Beitragsbild M – ein Strafrechtsstaat sucht seine „Mörder“: Zur überfälligen Entnazifizierung der §§ 211, 212 StGB
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M – ein Straf­rechts­s­taat sucht seine „Mörder“: Zur überfäl­ligen Entna­zi­fi­zie­rung der §§ 211, 212 StGB

Über die bisher vergeblichen Versuche einer begrifflichen und konzeptuellen Entnazifizierung des Mordparagrafen berichtet Helmut Pollähne in seinem Beitrag. Ihm zufolge werden, anders als bei anderen Straftatsbeständen, Täter*innen statt Taten geächtet und „niedrige Beweggründe“ als Mordmerkmal einer an den Zeitgeist gebundenen Moral fortgetragen. Aber erst wenn die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft wird, kann die Debatte um eine Reform der Tötungsdelikte in der nötigen Gelassenheit und Rationalität geführt werden.

 

„Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.“ Basta – ein Satz (der erste Absatz des § 211 StGB an der Spitze der Strafvorschriften zu den sogenannten Kapitaldelikteni), der es doppelt in sich hat: nicht nur hinsichtlich der absoluten, weil offenbar (vgl. hierzu Pollähne 2018: 88; Heine et al. 2008: 196f.) keine Ausnahme duldenden ultimativen Strafandrohung, sondern zunächst einmal terminologisch: „Der Mörder“! Die Frage danach, wer das sein soll, der sich eine lebenslange Freiheitsstrafe „verdient” hat, beantwortet Abs. 2 in beklemmender Klarheit: Er beinhaltet das System der sogenannten Mordmerkmale, in der Systematik der Vorschrift eigentlich „Mörder*innen“-Merkmale (siehe unten). Abgerundet wird dieses terminologische Gruselkabinett durch § 212 Abs. 1 StGB: Wer tötet, „ohne Mörder zu sein“, ist „Totschläger“ und wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft; auch insoweit in der Tat ein – gelinde gesagt – „misslungener Gesetzestext“ (Hirsch 2011: 221).

Dieser auf „Täter*innen“ statt auf Taten (wie bei den übrigen Tat-Beständen des StGB)ii abstellende Wortlaut war nicht immer so (dazu gleich mehr) – schlimmer ist, dass er die letzten gut 80 Jahre unbeschadet (wenn auch nicht unbestritten: Frommel 1980 m. w. N.) überstanden hat, eine der „Peinlichkeiten bundesdeutscher Gesetzgebung“ (Hirsch 2011: 222). §§ 211, 212 StGB im Besonderen und die Tötungsdelikte im Allgemeinen harren einer grundlegenden Reform (Pollähne 2015): Die „Entnazifizierung“ der Terminologie – so viel vorab zur Geschichte – wäre das Mindeste, aber neben der überfälligen Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe (Uwer/Schlieffen 2016; Pollähne 2018) ginge es insbesondere auch darum, die Tatbestände insgesamt zu überarbeiten. Wer ausgerechnet die lebenslange Freiheitsstrafe des § 211 StGB – die „moderne” Kapital-Strafe – als „Leitwährung“ der Kriminalpolitik bezeichnet (Schneider 2010: 55; dazu auch Pollähne 2018: 95 m. w. N.), mag auch den*die „Mörder*in“ als „Leitfigur“ des Strafrechts erachten: Eine solch kriminalpopulistische Leitkultur ist dem liberalen Rechtsstaat allerdings fremd.iii

Wortlaut auf Zeitreise

Die Strafgesetze sprechen auch sonst nicht von „Täter*innen“ (Dieb*innen, Betrüger*innen, Vergewaltiger*innen, Brandstifter*innen etc.). Während dies im Verfahrensrecht nicht zuletzt der Unschuldsvermutung geschuldet ist (Pollähne 2016), gilt das materielle Strafrecht – zumindest in puncto Strafbarkeitsvoraussetzungen (vgl. zur Täter-Opfer-Orientierung Meier 2015: 165 ff., vgl. auch § 46 Abs. 1 S. 2 StGB) – als Tat-Strafrecht. Auch wenn dies missverständlich und/oder spitzfindig daherkommen mag: Täter*innen werden nicht als Täter*innen bestraft, sondern wegen der von ihnen begangenen Taten. Übrigens wird man auch nach Rechtskraft der Verurteilung wegen eines Mordes nicht zum*r „Mörder*in“, sondern bleibt ein Mensch, der wegen eines Mordes verurteilt wurde. „Einmal Mörder, immer Mörder“ mag in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung gelten, nicht aber von Rechts wegen (Franzen 2015).

