als mutmaßliche Vorzeichen für den Ausgang der Bundestagswahl vom 27. September interpretiert werden würden.

Unter beiden Blickwinkeln herrschte dabei die Erwartung vor, sowohl die Zurechenbarkeit der Verantwortung für den Ausbruch der Krise, nämlich den zuvor noch bewunderten „whizzards“ des Banken- und Finanzwesens, als auch die offensichtliche Rehabilitation des Staates als Retter in der Not könnten zu einem Aufschwung linker Parteien und gleichzeitig zu einem Absacken der Marktradikalen führen. Aber es kam ganz anders. Nicht nur erzielten die beiden, eher traditionellen linken Parteien in der Bundesrepublik, also SPD und Linkspartei, recht klägliche Stimmenanteile und blieben damit hinter den Erwartungen der jeweiligen Parteispitzen zurück; nur die Grünen als gewissermaßen „neue“ linke Partei schnitten bei der Europawahl gut ab[1]. Dies allein hätte den Hoffnungen auf eine linke Renaissance schon einen gehörigen Dämpfer verpasst. Zu allem Überfluss jedoch verbuchte mit den Freidemokraten auch noch die einzige wirklich marktradikale Partei deutliche Zugewinne.

Sogleich wurde die bei den Sozialdemokraten seit den Schröder-Jahren zu routinierter Raffinesse gediehene Schadensbegrenzungsmaschinerie angeworfen. Wie immer erklärte der Parteivorsitzende, weshalb die Wahlniederlage eigentlich keine war und vor allem auch im Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl nicht als schlechtes Omen gelten dürfe, sondern dass vielmehr das Rennen um das Kanzleramt und um die Mehrheit am 27. September unbedingt als offen anzusehen sei. Einiges an diesen Erklärungen ist im Übrigen durchaus plausibel, so etwa der Hinweis auf die ins Chronische übergehenden Stimmenverluste der CDU unter Angela Merkels Kanzlerschaft oder auch die Faustregel, dass die linken Parteien wegen ihrer überproportional starken Anhängerschaft aus den unteren Segmenten der sozialen Pyramide bei „second order elections“ wie der Europawahl mit einem in diesen weniger gebildeten und politisch wenig interessierten sozialen Gruppen fest eingebauten Mobilisierungsmalus belastet seien. Aber bei genauerem Hinsehen bieten diese Hinweise auf die Unionsschwäche und linke Mobilisierungsdefizite wenig Trost. Denn die durch die traditionelle Abstinenz innerhalb des linken Wählerpotenzials maßgeblich verursachte Stagnation der Sozialdemokraten und der Linkspartei bei der Europawahl lenkt die Aufmerksamkeit nur auf die eigentlich noch betrüblicheren Befunde auf der Ebene der bundesweiten Umfragewerte. Auch hier gibt es unter den Eindrücken der Finanz- und Wirtschaftskrise keine Anzeichen für einen Aufstieg der linken Parteien. Vor allem verharren die Sozialdemokraten – übrigens seit Jahren und über ganz unterschiedliche innerparteiliche Führungskonstellationen hinweg – wie eingemauert in dem trostlosen Korridor zwischen 25 und 30 Prozent.

Wie kann man diese Schwäche des linken Lagers in den Zeiten einer Finanz- und Wirtschaftskrise erklären? Bieten die im 19. und 20. Jahrhundert entstandenen Traditionen der politischen Fürsorge für wirtschaftlich bedrohte und verunsicherte gesellschaftliche Gruppen durch die Parteien des linken Spektrums in der gegenwärtigen Krise keine Anreize für die Wähler mehr, sich diesen Parteien zuzuwenden? Haben die Wähler den Glauben an die Rezepturen aus dem Medikamentenschrank der Linken verloren?

II.

Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Fragen nach dem Zusammenhang zwischen der sozio-ökonomischen Dynamik, selbst in ihrer gegenwärtigen krisenhaften Zuspitzung, und den Perspektiven der (partei-)politischen Zurechenbarkeit dieser Dynamik stößt man auf zwei rivalisierende sozialwissenschaftliche und ökonomische Betrachtungsweisen, die zu ganz unterschiedlichen, auch politisch gegensätzlichen Schlussfolgerungen kommen.

Auf der einen Seite fügen sich die Ergebnisse der Europawahl und der Umfragen im Schatten der Finanz- und Wirtschaftskrise in die These von der Auflösung der traditionellen Bindungen zwischen sozialen Gruppen und ihren Wählern und den Parteien. Diese These ist eingelagert in eine umfassende Sicht des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels, die in der Bundesrepublik mit den Schriften des Münchener Soziologen Ulrich Beck[2] zur Individualisierung als Kennzeichen der fortgeschrittenen, der zweiten Moderne verbunden ist. In der Konsequenz des Individualisierungsparadigmas kommt es nicht nur zur Erosion der vormals prägenden sozialen Strukturen und Milieus und ihrer politischen Prädispositionskraft, sondern auf der Ebene der politischen Kultur verlieren auch die traditionellen Gesellschaftsbilder und die mit ihnen verknüpften traditionellen Deutungen von gesellschaftlichen Entwicklungen wie Fortschritt und Krisen an Überzeugungskraft. Die Zurechenbarkeit von wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Instrumenten zu spezifischen Parteitraditionen und Parteifamilien beginnt zu verschwimmen. Keynes entgleitet dem politischen Besitz der Sozialdemokratie und verwandelt sich zu einer ohne größere Begründungszwänge beliebig ausschlachtbaren, wirtschaftstheoretischen Verfügungsmasse auch für alle anderen Parteien, kurioserweise auch gerade für vormals durchaus anti-keynsianische Parteien wie die CDU des Leipziger Parteitags.

