Publikationen / Mitteilungen / Mitteilungen Nr. 245

Nachruf für Ingeborg Rürup

Erinnerung an Ingeborg Rürup

*4.8.1932 Lüdenscheid, † 30.10.2021 Berlin

Wieder ist eine Person von uns gegangen, die jahrzehntelang für die Ziele der HU gestanden hat. Ingeborg Rürup ist am 30. September in Berlin gestorben. Ingeborg war 1982 zur HU und dem damals – wie heute wieder – sehr rührigen Landesverband Berlin gestoßen. Der Landesverband residierte damals in der Pförtnerloge der Kufsteiner Straße 5, in eigenem Raum und mit eigener Geschäftsführerin. Die Raucher waren damals noch in ungebrochener Position und rauchten immerhin in rücksichtsvoller Weise aus dem Fenster des Raumes hinaus, und die Nichtrauchenden durften dazu auch noch frieren ob der vor allem in Winterszeiten einströmenden kalten Luft. Ingeborg, ich glaube, sie verschmähte damals noch keine Zigarette, fand diese doppelte Bestrafung nicht angemessen. Und blieb dem LV Berlin der HU trotzdem treu.

Seit 1984 war Ingeborg Mitglied des Berliner Landesvorstandes, und als Anna Elmiger nach Jahrzehnten des Vorsitzes dies nicht länger sein wollte, von 1990 bis 1998 Landesvorsitzende. Ab 1993 war sie Mitglied des Bundesvorstands, und von 1995 bis 2003 stellvertretende Bundesvorsitzende. Noch 2019 nahm sie an der Mitgliederversammlung in Freiburg teil und wurde dort in ihr letztes Amt in der HU als Mitglied des Schiedsgerichtes (wieder)gewählt.

Geboren wie ihre Amtsvorgängerin Anna Elmiger in Lüdenscheid (am 04.08.1932), studierte Ingeborg Geschichte und Latein in Göttingen und Berlin, und wohnte in ihrer Freiburger Zeit in der Straße, wo auch ich heute meine altersgemäß reduzierte Kanzlei habe. Wir haben trotz intensiver Suche nicht mehr das Haus ihrer damaligen Studentenabsteige ausmachen können. Referendariat in Hameln und Hannover und eine Arbeit zur „Geschichte der Weimarer Republik“ im Zweiten Staatsexamen belegen ein weitergehendes gesellschaftspolitisches Interessen: 1962 bis 1963 war sie wissenschaftliche Assistentin am Institut für Europäische Geschichte in Mainz. Mit dem nicht nur für damalige Zeiten typischen Knick in der Karriere: der Geburt von zwei Kindern. Danach blieb „nur noch“, Lehrerin zu sein, eben Studienrätin, nun in Berlin. Kein Wunder, dass auch wegen dieses für ihre Generation typischen Frauenschicksals Fragen der Emanzipation und Frauenrechte für sie ein Leben lang zentral blieben.

Neben der HU war Ingeborg u.a. in der Initiative „Haus der Menschenrechte“ aktiv, und in der Stiftung „Haus der Demokratie und Menschenrechte“, die heute das Haus in der Greifswalder Straße betreibt. Sie vertrat die HU im Forum Menschenrechte (1996-2005) und war langjähriges Mitglied des Koordinationskreises, der das Forum leitet. Von 1996-1998 war sie Mitglied im Trägerkreis „350 Jahre westfälischer Frieden, Europäischer Friedens- und Kriegsdienstverweigerer-kongreß“ in Osnabrück tätig.
Ingeborg war für nicht wenige, die mit ihr gearbeitet haben, das menschliche, empathische Antlitz der HU. Sie trat in Beziehung zu den Menschen, mit denen sie politisch gearbeitet hat und nicht wenige wurden enge Freunde. Das war ihre Stärke: Die Entwicklung und Aufrechterhaltung konkreter menschlicher und freundschaftlicher Beziehungen, integrierend zu wirken. Damit hat sie in ihrer stillen Art für ihre Überzeugungen und für die HU viel erreicht. Mit der ihr eigenen Ironie und ihrem Humor, die auch in Bürgerrechtskreisen recht dürftig entwickelt ist.

Diese ironische Distanz fand ihren Ausdruck etwa in ihrer Initiative für den Verein zur Sprengung des Berliner Doms als einem hochgejubelten verachtenswerten Denkmal preußischer Militärhuberei. Bei allem ihr eigenen bildungsbürgerlichen Gestus, gab es immer auch diesen kleinen anarchischen Funken, den sie mit ihrer Amtsvorgängerin im LV Berlin Anna Elmiger teilte. In ihrer letzten Zeit irrlichterte Ingeborg, modern Demenz genannt, und war auf Pflege angewiesen. Wir haben es nicht in der Hand, wie wir diese Existenz verlassen.

Udo Kauß, Freiburg, Weggefährte aus Berliner Zeiten

nach oben