Für Jurist*innen, insbesondere strafrechtlich tätige, ist der Wortlaut der methodische Dreh- und Angelpunkt ihrer Rechtsfindung. Art. 103 Abs. 2 GG schreibt ihnen ins dogmatische Stammbuch, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit „gesetzlich bestimmt“ war, bevor die Tat begangen wurde. Was Gesetze „bestimmen“, ergibt sich zuvörderst aus ihrem Wortlaut. In ihm drückt sich zugleich – ganz bestimmt – aus, was die Legislative der Judikative mit auf den Weg gibt, welchen Sinn sie dem Wortlaut verleihen wollte, welchen Zweck sie damit verfolgte. Die Reichweite der daran anknüpfenden sogenannten historischen Auslegung (unter Verweis auf den „historischen“ Gesetzgeber) ist lebhaft umstritten; zu Recht tut man sich damit umso schwerer, je länger die parlamentarischen Beratungen zurückliegen (vgl. zur „objektiven“ Auslegung Nauke 2002: 75ff.). Dogmatisch irrelevant wird diese sogenannte Normgenese jedoch nie. Auch von daher sollte man sich allerdings schon per se schwer tun mit den Gesetzestexten, deren ursprüngliche Urheber Nazis waren – ganz abgesehen davon, dass von einer parlamentarischen, gar demokratischen Gesetzgebung ab 1933 überhaupt keine Rede mehr sein konnteiv. Dass auch im Jahre 2023 (90 Jahre nach der Machtübergabe an Hitler und Komplizen) bundesdeutsche Richter*innen etc. noch immer mit Gesetzestextenv arbeiten, die ihnen die nationalsozialistische Herrschaft hinterlassen hat, ist von daher a priori beklemmend.

Der Verweis darauf, spätere (demokratisch legitimierte) Gesetzgeber hätten – offenbar – keine Veranlassung gesehen, am NS-Wortlaut Änderungen vorzunehmen (Rissing-van Saan 2010: 29f.), greift jedenfalls dann zu kurz, wenn sich in einschlägigen parlamentarischen Materialien dazu nichts findet: § 211 StGB wurde 1953 „bereinigt“, aber nur hinsichtlich der bereits seit 1949 überholten Androhung der Todesstrafe, die durch die lebenslange Freiheitsstrafe ersetzt wurde. Der dem zugrundeliegende Gesetzentwurf sprach von einer „technischen Bereinigung“ durch Anpassung an Art. 102 GG – der Wortlaut des § 211 wurde im Übrigen mit keinem Wort thematisiert, geschweige denn problematisiertvi. Später wurde im Rahmen des Ersten Strafrechtsreformgesetzes vom 25. Juni 1969 im gesamten StGB der Begriff Zuchthaus durch Freiheitsstrafe ersetzt, ohne den Wortlaut einzelner Vorschriften (wie etwa § 211 StGB) auch nur zu erwähnen (Art. 5 Abs. 1: BGBl. 1969 S. 645 (657); vgl. Linka 2008: 199ff.).

Seitdem wurde der Mörder-Paragraph nicht mehr geändert, genauer: Der eigentliche Wortlaut (diesseits der Strafen) geht auf die NS-Zeit zurück und beruht noch immer auf dem „Gesetz zur Änderung des RStGB vom 04.09.1941“ (RGBl. I S. 549; vgl. Graebke 2023: 75f.). Danach galt das NS-Täter(-typen-)strafrecht auch von Gesetzes wegen: „Mörder wird man nicht, Mörder ist man“ (Schmidt-Leichner); ist er erkannt, widerfährt ihm, was er „verdient“ (Deckers et al. 2014: 10): damals die Todes-, heute die lebenslange Freiheits-Strafe.

Klamm­heim­liche Entna­zi­fi­zie­rung der §§ 211, 212 StGB?

Wie ging es nach 1945 weiter mit dem NS-Recht? Die Alliierten Kontrollrats-Gesetze zum Strafrecht (Nr. 11 vom 30.01.1946 und Nr. 55 vom 20.07.1947) beschränkten sich letztlich auf Sondergesetze (wie das sogenannte Lex Van der Lubbe, die Verordnung gegen „Volksschädlinge“ oder die Polenstrafrechtsverordnung) und auf krasse Details (wie die Bestrafung „nach gesundem Volksempfinden“ gemäß § 2 oder die sogenannte Entmannung gemäß § 42k RStGB, während die Sicherungsverwahrung gemäß § 42e zum Beispiel unangetastet blieb: vgl. Pollähne 1998: 130), hatten aber keine umfassende „Entnazifizierung“ der Strafgesetze im Blick (vgl. Lauer 2020). Demgemäß gerieten auch die §§ 211, 212 StGB nicht in den Fokus – und übrigens auch nicht die darin vorgesehene Todesstrafe, zumal die Alliierten selbst bis auf Weiteres an der Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen auf deutschem Boden festhielten: Ihre Abschaffung mit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 wurde im StGB erst 1953 (siehe oben) nachvollzogen (Haas 2016: 318 m. w. N.).

Die (Straf-)Rechtsgeschichte der jungen BRD war alsbald vom Ungeist beseelt, einerseits die „unselige“ NS-Geschichte hinter sich zu lassen und sich andererseits für den neuen Kalten Krieg zu rüsten. Die alten juristischen „Eliten“ aus der Zeit des Nationalsozialismus trieben in der Rosenburg derweil ihr Unwesen: Für die ersten Reformen des StGB waren NS-Juristen wie Eduard Dreher – lange Zeit Namensgeber des führenden StGB-Kommentars der Nachkriegsjustiz – und Josef Schafheutle – Autor des politischen Sonderstrafrechts vor und nach 1945 – verantwortlich (Görtemaker/Safferling 2016: 320ff./330ff.).