Chantal Mouffe hat diese Ausweitung des zunächst vermeintlich begrenzten Beckschen Befundes zu den Individualisierungstendenzen in modernen Gesellschaften hin zu einem umfassenden Wandel des Politikverständnisses eindrucksvoll dargestellt[3] und diskutiert. In der Konsequenz dieses Wandels erscheint Politik nicht mehr als die Regelung historisch aufgewachsener, gesellschaftlicher Interessenkonflikte, sondern als eine Abfolge mehr oder minder erfolgreicher Problemlösungen in einer Problem-Kulisse ohne historische Tiefendimension, in einer Welt „jenseits von rechts und links“. Aus dem Blickwinkel dieses enthistorisierten, auf formale ökonomische Rationalität und auf Individualisierung gründenden Governance- und Problemlösungsmodells erscheint die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise als ein weiterer, wenn auch durchaus heikler Testfall, der eben keineswegs zwangsläufig Erinnerungen an die wirtschaftspolitischen Ruhmestaten der New Deal – Ära und andere glorreiche Zeiten der Linken weckt und demzufolge auch nicht zur Hoffnung auf eine heraufziehende „Stunde der Sozialdemokratie“ berechtigt. Die Protagonisten der Individualisierungsthese werden mithin über die fortdauernde Kümmerexistenz der politischen Linken in der Bundesrepublik in den Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise nur mäßig erstaunt sein: Die Parteien der Linken sind nach ihrer Sicht derzeit nicht gut genug; ihr Spitzenpersonal und das von diesen Repräsentanten ins Spiel gebrachte politische Instrumentarium kann in der Konkurrenz mit den bürgerlichen Parteien eben nicht überzeugen. Basta.

Im Gegensatz zu dem Paradigma der Individualisierung und seinen vielfältigen theoretischen und praktischen Folgerungen hält die zweite, hier relevante Betrachtungsweise der Gesellschaft und der Politik mitsamt ihren Krisen an der Annahme fest, dass auch in modernen Gesellschaften die Bevölkerung in größere Gruppen mit jeweils spezifischen, historisch gewachsenen Interessen und Mentalitäten und daraus folgenden gesellschaftspolitischen Ordnungsbildern aufgegliedert ist. In die lange Ahnenreihe dieses prinzipiell sozialstrukturellen Ansatzes der Gesellschafts- und Politikanalyse gehören die Arbeiten von Georg Simmel, Pierre Bourdieu, John Goldthorpe und Gösta Esping-Andersen, um nur einige Klassiker zu nennen[4]. Zu ihnen gesellen sich als aktuelle Politik-, Wahl- und Parteienanalytiker in der Bundesrepublik Franz-Urban Pappi[5] und Walter Müller[6] aus Mannheim, die Forschergruppe um Peter von Oertzen, Michael Vester und Heiko Geiling[7] aus Hannover und die Arbeitsgruppe um Dieter Oberndörfer[8] aus Freiburg und einige jüngere Autoren wie Martin Elff[9] oder Tilo Görl[10].

Bei allen Unterschieden im jeweiligen analytischen und methodischen Vorgehen liegt dieser Forschungstradition der gemeinsame Leitgedanke zugrunde, dass politische Konflikte und Prozesse vor dem Hintergrund mehr oder minder langfristiger Koalitionen zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Parteieliten verlaufen, in denen historische Erfahrungen und politische Traditionen sehr wohl eine bedeutsame Rolle spielen.

Wahlen sind hier neben Zukunftserwartungen und Hoffnungen immer auch in hohem Maße von Versuchen des Erinnerns und des Wiedererkennens und – wenn man so will – der (Re-)Konstruktion und Fortschreibung politischer und sozialer Identitäten geprägt. Dabei entstehen die politischen Koalitionen zwischen sozialen Gruppen und Parteieliten keineswegs naturwüchsig, und sie bestehen auch nicht einfach fort. Vielmehr bedarf es der gezielten Aufnahme der jeweiligen Interessen durch Parteieliten, einer systematischen Pflege der sich anbahnenden politischen Bindungen und einer fortlaufenden thematischen, affektiven und symbolischen Aktualisierung der gesellschaftlich-politischen Allianzen. Aus dem Blickwinkel dieses Konflikt- und Gruppenmodells der Politik wirft die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem die Frage nach der Festigkeit der vormaligen Allianzen zwischen bestimmten sozialen Gruppen und den Parteien des linken Spektrums auf. In der Tat hätte man angesichts der politischen Traditionen und Mythen wenn schon nicht einen deutlichen Stimmenzuwachs der linken Parteien, so doch zumindest einen stabilen Zuspruch der traditionellen Klientelgruppen aus der unteren Mittelschicht und den unteren Schichten erwarten müssen; und das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten und der Linkspartei wäre dann hier in den Kategorien einer politischen Beziehungskrise zu erörtern.

