Publikationen / Mitteilungen / Mitteilungen Nr. 246

Landes­ver­band Baden-Würt­tem­berg

Mitteilungen24605/2022Seite 22-24

Brief an Aktive des Landes­ver­bandes vom 06.04.2022

Ich gebe den von Olaf hereingegebenen Link zum Interview von Jürgen Roth mit dem hpd zu seinem Austritt aus der HU an Euch weiter:
https://hpd.de/artikel/nur-noch-traditionspflege-20263
Die beim letzten Jour Fixe Anwesenden werden sich an die in unserer Runde gestellte Frage erinnern, ob jemand von uns dem unbehaglichen Eindruck an der PM des BuVo zum Urkraine-Krieg Ausdruck verleiht durch einen (schriftlichen) Aufschlag dazu.
Nun sind dem Verlauten nach mehrere Menschen wegen dieser PM aus der HU ausgetreten, neben Jürgen Roth der frühere (dito grüne) Datenschutzbeauftragte Peter Schaar und die (dito grüne) Claudia Roth.
Meiner Meinung nach verfehlt die PM den ganz schmalen Grad, der zwischen richtiger Entwicklungsanalyse des Konflikts und der politisch bürgerrechtlichen Verurteilung der russischen Aggression liegt. Eine Entwicklung verstehend darlegen, heißt nicht, diese auch zu billigen. Letzteres wird man der Autorenschaft der PM nicht vorwerfen dürfen.
Und diesen Vorwurf kennen wir alle, die wir fordern, etwa kriminelles Geschehen in seinem gesellschaftlichen Entstehungszusammenhang zu verstehen, oder als StrafverteidigerInnen das Verständnis vom Entstehen von schrecklichen Taten einfordern und in Abkehr vom Sühne- und Rachestrafrecht einer „angemessenen“ Bestrafung resp. Behandlung das Wort reden. Zu leicht wird da aus Verstehen unterstellte Rechtfertigung, gar Billigung.
Aber der PM ist der Vorwurf zu machen, der verstehenden Entwicklung bei Verurteilung der Aggression nicht den nicht nur platzmäßig nachrangigen Platz eingeräumt zu haben:
Die Entwicklung ist im Ergebnis wohl richtig dargestellt, die Aggression ist richtig verurteilt. Aber der Raum des Verständnisses ist in der PM zu einer sowohl-als-auch-Rechtfertigung der Aggression verstehbaren Erklärung geronnen. Das ist der Vorwurf, der der PM zu machen ist. Und da stimme ich Jürgen Roth voll zu, mit dem ich in früherer gemeinsamer Zeit im BuVo der HU nicht immer gleicher Meinung war, und das auch für viele andere Aussagen im Interview weiter gilt.
Eine ganz andere Sache ist, dass sich das Kriegsnarrativ seit Beginn des Krieges in unglaublich kurzer Zeit zum allumfassenden gesellschaftlichen Narrativ in unserer Gesellschaft entwickelt hat. Das wäre die Kritik, die ich in einer Stellungnahme der HU vermisse und die ich an einer Stellungnahme der HU zu einem kriegerischen Ereignisse zu äußern für notwendig halte. Über Nacht haben wir eine Kriegsrhetorik, und wir müssen schon 70 Jahre und mehr zurück gehen, um solches wieder aufzufinden.
Ich verweise auf die Einwürfe von Harald Welser vom Montag (05.04.2022, auf you tube nachzuhören.
https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/harald-welzer-ueber-die-rueckkehr-ueberholt-geglaubter-ansichten?id=12164768
Und verweise auf das Gegenmodell einer nicht in militärischen Kategorien vorgenommenen Annäherung an den Krieg in der Ukraine, wie er im Interview von Franz Alt mit Jürgen Grässlin vom Rüstungsinformationsbüro (RIB, Aktion Aufschrei etc.) und Monika Griefahn zum Audruck kommt.

Hier muss meiner Meinung aus bürgerrechtlicher Sicht angesetzt werden, denn wie das „kriegerische Narrativ“ – wenn’s denn nur ein „Narrativ“ wäre – stets weiter- und dann auch ausgeht, das hat uns die Geschichte unzählige Male geleert. Da stehen Menschen wie ich, die sich als Pazifisten verstehen, plötzlich recht einsam da und werden erst mal mit der Frage an die Wand genagelt, wie ich dies denn mit dem alliierten Krieg gegen Hitler-Deutschland sehe.
Abendlichen Gruß, und eine alptraumfreie Nacht wünscht Euch Allen
Udo Kauß, Freiburg