Was speziell die §§ 211, 212 StGB betrifft, waren die Strafjuristen (Juristinnen seinerzeit Fehlanzeige) der Nachkriegszeit darum bemüht, den NS-Wortlaut argumentativ zu entnazifizieren (vgl. Linka 2008: 197f.), indem er – zu Unrecht (Plüss 2018; Frommel 2023a) – auf frühere schweizerische Vorbilder und Carl Stooss zurückgeführt wurde. Die Vorgeschichte der Bemühungen ab 1933 zur „Rechtserneuerung“ des Strafrechts im Allgemeinen und der §§ 211ff. RStGB im Besonderen ist aufschlussreich (Graebke 2023; vgl. auch Haas 2016: 319 ff.), aber eben nur die Vorgeschichte: Es ging bereits ab 1935 um die „völlige Ausschließung des Mörders aus der Volksgemeinschaft“, denn „der Mörder und […] der Totschläger sind in der Vorstellungswelt lebendige Typen“, weshalb das Gericht den „Täter als Mörder erklären“ soll, das werde „die erzieherische Wirkung der Strafrechtspflege steigern“ (Gleispach 1935: 256 f.; vgl. auch Graebke 2023). Dass bei der Neufassung von 1941 niemand „Geringeres“ als der „Hinrichter“ Roland Freisler (Ortner 1993) – selbst Serien-„Mörder“ – die völkische Feder führte, wurde nach 1945 bagatellisiert beziehungsweise „neutralisiert“ (Frommel 2023b: 129). Noch 2016 ist aus der Feder einer CDU-Rechtspolitikerin zu lesen, dass es sich um „Nazi-Formulierungen“ handele, sei „historisch unpräzise“, da die Ursprünge des § 211 RStGB-1941 bei Stooss und somit in der Schweiz lägen (Winkelmeier-Becker 2016; ähnlich Hinz 2015). Dabei waren nicht nur die „Mörder“ und „Totschläger“, sondern gerade auch die „niedrigen Beweggründe“ eine Erfindung der NS-Rechtserneuerung (Deckers et al. 2014: 10 m. w. N.).

Verwiesen wird immer wieder auf einen Beschluss des Großen Senats des BGH vom 22. September 1956 (GSSt 1/56 – BGHSt 9, 385; vgl. auch das Urteil vom 16.01.1951 – 4 StR 58/50) zur „Heimtücke“ – zu Unrecht: Damals ging es den Karlsruher Richtern darum, den Mordtatbestand nicht unter Verweis auf eine Gesamtwürdigung der Tat und des*r Täter*in aufzuweichen (vgl. Frommel 1980); sich nur insoweit von Freisler abzugrenzen, ist mindestens kurios. „Die Gegenmeinung gefährdet die klare Abgrenzung des Mordtatbestandes [so der BGH] und damit den besonderen Rechtsschutz, den die staatliche Gemeinschaft dem Leben ihrer Glieder als ihrem höchsten Rechtsgut schuldet.“ Die Gefahr, Angeklagte über die Gesamtwürdigung und über den Wortlaut hinaus zu „Mördern“ zu machen, trieb den BGH gerade nicht um.

Oft wird davon ausgegangen respektive postuliert, die Tätertypenlehre sei nach 1945 „einhellig abgelehnt“ worden (vgl. Haas 2016: 324 m. w. N.); gegenteilige Behauptungen seien „sachlich unzutreffend“ (Rissing-van Saan 2010: 29 f.). Soweit dabei auch auf ein BGH-Urteil vom 23. September 1952 zur „Grausamkeit“ verwiesen wird (1 StR 218/52, vgl. Hauck 2016: 235), überzeugt bereits der amtliche Leitsatz nicht: „Grausam tötet, wer dem Opfer besonders starke Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser unbarmherziger Gesinnung zufügt. Die gefühllose Gesinnung braucht den Täter nur bei der Tat zu beherrschen“. Von der „Typisierung“ der 1940er zur „Moralisierung“ der 1950er Jahre (Frommel 2023b: 128; ähnlich Beck 2016 zur Heimtücke) war es nur ein kurzer Weg. Aus dem „gesunden Volksempfinden“ wurde nach 1945 – im „Namen des Volkes“ – das „gesunde Empfinden“ (BGH, Urteil vom 13.11.1953 – 2 StR 398/53).