Der Vergleich zwischen diesen beiden Interpretationen des Verhältnisses zwischen der – auch ins Krisenhafte gesteigerten – sozio-ökonomischen Dynamik und der parteipolitischen Zurechenbarkeit der krisenhaften Zustände zeigt mithin, dass für eine Gesellschafts- und Politikanalyse unter dem Paradigma der Individualisierung politische Traditionen nur als eine mittlerweile weitgehend entvölkerte Kulisse eine Rolle spielen. Aktuelle Entscheidungen wie etwa die Wahlentscheidung bei der zurückliegenden Europawahl spiegeln hier in erster Linie die zunächst je persönlichen und dann aggregierten, zumeist auf kurzfristigen Erwägungen beruhenden Einschätzungen der Wähler wider. Aber auch die politischen Akteure, wie die auf dem Wählermarkt konkurrierenden Parteien mit ihren Rezepturen zur Bewältigung der Krise, stehen angesichts der fortschreitenden Parzellierung und Erosion der vormaligen, gefestigten Wählermilieus und der damit verbundenen Geschichtsvergessenheit nur unter mäßigem Zwang, ihre Maßnahmen auf politische Traditionen zu beziehen und sie mit einer je spezifischen Kulturbedeutung aufzuladen. In der programmatischen Konsequenz kann das zu einer für die Wähler verwirrenden Beliebigkeit führen.

Im Gegensatz dazu erscheint aus der Perspektive des Gruppen-Paradigmas der Bezug politischer Maßnahmen und Programme auf traditionsbesetzte Weltbilder und Erklärungsansätze weitaus zwingender. Selbst wenn es unter den besonderen Umständen etwa des gegenwärtigen Krisenverlaufs darum gehen mag, in mancher Hinsicht von diesen Traditionen abzurücken oder neue Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Die mit dem Gruppen-Paradigma verbundene Vorstellung von längerfristigen politisch-normativen Allianzen zwischen sozialen Klientelgruppen und Parteieliten rückt in jedem Fall die „Anschlussfähigkeit“ aktueller Programme und Maßnahmen an die gruppen- und parteibezogenen Traditionsbestände in das Zentrum der politischen Überlegungen.

Damit aber kommen beim dem Versuch, den bislang eher mäßigen Zuspruch zu erklären, den die Parteien auf der Linken in der gegenwärtigen Krise erhalten, zwei zusätzliche, gewissermaßen flankierende Fragen zur Wirkung von Traditionen ins Bild.

Erstens: Welches der beiden Paradigmen zur Gesellschaftsentwicklung und -analyse „stimmt“? Und zweitens: Von welchem Paradigma gehen die politischen Akteure, also die Parteien, als Leitvorstellung bei der Entwicklung ihrer Politik aus? Die erste Frage nach der Plausibilität oder gar der grundsätzlichen „Richtigkeit“ der hier rivalisierenden Paradigmen hat zu ausführlichen Kontroversen in verschiedenen Teilbereichen der Sozialwissenschaften geführt, in der Wahlforschung etwa zu der Kontroverse um das so genannte „partisan dealignment“ auch in der Bundesrepublik. Ein Ende dieser fachwissenschaftlichen Kontroverse ist nicht in Sicht, aber man kann für den im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise relevanten Zeitraum des zurückliegenden Jahrzehnts ganz eindeutig gruppenspezifische Verschiebungen in der deutschen Wählerschaft konstatieren, aus denen sich auch erste Hinweise auf die Misere der Parteien des linken Lagers in der Krise gewinnen lassen. Sowohl der Aufstieg einer rot-grünen Mehrheit bei der Bundestagswahl 1998, die ja unter Hinzurechnung des damaligen PDS-Anteils sogar eine sehr deutliche Mehrheit der linken Parteien hervorbrachte, als auch der schon 1999 einsetzende, dann aber seit 2003 sich beschleunigende Niedergang vor allem der Sozialdemokraten als linker Volkspartei hat sich jeweils in gruppenspezifischen Wahlentscheidungen vollzogen[11]. Mit anderen Worten: Die Ablösung der seit 1982 regierenden bürgerlichen Koalition unter Helmut Kohl im Herbst 1998 weist deutliche Züge eines in bestimmten sozialen Segmenten erkennbaren Wunsches nach einer stärkeren Berücksichtigung traditionell sozialdemokratischer wohlfahrtsstaatlicher Politikmodelle auf. Und es gilt ebenso, dass unter dem Eindruck der schon bald von Gerhard Schröder vorangetriebenen Reformpolitik die seit Langem bestehende affektiven Koalitionen etwa der Arbeiter oder der Arbeitslosen mit der SPD zunächst zweifelhaft wurden und dann wenigstens teilweise zerbrochen sind.