Automatisiertes Agieren in ungewissen sozialen Räume
Offene rechtspolitische Fragen im Kontext von (teil-)autonomem Fahren bis zu automatisierten Steuerbescheiden

Vortrag mit anschließender Diskussion im Rahmen der Vortragsreihe TACHELES

Zeit: Donnerstag, 12. 5. 2022, 19.15
Ort: Universität Freiburg, Kollegiengebäude I, Hörsaal 1098sowie als Livestream online unter strafrecht-online.org/tacheles

Bereits heute sind automatisierte Fahrerassistenzsysteme im öffentlichen Straßenverkehr zugelassen und vermehrt unterwegs (aktiver Spurhalte-, Spurwechselassistent; neues StVG, § 1a- 1j). Ihre Präsenz in ADAC-Testberichten, Videodemonstrationen (YouTube) und Bewertungsportalen sowie Unfallberichten werfen nicht nur offene Fragen bezüglich Verlässlichkeit, Sicherheit und Rechtsrahmung auf, sondern auch hinsichtlich gesellschaftlicher Akzeptanz, Zulassungsfähigkeit, Sicherung der Bürgerrechte und demokratiepolitischer Gestaltung der Systeme.

Der Vortrag führt ein in die steuerungs- und sicherheitstechnische Definition, Einordnung und institutionelle Rahmung (teil-)autonomen Fahrens, erläutert die Grenzen der Technik und verdeutlicht den grundlegenden Wandel von instrumenteller Technik hin zu plakativen Visionen ‚intelligenter‘ Systeme und Infrastrukturen. Sie agieren in offenen sozialen Kontexten, ‚lernen‘ anhand ihrer ‚Umgebung‘ und können entsprechend autonom und zielgerichtet ‚handeln‘: so die BMBF-Plattform Lernende Systeme mit ihren Experimentierfeldern und „Geschäftsmodellinnovationen“ in Form von öffentlich-privaten Dienstleistungsplattformen (ÖPP) in den Bereichen Mobilität, Gesundheit und Pflege, oder die automatisierte Steuerverwaltung mithilfe ELSTER. Anhand der Charakterisierung historisch entstandener Infrastruktursysteme und ihrer zugehörigen Rahmenbedingungen (Ordnungskonzepte, rechts /wirtschaftspolitische Regulierung, Norm(ier)ung) wird die diesen Systemen inhärente Formatierungs- und Konstitutionalisierungsmacht sozialer Räume aufgezeigt. Neben offenen zivil-/strafrechtlichen Haftungs- und Zurechnungsfragen werfen sie verfassungsrechtliche wie demokratiepolitische Fragen auf und fordern eine technische wie rechtliche und politische Accountability ein – auch hinsichtlich der mit der Skalierbarkeit der Systeme und ihrer Geschäftsmodelle verbundenen Verteilungs- und Sozialordnungseffekte. Begriffe aktueller EU-Rechtsrahmung Künstlicher Intelligenz, wie „vertrauenswürdige KI“, „solide Risiko-Methodik“, „Human-in-the-Loop“ oder „Daten-Governance“ werden damit ‚in Frage‘ gestellt.

Referentin: Dr. Eva Geisberger, Informatikerin und (Rechts)Soziologin, München, Leiterinder acatech-Studie agendaCPS – Integrierte Forschungsagenda Cyber-physical-Systems

 

50 Jahre „Radi­ka­len­er­lass“ – Hat er der Demokratie genützt?

Veranstaltung des DGB Südbaden, unterstützt von AKJ und der HU-Baden-Württemberg.

Termin: 25.05.2022, 19:00
Ort: Gewerkschaftshaus Freiburg,
Friedrichstraße 41-43, 79098 Freiburg

Der sogenannte Radikalenerlass von 1972, gemeinsam beschlossen von den Ministerpräsidenten der damaligen Bundesländer und Bundeskanzler Willy Brandt, löste eine systematische Überprüfung der Bewerber für den öffentlichen Dienst aus. Tausenden wurde der Zugang zu ihren Berufen verwehrt, Hunderte wurden entlassen. Der Erlass wurde Jahre später von Willy Brandt schlicht als „Fehler“ benannt, jedoch nie offiziell beerdigt. Heute, 50 Jahre danach, sind die von ihm Betroffenen weder rehabilitiert noch entschädigt.
Der Politikwissenschaftler Prof. Georg Fülberth, Autor zahlreicher Arbeiten zur aktuellen Politik ebenso wie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, beleuchtet die politischen Hintergründe des „Radikalenerlasses“ und versucht eine Bewertung der Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes.

 

 

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