Exkurs 1: Die Wiedervereinigung bot 1990 einmal mehr die Chance zur terminologischen und inhaltlichen Entnazifizierung. So bestand die DDR im Einigungsvertrag unter anderem darauf, die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) aus dem (R)StGB von 1934 nicht einzuführen, weil spezifisches NS-Unrecht, und die §§ 13ff. aus dem (R)JGG von 1943 nicht – oder jedenfalls in den „neuen Bundesländern“ nicht – „Zuchtmittel“ zu nennen, weil dies NS-Sprachgebrauch sei. Von alledem blieb nur die Ausnahmeklausel zum JGG, und das auch nur bis 2010vii. § 66 StGB wurde – kaum dass das Volk meinte, einen Einzelfall zu haben, der nach sicherer Verwahrung verlangte – wenige Jahre später (1995) doch eingeführt (Pollähne 1998: 130; Pollähne 2008: 123/125). Ungeachtet dessen bleibt festzuhalten, dass es der alten BRD selbstverständlich nicht einfiel, jene historische Chance zu nutzen und zum Beispiel die Sicherungsverwahrung bundesweit abzuschaffen oder auch nur die NS-infizierte „Zuchtmittel“-Terminologie zu beseitigenviii. Soweit ersichtlich waren die §§ 211, 212 StGB jedenfalls kein Thema – das wäre vermutlich zu brisant geworden und/oder so viel meinte man sich als Beitritts- beziehungsweise Anschluss-Kandidat nicht herrausnehmen zu dürfenix.

Explizite Entna­zi­fi­zie­rung überfällig

Eine „Entnazifizierung“ der §§ 211, 212 StGB kann sich selbstverständlich nicht darin erschöpfen, zum bis 1941 geltenden Wortlaut zurückzukehren: „Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft“ – und das nicht nur wegen der ehemaligen (und bis 1949) geltenden Todesstrafdrohung. Die „Tödtung mit Überlegung“ (vgl. Thomas 1985: 201ff.) ist – übersetzte man „Überlegung“ mit „Vorsatz“ – seit 1941 der sogenannte Totschlag, solange jene „Überlegung“ nicht eine bestimmte, ihn sodann zum Mord hochstufende „Qualität“ aufweist. Aber auch wenn man „Überlegung“ mit „Absicht“ übersetzen wollte, gäbe es zwischen der einfachen vorsätzlichen Tötung (als Totschlag) und der besonderen absichtlichen (als Mord) unlösbare Abgrenzungsprobleme, wie sie bereits seit Anfang des vorigen Jahrhunderts diskutiert wurden.

Naheliegender wäre (ähnlich dem jetzigen § 212 Abs. 2 StGB und in der gängigen Systematik anderer Deliktsbereiche), „besonders schwere Fälle“ der Tötung vorzusehen, die mit einem höheren, aber zeitlich begrenzten (siehe unten) Strafrahmen belegt werden. Ob man diese Fälle (ähnlich dem § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB, der bestimmte besonders schwere Fälle der sexuellen Nötigung als „Vergewaltigung“ benennt) als „Mord“ bezeichnet, wäre dann eine eher kriminal-terminologische Frage und wegen der andernfalls implizierten Abschaffung des Mordes (vgl. für die Ersetzung des Mordbegriffe Deckers et al. 2014: 15; vgl. gegen die Ersetzung Walter 2014: 373f.) womöglich auch eine sozialpsychologische: „Am unstreitig obersten Ende strafrechtlichen Erfolgsunrechts vereinigen sich Bedürfnisse nach Rationalität und Rechtsstaatlichkeit mit einer hohen emotionalen und symbolischen Aufladung in kaum auflösbarer Weise“ (Höynck/Behnsen/Haug 2014: 102; vgl. auch Walter 2014: 374 zum „verwurzelten“ Sprachgebrauch; vgl. auch Saliger 2015: 601 zur „moralischen Orientierung“).

Sollte sich eine Reform der Tötungsdelikte aus diesen und anderen Gründen jedoch – bis auf weiteres – als „unlösbar“ erweisen (vgl. Hirsch 2011: 238; Höhne 2014), wäre eine terminologische Entnazifizierung das Mindeste: Der Wortlaut ist nicht nur „ohnehin überflüssig“ (Mitsch 2015: 122) oder „unglücklich“ (so aber Helmers 2016: 90),x sondern dringend korrekturbedürftig: Einen dahingehend bereits 2014 vorgelegten Gesetzesantrag aus Schleswig-Holstein (BR-Drs. 54/14, vgl. Spoorendonk 2014) als „originellen Einwurf“ abzutun (Mitsch 2014; vgl. Höhne 2014: 283; Walter 2014: 373), ist unangebracht: Das Vorhaben war und ist „rechtshistorisch überfällig“ (Saliger 2015: 601)xi.