III.

Mit der Berücksichtigung der rivalisierenden Paradigmen der Gesellschafts- und Politikanalyse entfaltet sich nun ein Interpretationsrahmen, mit dem man ziemlich plausibel und differenziert erklären kann, weshalb die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise bislang zu keinem Aufschwung des linken Lagers in der Gunst der Wählerschaft geführt hat. Dabei treten jedoch zwischen den drei Parteien auf der Linken deutliche Unterschiede zutage.

Eine Schlüsselposition für den abgesunkenen politischen Stellenwert des linken Lagers insgesamt in Zeiten der Wirtschaftkrise nimmt die Entwicklung der SPD während des letzten Jahrzehnts ein, und das in gleich mehrfacher Hinsicht. Zunächst einmal haben die in der Öffentlichkeit heiß diskutierten und von den Wählern aufmerksam registrierten „Reformprojekte“ unter Gerhard Schröder zu einer Entfremdung zwischen den Sozialdemokraten und Teilen ihrer Anhängerschaft geführt[12]. Im Zentrum standen dabei zweifellos die Wirkungen, die von der Riester-Rente, dem Hartz IV-Projekt und dem breit gefächerten Komplex der Agenda 2010 ausgingen, zu denen man noch die anhaltenden Debatten um die Gesundheitsreform und auch die von Franz Müntefering in der Großen Koalition angestoßene Rente mit 67 hinzufügen sollte. Ohne hier im Einzelnen auf diese sozialpolitischen Maßnahmenpakete einzugehen, bestand deren Effekt im Wesentlichen darin, dass sie in der Summe als ein Kulturbruch mit einer in der deutschen Bevölkerung langfristig und äußerst stabil verankerten sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaatstradition erschienen, die sich durch den Rückbezug auf ein durch Staatsintervention garantiertes Gerechtigkeitsideal der Verteilungsgerechtigkeit bzw. als dessen Vorstufe der Statussicherheit auszeichnete. Der Eindruck, die Sozialdemokraten würden sich von ihrer eigenen Tradition lossagen und damit eine Entfremdung zu verschiedenen Teilen ihrer Anhängerschaft förmlich provozieren, wurde durch eine Reihe von Begleitumständen dieser „Reformprojekte“ verstärkt. Hierzu zählten auf der programmatischen Ebene die Distanzierung von dem alten, noch im Berliner Programm verankerten Leitgedanken der Verteilungsgerechtigkeit zugunsten der Chancengerechtigkeit, eine programmatische Zäsur, die durch die gleichzeitig und deutlich wachsende, in mehreren Studien und Regierungsberichten dokumentierte gesellschaftliche Kluft zwischen Oben und Unten, Reich und Arm desavouiert wurde.

Die wachsende Entfremdung zwischen der SPD und Teilen ihrer Anhängerschaft zeigte sich in einer dramatischen Serie von Wahlniederlagen auf allen Ebenen des politischen Systems. Sowohl bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005, vor allem jedoch bei den Landtagswahlen seit der Jahrtausendwende hatten die Sozialdemokraten massive Verluste zu beklagen. Die politische Landkarte der Bundesrepublik wurde gründlich eingeschwärzt. Zugleich konnte sich unter dem Eindruck und als Folge der Entfremdung seit 2004 die Entstehung, bundesweite Ausbreitung und die organisatorische Festigung der Linkspartei vollziehen. Vieles spricht dafür, dass die SPD in dem zurückliegenden Jahrzehnt rund ein Viertel bis ein Drittel ihres anfänglichen Wählerpotenzials verloren hat. Sie sieht sich nun im linken Lager des Wählermarkts neben den Grünen noch mit einer zweiten linken Partei, der seit 2007 auch formal zusammengeschlossenen Linken, konfrontiert. Der Blick zurück auf die Jahre der „Reformpolitik“ unter Gerhard Schröder scheint die Einschätzung zu bestätigen, es handle sich hier um „eine von oben organisierte Auflösung der Wählerbindungen“[13].

Bemerkenswert waren jedoch nicht nur die Vertrauensverluste an sich, sondern die Unwilligkeit und wohl auch das Unvermögen der SPD, die Kraft für eine Korrektur dieses, für die Partei und ihre Koalitionsmöglichkeiten in die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen hinein so verhängnisvollen Kurses aufzubringen. War ein Versuch, gegen die politischen Entfremdungssymptome in der Wählerschaft anzugehen, von den Propagandisten der „Reformpolitik“ selbst nicht zu erwarten, so sollte es erstaunlicherweise auch nach Schröders Rückzug aus der Politik nach der Bundestagswahl 2005 zu keiner nennenswerten Kritik oder gar Korrektur der Agendapolitik kommen. Auch schwerste Wahlniederlagen bis in die Gegenwart, wie etwa das Debakel bei der Landtagswahl 2008 in Bayern, spielen für innerparteiliche Richtungsdiskussionen und Personaldebatten in der SPD ganz offensichtlich keine Rolle mehr. Damit ist bei den Sozialdemokraten ein zentrales Steuerungsinstrument für die Politikentwicklung und den Parteienwettbewerb auf absehbare Zeit ausgefallen, man hat gewissermaßen auf Blindflug umgeschaltet.

