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Die Suche nach gerechtem Frieden

Aus: vorgänge Nr. 189, Heft 1/2010, S. 121-122

Das Friedensgutachten 2009 hat neben wichtigen Einzelanalysen eine recht negative Bilanz der UN-geführten Interventionen erstellt (Heinemann-Grüder, S. 175 ff.) und auf die Notwendigkeit der Mitwirkung der zivilen lokalen und benachbarten Akteure für die Friedensentwicklung verwiesen. Am Schluss steht als eigenes Kapitel ein Ausblick auf zivile Konfliktbearbeitung (S. 267 ff.), der deutlich macht, dass hier deutlich mehr Möglichkeiten bestehen, als derzeit genutzt werden.

Jochen Hippler u. a. 2009: Friedensgutachten 2009, Lit. Verlag Berlin, 336 S., 12,90 €. Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden 2008: Gewaltfrei streiten für einen gerechten Frieden. Plädoyer für zivile Konflikttransformation, Publik-Forum, Oberursel, 320 S. 15,80 €.

Christine Schweitzer 2009: Erfolgreich gewaltfrei. Professionelle Praxis in ziviler Friedensförderung, ifa, Stuttgart, 89 S.

Die Frage der zivilen Konfliktbearbeitung wird angesichts des Scheiterns militärischer Interventionen selbst in Fällen großen Militäreinsatzes wie in Somalia, Ex- Jugoslawien, Irak und Afghanistan immer mehr gestellt. Offensichtlich ist es nicht möglich, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie von außen zu etablieren oder Frieden mit Waffen zu schaffen. Allenfalls die Verhinderung von Völkermord, Vertreibung und Hilfe bei Katastrophen sind mit militärischer Unterstützung möglich. So ist es zu begrüßen, dass immer mehr nach zivilen Möglichkeiten gesucht wird. Frieden und Demokratie sind nur möglich, wenn sie von der Bevölkerung bejaht und getragen werden. Auf zwei Untersuchungen dazu soll hier besonders hingewiesen werden.

Bekanntlich haben die großen Kirchen der Lehre vom gerechten Krieg eine Absage erteilt und werben nun für gerechten Frieden. Eine ausführliche Übersicht dazu hat die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) vorgelegt, die Dachorganisation der evangelischen Friedensdienste:

„Gewaltfrei streiten für einen gerechten Frieden“. Ausführlich werden Begriffe geklärt und die wichtigsten Bereiche erläutert. Angesprochen wird natürlich zunächst die Kirche, dann sind es die zivilgesellschaftlichen Akteure (NRO, Friedens- und Entwicklungsdienste und lokale Betroffene) und die staatlichen Akteure (Staaten und internationale Organisationen). In weiteren Kapiteln geht es um Methoden und Instrumente ziviler Konfliktbearbeitung und um die Haltungen und Werte, die dabei eine Rolle spielen. Eine kritische Auseinandersetzung mit den militärischen Interventionen schließt den Band ab. Insgesamt ergibt das eine breite Übersicht der zivilen Engagements zur Förderung gerechten Friedens im kirchlichen Bereich und Umfeld, allerdings mit einer über die Denkschrift der EKD hinausgehenden Betonung der friedlichen Möglichkeiten, die mit dem Stichwort „Vorrang für Zivil“ gekennzeichnet werden können.

Eine Studie des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) schließt daran gut an, weil sie Methoden und Beispiele ziviler Friedensförderung begrifflich klar und umfassend, auch mit der gebotenen Skepsis in manchen Fällen, darstellt: Christine Schweitzer „Erfolgreich gewaltfrei. Professionelle Praxis in ziviler Friedensförderung“. Schweitzer, Vorstandsmitglied des Bundes für soziale Verteidigung, erläutert unter den vier Hauptthemen Prävention, Regelung gewaltsamer Konflikte (Peacemaking), Schutz vor Gewalt und Verletzung der Menschenrechte (Peacekeeping) und Bearbeitung der Ursachen und Folgen von Gewalt (Peacebuilding) die vielen, oft nicht annähernd ausgeschöpften Möglichkeiten ziviler Friedensförderung. Sie schließt aus Überzeugung alle militärischen und anderen gewalttätigen Lösungsversuche aus und stellt stark ab auf die Möglichkeiten und die Unterstützung derjenigen, die selbst betroffen sind und deshalb ein Interesse an funktionierenden Lösungen haben.

Interessant sind Schweitzers Überlegungen, welchen Einfluss Bereiche auf die Friedensförderung haben, die man normalerweise unter anderen Gesichtspunkten betrachtet, so die Entwicklungshilfe und die humanitäre Hilfe bei Katastrophen, aber auch der Einfluss der Wirtschaft. Je nachdem, wie Hilfe und Entwicklung organisiert werden, kann das Frieden fördern oder vorhandene Konflikte verschärfen. Diskutiert werden auch die Probleme der friedlichen Lösungen im Wege stehenden brutalen Kriegswirtschaft und ihrer Überwindung, zum Beispiel des Kampfes gegen „Blutdiamanten“. Über die geschilderten Methoden der Vermittlung und Friedensdienste hinaus wird deutlich, wie umfassend jedes Engagement für Frieden sein muss, wenn es nachhaltig wirken soll. Einleuchtend wird an vielen Beispielen gezeigt, wie unterschiedliche Aktivitäten von örtlichen Gruppen und Meinungsführern wie Älteste, Imame, Bischöfe, Elder Statesmen den Einsatz der Staaten und internationalen Organisationen ergänzen können. Zu der Studie gehören ein ausführliches Literaturverzeichnis und viele Beispiele, so dass eine umfassende Übersicht über die Möglichkeiten ziviler Friedensförderung gegeben wird und jede Hilfe für weitere Information.

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