Publikationen / Mitteilungen / Mitteilungen Nr. 245

Baden-Würt­tem­berg - Migration, Flucht und Krimi­na­li­tät:

Zwischen Ressentiments und realen Problemlagen
Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe TACHELES

Referent war Dr. Christian Walburg Lehrstuhlvertreter an der Juristischen Fakultät der Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Wirtschaftskriminalität, Jugenddelinquenz sowie Migration und Kriminalität.

Die mit dem Abzug der ausländischen Truppen einhergehenden Geschehnisse in Afghanistan im Sommer dieses Jahres haben erneut vor Augen geführt, dass vor dem Hintergrund militärischer Konflikte, wirtschaftlicher Krisen und politischer Instabilität in Nachbarregionen und nicht zuletzt wegen der Folgen des Klimawandels auch künftig mit Flucht- und Migrationsprozessen nach Europa zu rechnen ist. An vielen Orten der Welt ist erkennbar, dass die internationale Staatengemeinschaft ihrer Schutzverantwortung nicht hinreichend gerecht wird. Während Geflüchtete und zivilgesellschaftliche Akteure (beispielsweise Seenotretter) kriminalisiert werden, werden (Menschen-)Rechtsverstöße durch (halb-)staatliche Akteure an den europäischen Außengrenzen – ob in der Ägäis, vor der libyschen Küste oder zwischen Polen und Belarus – geduldet oder gar gefördert. In den Aufnahmegesellschaften werden größere Migrationsbewegungen regelmäßig – und nicht erst in heutiger Zeit – ganz wesentlich auch als Sicherheitsproblem verhandelt. Verglichen mit anderen Aspekten, die als mögliche Folgen von Zuwanderung diskutiert werden, ist Kriminalität ein äußerst sensibles Thema. Es ist in besonderem Maße geeignet, Ängste und Abneigungen hervorzurufen oder zu verstärken. Diffuse Verunsicherungen, die mit Zuwanderungsgeschehnissen einhergehen, erhalten durch einzelne Straftaten einen konkret fassbaren Bezugspunkt. Das Thema Migration und Kriminalität ist damit auch politisch besonders aufgeladen und leicht ausbeutbar, wie mit dem Flüchtlingszuzug 2015/16 besonders deutlich geworden ist. All dies führt, beispielsweise in der Flüchtlingsarbeit, zum Teil zu Verunsicherungen und Berührungsängsten. Umso bedeutsamer sind hier wissenschaftliche Untersuchungen, aus denen sich ein realistische(re)s Lagebild, differenzierte Ursachenanalysen und Präventionsansätze ergeben. Der Vortrag gab einen Überblick über Erkenntnisse zu Opferwerdungsrisiken und Straffälligkeit von Migrant*innen und insbesondere von Geflüchteten und vermittelt die jeweiligen Ursachenzusammenhänge. In- und ausländische Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass Migration und Kriminalität sehr heterogene Phänomene sind, weshalb sehr viel genauer hingesehen werden muss: Es gibt weder „die Migrant*innen“ noch „die Kriminalität“.

Eine wichtige Unterscheidung liefert der Generationenverlauf, das heißt die Situation bei Migrant*innen der ersten Generation und deren Nachkommen. Bei Geflüchteten sind zudem deren besondere Lebenserfahrungen und Lebensumstände von Bedeutung, die mit spezifischen Herausforderungen und Belastungen einhergehen. Der Referent zog hieraus Schlussfolgerungen zur Prävention und zum Abbau von Integrationshemmnissen sowie den Grenzen der Gestaltung künftiger Flucht- und Migrationsprozesse.

Eine Aufzeichnung der Veranstaltung ist auf unserer Homepage und auf dem YouTube-Kanal der Humanistischen Union Baden-Württemberg abrufbar: https://www.youtube.com/watch?v=EKbSyGwhigAt

Udo Kauß, Freiburg

 

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