Das mantraartige Beschwören der unbedingten Richtigkeit der Agendapolitik, das jeden sozialdemokratischen Parteitag seit dem Juni 2003 begleitet und jede Kritik im Keim erstickt, relativiert in nicht unerheblichem Maße die nun auch für den Wahlkampf 2009 formulierten politischen Ziele wie etwa die Forderung nach einem umfassenden gesetzlichen Mindestlohn. Diese eigentlich traditionellen und „linken“ Forderungen werden von den politischen Maßnahmen der „Schröderjahre“ mit einer Aura des Zweifels überzogen. Die über ein Jahrzehnt hinweg systematisch erzeugte Entfremdung lässt sich ganz offensichtlich durch ein kurzfristig zusammengestecktes Bukett klassisch anmutender Wahlkampfforderungen nicht überwinden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Sozialdemokraten auch auf der Ebene ihres Spitzenpersonals den befremdlichen Geruch politischer Zweideutigkeit nur schwer loswerden. Die derzeitige Führungsriege aus dem Vorsitzenden Müntefering, dem Kanzlerkandidaten Steinmeier, aber auch unter Einschluss der Minister Steinbrück, Schmitt, Zypries und Scholz – allesamt hingebungsvolle Befürworter und Akteure der Schröderschen „Reformpolitik“ – vermag die vormaligen Koalitionen der SPD mit den verloren gegangenen sozialen Gruppen nicht oder zumindest nicht in absehbarer Zeit wiederherzustellen. Es gilt auch hier: Politisches Vertrauen ist schneller verspielt als gewonnen.

Vermag die hier in aller Kürze skizzierte Entfremdung der Sozialdemokraten von Teilen ihrer Anhängerschaft im letzten Jahrzehnt schon plausibel erklären, weshalb die gegenwärtige Wirtschaftskrise nicht „automatisch“ den Zulauf zur Schlüsselpartei auf der Linken erhöht, so sollte man darüber hinaus auch eine zusätzlichen Paradigmenwechsel beachten, der auf sozialdemokratischer Seite in der Regierungszeit Gerhard Schröders zumindest partiell vollzogen wurde: der in der Einrichtung zahlreicher Kommissionen sich manifestierende Wandel in der politischen Entscheidungsfindung.

In diesen Kommissionen kam eine Abkehr von dem Modell des pluralistischen Interessenkonflikts hin zu einem Modell vermeintlich sachgerechter Expertise zum Ausdruck. Der Rückgriff des Bundeskanzlers auf eine ganze Reihe von Kommissionen, vor allem im sozialpolitischen Bereich, und auf renommierte Experten wie Hartz, Rürup, Raffelhüschen oder Lauterbach ist vor allem unter machtpolitischen Aspekten diskutiert worden. Mit diesen Kommissionen und ihren wissenschaftlichen Galionsfiguren, so kann man diese Sichtweise zusammenfassen, konnte der Kanzler langwierige und problematische Auseinandersetzungen mit seiner Bundestagsfraktion und anderen Parteigremien und darin stets drohenden Kompromisszwängen und Konflikten umgehen. Stattdessen konnte er „fertige“, seinen Vorgaben und Vorstellungen entsprechende Projekte zur Abstimmung präsentieren und eventuelle Widerstände in der Fraktion mit dem Hinweis auf die unabweisbare Partei-und Regierungsräson überwinden. Diese machtpolitischen Erwägungen haben bei der Entscheidung, die sozialpolitischen Kernfragen der Expertise diverser Kommissionen zu überantworten, ganz gewiss ein bedeutsame Rolle gespielt, abgesehen davon, dass die Einbeziehung externen Sachverstandes bei den immer komplexeren Entscheidungsmaterien ohnehin ein Kennzeichen moderner Politik geworden ist.

Im Blick auf die sich im Gefolge der Regierungsaktivitäten anbahnenden und dann beschleunigenden Entfremdungsprozesse zwischen der SPD und Teilen ihrer Anhängerschaft kam der „Kommissionitis“ des Bundeskanzlers noch eine zusätzliche, man kann fast sagen: verhängnisvolle Bedeutung zu. Mit dem Rückgriff auf die externen Kommissionen und den dort tonangebenden Rürups, Raffelhüschens, Lauterbachs und Hartzs sowie auf die sich in deren Umfeld bewegenden Experten außerhalb der Kommissionen, aber eben auch außerhalb des Parlaments und der Partei selbst wurden die Parameter der pluralistischen und politischen Entscheidungsfindung, nämlich überkommene Normen, Interessen, soziale Traditionen und andere politisch-kulturelle Faktoren durch vermeintlich „harte“ und „objektive“, über diesen „weichen“ und „subjektiven“ Bestimmungsgründen stehende Parameter der Entscheidungsfindung ersetzt. Damit waren nicht nur die demokratisch legitimierten Gremien und Institutionen in ihrem Einfluss weitgehend reduziert. Wer würde, wer konnte angesichts der unablässigen öffentlichen Beredsamkeit der Experten und ihrer „side-kicks“ aus den Wirtschaftswissenschaften sich ein Herz fassen und darauf hinweisen, dass etwa Hartz IV oder Teile der Agenda den sozialdemokratischen und wohlfahrtstaatlichen Traditionen zuwider laufen oder die politisch-kulturelle Integration der ostdeutschen Bevölkerung erschweren oder gar blockieren könnten?