Eine „Entnazifizierung“ der §§ 211, 212 StGB kann sich aber auch deshalb nicht darin erschöpfen, die Begriffe Mörder und Totschläger zu streichen oder durch eine Tatbeschreibung zu ersetzen (vgl. Walter 2014: 374; Heine et al. 2008), weil der NS-Geist auch darüber hinaus durch den § 211 StGB wabert und eine „braune Färbung“ hinterlassen hat (Höhne 2014: 284 m. w. N.; vgl. Mitsch 2014): Neben sogenannten Mordmerkmalen, die eine bestimmte Tatausführung („mit gemeingefährlichen Mitteln“) oder besondere Intentionen erfassen („um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“), gibt es vermeintlich tatbeschreibende („heimtückisch oder grausam“), die aber neben objektiven Aspekten immer auch eine bestimmte Gesinnung erfordern, und schlicht täterbezogene („Mordlust“, „Habgier“) sowie – quasi als Oberbegriff (sogenannte Motivgeneralklausel) – die „niedrigen Beweggründe“. Über alldem steht auch die Verwerflichkeit! Die „Spuren der gesinnungsstrafrechtlichen NS-Vergangenheit“ sind unübersehbar, auch insoweit bedürfte es dringend einer Befreiung von der NS-Terminologie und von „gesinnungsstrafrechtlichen“ Mordmerkmalen (Hirsch 2011: 223/238). Die „richterliche Aktualisierung“ (siehe oben) legitimiert – so gut sie auch gemeint sein mag – nicht die verfehlte gesetzliche Grundlage: „Ist die Norm ideologisch, bleibt es auch die Auslegung“ (Frommel 2023b: 130).

Probleme der Unbestimmt­heit

§ 211 StGB zeichnet sich zudem in zweierlei Weise durch eine unerträgliche Unbestimmtheit aus: nicht nur hinsichtlich der – wenn auch absolut formulierten – unbefristeten Freiheitsstrafe, die mindestens 15 Jahre beträgt, gegebenenfalls aber auch bis an das Lebensende währen kann (§ 57a StGB; vgl. Pollähne 2022), sondern auch bezogen auf die sogenannten Mordmerkmale, allen voran die „Motivgeneralklausel“ der „niedrigen Beweggründe“.

Beim BGH ist auch im Jahr 2023 zur „Niedrigkeit“ eines Beweggrundes noch immer zu lesen, dies sei anzunehmen, wenn er „nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe“ stehe und deshalb „besonders verachtenswert“ oder „verwerflich“ sei (Beschluss vom 25.01.2023 – 1 StR 284/22, vgl. auch Beschluss vom 12.09.2019 – 5 StR 399/19). Zwar wird dabei auf den Beweggrund abgestellt, aber die Verachtung trifft die Täter*innen, die damit zu „Mörder*innen“ werden. Was als „niedrig“ gilt, als „verächtlich“ oder „verwerflich“, war, ist und bleibt zeitgeistabhängig (Frommel 2023b: 128ff.). Mag ein „Leitprinzip der besonderen Verwerflichkeit“ auch an der Tat und nicht an der Gesinnung anknüpfen (Merkel 2015: 435): „Allgemeingültig“ lassen sich die „niedrigen Beweggründe“ nicht konkretisieren (Hauck 2016: 91).

Dass auch § 46 Abs. 2 S. 2 StGB auf Beweggründe und Gesinnungen und „das Vorleben des Täters“ abstellt, ist kein Gegenargument: Jene Vorschrift ist die Zentralnorm für die Straf-Zumessung im Rahmen der Rechtsfolgenbestimmung, während es bei den §§ 211, 212 StGB um vorgelagerte Fragen der Strafbarkeit geht. Entsprechendes gilt für § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB beziehungsweise für die Rechtsprechung zur besonderen Schwere der Schuld.

Die Geschichte zur Reform der §§ 211 ff. (R)StGB ist etwa so alt wie jene Normen selbst (vgl. Linka 2008; Thomas 1985). Aber auch nach 1945 gab es mehrere Anläufe (Deckers et al. 2014: 11 ff.; vgl. auch Eser 2015). Das Bemerkenswerte ist die Beharrlichkeit des Gesetzes und die Scheu vor seiner Änderung: Kaum werden Reformvorschläge – gar realpolitisch – lanciert, erschallen Rufe, die die Absolutheit des Lebensschutzes bedroht und die Leitwährung in Gefahr sehen (vgl. Pollähne 2018: 92).xii

Exkurs 2: Am Beispiel der 2020 erfolgten Neufassung des § 20 StGB über die sogenannte Schuldfähigkeit lässt sich das Beharrungsvermögen von Gesetzestexten studieren, deren Lektüre bereits auf den ersten Blick Befremden auslöst: Da war seit 1969 (in Kraft seit 1975) zu lesen, dass unter anderem „Schwachsinn“ und schwere andere seelische „Abartigkeiten“ zu einem Ausschluss oder einer Verminderung (§ 21 StGB) der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit führen können. Auch wenn jener Sprachgebrauch NS-Wurzeln vermuten lässt (Rasch 1982: 178), so geht er doch auf Beratungen der 1960er Jahre zurück – wessen kriminalbiologischen Ungeistes einige der daran Beteiligten waren, ist eine andere Frage. Obwohl ein identischer Wortlaut in § 179 StGB a. F. bereits 1998 geändert wurde, brauchte man für die Beseitigung terminologischer Abartigkeiten in § 20 StGB weitere 22 Jahre. Die §§ 211, 212 StGB sind demgegenüber aber offenbar noch viel härtere Brocken.

