Beitragsbild Staatsleistungen der Länder an die Kirchen (Stand: 2023)
Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 237/238: Diskriminierende Realitäten

Staats­leis­tungen der Länder an die Kirchen (Stand: 2023)

Jedes Jahr zahlen die Bundesländer – mit Ausnahme von Bremen und Hamburg – erhebliche Summe an die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland. Diese staatlichen Zuwendungen (Staatsleistungen genannt) werden seit Jahrzehnten entrichtet und steigen kontinuierlich an. Allein in den letzten 10 Jahren stiegen sie um 22 Prozent und belaufen sich in diesem Jahr auf 602 Millionen Euro. Die Humanistische Union (HU) veröffentlicht seit einiger Zeit die landesbezogenen und die Gesamtbeträge der jährlichen Staatsleistungen an die beiden Kirchen – zuletzt in den vorgängen 236 (4/2021). Damit erinnert sie an den seit mittlerweile über 100 Jahren bestehenden Verfassungsauftrag, diese Zahlungen einzustellen (Artikel 140 Grundgesetz i.V.m. Artikel 138 Weimarer Reichsverfassung). Die Veröffentlichung der jeweils aktuellen Zahlen soll als verlässliche Basis dienen für den sich abzeichnenden politischen Prozess zur Ablösung.

Die jährliche steigenden Staatsleistungen an die beiden Kirchen werden bisher mit der Entwicklung der Beamtenbezüge begründet, an die sie (informell) gekoppelt sind. Dieser Zuwachs ist unabhängig vom konkreten Finanzbedarf der Kirchen und aus Sicht der Humanistischen Union auch deshalb widersinnig, da die Zahl der Kirchenangehörigen stetig sinkt und der Anteil der Kirchenmitglieder in diesem Jahr erstmals unter die 50 Prozent-Marke an der Gesamtbevölkerung fällt.

Die derzeitige Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag einen Gesetzentwurf über die Grundsätze zur sogenannten Ablösung der Staatsleistungen angekündigt. Dieser Entwurf liegt aktuell noch nicht vor. Nach bisherigem Diskussionsstand wollen die Länder den Kirchen abschließend eine Entschädigungszahlung gewähren, die einem Vielfachen der derzeitigen jährlichen Staatsleistungen entsprechen soll. Im Gesprächen ist ein Multiplikationsfaktor zwischen dem 18,6 bis 40fachen der jährlichen Summe, also bis zu 24 Milliarden Euro. Dazu Johann-Albrecht Haupt anlässlich der Veröffentlichung der neuesten Daten: „Wir vertreten seit Langem die Auffassung, dass eine abschließende Entschädigung überhaupt nicht mehr in Betracht kommt, nachdem Bund und Länder es seit 100 Jahren nicht geschafft haben, dem Verfassungsgebot zur Ablösung der Staatsleistungen nachzukommen. Seit 1949 sind mehr als 20,7 Milliarden Euro an die beiden großen christlichen Religionsgemeinschaften geflossen. Etwaige Entschädigungsansprüche der Kirchen sind damit mehr als ausreichend befriedigt worden.

Aktuelle Erläu­te­rungen zu den Tabellen

Die von der Humanistischen Union vorgelegten Übersichten zeigen die für das aktuelle Jahr in den Haushaltsplänen der Länder (außer: Bremen und Hamburg) eingeplanten Staatsleistungen an die beiden Kirchen (Tabelle 1) als auch die seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes (1949) geleisteten Zahlungen (Tabelle 2). Die Angaben beruhen auf den Haushaltsplänen der Länder, in Einzelfällen auch auf Auskünften der zuständigen Ministerien oder auf Parlamentsdrucksachen.

Die Übersichten enthalten nur die von den Ländern geplanten bzw. geleisteten positiven Staatsleistungen. Darin nicht enthalten sind die Einnahmeausfälle, die der öffentlichen Hand durch Befreiungen der Religionsgemeinschaften von Steuern, Gebühren und Beiträgen entstehen (sog. negative Staatsleistungen). Zu den weiteren Erläuterungen, welche der zweckfreien Zuwendungen hier unter dem Begriff der Staatsleistungen zusammengefasst werden (und welche Zahlungen nicht zu den Staatsleistungen zählen), sei auf die Ausführungen in den früheren Veröffentlichungen verwiesen, insbesondere die Dokumentation in vorgänge Nr. 208 sowie den Beitrag von J. A. Haupt in vorgänge Nr. 189.

Hinweise zu Tabelle 1

Spalte 1: Hamburg und Bremen kennen keine Staatsleistungen

Spalten 2-4: nach den Haushaltsplänen/Haushaltsplanentwürfen 2023; Hessen
ergänzend: schriftl. Auskunft des Kultusministeriums v. 16.2.2023

Spalte 5: Statistisches Bundesamt, Stand: 20.06.2022

Spalte 7: EKD Kirchenmitgliederzahlen Stand: 31.12.2021 (Kurztabellen vom
Juli 2022)

Spalte 8: Katholische Kirche in Dt., Kirchliche Statistik 2021 unter https://www. dbk.de/presse/aktuelles/meldung/kirchenstatistik-2021

Spalten 6, 9, 10: errechnet

Hinweise zu Tabelle 2

Zahlen basierend auf Haushaltsplänen der jeweiligen Bundesländer seit 1949.

Baden-Württemberg (BW): 1949 und 1950 nur Haushaltspläne für Baden und Württemberg-Hohenzollern, die in speziellen Landesarchiven lagern.

Nordrhein-Westfalen (NW) 1949: Interpolation zwischen 1948 und 1950.

Gegenüber der letzten Veröffentlichung in den vorgängen Nr. 236 (Heft 4/2021) wurden keine Korrekturen an den Vorjahren vorgenommen.

Abkürzungen

BW Baden-Württemberg

BY Bayern

BE Berlin

BB Brandenburg

EK Evangelische Kirche

HE Hessen

KK Katholische Kirche

KM Kirchenmitglieder

MV Mecklenburg-Vorpommern

NI Niedersachsen

NW Nordrhein-Westfalen

RP Rheinland-Pfalz

SL Saarland

STL Staatsleistungen

SN Sachsen

ST Sachsen-Anhalt

SH Schleswig-Holstein

TH Thüringen

Verzeichnis der früheren Veröffentlichungen der Staatsleistungen

2022 vorgänge Nr. 236 (Heft 4/2021), S. 151-160

2021 vorgänge Nr. 233 (Heft 1/2021), S. 135-143

2020 vorgänge Nr. 228 (Heft 4/2019), S. 105-112

2019 vorgänge Nr. 225/226 (Hefte 1-2/2019), S. 193-200

2018 vorgänge Nr. 221/222 (Hefte 1-2/2018), S. 213-220

2016 vorgänge Nr. 213 (Heft 1/2016), S. 153-161

2015 vorgänge Nr. 208 (Heft 4/2014), S. 190-193

Literaturhinweise

Dokumentation: Stellungnahmen zum Verfassungsauftrag „Ablösung der Staatskirchenleistungen“, HU-Mitteilungen Nr. 215/216 (Heft 1/2012), S. 14f.

Humanistische Union: Entwurf eines „Gesetz über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen“. Berlin, April 2011.

Johann-Albrecht Haupt: Nichtablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Geschichte eines politischen Versagens. In: vorgänge Nr. 203 (3/2013), S. 16-28.

Johann-Albrecht Haupt: Ewige Rente für die Kirchen? Seit neunzig Jahren fordert die Verfassung eine Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. In: vorgänge Nr. 189, Heft 1/2010, S. 86-94.

Dateien:

Staatsleistungen komplett_2023

nach oben