Mit dem auf den ersten Blick rein machtpolitischen Trick des Rückgriffs auf externe Kommissionen und Experten durch den Bundeskanzler entstand in der öffentlichen Wahrnehmung ein eklatanter Gegensatz zwischen den breit verankerten Traditionsbeständen und der ihnen innewohnenden Reformskepsis einerseits und dem schneidigen Reformeifer der Experten. Damit war eine zentrale Traditionslinie der Sozialdemokratie, nämlich die Gewissheit, im Sinne der Mehrheit, der vielen Gruppen und Segmente eher kleiner Leute zu handeln, durch den ostentativen Bezug auf eine sich objektivistisch gerierende Expertensicht außer Kraft gesetzt. Im wahrsten Sinne des Wortes hatte es den meisten Anhängern der Sozialdemokratie die Sprache verschlagen. Ein breites Spektrum sozialer Gruppen wurde durch die von der Regierung eingesetzten Kommissionen in zentralen sozialpolitischen Bereichen auf die Rationalität betriebs- und volkswirtschaftlicher Überlegungen verpflichtet und damit – im Sinne unserer beiden rivalisierenden Paradigmen der Gesellschafts- und Politikanalyse – auf der Ebene der öffentlichen Diskurse hinterrücks aus ihren Gruppenbezügen gelöst und „individualisiert“.

Franz Müntefering führte im Spätjahr 2006 diese neue Denkweise im Verlauf der öffentlichen Diskussion über eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung bei Infratest in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Gesellschaft im Reformprozess“, die sich unter anderem mit gesellschaftlichen Milieus und ihren Einstellungsmustern im vereinten Deutschland befasste, beispielhaft vor. Mit dem Befund eines etwa acht Prozent der Befragten umfassenden, vom wirtschaftlichen Fortschritt und öffentlichen Leben weitgehend „abgehängten Prekariats“ aus dem unteren Drittel der Gesellschaft konfrontiert, tat Müntefering dies nicht nur als eine Erfindung „lebensferner Soziologen“ ab. Nach seiner Einschätzung gab es in der Bundesrepublik auch weder Schichten noch Klassen, sondern eben Menschen, die es schwer haben und die schwach sind. Das freilich, so Müntefering, sei immer schon so gewesen. Das Zusammenwirken der Diskurselemente von Enthistorisierung und Individualisierung tritt hier beispielhaft zutage und löst die gruppenspezifischen Traditionen der SPD gewissermaßen in Luft auf[14].

Damit entfernten sich die Sozialdemokraten nicht nur auf der Ebene der konkreten politischen Koalitionsbildung von Teilen ihrer Anhängerschaft; zugleich erschwerten sie mit dem von den Kommissionen und Experten beherrschten öffentlichen Diskurs auch eine Rückkehr zu einer Politik der pluralistischen Interessenvertretung auf der Grundlage der Normen und Interessen, die in ihrem vormaligen Anhängerspektrum vorherrschten. Mit ihrer verbliebenen, gegenüber den 90er Jahren um rund ein Viertel bis ein Drittel geschrumpften Anhängerschaft ist die SPD bislang außerstande, als Führungskraft im linken Lager, den Rückstand gegenüber der CDU/CSU zu verringern und eine überzeugende Grundlage für ein kraftvolles und mehrheitsfähiges politisches Bündnis gegen die Union zu schaffen, sei dies nun eine erneuerte rot-grüne Koalition oder gar ein umfassendes linkes Bündnis unter Einschluss der Linkspartei. Letzteres ist überdies durch immer wieder bekräftigte Schwüre der Parteispitze ohnehin ausgeschlossen. Selbst die rechnerisch eventuell mögliche Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP wäre angesichts der anhaltenden Schwäche der Sozialdemokraten eine Koalition aus drei mittelgroßen Parteien ohne ein wirkliches politisches Gravitationszentrum.

IV.

Die Europawahl in der gegenwärtigen Krise hat gezeigt, dass die Verluste der SPD im Gefolge ihrer Abkehr von den sozialdemokratischen Traditionen von den anderen beiden kleinen Parteien des linken Lagers nur bedingt aufgefangen werden können. Die Linkspartei, die nach den politischen Bekundungen ihrer Führungsriege am ehesten an die Traditionen der klassischen Linken als „Schutzmacht der kleinen Leute“ anzuknüpfen gedenkt, ist derzeit aufgrund der parteiinternen Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen und Strömungen nicht in der Lage, als Repräsentantin die von der SPD freigesetzten sozialen Gruppen in vollem Umfang zu integrieren. Dies gilt vor allem für den Westen. Während die Linke in Ostdeutschland über ein professionelles und gut vernetztes Personalangebot verfügt und dort als Volkspartei auf breite Resonanz stößt, steckt sie in den alten Ländern bei der Rekrutierung von respektablem Führungspersonal noch in mühseligen Anfängen. Überdies wird der Aufbau einer breiteren und tragfähigen Organisations- und Personalstruktur in den alten Ländern von dem dauerhaften Sperrfeuer der westdeutschen Medien und den Attacken der teils wütenden, teils traumatisierten Sozialdemokraten begleitet, eine schweflige atmosphärische Kulisse, die eine Annäherung der freigesetzten Wählergruppen an die Linkspartei erheblich erschwert, wenn nicht gar verhindert.