Lebenslange Freiheits­s­trafe als Reform­bremse

Die Reform der §§ 211, 212 StGB steht und fällt mit der Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit der lebenslangen Freiheitsstrafe (Pollähne 2018: 88ff.; Pollähne 2015; Uwer/ Schlieffen 2016; vgl. auch Hirsch 2011: 223)? Wegen ihrer Unbestimmtheit und Absolutheit ist sie – zumal rechtshistorisch (siehe oben) – nur als Ersatz für die Todesstrafe zu begreifen; sonst ist sie ein Fremdkörper im gängigen Rechtsfolgensystem des Straf-Rechts (geblieben). Wer sich damit beruhigen will, zur lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilte säßen im Durchschnitt doch „nur“ circa 17 bis 19 Jahre, verschweigt einerseits, dass dies gleichbedeutend damit ist, dass die Hälfte der Betroffenen länger sitzt, viele deutlich länger – und verschweigt andererseits, dass es nicht wenige sind, die im „lebenslangen“ Vollzug versterben oder gerade noch „rechtzeitig“ zum Sterben entlassen werden: eine Todesstrafe auf Raten (vgl. Pollähne 2018: 96 m. w. N.).

Aber erst wenn die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft wird, kann die Debatte um eine Reform der Tötungsdelikte in der nötigen Gelassenheit und Rationalität geführt werden – und das wäre dringend nötig. Wer glaubt, 15 Jahre Freiheitsentzug seien für einen „Mord“ zu wenig (was sicher auch damit zu tun hat, dass zu viele andere Straftatbestände eine Höchststrafe von bis zu 15 Jahren vorsehen), hat noch nie Wochen oder Monate, geschweige denn Jahre im Gefängnis zugebracht. In der öffentlichen Diskussion, die in Anbetracht entsetzlicher Einzelfälle immer mal wieder in den Ruf nach der Todesstrafe verfällt, wird unterhalb „lebenslang“ jede zeitige Freiheitsstrafe für „Mörder*innen“ ohnehin zu wenig sein, sei sie nun auf 15 Jahre (wie bisher gemäß § 38 StGB), 20 oder 30 Jahre (Walter 2014) begrenzt.

 

Prof. Dr. Helmut Pollähne ist Rechtsanwalt/Strafverteidiger und Honorarprofessor in Bremen, Vorsitzender Richter am dortigen Anwaltsgerichtshof und Redakteur der Fachzeitschrift Strafverteidiger. Zudem ist er wissenschaftlicher Leiter des Kölner Instituts für Konfliktforschung.

 

Literatur

Beck, Maren 2016: Die Heimtücke – ein unzeitgemäßes und moralisierendes Mordmerkmal, in: Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik, Jg. 11, H. 1, S. 10-18.

Deckers, Rüdiger et al. 2014: Zur Reform der Tötungsdelikte Mord und Totschlag – Überblick und eigener Vorschlag, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 34, H. 1, S. 9-17.

Eser, Albin 2015: Neue Impulse zur Reform der Tötungsdelikte: ein kritischer Vergleich, in: Albrecht, Peter-Alexis et al. (Hrsg.): Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, Berlin, S. 91-108.

Franzen, Ruben 2015: Mörder ist, wer … dafür sein Leben lang zur Verantwortung gezogen wird, in: Betrifft JUSTIZ, Jg. 31, H. 123, S. 127-128.

Frommel, Monika 1980: Die Bedeutung der Tätertypenlehre bei der Entstehung des § 211 StGB im Jahre 1941, in: Juristenzeitung, Jg. 35, H. 17, S. 559-564.

Frommel, Monika 2023a: Der „Mörder“ – eine exemplarische Figur der NS-Ideologie vom normativen Tätertyp, in: Brunhöber, Beatrice et al. (Hrsg.): Strafrecht als Risiko. Festschrift für Cornelius Prittwitz zum 70. Geburtstag, Baden-Baden, S. 789-802.

Frommel, Monika 2023b: ‚Femizide‘ in Deutschland – Plädoyer für eine Änderung des § 211 StGB, in: Neue Kriminalpolitik, Jg. 35, H. 2, S. 124-135.

Gleispach, Wenzeslaus von 1935: Tötung, in: Gürtner, Franz (Hrsg.): Das kommende deutsche Strafrecht. Besonderer Teil. Bericht über die Arbeit der amtlichen Strafrechtskommission, Berlin, S. 254-266.

Görtemaker, Manfred/Safferling, Christoph 2016: Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit, München.

Graebke, Philipp 2023: § 211 StGB und seine Ursprünge im Nationalsozialismus, in: Ad Legendum, Jg. 20, H. 1, S. 71-76.

Haas, Volker 2016: Zur Notwendigkeit einer Reform der Tötungsdelikte. Zugleich eine kritische Würdigung des Abschlussberichts der Expertengruppe, in: Zeitschrift für die gesamten Strafrechtswissenschaften, Jg. 128, H. 2, S. 316- 369.