Schließlich sind auch die Grünen nicht in der Lage, für die von Krisenängsten heimgesuchten Wähler aus der unteren Hälfte der sozialen Pyramide die von den Sozialdemokraten unter Schröder und Müntefering preisgegebene Rolle als Schutzmacht und Bezugsgröße zu übernehmen. Die Grünen sind zwar eine linke Partei im ideologischen Sinne, aber ihre ideologische Position wurzelt nicht in erster Linie in der traditionellen Konfliktdimension zwischen Kapital und Arbeit, Oben und Unten, zwischen Verfechtern des Leistungs- und Marktprinzips einerseits und den Befürwortern eines gerechten und umfassenden Wohlfahrtsstaates andrerseits. Die Grünen repräsentieren vielmehr die „neue Politik“ der ökologischen und Friedensorientierung, sowie der nachholenden politischen und kulturellen Emanzipation einzelner sozialer Gruppen. In diesem Bereich haben die Grünen sich während der gegenwärtigen Krise sehr gut behaupten, ja, ihre Position am Wählermarkt durch die Aktualisierung ihrer Koalitionen mit ihren Anhängern ausbauen können.

Somit liegt in dem während der letzten zehn Jahre erfolgten programmatischen und paradigmatischen Schwenk der SPD unter Schröder und Müntefering und der damit verbundenen, ziemlich stabilen Entfremdung von Teilen ihrer Anhängerschaft wohl die Hauptursache für die unerwartete Stagnation am Wählermarkt auch in diesen Zeiten der Wirtschaftskrise. Die alten Klientelreflexe sind in den Jahren der „Reformpolitik“ gründlich außer Kraft gesetzt worden. Für die Sozialdemokraten ist dies eine späte und bittere Einsicht, nachdem sie ziemlich genau vor einem Jahrzehnt in dem Schröder-Blair-Papier mit der Übernahme wesentlicher Leitgedanken aus der Debatte um den „Dritten Weg der Sozialdemokratie“ den Aufbruch in ein neues und goldenes Zeitalter erhofft hatten. Sie haben zwar – wie es die Rezepturen von Anthony Giddens und anderen Vertretern des „Dritten Wegs“ nahe legten – eine ganze Reihe von Brücken in die eigenen Traditionsreviere abgebrochen, aber ein neues und verheißungsvolles Zeitalter der Sozialdemokratie will sich nach dem mühevollen Marsch durch die Wahlniederlagen der letzten Jahre nicht abzeichnen. Stattdessen steht man nun im kahlen Niemandsland. Dass es derzeit fast allen Sozialdemokratien in Europa ebenso geht, ist kein wirklicher Trost, sondern macht die eine zeitlang gängige These von den „multiple third ways“[15] zu einer ziemlich bösen, ironischen Pointe.

[1] Über die Zugehörigkeit der Grünen zu einem linken Lager in der deutschen Parteienlandschaft wird immer wieder diskutiert. Vor allem die sozialstrukturelle Verankerung der Grünen in den Schichten mit hohem Bildungsniveau und damit verbundenem, hohen sozio-ökonomischem Status lässt die Einordnung der Grünen ins linke Lager zuweilen fragwürdig erscheinen. Diese, über den Sozialstatus definierte Dimension der Bürgerlichkeit tritt im Übrigen bei den Grünen als „Generationenpartei“ immer deutlicher zu Tage, weil die Gründergeneration der grünen Aktivisten und Anhänger mit fortschreitendem Alter und damit einhergehenden Berufskarrieren, Einkommens- und Vermögenszuwächsen mittlerweile ganz eindeutig ein „Milieu der Besserverdienenden“ konstituiert. Gleichwohl haben sich bei der ganz überwiegenden Mehrheit der grünen Anhänger die starken ideologischen Distanzen zu der Union und der FDP erhalten. In diesem Sinne werden die Grünen in diesem Beitrag dem linken Lager zugerechnet. Die ideologischen Distanzen vor allem auf der Konfliktdimension zwischen libertärer und konservativ-autoritärer Politik lassen demzufolge nach wie vor die Möglichkeiten für politische Koalitionen mit den beiden traditionellen bürgerlichen Parteien als Ausnahme für spezifische politische Biotope wie Hamburg oder Baden-Württemberg erscheinen. Siehe hierzu: Christian Lorenz: Schwarz-Grün auf Bundesebene? In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 35-36/ 2007, S. 33-40.