Hauck, Pierre 2016: Fallstricke des Mordtatbestandes, in: Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht, Jg. 17, H. 5, S. 230-239.

Heine, Günter et al. 2008: Alternativ-Entwurf Leben (AE-Leben), in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, Jg. 155, H. 4, S. 193-270.

Helmers, Gunnar 2016: Zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe (§ 211 Abs. 2 StGB), in: Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht, Jg. 17, H. 2, S. 90-101.

Hinz, Werner 2015: Reform des „Mordparagrafen“? Eine rechtshistorische Betrachtung des § 211 StGB, in: Schleswig-Holsteinische Anzeigen, Jg. 266, H. 2, S. 47-58.

Hirsch, Hans Joachim 2011: Zum aktuellen Stand der Diskussion über die Reform der Tötungsdelikte, in: Bernsmann, Klaus/Fischer, Thomas (Hrsg.): Festschrift für Ruth Rissing-van Saan, Berlin/New York, S. 219-238.

Höhne, Michael 2014: Die Reform der vorsätzlichen Tötungsdelikte. Warum ist sie bisher gescheitert und wie könnte sie aussehen? In: Kritische Justiz, Jg. 47, H. 3, S. 283-297.

Höynck, Theresia/Behnsen, Mira/Haug, Monika 2014: Der Alternativ-Entwurf Leben (AE-Leben), in: Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik, Jg. 9, H. 2, S. 102-122.

Jahn, Matthias/Nack, Armin (Hrsg.): 2010: Rechtsprechung, Gesetzgebung, Lehre: Wer regelt das Strafrecht? Köln.

Kammeier, Heinz 1996: Maßregelrecht, Berlin/New York.

König, Stefan 2017: „Nur über unsere Leiche“. Die Reform der Tötungsdelikte ist vorläufig gescheitert – aus der Sicht der Anwaltschaft ein Trauerspiel, in: Anwaltsblatt, Jg. 67, H. 12, S. 746.

Lauer, Alexander 2020: Kontrollratsgesetz Nr. 11. Aufhebung einzelner Bestimmungen des deutschen Strafrechts, München/Ravensburg.

Linka, Katharina 2008: Mord und Totschlag (§§ 211-213 StGB): Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870, Berlin.

Meier, Bernd-Dieter 2015: Strafrechtliche Sanktionen, 4. Aufl., Berlin/Heidelberg.

Merkel, Reinhard 2015: Grundlagenprobleme der „Leitprinzipien“ und der „Motivgeneralklausel“ des Mordtatbestands. Ein Beitrag zur aktuellen Reformdiskussion, in: Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik, Jg. 10, H. 9, S. 429-444.

Mitsch, Wolfgang 2014: „Entnazifizierung“ des § 211 StGB? In: Zeitschrift für Rechtspolitik, Jg. 47, H. 3, S. 91-92.

Mitsch, Wolfgang 2015: Die Mordmerkmale nach einer Reform des § 211 StGB, in: Juristische Rundschau, Jg. 69, H. 4, S. 122-131.

Naucke, Wolfgang 2002: Strafrecht. Eine Einführung, 10. Aufl., Neuwied/Kriftel.

Ortner, Helmut 1993: Der Hinrichter. Roland Freisler – Mörder im Dienste Hitlers, Wien.

Plüss, Martina 2018: Der Mordparagraf in der NS-Zeit: Zusammenhang von Normtextänderung, Tätertypenlehre und Rechtspraxis – und ihr Bezug zu schweizerischen Strafrechtsdebatte, Tübingen.

Pollähne, Helmut 1998: Vorwärts in die Vergangenheit. Zur unheilvollen Renaissance der Sicherungsverwahrung, in: Forum Recht, Jg. 16, H. 4, S. 129-132.

Pollähne, Helmut 2008: Endstation Unrechtsstaat? Mit der Sicherungsverwahrung auf Zeitreise, in: Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hrsg.): Jahrbuch 2008, Münster, S. 122-141.

Pollähne, Helmut 2015: Verpasste Chance. Eine „Reform der Tötungsdelikte“ ist überfällig! in: freispruch, H. 7, S. 1-3.

Pollähne, Helmut 2016: Zu viel geopfert!? Eine Kritik der Viktimisierung in Kriminalpolitik und Strafjustiz, in: Strafverteidiger, Jg. 36, S. 671-678.

Pollähne, Helmut 2018: Exposition einer kriminalpolitischen Strafverteidiger-Position. Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, in: Schaede, Stephan/Koop, Gerd/Wirth, Wolfgang (Hrsg.): Für und Wider der lebenslangen Freiheitsstrafe? Eine lange Diskussion …, Wiesbaden, S. 84-105.

Pollähne, Helmut 2022: Lebenslange Freiheitsstrafe (LL), in: Feest, Johannes/Lesting, Wolfgang/Lindemann, Michael (Hrsg.): Strafvollzugsgesetze (AK-StVollzGe), 8. Aufl., Hürth, S. 1283-1296.

Rasch, Wilfried 1982: Angst vor der Abartigkeit? in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 2, H. 5, S. 177-183.

Rissing-van Saan, Ruth 2010: Das systematische Verhältnis von Mord und Totschlag und die Reform der Tötungsdelikte, in: Jahn, Matthias/Nack, Armin (Hrsg.): Rechtsprechung, Gesetzgebung, Lehre: Wer regelt das Strafrecht? Köln, S. 26-43.

Saliger, Frank 2015: Grundfragen einer Reform der Tötungsdelikte, in: Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik, Jg. 10, H. 12, S. 600-604.

Spoorendonk, Anke 2014: Die Lehre vom Tätertyp – Ist das Strafrecht NS-belastet? NS-Rechtserneuerer wollten ein gesinnungsethisches Täterstrafrecht, in: Recht und Politik, Jg. 50, H. 1, S. 42.

Uwer, Thomas/Schlieffen, Jasper von 2016: Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, Berlin.

Thomas, Sven 1985: Die Geschichte des Mordparagraphen: eine normgenetische Untersuchung bis in die Gegenwart, Bochum.

Wagner, Kay 2002: NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, Frankfurt am Main.

Walter, Tonio 2014: Vom Beruf des Gesetzgebers zur Gesetzgebung, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 14, H. 7, S. 368-376.

Anmerkungen:

i Vgl. zu den „Kapital“-Delikten www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/recht-a-z/323611/kapitaldelikt/; im US-amerikanischen Rechtskreis ist im Zusammenhang mit der Todesstrafe weiterhin von „capital punishment“ die Rede: en.wikipedia.org/wiki/Capital_punishment.

ii Dass § 255 StGB von einem „Täter“ spricht, der gleich einem „Räuber“ zu bestrafen sei, ist demgegenüber ein gesetzestechnischer Kunstgriff, der zudem eine andere Geschichte hat: Bereits in den §§ 250ff. des RStGB 1871 war in den Bezugnahmen auf den Raub-Tatbestand von „Räubern“ die Rede.

iii Nach anderen „Leitprinzipien“ zu suchen (Merkel 2015), kann hilfreich sein.

iv Dazu zum Beispiel Kammeier 1996, 113f. m. w. N.; am Beispiel gerade auch des Gesetzes „zur Änderung des Reichstrafgesetzbuchs“ vom 04. September 1941: „Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen: […]“ (RGbl. I S. 549).

v Zur Arbeit mit einschlägigen StGB-Kommentaren, deren Wurzeln in die NS-Zeit zurückreichen (zum Beipsiel Schönke/Schröder, 1. Aufl. 1942): vgl. Frommel 2023a.

vi Sogenannte Bereinigungsgesetz, genauer: Drittes Strafrechtsänderungsgesetz vom 04. August 1953 (BGBl. S. 735), dazu der Entwurf in BT-Drs. 1/3713, 18f.

vii Ausgerechnet mit einem Gesetz „zur weiteren Bereinigung von Bundesrecht“ vom 8. Dezember 2010 (BGBl. 1864, 1880) wurde nicht etwa das JGG endlich bundesweit bereinigt (nämlich vom NS-Jargon), sondern das Bundesrecht von „Extrawünschen“ eines untergegangenen „Unrechtsstaats“: Dem zugrundeliegenden Gesetzentwurf zufolge (BT-Drs. 17/2279, 48) handelte es sich bei „Zuchtmitteln“ auch lediglich um einen „antiquierten“ Begriff, der – immerhin – von einem Erziehungsverständnis zeuge, welches „das JGG eigentlich ablehnt“; da dies jedoch „keine sachlichen Auswirkungen“ habe, werde die „Maßgabe“ um der „Einheit des Rechtsraumes willen“ aufgehoben.

viii Mit einem Gesetzesantrag vom 25. März 2004 zur „Stärkung des Jugendstrafrechts …“ (BR-Drs. 238/04) wollten Niedersachsen und andere die „Zuchtmittel“ immerhin – wenn auch eher stiekum – streichen, daraus wurde aber nichts (vgl. auch die ablehnende Stellungnahme der Bundesregierung in BT-Drs. 15/3422, 22).

ix Der entsprechende Paragraf des DDR-StGB (§ 112) trug den „Mord“ zwar in der Überschrift, er fand im Normtext aber keine Erwähnung (und der „Mörder“ selbstverständlich erst recht nicht).

x Dass es auch in der aktuelleren Gesetzgebung tätertypologische Abwege gibt (Hauck 2016: 91 zu § 89a StGB), lässt es keinesfalls als „widersinnig“ oder gar „ideologisch motiviert“ erscheinen, die Änderung des § 211 StGB zu fordern (so aber Hauck 2016).

xi Die schleswig-holsteinische Initiative wurde in der Justizministerkonferenz lediglich „zur Kenntnis genommen“ (Eser 2015, 92) und blieb folgenlos.

xii Siehe nur Bausback/CSU gegen Maas (Deutsche Richterzeitung 2014, 248f.) und Winkelmeier-Becker/CDU gegen Ströbele (aaO 2016: 172f.); vgl. auch König 2017.

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