[2] Eine komprimierte Darstellung seiner Sichtweise liefert Ulrich Beck in: Ulrich Beck: Jenseits von Stand und Klasse? Soziale Ungleichheiten, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formen und Identitäten. In: Reinhard Kreckel (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten . Soziale Welt, Sonderband 2. Göttingen 1983, S. 35-74; ein guter Überblick findet sich bei: Matthias Junge: Individualisierung. Frankfurt, New York 2002.

[3] Chantal Mouffe: Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion. Frankfurt 2007, insb. S. 48 ff.

[4] Siehe hierzu den Überblick über die neueren Kontroversen bei Hans-Peter Müller: Sozialstruktur und Lebensstile. Der neuere theoretische Diskurs über soziale Ungleichheit. Frankfurt 1992; Michael Vester, Heiko Geiling: Soziales Kapital und Wählerverhalten – Die Krise einer Volks-und Mitgliederpartei. In: Heiko Geiling (Hrsg.): Die Krise der SPD. Autoritäre oder partizipatorische Demokratie. Münster, Hamburg, London 2009, S. 29 ff.

[5] Franz Urban Pappi: Die politisierte Sozialstruktur heute: Historische Reminiszenz oder aktuelles Erklärungspotenzial? In: Frank Brettschneider, Jan van Deth, Edeltraud Roller (Hrsg.): Das Ende der politisierten Sozialstruktur? Opladen 2002, S. 25-46.

[6] Walter Müller: Sozialstruktur und Wahlverhalten. Eine Widerrede gegen die Individualisierungsthese. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 49. Jg., 4/1997, S. 747-760; ders.: Klassenstruktur und Parteiensystem. Zum Wandel der Klassenspaltung im Wahlverhalten. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 50. Jg., 1/1998, S. 3-46.

[7] Michael Vester, Peter von Oertzen, Heiko Geiling, Thomas Hermann, Dagmar Müller: Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel. Zwischen Integration und Ausgrenzung. Frankfurt 2001.

[8] Dieter Oberndörfer, Gerd Mielke: Stabilität und Wahlverhalten in der westdeutschen Wählerschaft. Das Verhältnis von Sozialstruktur und Wahlverhalten im Zeitraum von 1976 bis 1987. Freiburger Schriften zur Politikwissenschaft, Band 2, Freiburg 1990; Ulrich Eith, Gerd Mielke (Hrsg.): Gesellschaftliche Konflikte und Parteiensysteme. Länder-und Regionalstudien. Wiesbaden 2001.

[9] Martin Elff: Politische Ideologien, soziale Konflikte und Wahlverhalten. Die Bedeutung politischer Angebote der Parteien für den Zusammenhang zwischen sozialen Merkmalen und Parteipräferenzen in zehn westeuropäischen Demokratien. Baden-Baden 2006.

[10] Tilo Görl: Klassengebundene Cleavage-Strukturen in Ost- und Westdeutschland. Eine empirische Untersuchung. Baden-Baden 2007.

[11] Siehe hierzu Ulrich Eith, Gerd Mielke: Die soziale Frage als „neue“ Konfliktlinie? Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat und zur sozialen Gerechtigkeit bei der Bundestagswahl 1998. In: Jan van Deth, Hans Rattinger, Edeltraus Roller (Hrsg.): Die Republik auf dem Weg zur Normalität? Wahlverhalten und politische Einstellungen nach acht Jahren Einheit. Opladen 2000, S. 93-115; Heiko Geiling, Michael Vester: Das soziale Kapital der politischen Parteien. Die Akzeptanzkrise der Volksparteien als Frage der Individualisierung oder der sozialen Gerechtigkeit. In: Frank Brettschneider, Oskar Niedermayer, Bernhard Wessels (Hrsg.): Die Bundestagswahl 2005. Analysen des Wahlkampfes und der Wahlergebnisse. Wiesbaden 2007, S. 457-489. Im Gegensatz zu dieser sozialstrukturellen und auf soziale Gruppen bezogenen Sichtweisen vertreten die in dem hier erwähnten Sammelband publizierten Aufsätze strikt die Individualisierungsthese. Manfred Güllner, Hermann Dülmer, Markus Klein, Dieter Ohr, Markus Quandt, Ulrich Rosar, Hans-Dieter Klingemann: Die Bundestagswahl 2002. Eine Untersuchung im Zeichen hoher Dynamik. Wiesbaden 2005.

[12] Siehe hierzu Christoph Butterwegge: Krise und Zukunft des Sozialstaates. Wiesbaden 2005, S. 159-232.

[13] Michael Vester, Heiko Geiling: Soziales Kapital und Wählerverhalten, S. 38.

[14] Siehe hierzu die Schilderung der Diskussionen in der SPD-Spitze bei: Daniel Sturm: Wohin geht die SPD? München 2009, S. 299 ff.

[15] So der Titel eines Sammelbandes mit intensiver Beteiligung auch deutscher Sozialdemokraten; siehe: René Cuperus, Karl Duffek, Johannes Kandel (Hrsg.): Multiple Third Ways. European Social Democracy facing the Twin Revolution of Globalisation and the Knowledge Society. Amsterdam, Berlin, Wien 2001.

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